| # taz.de -- Künstliche Intelligenz: Mensch, gib mir deine Daten | |
| > Die Entwicklung künstlicher Intelligenz ist ein altes Militärprojekt. Nun | |
| > sprechen Forscher von einer Revolution. Gefahr oder Chance? | |
| Bild: Der humanoide Kampfroboter „Atlas“ aus dem Hause Boston Dynamics – … | |
| Mensch: Worin besteht der Sinn des Lebens? | |
| Maschine: Einem höheren Gut zu dienen. | |
| Mensch: Worin besteht der Sinn zu sterben? | |
| Maschine: Ein Leben zu haben. | |
| Mensch: Was ist der Zweck von Intelligenz? | |
| Maschine: Herauszufinden, was das ist. | |
| Mensch: Welchen Zweck haben Gefühle? | |
| Maschine: Das weiß ich nicht. | |
| Diese Unterhaltung entstand während eines Forschungsprojekts von Google, | |
| dessen Ergebnis die Entwickler vor einigen Wochen veröffentlichten. Ein von | |
| ihnen konstruiertes künstliches neuronales Netzwerk hatte zuvor sein | |
| Sprachverständnis auf Basis von Filmuntertiteln erlernt. Danach führte das | |
| System Gespräche zu verschiedenen Themen mit den Forschern. | |
| Für Alan Turing wäre mit dieser Konversation womöglich der Beweis für | |
| Künstliche Intelligenz (KI) erbracht. Der Mathematiker knackte die | |
| Nazi-Chiffriermaschine Enigma und war an der Entwicklung der ersten | |
| elektronischen Computer beteiligt. 1936 beschrieb er erstmals formal und | |
| praktisch, was ein Algorithmus ist. Alan Turing dachte auch als einer der | |
| Ersten darüber nach, ob Maschinen Intelligenz erlangen könnten. Das war | |
| 1950, sechs Jahre bevor der Begriff „Künstliche Intelligenz“ bei einer | |
| Konferenz in Dartmouth geprägt wurde. | |
| Turing entwickelte einen Test zur Definition maschineller Intelligenz. Wenn | |
| bei einer verdeckten Konversation für einen Beobachter nicht unterscheidbar | |
| wäre, ob das Gespräch mit einer Maschine oder einem Menschen geführt wird, | |
| gelte der Test als bestanden. Für Turing reichte bereits die Imitation von | |
| Intelligenz – nicht zuletzt, weil damals wie heute die Frage ungeklärt ist, | |
| was Intelligenz überhaupt bedeutet. | |
| Abseits der Frage, wann man von Künstlicher Intelligenz (KI) sprechen kann, | |
| zeigen vom Menschen gemachte Systeme bereits erstaunliche Fähigkeiten. Im | |
| Juni 2015 etwa führten chinesische Wissenschaftler ein künstliches | |
| neuronales Netz vor, das auch bei einem herkömmlichen IQ-Test menschliche | |
| Leistungen im Sprachverständnis übertraf. | |
| ## Die Menschheitsgeschichte revolutionieren | |
| Die Leistungskurve künstlicher neuronaler Netze verleitet selbst | |
| zurückhaltende Informatiker dazu, von einer Revolution zu sprechen. Jürgen | |
| Schmidhuber zählt nicht zu den zurückhaltenden Wissenschaftlern. Wer mit | |
| dem Bayern reden möchte, muss nach Lugano reisen. Oberhalb der Altstadt, in | |
| Manno, steht ein hässlicher Klotz: Das [1][Istituto Dalle Molle di Studi | |
| sull’Intelligenza Artificiale (IDSIA)] wird von Schmidhuber geleitet. | |
| Der Mann, der mit seiner Schiebermütze an einen Golfspieler erinnert, | |
| erforscht seit fast 30 Jahren die Entwicklung künstlicher neuronaler Netze. | |
| Er ist einer der Pioniere. „Jetzt passiert etwas, was die | |
