| # taz.de -- Protest gegen Energie- und Sozialpolitik: Wem gehört der Montag? | |
| > Die Linke ruft zu einem „heißen Herbst“ auf, am Montag will die | |
| > Parteispitze in Leipzig demonstrieren. Auch die AfD und andere Rechte | |
| > wollen kommen. | |
| Bild: Nicht ganz Massenbewegung: Linke Wissler am Dienstag mit etwa 200 Mensc… | |
| Leipzig/Frankfurt (Oder) taz | Sören Pellmann hat für das Gespräch einen | |
| geschichtsträchtigen Raum gewählt. Er sitzt im Karl-Liebknecht-Haus in der | |
| Leipziger Südvorstadt, der Geschäftsstelle der Leipziger Linken. Hier lebte | |
| einst der SPD-Gründer Wilhelm Liebknecht, hier wurde sein Sohn Karl | |
| geboren. Pellmann, direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der Linken, der | |
| zuletzt erfolglos versuchte, auch Parteichef zu werden, hat im ehemaligen | |
| Wohnzimmer der Familie Liebknecht Platz genommen. Der 45-Jährige trägt ein | |
| schwarzes T-Shirt und dunkelblaue Jeans. Er hat in diesen Tagen viel zu | |
| tun. | |
| Am Montag, 5. September, will Pellmann in Leipzig auf dem Augustusplatz | |
| stehen. Und mit ihm die Parteispitze: der Linken-Vorsitzende Martin | |
| Schirdewan, Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, Publikumsliebling Gregor | |
| Gysi. „Heißer Herbst gegen soziale Kälte“ lautet der Titel, den Pellmann | |
| für die Kundgebung gewählt hat. Vor gut zwei Wochen rief er dazu auf und | |
| löste damit einigen Wirbel aus. Nun steht er nicht nur in Dauerkontakt zu | |
| seiner Partei, sondern auch zu Polizei und Ordnungsamt, muss | |
| Redner:innen organisieren, ihre Reihenfolge festlegen. | |
| Pellmann will mit der Veranstaltung einen Protestreigen seiner Partei gegen | |
| die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung eröffnen. „Es gibt | |
| großen Unmut in der Bevölkerung und das Verlangen, gegen die hohen Preise | |
| für Strom und Gas zu protestieren“, sagt er. „Wir dürfen dieses Thema und | |
| die Straßen nicht den Neonazis überlassen, sondern müssen den Protest links | |
| besetzen.“ Mit 3.000 bis 4.000 Menschen rechnet er zum Auftakt, wegen der | |
| bundesweiten Berichterstattung vielleicht auch mehr. | |
| Damit dürfte der Montag zum ersten größeren Linken-Protest des Herbsts | |
| werden – und zu einer doppelten Nagelprobe. Gelingt es der in einer | |
| Existenzkrise steckenden Partei, breitere Sozialproteste gegen die | |
| Energiepolitik der Bundesregierung zu organisieren? Und: Schafft sie es, | |
| sich dabei von Rechtsextremen abzugrenzen, die auch auf das Thema setzen? | |
| Die Rechtsextremen haben sich am Montag schon mal zu Pellmanns Demo | |
| angekündigt. Diese sei „für Patrioten und Freiheitsfreunde eigentlich ein | |
| Muss“, erklärt Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen Compact | |
| Magazins, in einem Video. „Weil das Regime sich schwertun wird, eine Demo, | |
| die von einem Linken organisiert wird, gleich in die Naziecke zu rücken.“ | |
| Von bis zu 50.000 Leuten fabuliert Elsässer. Wenn man da mit Deutschland- | |
| oder Russlandfahnen komme, „fällt das überhaupt nicht auf“. | |
| Die „Freien Sachsen“, eine rechtsextreme Splitterpartei um den Anwalt | |
| Martin Kohlmann, zuletzt Antreiber der Coronaproteste im Freistaat, | |
| mobilisieren auch für Leipzig. „Das ist ein Zeichen“, jubelten sie, als | |
| Pellmann zur Demo aufrief. „Nächsten Montag steht die Bürgerallianz auf dem | |
