# taz.de -- Kriegsverbrechen im Kosovo: Ein Sondergericht soll‘s richten | |
> Das Tribunal soll Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg ahnden. Dafür | |
> beschloss das kosovarische Parlament eine Verfassungsänderung. | |
Bild: Premierminister Isa Mustafa und Außenminister Hashim Thaci bei der Absti… | |
Pristina afp | Das Parlament des Kosovo hat der Einrichtung eines | |
Sondergerichts zur Ahndung von Kriegsverbrechen während des | |
Unabhängigkeitskriegs zugestimmt. Von 120 Abgeordneten stimmten nach | |
erhitzter Debatte am Montag 82 für die dafür erforderliche Änderung der | |
Verfassung. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde erreicht. Das Kosovo | |
steht seit Jahren unter starkem Druck insbesondere der USA und der | |
Europäischen Union, das Sondertribunal einzurichten. Bei einer Abstimmung | |
Ende Juni war die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit noch verfehlt worden. | |
Das Sondergericht soll Kriegsverbrechen ahnden, die von der Befreiungsarmee | |
des Kosovo (UCK) und anderen Konfliktparteien während des Kosovokriegs | |
1998/99 begangen wurden. Der Sonderberichterstatter des Europarats, Dick | |
Marty, hatte in einem 2011 von der [1][Parlamentarischen Versammlung des | |
Europarats angenommenen Bericht der UCK vorgeworfen], während des Kriegs | |
standrechtliche Erschießungen und Entführungen begangen sowie Gefangenen | |
Organe entnommen und verkauft zu haben. | |
In dem Bericht wurde auch der Name des ehemaligen UCK-Kommandeurs Hashim | |
Thaci, genannt, der von 2008 bis 2014 erster Regierungschef der Republik | |
Kosovo war. Diese wird zu mehr als 95 Prozent von ethnischen Albanern | |
bevölkert. | |
Während sich der Ministerpräsident Isa Mustafa am Montag unmittelbar vor | |
der Abstimmung für das Sondertribunal aussprach, boykottierte die | |
Opposition die Wahl. Mustafa rief nach dem Votum eine Kabinettssitzung für | |
den späten Abend ein, bei der ein Gesetzentwurf für das Sondertribunal | |
ausgearbeitet werden sollte. Es gilt als sicher, dass das Parlament den | |
Gesetzentwurf verabschiedet. Dies wiederum ist Voraussetzung dafür, dass | |
Anklage gegen bereits Beschuldigte erhoben werden kann. | |
## Heikle Verfahren im Ausland | |
Das unter der Schirmherrschaft der EU stehende Sondergericht dürfte Anfang | |
2016 erstmals zusammentreten. Es soll Teil des Justizsystems des Kosovo | |
sein, besonders heikle Verfahren werden jedoch voraussichtlich im Ausland | |
stattfinden, wobei ein EU-Staat als wahrscheinlichster Standort gilt. | |
Dem Marty-Bericht zufolge misshandelte, folterte und tötete die UCK rund | |
500 Gefangene, mehrheitlich Serben und Roma. Besonders der Vorwurf des | |
Organhandels war kontrovers. Im Kosovo gelten die UCK-Kämpfer vielen | |
weiterhin als Helden. | |
Der Konflikt zwischen der UCK und der serbischen Armee war im Juni 1999 | |
nach dem Nato-Luftkrieg und dem Rückzug der Serben aus dem Kosovo zu Ende | |
gegangen. In dem Konflikt, der im Jahr 1998 begonnen hatte, kamen | |
mindestens 13.000 Menschen ums Leben, | |
2008 erklärte sich das Kosovo, das zunächst unter UN-Verwaltung gestanden | |
hatte, einseitig für unabhängig von Serbien. Die serbische Regierung und | |
die Kosovo-Serben erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos nicht an. Doch | |
eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Pristina und Belgrad ist die | |
Voraussetzung für den von Serbien gewünschten Beitritt zur Europäischen | |
Union. Auch die Kosovo-Regierung strebt die Aufnahme in die EU an. | |
4 Aug 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Kosovos-Regierungschef-Thaci-in-Bedraengnis/!5130351/ | |
## TAGS | |
Sondertribunal | |
Kosovo | |
Kriegsverbrechen | |
Kosovo | |
Serbien | |
Außenpolitik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kriegsverbrechen im Kosovo: Nichts außer Mord und Folter | |
US-Ermittler haben keine Beweise für eine Beteiligung der UCK am | |
Organhandel. Zehn von ihnen droht eine Anklage wegen anderer | |
Kriegsverbrechen. | |
Serbische Paramilitärs verurteilt: Mord und Vergewaltigungen | |
Neun serbische Paramiltärs sind in Belgrad zu mehrjährigen Haftstrafen | |
verurteilt worden. Sie sollen mindesten 109 Kosovo-Albaner umgebracht | |
haben. | |
Debatte Deutsche Militärpolitik: Wir ziehen in den Krieg | |
Welche Ziele verfolgt die Regierung mit ihren Einsätzen? Wie begründet sie | |
die Militärinterventionen? Sie begründet sie nicht. Und fast alle sind | |
zufrieden. |