# taz.de -- Debatte Deutsche Militärpolitik: Wir ziehen in den Krieg | |
> Welche Ziele verfolgt die Regierung mit ihren Einsätzen? Wie begründet | |
> sie die Militärinterventionen? Sie begründet sie nicht. Und fast alle | |
> sind zufrieden. | |
Bild: Die Bundeswehr: eine starke Truppe. | |
Der Versuch, aus verschiedenen Anzeichen die Motive und Pläne der | |
sowjetischen Führungsspitze abzulesen, wurde früher Kremlastrologie genannt | |
– notwendig in einer Diktatur, in der Politiker ihre Handlungen nicht | |
erklären. In Demokratien ist es üblich, dass Positionen begründet und | |
beworben werden, schon aus Angst vor der Opposition und den nächsten | |
Wahlen. Das scheint in Zeiten der Großen Koalition anders zu sein. Außer | |
wolkigen Kalendersprüchen war von den Verantwortlichen zum neuen Kurs der | |
Militärpolitik bisher nichts zu hören. Werden weitere Erklärungen vermisst? | |
Offenbar nicht. | |
Alles begann damit, dass Bundespräsident Gauck tat, was nicht seines Amtes | |
ist. Mit seinem Appell, Deutschland möge sich künftig militärisch stärker | |
in Krisenregionen engagieren, definierte er die Richtlinien einer neuen | |
deutschen Außenpolitik. Diese Einmischung ins Tagesgeschäft entspricht | |
nicht seinem Verfassungsauftrag, aber das fiel bei all den Schlachtrufen | |
gar nicht weiter auf. Schließlich sind der sozialdemokratische | |
Außenminister und die christdemokratische Verteidigungsministerin ja ganz | |
seiner Meinung. Was geht in ihnen vor? | |
Darüber lässt sich fabelhaft spekulieren. Vielleicht sollen die Beziehungen | |
zu Frankreich verbessert werden. Oder die zu den USA. Vielleicht geht es | |
auch um eine Stärkung der Europäischen Union. Oder Ursula von der Leyen | |
möchte beweisen, dass man auch mit einer familienfreundlichen Armee kämpfen | |
kann. Alles möglich. Man weiß es eben nicht. Man weiß ja nicht einmal, | |
wohin es eigentlich gehen soll, vom Mandat ganz zu schweigen. In die | |
Zentralafrikanische Republik? Nach Syrien? Oder vielleicht doch in den | |
Südsudan? Mal sehen. Die Diskussion über die neue Militärdoktrin ist völlig | |
abstrakt. | |
Halt – welche Diskussion? Eine Diskussion findet nicht statt. Vielmehr wird | |
ein Axiom gesetzt, und Axiome müssen nicht begründet werden. Bei früheren | |
deutschen Militäreinsätzen von Somalia bis Afghanistan wurde sehr konkret | |
über völkerrechtliche Aspekte eines Einsatzes gestritten, über die | |
Legitimität eines Krieges, über die Frage, ob der jeweilige Konflikt mit | |
militärischen Mitteln überhaupt zu lösen sein würde. Davon ist keine Rede | |
mehr. Wie auch, wenn niemand weiß, wohin der Marsch gehen soll. | |
„Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option“, erklär… | |
die Verteidigungsministerin. Als sei jeder Widerstand gegen Krieg dasselbe | |
wie Gleichgültigkeit. Und da geht kein Aufschrei durchs Land? Nein, da geht | |
kein Aufschrei durchs Land. Eine so ungeheuerliche Unterstellung wird | |
weitgehend – ja, genau – gleichgültig zur Kenntnis genommen. | |
## Viele Fehlschläge | |
Dabei müssten die Erfahrungen, die seit mehr als zwei Jahrzehnten mit | |
Militärinterventionen gesammelt wurden, abschreckend wirken. Somalia, | |
Afghanistan, Irak, Libyen: alles Fehlschläge. Und nicht einmal die Lage im | |
Kosovo ist konsolidiert. Dabei wird der Einsatz dort gemeinhin als Erfolg | |
bezeichnet und der damit verbundene Bruch des Völkerrechts achselzuckend | |
als Kollateralschaden hingenommen. | |
Wenn man konkret werden will, kann und sollte man auf die | |
Zentralafrikanische Republik schauen. Was dort geschieht, gehört zum | |
Brutalsten und Widerlichsten, was sich seit dem Völkermord in Ruanda auf | |
der Welt ereignet hat. Aber es ist sehr fraglich, ob ausländische Truppen | |
dazu beitragen könnten, dem Grauen dort ein Ende zu bereiten. Schon | |
deshalb, weil beide Seiten schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, sich | |
also nur schwer unterscheiden lässt, wer Täter und wer Opfer ist. | |
Macht ja nichts, dann wenden wir uns eben einem anderen Krisenherd zu, um | |
unsere Verantwortungsbereitschaft unter Beweis zu stellen. Was für ein | |
Zynismus. Auch, aber wahrlich nicht nur, weil es bei jeder Entscheidung für | |
eine Intervention eben um Menschenleben in der Bevölkerung der betroffenen | |
Region und unter Soldaten geht. Aus Afghanistan werden Zinksärge nach | |
Deutschland geflogen. | |
9 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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