| Augustusplatz.“ Man dürfe sich „nicht mehr künstlich in verschiedene | |
| Lager spalten lassen“. Beworben wird das mit einem Bild, auf dem Kohlmann, | |
| Elsässer, Pellmann und Gysi scheinbar gemeinsam zum Protest aufrufen. | |
| Die AfD steigt auch mit ein. „Wir freuen uns, dass nun auch Teile der | |
| Linkspartei aufgewacht sind“, kommentierte der sächsische AfD-Abgeordnete | |
| Sebastian Wippel den Aufruf. Dies sei eine Chance, mit „vereinten Kräften“ | |
| auf die Regierung einzuwirken. Auch AfD-Bundeschef Tino Chrupalla sagte zu | |
| möglichen Montagsdemos, dass „Links-rechts-Schablonen“ nicht mehr | |
| funktionierten. | |
| ## Im Notfall soll die Polizei helfen | |
| Pellmann verwahrt sich gegen die Umarmungsversuche. Gegen [1][den | |
| Fake-Aufruf der Freien Sachsen] klagen er und Gysi. Falls die | |
| Rechtsextremen wirklich auftauchen sollten, würden sie von der | |
| Demonstration ausgeschlossen, sagt er – zunächst von den Ordner:innen, und | |
| falls das nicht klappe mithilfe der Polizei. Es werde weder Nationalflaggen | |
| noch Plakate aus dem rechten Spektrum geben. „Wir haben das Hausrecht und | |
| können als Veranstalter sagen, dass Rechte und Neonazis nicht geduldet | |
| sind.“ | |
| Versammlungsrechtlich ist das allerdings nicht so leicht, erst bei einer | |
| „groben Störung“ kann die Polizei eingreifen. Und es hängt auch davon ab, | |
| ob die Linken am Montag überhaupt deutlich in der Mehrzahl sind. | |
| Die Amadeu-Antonio-Stiftung warnt bereits vor einem „Herbst der | |
| Demokratiefeindlichkeit“ und einem „Flächenbrand“. Aus der Szene der | |
| Coronaprotestierer habe sich ein demokratiefeindliches Milieu entwickelt, | |
| das „so selbstbewusst wie nie“ auftrete. Thüringens | |
| Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer erwartet bei größeren | |
| Energieengpässen Proteste, gegen welche die jüngsten Coronademonstrationen | |
| „ein Kindergeburtstag“ waren. Im sächsischen Landesamt und im Bundesamt f�… | |
| Verfassungsschutz sieht man dagegen noch keine Anzeichen für | |
| Großmobilisierungen. | |
| David Begrich, Soziologe vom Verein Miteinander aus Sachsen-Anhalt, | |
| beobachtet die rechtsextreme Szene seit Jahrzehnten. „Es gibt noch keinen | |
| Anlass, rechtsextreme Systemstürze zu beschreien“, sagt er. „Noch ist | |
| vieles die übliche, szeneinterne Aufstandsbeschwörung.“ Die geballte | |
| Mobilisierung sei aber auffällig. Wie der Herbst verlaufe, hänge von vielem | |
| ab: Wie schwer die Krise werde. Wie die Regierung reagiere. Und wie viele | |
| demokratische Protestangebote es gebe, jenseits der rechtsextremen. | |
| Tatsächlich schwenkten die Freien Sachsen schon vor Wochen von Corona auf | |
| Energiekosten um. „Es wird Zeit für die Welle der Energieproteste!“, heißt | |
| es dort. Die Regierung aus „Klimafanatikern und Russlandhassern“ fahre „d… | |
| Land an die Wand“. In Kürze will auch die AfD ihre Kampagne „Unser Land | |
| zuerst“ vorstellen. Parteichef Chrupalla kündigte an, dann wöchentlich auf | |
| die Straße zu gehen. Für den 8. Oktober bewirbt er eine geplante Demo in | |
| Berlin. Titel: „Nord Stream 2 statt Gasumlage“. In Magdeburg soll wie in | |
| Leipzig bereits am Montag gegen die „Preisexplosion“ demonstriert werden. | |
| Dass die Rechtsextremen geballt auf das Thema Soziales setzen, kommt nicht | |
| überraschend. Schon 2004, bei den bundesweiten Montagsdemonstrationen gegen | |