| Menschheitsgeschichte revolutionieren wird. All das, was gemeinhin mit | |
| Intelligenz assoziiert wird, wird von künstlichen neuronalen Netzwerken und | |
| ähnlichen Systemen erledigt werden. Das stellt den Menschen als Krone der | |
| Schöpfung infrage.“ | |
| Das Forschungsfeld ist in unüberschaubare Untergruppen zersplittert. | |
| Schmidhuber geht es um „Artificial General Intelligence“ (AGI). Er möchte | |
| also eine echte Künstliche Intelligenz erschaffen, die einmal so klug wie | |
| ein Mensch sein soll und: mit steigender Rechenleistung viel intelligenter. | |
| Schmidhuber ist überzeugt, dass seine Kinder das noch erleben werden. Diese | |
| Prognose geht von einer stetig wachsenden Rechenleistung aus. Gordon Moore | |
| entdeckte bereits 1965 eine bis heute gültige Regelmäßigkeit: Etwa alle | |
| zwei Jahre verdoppelt sich die Prozessorleistung, die pro Dollar zu | |
| bekommen ist. | |
| Ein Smartphone besitzt heute die gleiche Rechenpower wie ein | |
| Cray-Supercomputer aus den 1990er Jahren. Das Pentagon erwartet, dass | |
| „Computerprozessoren die Rechenleistung des menschlichen Gehirns | |
| wahrscheinlich in den 2020er Jahren erreichen werden“. Schmidhuber blickt | |
| noch weiter in die Zukunft: „In ein paar Jahrzehnten wird eine einzige | |
| relativ billige Maschine über die rohe Rechenkraft der gesamten Menschheit | |
| verfügen. Und es wird sehr viele solche Maschinen geben. Und dann hört es | |
| immer noch nicht auf. | |
| ## Eine „Cyborg-Ökonomie“ | |
| Die Durchbrüche bei künstlichen neuronalen Netzen basieren auf Arbeiten, | |
| die fast 40 Jahre alt sind. Was lange Zeit fehlte, waren Rechenleistung und | |
| ausreichend Daten, um die Netze zu trainieren. Das ist nun erreicht, und | |
| das macht Forscher wie Schmidhuber zuversichtlich. Andere, wie [2][Stephen | |
| Hawking], warnen nun vor den Gefahren solcher Systeme, die immer autonomer | |
| werden und immer mehr Bereiche der Gesellschaft durchdringen. | |
| Das Rückgrat ganzer Ökonomien fußt bereits auf ihnen. 30.000 Deals wurden | |
| an der New Yorker Stock Exchange 2013 verbucht – pro Sekunde. Über 70 | |
| Prozent des US-amerikanischen Börsengeschehens vollzieht sich bereits | |
| automatisiert. Der Wissenschaftshistoriker Philip Mirowski spricht von | |
| einer „Cyborg-Ökonomie“, einer Wirtschaft, die sich wie ein Thermostat | |
| selbst reguliert. Das Hongkonger Unternehmen Deep Knowledge Ventures | |
| ernannte eine Künstliche Intelligenz gar zum Aufsichtsrat. „Vital“ heißt | |
| das System, „Validating Investment Tool for Advancing Life Sciences“. Es | |
| gilt als gleichwertiges Mitglied im Aufsichtsgremium. | |
| Auch im Alltag sind wir von KI-Systemen umzingelt: Keine Suchanfrage bei | |
| Google ohne lernende Software, keine Empfehlungen bei Amazon ohne adaptive | |
| Systeme, kein Newsfeed bei Facebook ohne eine Form von KI. Bei künstlichen | |
| neuronalen Netzen handelt es sich um informationsverarbeitende Systeme, die | |
| bereits ohne Vorgaben eines Programmierers aus Rohdaten konkrete | |
| Informationen und Schlussfolgerungen ziehen. Es gibt Systeme, die aus | |
| tausenden medizinischen Studien inhaltliche Bezüge ableiten, die Texte und | |
