| # taz.de -- Asylhandel spaltet die Grünen: Das Zünglein an der Waage | |
| > Die Grünen streiten über das Asylrechtsgesetz. Aber darf man | |
| > Verbesserungen für hier lebende Flüchtlinge mit einem verschärften | |
| > Asylrecht erkaufen? | |
| Bild: Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann besuc… | |
| BERLIN taz | Der Berliner Flüchtlingsrat ruft für Freitagfrüh unter dem | |
| Motto „Gegen die Verschärfung des Asylrechts“ zum Protest vor dem Bundesrat | |
| auf. Dort steht der Gesetzentwurf zur Abstimmung, der Serbien, | |
| Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt. | |
| Asylanträge aus so kategorisierten Ländern werden in der Regel als | |
| offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Bundestag hat das Gesetz mit den | |
| Stimmen der Großen Koalition schon verabschiedet. | |
| Gewöhnlich sind die Grünen bei solchen Protesten dabei. Jetzt richten sie | |
| sich an führende Mitglieder der Partei. Von den sieben Ländern mit grüner | |
| Regierungsbeteiligung hängt es ab, ob das Gesetz am Freitag beschlossen | |
| wird. Es reicht die Zustimmung von einem von ihnen. | |
| Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) soll die Grünen für einen | |
| Kompromiss gewinnen. Bei einem Gespräch im Juli deutete er Entgegenkommen | |
| an: Man könne mehr syrische Flüchtlinge aufnehmen, auch über die | |
| Vorrangprüfung ließe sich reden. Danach dürfen Asylbewerber und Geduldete | |
| einen Job nur dann übernehmen, wenn es weder einen deutschen noch einen | |
| EU-Bewerber gibt. | |
| Fällt sie weg, würden 150.000 Flüchtlinge davon profitieren. Auch über das | |
| Asylbewerberleistungsgesetz wurde gesprochen. Und über Entlastung für die | |
| Länder und Kommunen. Ein verbindliches Angebot aber, so heißt es bei den | |
| Grünen, gab es bis zum Dienstagnachmittag nicht. | |
| Das vierköpfige grüne Verhandlungsteam unter der Federführung der | |
| rheinland-pfälzischen Staatssekretärin Margit Gottstein steckt in einem | |
| Dilemma. Flüchtlingspolitik ist eine Herzensangelegenheit der Partei. Als | |
| 1993 mit dem umstrittenen Asylkompromiss die sicheren Herkunftsländer | |
| eingeführt wurden, waren die Grünen strikt dagegen. Eine Aushöhlung des | |
| individuellen Grundrechts auf Asyl lehnten sie ab. | |
| Und heute? Darf man eine Verbesserung der Lebensbedingungen hier lebender | |
| Flüchtlinge mit einer Verschärfung des Asylrechts erkaufen? Darf man | |
| darüber überhaupt verhandeln? Darüber tobt bei den Grünen ein heftiger | |
| Streit. | |
| ## Keine Kompromisse | |
| Ein Aufruf, den drei Grüne, darunter die Europaabgeordnete Ska Keller, | |
| unter dem Titel „Das Recht auf Asyl gilt ohne Kompromisse“ initiierten, | |
| appelliert an die Grünen in den Ländern, nein zu sagen. 60 grüne | |
| ErstunterzeichnerInnen hat der Appell, darunter zahlreiche Abgeordnete, | |
| auch die ehemalige Parteichefin Claudia Roth ist dabei. Inzwischen haben | |
| mehr als tausend Menschen unterschrieben. | |
| Mit der geplante Regelung will die Bundesregierung die Dauer des | |
| Aufenthalts von Asylbewerbern aus Serbien, Bosnien und Mazedonien in | |
| Deutschland verkürzen. Denn während der Bearbeitung ihres Antrags haben | |
| Flüchtlinge Anspruch auf Sozialleistungen, Unterbringung und medizinische | |
| Notversorgung. In den ersten acht Monaten dieses Jahres kam jeder sechste | |
| Asylantrag aus diesen Ländern – insgesamt waren es 16.413 Personen. Nur 0,3 | |
| Prozent wurden anerkannt. | |
| Anträge aus sicheren Herkunftsländern können ohne individuelle Begründung | |
| umgehend als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Die abgelehnten | |
| Antragsteller müssen binnen einer Woche ausreisen, ihre Möglichkeiten, | |
| juristisch gegen die Ablehnung vorzugehen, sind drastisch eingeschränkt. | |
| Klagen sie, entscheiden Verwaltungsgerichte nur summarisch nach Aktenlage. | |
| Die Abschiebung kann umgehend vollzogen werden. | |
| ## Verhandlungs- und kompromissbereit | |
| Zur Zustimmung seien deutliche Verbesserungen für Flüchtlinge notwendig, | |
| hört man denn auch aus grünen Verhandlungskreisen. Baden-Württembergs | |
| Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der selbst nicht in der | |
| Verhandlungsgruppe sitzt, sagte gestern aber auch: „Wir sind verhandlungs- | |
| und kompromissbereit.“ | |
| Aus der Verhandlungsgruppe selbst will sich niemand äußern. Mit | |
| Festlegungen verhandelt es sich eben nicht gut, und derzeit laufen die | |
| Drähte zwischen Grünen in den Ländern und dem Kanzleramt heiß. | |
| Es wäre nicht das erste Mal, dass die Grünen Verschärfungen des Asylrechts | |
| zustimmen. Die rot-grüne Koalition hat 2005 das Asylrecht reformiert. | |
| Nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung wurde damals als | |
| Asylgrund eingeführt. | |
| ## Nachfluchtgründe abgeschafft | |
| Die Zustimmung dafür erkauften die Grünen von Exinnenminister Otto Schily | |
| (SPD) aber mit der Abschaffung der sogenannten Nachfluchtgründe. Bis 2005 | |
| konnten Flüchtlinge im Falle ihrer Ablehnung einen weiteren Asylantrag | |
| stellen und geltend machen, dass sie auch im deutschen Exil politisch aktiv | |
| sind. Für viele war das die Rettung. | |
| In die Zeit der rot-grünen Koalition fällt auch die Einführung der | |
| europäischen Dublin-II-Regelung. Seitdem gilt EU-weit: Nur im ersten Land | |
| des Grenzübertritts kann Asyl beantragt werden. Die Folgen für die Staaten | |
| an den EU-Außengrenzen waren verheerend. | |
| Scheitert das Gesetz am Freitag im Bundesrat, kann der | |
| Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat angerufen werden. In | |
| diesem Gremium hat die große Koalition eine Mehrheit, es kann Empfehlungen | |
| für das weitere Verfahren aussprechen. Wenn es dumm läuft, könnte nach den | |
| drei Wahlen im Osten auch die Mehrheit im Bundesrat kippen. | |
| Sollte künftig nicht mehr Rot-Rot in Brandenburg regieren, sondern eine | |
| Große Koalition, dann hat sich die Blockademöglichkeit der Grünen im | |
| Bundesrat erledigt. | |
| 17 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
| Sabine am Orde | |
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