| die Einführung von Hartz IV, versuchten sie sich mit „Wir sind das | |
| Volk“-Parolen einzureihen. Und sie machen keinen Hehl daraus, dass sie mehr | |
| als nur Kritik an der Energiepolitik im Sinn haben. | |
| „Es geht um nichts weniger als die Zerstörung Deutschlands“, bläst | |
| Thüringens AfD-Chef Björn Höcke den Protest zur Schicksalsfrage auf. Zuvor | |
| lobte er das Buch „Systemfrage“ von Autor Manfred Kleine-Hartlage als | |
| „brillant“. Der legte eine regelrechte Anleitung zum Umsturz vor – | |
| inklusive Verbot von Parteien, juristischen Schritten gegen politische | |
| Gegner, die Zerschlagung von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien | |
| sowie die Marginalisierung von Kirchen und Universitäten. | |
| ## Die AfD hatte schon bessere Zeiten | |
| Das Getöne gehört aber auch zur rechtsextremen Strategie. Offen bleibt, wie | |
| viel daraus folgt. Denn auch die AfD hatte schon bessere Zeiten – und sie | |
| hat ein inhaltliches Problem: Die Partei ist in weiten Teilen extrem | |
| Putin-nah. Bei ihrer Kritik lässt sie deswegen meist den Verursacher der | |
| Gasengpässe aus: Putins Russland. Stattdessen fordert sie die Rücknahme | |
| sämtlicher Sanktionen und die Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord | |
| Stream 2. | |
| Zugleich ringt die Partei auch um Distanz zu den Freien Sachsen, die auf | |
| ihrer Unvereinbarkeitsliste stehen. Man habe es nicht nötig, mit diesen auf | |
| die Straße zu gehen, erklärte Chrupalla – worüber sich die Kleinstpartei | |
| prompt empörte. | |
| Nicht nur in der Linkspartei beobachten dennoch viele mit großer Sorge die | |
| rechten Vereinnahmungsversuche. Der Sozialverein Tacheles betont etwa, dass | |
| es überfällig sei, zu protestieren. Gleichzeitig dürfe es „mit Rechten und | |
| Nazis in keinem Fall ein gemeinsames Handeln geben“. | |
| Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kritisierte Sören Pellmann, weil | |
| dieser ausgerechnet zu Montagsdemos aufrufe. Es sei wichtig, Abstand zu | |
| rechtsradikalen Organisatoren zu halten. „Die Rechten wurden zu Recht | |
| kritisiert, als sie sich der Symbolik der Montagsdemonstrationen bemächtigt | |
| haben“, sagte Ramelow mit Blick auf Pegida und deren Ableger. Die | |
| sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz warnte vor einer „Querfront�… | |
| Und die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner forderte eine klare | |
| Abgrenzung und ein progressives Bündnis, von Gewerkschaften bis Fridays for | |
| Future, in „engen Absprachen“ mit lokalen Antifa-Gruppen. | |
| ## Eine One-Man-Show? | |
| Noch deutlicher wird Juliane Nagel, Linken-Stadträtin in Leipzig und direkt | |
| gewählte Landtagsabgeordnete. „Pellmann hat weder mit der Leipziger Linken | |
| noch mit der Bundespartei abgesprochen, die Montagsdemonstrationen als | |
| Anknüpfungspunkt für die Proteste zu nehmen“, sagt sie am Telefon. „Ich | |
| halte Proteste gegen die drohende soziale Krise für absolut richtig, sie | |
| sollten aber nicht in der Tradition der Montagsdemos stattfinden – gerade | |
| nicht in Sachsen.“ Während es in Leipzig vielleicht noch gelingen könne, | |
| „die Montage mit einem linken Protest zu füllen“, habe man in kleineren | |
| Orten Sachsens keine Chance. „Hier gehen Menschen auf die Straße, die erst | |
| gegen die Asylpolitik protestierten, dann gegen die Coronaregeln und nun | |