| semantische Zusammenhänge zunehmend „verstehen“. | |
| ## Das Prinzip des Lernens imitieren | |
| Bei den besonders eigenständigen Systemen wurde ein verhaltenbiologisches | |
| Belohnungsprinzip eingebaut, das Lernen honoriert. Durch Versuch und Irrtum | |
| versuchen diese Systeme stets ihre Belohnung zu maximieren. Nebenbei lösen | |
| sie so Probleme. Es handelt sich um Systeme, die das Prinzip des Lernens | |
| als solches imitieren. Sie bauen aus vorher gelernten Fähigkeiten | |
| Erfahrungen auf, die als Grundlage zur Weiterentwicklung neuer Fähigkeiten | |
| dienen. Das macht ihre prinzipielle Universalität aus. Intelligenz meint | |
| hier die Fähigkeit, nahezu alle definierbaren Probleme lösen zu können. Der | |
| [3][“universelle Problemlöser“] ist seit jeher ein Ziel der KI-Forschung. | |
| In der Neuroinformatik beschreiben Neuronen eine mathematische Funktion. | |
| Ein solches Neuron besitzt jeweils eine Eingabefunktion (Input), eine | |
| Aktivierungsfunktion und eine Ausgabefunktion (Output). Input-Neuronen | |
| werden durch Sensoren aktiviert, die das System mit der Umwelt verbinden. | |
| Diese Aktivierung geben die Neuronen an die mit ihnen vernetzten Neuronen | |
| weiter, die dann ihrerseits aktiviert werden. | |
| Auf diese Weise werden Informationen über das gesamte Netz codiert. In | |
| diesem Zustand hat das Netz einen spezifischen Aktivierungszustand | |
| erreicht, der als „Gewichtung“ bezeichnet wird und konkreten Informationen | |
| entspricht. Akustische Signale, Abbildungen oder Buchstaben drücken sich in | |
| neuronalen Netzen als eine spezifische Aktivierung sehr vieler | |
| verschiedener Neuronen aus. | |
| Für einen solchen Vorgang wurde der Begriff [4][“Deep Learning“], | |
| Tiefenlernen, geprägt, weil neuronale Netze aus mehreren Lagen von | |
| Neuronenschichten zu Milliarden Vernetzungen gekoppelt sind. Sie können | |
| extrem komplexe Funktionen aus Rohdaten errechnen und lernen. Je | |
| leistungsfähiger die Netze werden, desto anspruchsvoller wird die | |
| mathematische Funktion, desto genauer „versteht“ das System etwa | |
| sprachliche Zusammenhänge. So können etwa Filmuntertitel als Datenbasis | |
| dienen, um Zusammenhänge zwischen einzelnen Wörtern zu entziffern und zu | |
| reproduzieren: Maschinen lernen sprechen. | |
| Den Schlüsselaspekt von Deep Learning erklärt Schmidhuber so: „Ich muss | |
| dieses System mit seinen vielen Millionen ‚Gewichten‘ nicht mehr explizit | |
| programmieren, dass es das Muster erkennt. Ich muss am Anfang nur ein paar | |
| Zeilen hinschreiben, nämlich den Lernalgorithmus, der dazu führt, dass aus | |
| den ganzen Trainingsbeispielen diese ‚Gewichte‘ extrahiert werden, die dazu | |
| führen, dass das System gut erkennt.“ | |
| ## „Big Data“ und Muster lesen | |
| Ein Kollege Schmidbauers ergänzt diese Beschreibung. Bernhard Schölkopf | |
| arbeitet als Gründungsdirektor am [5][Max-Planck-Institut für Intelligente | |
| Systeme in Tübingen]. Er sagt: „Es geht darum, auf der Basis von | |
| empirischen Beobachtungen auf darunter liegende Gesetzmäßigkeiten zu | |
| schließen. Das ist dann nötig, wenn es Gesetzmäßigkeiten in der Welt gibt, | |
