| # taz.de -- ASYL: Neustart nach Kapitulation | |
| > Die Erstanlaufstelle für Flüchtlinge ist wieder geöffnet, die Zahl der | |
| > Mitarbeiter wurde fast verdoppelt. Bis Ende der Woche wird in längeren | |
| > Schichten gearbeitet. | |
| Bild: Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Montag im Lageso | |
| Zelte der Stadtmission stehen unter hohen Bäumen auf dem Rasen, davor | |
| sitzen Männer und Frauen auf Bänken oder der Wiese und unterhalten sich in | |
| verschiedenen Sprachen. Kinder spielen mit Bällen und bunten Luftballons, | |
| eine Schwester der Stadtmission in Ordenstracht teilt Zwieback an sie aus. | |
| Auf den ersten Blick wirkt die Szene vor dem Landesamt für Gesundheit und | |
| Soziales (Lageso) an der Moabiter Turmstraße wie ein buntes | |
| interkulturelles Fest. | |
| Doch die Menschen hier warten nicht auf den Auftritt der nächsten | |
| Volkstanzgruppe, sondern darauf, dass sie endlich ihren Asylantrag stellen | |
| können. | |
| Drei Tage lang hatte das Lageso, Berlins Erstanlaufstelle für | |
| AsylbewerberInnen, in der vergangenen Woche geschlossen. Die | |
| außerordentliche Maßnahme war eine Kapitulation vor einer Zahl von | |
| Asylerstanträgen, die jede Prognose übertraf: Mit 140.000 neuen | |
| AsylbeweberInnen hatte das Bundesamt für Asyl, Migration und Flüchtlinge | |
| (BAMF) für das Jahr 2014 eigentlich gerechnet, erläuterte Sozialsenator | |
| Mario Czaja (CDU) am Montag auf einer Pressekonferenz im wiedereröffneten | |
| Lageso. Das wären nach dem Schlüssel zur Verteilung auf die Bundesländer | |
| 7.000 für Berlin gewesen – gut 600 Erstanträge pro Monat, etwa 30 pro Tag. | |
| „Doch wir hatten bereits im Juli über 1.000, im August 1.150, und in den | |
| ersten Septembertagen bis Mittwoch 300 Anträge.“ Dann wurde das Amt | |
| geschlossen. | |
| „Hoher Krankenstand bei den MitarbeiterInnen“ durch Überlastung und | |
| mangelnde Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge seien die | |
| Hauptgründe gewesen, die Anlaufstelle zu schließen, so Czaja am Montag. Für | |
| Neuankömmlinge hieß das, sich mehrere Tage lang selbst durchzuschlagen: | |
| Manche kamen bei Freunden unter, andere in Kirchen oder Parks. | |
| Dafür ist die Stimmung am Montag erstaunlich gelassen unter den gut 300 | |
| Wartenden. Zwar wird jeder, der mit Block und Stift durch die Menge läuft, | |
| mit Fragen bestürmt: „Excuse me, are you social worker?“ Doch die Ansprache | |
| ist freundlich, die Menge geduldig. | |
| Geduld werden die Wartenden auch weiterhin brauchen. Denn viel hat Czaja | |
| mit seiner Zwangsschließung nicht erreicht. Man werde „in den nächsten | |
| Tagen“ in 12-Stunden-Schichten von acht bis acht arbeiten, so der Senator: | |
| „So lange, wie das nötig ist, aber nicht länger als bis Ende der Woche.“ … | |
| neue MitarbeiterInnen sollen die bisherigen 25 künftig unterstützen: Nicht | |
| wenig, aber deren Einstellung war bereits seit Mai beschlossen und konnte | |
| jetzt nur etwas vorgezogen werden. Aktuell mithelfen können die neuen | |
| Kräfte noch nicht: Sie würden erst eingearbeitet, erklärt Claudia Schütz | |
| vom Lageso. | |
| Immerhin konnten in den wenigen Tagen 500 neue Unterbringungsplätze | |
| eingerichtet werden. Über 10.000 Plätze in Flüchtlingsheimen habe Berlin | |
| damit jetzt, lobt Czaja seine MitarbeiterInnen. 5.500 seien es noch vor 20 | |
| Monaten gewesen. | |
| Dass seine Behörde auch damit den weiter steigenden Flüchtlingszahlen nicht | |
| gerecht werden kann, weiß der Senator. Er sieht die Lösung in zwei | |
| Maßnahmen: Das BAMF müsse Asylanträge schneller bearbeiten – wer anerkannt | |
| oder endgültig abgelehnt ist, hat keinen Anspruch mehr auf Unterbringung. | |
| Und: Die geplante Änderung des Asylrechts müsse so schnell wie möglich | |
| umgesetzt werden, so Czaja. Damit würden etwa Bosnien und Mazedonien zu | |
| sicheren Drittstaaten erklärt, Asylanträge von dortigen StaatsbürgerInnen | |
| nicht mehr angenommen: „Das wäre eine Entlastung unserer Arbeit um 35 bis | |
| 40 Prozent.“ | |
| Argumente gegen die Änderung wie etwa, dass es sich bei den Flüchtlingen | |
| aus diesen Ländern meist um dort diskriminierte Roma handele, bereiten ihm | |
| keine Skrupel: Die Anerkennungsquote von AsylbewerberInnen aus diesen | |
| Ländern läge bereits jetzt nur „bei 0,01 Prozent“. Bosnien und Serbien | |
| stehen auf Platz 2 und 3 der Liste der Länder, aus denen die meisten | |
| Flüchtlinge kommen. Platz 1 hat Syrien inne, Platz 4 der Irak. | |
| Dass sich die Fluchtgründe in deren Region nicht so schnell auflösen | |
| werden, sieht Czaja auch. Noch am späten Montagnachmittag war er deshalb | |
| zum Gespräch mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) verabredet, am | |
| Dienstag will er die Probleme im Senat besprechen. Und die Zelte vor dem | |
| Lageso sollen zunächst stehen bleiben. Die MitarbeiterInnen der | |
| Stadtmission arbeiten ehrenamtlich und kostenlos. | |
| 8 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
| ## TAGS | |
| Asylrecht | |
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