| gegen die Russlandpolitik. Es ist einfach keine erfolgversprechende Idee, | |
| die Montagsdemos zu okkupieren.“ | |
| Juliane Nagels Wort hat in der linken Szene Leipzigs Gewicht. Im Stadtteil | |
| Connewitz genießt sie eine Art Heldinnenstatus, hier liegt ihr Büro | |
| Linxxnet, ein Treffpunkt der linken Szene. Doch auch Pellmann ist populär: | |
| Bei den Bundestagswahlen 2017 und 2021 gewann er in Leipzig Direktmandate – | |
| und sicherte der Linken so zuletzt auch den Fraktionsstatus im Bundestag. | |
| Das jüngste Scheitern bei der Parteivorsitzendenwahl quittierte er dagegen | |
| mit Groll, weshalb einige in der Partei seinen Vorstoß als erneuten | |
| Profilierungsversuch sehen. | |
| Nagel warf Pellmann auf Twitter eine „Leuchtturm-One-Man-Show“ vor, zu der | |
| er Prominenz einlade, aber Bemühungen um gesellschaftliche Bündnisse | |
| ignoriere. Sie erzählt, wie das Linxxnet bereits Anfang August ein Treffen | |
| in Leipzig mit sozialen Initiativen, Gewerkschaften, | |
| Mieter:innenvereinen und Klimagruppen organisierte, um Proteste gegen | |
| die soziale Krise zu planen. „Die Einladung hat auch Sören Pellmann | |
| erreicht. Trotzdem ist er alleine vorgeprescht und hat uns nicht mit | |
| eingebunden.“ Es brauche über die Partei hinaus aber eine breit getragene | |
| Bewegung. | |
| Trotz ihrer Kritik mobilisiert Nagel aber auch für den 5. September. „Wir | |
| müssen dafür sorgen, dass es eine linke Veranstaltung bleibt.“ Sie selbst | |
| habe dafür eine Demonstration angemeldet, die zum Augustusplatz führt. Und | |
| auch die linksradikale Szene mobilisiert inzwischen dorthin. „[2][Heißer | |
| Herbst] wir sind dabei“, heißt es dort. Man dürfe „Massenproteste nicht d… | |
| Nazis überlassen“. | |
| Spricht man Pellmann auf die Kritik an seiner „One-Man-Show“ an, sagt er: | |
| „Ich wäre gar nicht in der Lage, das alleine hinzubekommen.“ Dann erzählt | |
| er, wie er zuerst Netzwerke in der Partei knüpfte – in der Fraktion, dem | |
| Parteivorstand, dem Landesverband und der Leipziger Linken. Danach habe er | |
| Kontakt zur IG Metall und dem DGB aufgenommen, zu den Sozialverbänden VdK | |
| und Volkssolidarität, zur Tafel, zum Leipziger Erwerbslosenzentrum und dem | |
| Aktionsbündnis „Leipzig nimmt Platz“. Wer alles mitmache, stehe noch nicht | |
| endgültig fest, aber es würden täglich mehr. | |
| Und der Montagstermin? Darauf zu verzichten, hält er für falsch. „Ich | |
| demonstriere, seit ich 13 Jahre alt bin, gegen Nazis und Faschisten und bin | |
| der festen Überzeugung, dass es keinen Wochentag gibt, an denen man ihnen | |
| die Straßen überlassen darf – auch den Montag nicht.“ | |
| Die Linken-Bundesspitze stellt sich inzwischen hinter Sören Pellmann. Zwar | |
| betont Parteichefin Janine Wissler, dass dessen Protest nicht vom | |
| Parteivorstand, sondern in Leipzig und von der Bundestagsfraktion | |
| organisiert werde. Aber auch Wissler ruft zu einem „heißen Herbst“ auf. Die | |
| Entlastungen der Ampel seien „viel zu gering und sozial unausgewogen“. Es | |
| komme nun auf die Linke an, Druck zu machen. Am 17. September, einem | |
| Samstag, soll es einen bundesweiten Aktionstag geben,: „Je stärker die | |
| Proteste von links sind, desto kleiner werden die von rechts sein“, sagt | |
| Wissler. Klar sei: Wo immer die Linke Proteste organisiere, dürften keine | |
| rechtsextremen Transparente oder Redner:innen akzeptiert werden. | |