| die zu kompliziert sind, als dass man sie explizit modellieren könnte. Also | |
| versucht man mit Lernalgorithmen automatisch mathematische Beschreibungen | |
| dieser Gesetzmäßigkeiten zu extrahieren.“ | |
| Die neuronalen Netze erkennen so Muster. Aus großen Datenmengen – „Big | |
| Data“, etwa den Pixelinformationen von Millionen Fotos oder Videos. Auch | |
| Sprachsignale sind Daten, die von neuronalen Netzen als Muster gelesen | |
| werden können. | |
| Die Menge an Daten wächst noch schneller als die Rechenleistung. Zunehmend | |
| sind es Daten von Menschen. Denn so, wie unser Körper bei jeder Bewegung | |
| Luft verdrängt, erzeugen wir heute ständig Daten, die berechenbar geworden | |
| sind. Dank Smartphone, „sozialer“ Medien und digitaler Vernetzung. So wird | |
| es möglich, soziale Phänomene und Gesetzmäßigkeiten wie in der | |
| experimentellen Physik zu erkunden. | |
| Mit den massenhaften Auswertungen von Tweets und Mitteilungen bei Facebook | |
| lassen sich Revolutionen erkennen, bevor sie entstehen, ebenso die | |
| Ausbreitung von Krankheiten oder die Entstehung bestimmter Krebsarten. Die | |
| Polizei nutzt weltweit Prognosesoftware, um Verbrechen vorherzusagen. | |
| ## Militärtechnologie sickert in die Gesellschaft | |
| Bei aller Faszination für die Chancen, die Künstliche Intelligenz | |
| ermöglichen: Ihre Ursprünge gehen auf das Militär zurück. Auf den gleichen | |
| kybernetischen Prinzipien, auf denen der Mathematiker Norbert Wiener die | |
| Prognose der Flugbahnen von Jagdfliegern entwickelt hatte, fußt später die | |
| Flugraumüberwachung oder die Raketenabwehr mit KI-Systemen. Und nach | |
| denselben Prinzipien und vergleichbarer Technologie werden heute Menschen | |
| durch die Analyse von Massendaten überwacht, ihr Verhalten prognostiziert. | |
| Der US-amerikanische Rüstungskonzern Lockheed bietet dieselbe | |
| KI-Technologie zur Raketenabwehr und zur Diagnose von Blutvergiftung an. | |
| Eine Technologie, die vom Militär entwickelt worden war, sickerte mit | |
| zunehmender Leistungsfähigkeit und Verbreitung des Computers in die | |
| Zivilgesellschaft. Es verwundert daher nicht, dass wir es gegenwärtig mit | |
| einer globalen Überwachung durch Regierungen und Konzernen gleichermaßen zu | |
| tun haben. | |
| Milliardenschwere Forschungsprogramme des Pentagons waren, wie bei der | |
| Entwicklung des Computers, für die Entstehung der KI maßgeblich. Die | |
| Erfindung und die Konstruktion des Internets finanzierte und koordinierte | |
| die [6][Defense Advanced Research Projects Agency], kurz: Darpa. Die | |
| Forschungsbehörde des Pentagons war 1958 als Schockreaktion auf den ersten | |
| Satelliten gegründet worden, den die UdSSR ins All schoss. Nie wieder | |
| sollten die USA derart überrascht werden. | |
| Unter US-Präsident Ronald Reagan verdoppelte sich der Rüstungsetat. 1983 | |
| setzte Darpa ein Programm auf, um eine „künstliche Superintelligenz“ für | |
| das US-Militär zu entwickeln, die als informationelle Basis das Internet | |
| hatte: „Strategic Computing Initiative“ (SCI) hieß es. Federführend war | |
| [7][Robert Kahn], der Mann, der auch die technischen Grundlagen des | |
| Internets entworfen hatte. Aus der SCI entwickelten sich später Programme, | |
| die den USA in den 1990er Jahren die Vormachtstellung bei Superrechnern | |
| sicherten. | |
| ## Die NSA würde in Daten ertrinken | |
| Nach dem 11. September 2001 entwickelte Darpa auf KI basierende | |
| Überwachungstechnologien, deren Einsatz Edward Snowden enthüllte. Die | |
| globale Überwachung durch Geheimdienste wie die NSA wäre ohne Künstliche | |
| Intelligenz nicht möglich. Die NSA würde in den Daten ertrinken. | |
| Mit dieser militärischen Forschung eng verknüpft ist der Aufstieg von | |
| Google. Die Erschaffung von Künstlicher Intelligenz war der Grund, warum | |
| Larry Page und Sergey Brin überhaupt eine Suchmaschine entwickelten. Mit | |
| einem solchen System ließe sich irgendwann eine echte Künstliche | |
| Intelligenz erreichen, glauben sie. Google dürfte mittlerweile der größte | |
| KI-Konzern sein. Kürzlich heuerten sie Geoffrey Hinton an, der mit viel | |
| Eigenwerbung als „Pate“ künstlicher neronaler Netze bezeichnet wird. Google | |
| schluckte 2014 für 400 Millionen Pfund auch das KI-Unternehmen Deep Mind. | |
| Zwei der vier Gründer von Deep Mind waren Schmidhubers Studenten. | |
| Die Central Intelligence Agency (CIA) unterstützte 1998 Sergey Brins | |
| Forschungsarbeit zum Bau einer Suchmaschine an der Stanford University auch | |
| [8][finanziell]. Man ließ sich von Brin regelmäßig über die Fortschritte | |
| informieren. Über ein Dutzend Robotikfirmen schluckte Google in den | |
| vergangenen Jahren – ein Teilbereich der Künstlichen-Intelligenz-Forschung. | |
| Darunter exklusive Vertragspartner der U.S. Army wie [9][Boston Dynamics], | |
| deren humanoide Militärroboter sich mittlerweile problemlos auf zwei Beinen | |
| durch unwegsames Unterholz kämpfen. | |
| Ein Produkt aus Googles Portfolio nennt sich „NIC“. Das steht für „Neuro… | |
| Image Caption Generator“, ein künstliches neuronales Netz, das | |
| Bilderkennung mit Spracherkennung kombiniert. Das Netz ist in der Lage, auf | |
| einem Bild die einzelnen Objekte zu erkennen und sprachlich zu beschreiben. | |
| Bei einem der Bilder entstanden folgende Beschreibungen: „Eine Gruppe | |
| junger Menschen spielt Frisbee.“ Oder: „Eine Herde Elefanten trottet über | |
| ein trockenes Grasfeld.“ Dieses System identifiziert nicht nur einzelne | |
| Objekte, es ist in der Lage, sie in Beziehung zu setzen und Aktionen zu | |
| erkennen. | |
| Ähnliche Ergebnisse erzielte das System des Stanford Artificial | |
| Intelligence Lab. Es ist in der Lage, Bilder mit Sätzen per Sprachausgabe | |
| zu beschreiben. Die Forscher vergleichen die Fähigkeiten des Systems mit | |
| denen eines dreijährigen Kindes. | |
| ## Die KI macht Konversation mit Kindern | |
| Echte Kinder wiederum arbeiten daran mit, solche Systeme zu testen und zu | |
| optimieren. Die Firma ToyTalk etwa bietet künstliche „Freunde“ zum | |
| App-Download an. „Charaktere für echte Konversation“ warten auf anregende | |
| Unterhaltung mit Kindern zwischen 6 und 8 Jahren. Es gibt inzwischen eine | |
| ganze Reihe solcher künstlicher Freunde. | |
| Zum Umgang mit den Daten steht in den Geschäftsbeziehungen, dass diese | |
| aufgezeichnet werden, auch akustisch. Sie werden teilweise transkribiert | |
| und ausgewertet. Die Firma Elemental Path bietet „CogniToys“ an. Zur | |
| Produktpalette gehört ein Plüschdino, mit dem sich Kinder unterhalten | |
| können. Das Gerät ist an die Cloud des KI-Systems [10][IBM-Watson] | |
| gekoppelt. Der Konzern investierte eine Milliarde Dollar und baute sein | |
| KI-System zu einer eigenen Sparte aus. | |
| Google-Forscher Geoffrey Hinton spricht im Zusammenhang von künstlichen | |
| neuronalen Netzen inzwischen gar von „Gedanken“, die solche Systeme | |
| entwickelten. Hinton sagte, ihm sei klar, dass diese Beschreibung | |
| kontrovers klinge. Doch er glaube, es sei möglich, [11][“Gedanken als | |
| Vektoren abzubilden“]. Vektoren sind Zahlenketten. | |
| Für Hintons Kollegen vom Max-Planck-Institut, Bernhard Schölkopf, klingt | |
| die Definition des „Gedanken-Vektors“ plausibel. „Jede neuronale Schicht | |
| hängt von einer Schicht davor ab, durch die Informationen hereinkommen. Man | |
| kann also sagen, jede Schicht ist eine Repräsentation dessen, was gerade | |
| bearbeitet wird. Nur, dass die Repräsentation zunehmend vom Input der | |
| Sensordaten entfernt ist. Die vorletzte Schicht lässt sich durchaus als ein | |
| ‚Gedanken-Vektor‘ – also eine Zahlenkette – beschreiben, weil dieser al… | |
| vorhergehenden Verarbeitungen repräsentiert.“ Die letzte Schicht besteht | |
| aus Ausgabe-Neuronen, die dann etwa ein Objekt identifizieren: „Das ist ein | |
| Elefant.“ | |
| ## KI soll Gefühle erkennen | |
| Für Geoffrey Hinton ist dies der Schlüssel, mit dem die Systeme natürliche | |
| Sprachen und logisches Denken erlernen können. Mit den „Gedanken-Vektoren“ | |
| lassen sich Wörter als komplexe Zahlenketten repräsentieren, die sie | |
| innerhalb eines sprachlichen „Bedeutungsraums“ einnehmen: „Wenn Sie den | |
| Vektor für Paris nehmen und den Vektor für Frankreich abziehen und jenen | |
| von Italien hinzufügen, erhalten sie Rom“, erklärt Hinton. | |
| Künstliche Intelligenz soll aber auch lernen, Gefühle zu erkennen. | |
| „Affective Computing“, nennt sich der Bereich, der nach Mustern sucht, die | |
| sich als Emotionen decodieren lassen. Bei einem Ansatz geht es darum, mit | |
| Gesichtserkennungssoftware Gefühle visuell zu detektieren. Das in den | |
| späten 1970er Jahren entwickelte „Facial Action Coding System“ (FACS) fußt | |
| auf einem 500 Seiten starken Gefühlsatlas von Gesichtsausdrücken. | |
| Informatiker in der Computeranimation verwenden dies heute ebenso wie die | |
| Polizei. | |
| Ein anderes Verfahren untersucht die Verwendung bestimmter Wörter und deren | |
| Beziehung zueinander, aber auch die Art, wie wir Menschen sprechen: Pausen, | |
| Rhythmen, Intonation, Lautstärken. Auf Grundlage psychologischer und | |
| linguistischer Modelle klassifizieren künstliche neuronale Netze Emotionen. | |
| Die deutsche Firma [12][Psyware] etwa hat eine KI-Software entwickelt, die | |
| anhand der Stimmmuster von Menschen Persönlichkeitsprofile errechnet. | |
| Die Ergebnisse seien objektiver als jene, die Psychologen lieferten. „Denn | |
| wie wir sprechen, das können wir kaum bewusst steuern, sobald wir länger | |
| als ein paar Minuten reden“, sagte einer der Entwickler in einem Interview. | |
| Das Ziel sei „kein geringeres, als Maschinen dieses Wissen einzupflanzen. | |
| Sie sollen verstehen lernen, wie der Mensch funktioniert.“ | |
| ## Der größte und letzte Moment der Geschichte | |
| Im vergangenen Jahr warnte der Physiker Stephen Hawking in einem offenen | |
| Brief davor, die Risiken, die von Künstlicher Intelligenz ausgehen, zu | |
| unterschätzen. Das wäre „der größte Fehler in der Geschichte“. Alles, w… | |
| Menschen hervorgebracht hätten, sei ein Produkt des Intellekts. Daher wäre | |
| auch die Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz „der größte Moment in | |
| der Geschichte der Menschheit“, womöglich jedoch „der letzte“. | |
| Eine KI wäre uns – dank Gordon Moores Gesetz – bald weit überlegen. Vor | |
| Kurzem veröffentlichte Hawking erneut eine [13][Warnung], die sich auf den | |
| militärischen Einsatz Künstlicher Intelligenz bezieht. Hunderte von | |
| Wissenschaftlern schlossen sich dem Appell an, den schließlich 16.000 | |
| unterzeichneten. Darin wurde KI als „dritte Revolution der Kriegsführung“ | |
| nach Schwarzpulver und Nuklearwaffen bezeichnet. | |
| Entstünde eine Superintelligenz, schrieben Stephen Hawking und seine | |
| Kollegen, könnte „sie Finanzmärkte überlisten, ebenso Forscher, sie würde | |
| menschliche Führungspersönlichkeiten manipulieren und Waffen entwickeln, | |
| die wir nicht mehr verstehen können“. Eine Maschine mit den kognitiven | |
| Fähigkeiten eines Menschen würde anfangen, sich selbst zu optimieren, immer | |
| wieder und immer schneller – eine „Intelligenzexplosion“ wäre die Folge. | |
| Davor warnte der Mathematiker Irving John Good schon 1965, er war | |
| Chefstatistiker der Gruppe um Alan Turing, die im Zweiten Weltkrieg Enigma | |
| knackte: „Die erste ultraintelligente Maschine ist also die letzte | |
| Erfindung, die der Mensch je machen muss, vorausgesetzt, die Maschine ist | |
| fügsam genug, um uns zu sagen, wie man sie unter Kontrolle hält.“ | |
| Kai Schlieter leitet das Ressort Reportage und Recherche der taz. Sein Buch | |
| „Die Herrschaftsformel: Wie Künstliche Intelligenz uns berechnet, steuert | |
| und unser Leben verändert“ erscheint am 25. September 2015 im Westend | |
| Verlag | |
| 18 Sep 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.idsia.ch/ | |
| [2] http://www.independent.co.uk/news/science/stephen-hawking-transcendence-loo… | |
| [3] https://en.wikipedia.org/wiki/General_Problem_Solver | |
| [4] http://people.idsia.ch/~juergen/deeplearning.html | |
| [5] http://www.is.mpg.de/de | |
| [6] http://www.darpa.mil/ | |
| [7] https://en.wikipedia.org/wiki/Bob_Kahn | |
| [8] https://medium.com/insurge-intelligence/how-the-cia-made-google-e836451a959e | |
| [9] https://www.youtube.com/watch?v=M8YjvHYbZ9w | |
| [10] http://www.ibm.com/smarterplanet/us/en/ibmwatson/what-is-watson.html | |
| [11] http://www.theguardian.com/science/2015/may/21/google-a-step-closer-to-dev… | |
| [12] http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/software-erkennt-persoenl… | |
| [13] http://futureoflife.org/AI/open_letter_autonomous_weapons | |
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