| Tatsächlich ist die Energiekrise ein Momentum, das die Linke ergreifen | |
| muss, will sie noch eine Daseinsberechtigung haben. Die Frage ist nur, ob | |
| sie zu Großprotesten noch in der Lage ist. In Umfragen klebt sie an der | |
| 5-Prozent-Hürde, im Osten schrumpft sie, im Westen ist sie teils nicht mehr | |
| existent. Wissler verweist dagegen auf 254 Linken-Kreisverbände, die | |
| Material für die Protestkampagne angefordert hätten. | |
| Am vergangenen Dienstagabend steht Wissler auf dem graugepflasterten | |
| Marktplatz in Frankfurt (Oder). Die lokale Linke hat hier erstmals zum | |
| „Dienstagsprotest“ aufgerufen, zusammen mit Verdi, dem DGB und dem | |
| Aktionsbündnis Frankfurter Montagsdemo, das schon 2004 demonstrierte. | |
| „Schluss mit teuer“, lautet der Slogan, dem 200 Teilnehmende folgen – | |
| Rentnerinnen, mittelalte Pärchen, Parteinachwuchs mit Fahne. Einige haben | |
| Kochtöpfe mitgebracht, um mehr Lärm machen zu können. | |
| „Es ist höchste Zeit, dass die Menschen auf die Straße gehen“, ruft Wissl… | |
| ins Mikrofon. Es brauche einen Preisdeckel für Gas und Strom, das | |
| Einstampfen der Gasumlage, eine Übergewinnsteuer. Die Dienstagsprotestler | |
| applaudieren, dann drehen sie eine Minirunde durch die Innenstadt, Wissler | |
| mit dem Frontbanner vorneweg. | |
| Rechtsextreme und AfD-Leute sind in Frankfurt (Oder) nicht zu erkennen. | |
| Demo-Anmelder Joachim Wawrzyniak, ein Verdi-Mann, hatte sich vorbereitet. | |
| „Wären die Rechtsextremen wirklich in Masse gekommen, hätte ich das | |
| abgebrochen.“ Allerdings: Die Rechten kamen auch deshalb nicht, weil sie | |
| schon tags zuvor mit ihrem „Montagsspaziergang“ demonstrierten – und zwar | |
| in noch größerer Zahl. | |
| Wer dagegen gekommen ist, sind offensichtlich Russlandfreunde. „Durch die | |
| Politik der Ampel bezahlen wir den Krieg der USA gegen Europa“, heißt es | |
| auf einem Banner. Auf dem eines anderen Mannes steht: „Nicht Russland ist | |
| das Problem, sondern der Kriegstreiber USA.“ Der Mann wird von Ordnern | |
| hinausgebeten. Doch in Gesprächen in der Menge wird klar: Er ist nicht | |
| allein mit seiner Meinung. | |
| ## Auch Wagenknecht sollte dabei sein | |
| Darauf angesprochen, verweist Wissler auf den jüngsten Parteitagsbeschluss, | |
| der den „verbrecherischen Angriffskrieg Russlands“ verurteilt. | |
| Klar ist aber: Die Abgrenzung bei den Protesten der Linken wird auch gegen | |
| Putin-Freunde in den eigenen Reihen zu führen sein. Wie hart sie Sören | |
| Pellmann führen wird, ist dabei unklar. Im Wahlkampf 2021 trat er mit dem | |
| russischen Generalkonsul auf, noch zuletzt kritisierte er einen | |
| „Wirtschaftskrieg mit Russland“. | |
| Und Pellmann wollte eigentlich auch Sahra Wagenknecht auf seiner Demo als | |
| Rednerin haben. Mit ihrem russlandfreundlichen Kurs findet sie auch in weit | |
| rechten Kreisen Anklang. Inzwischen ist Wagenknecht wieder ausgeladen | |
| worden, auf Druck der Parteispitze, wie sie in einer SMS beklagte. Wissler | |
| und Pellmann bestreiten eine Ausladung von oben. Pellmann aber betont, die | |
| Diskussion sei „sehr bedauerlich“. Gerade jetzt brauche es „eine | |
| geschlossene Linke“. | |
| Die Freien Sachsen mobilisieren derweil weiter zu Pellmanns Kundgebung. Der | |
| fügte seinem Aufruf deshalb hinzu, dass „Rassisten, Neonazis und | |
| Demokratiefeinde bei uns nichts zu suchen haben“. Und er verweist darauf, | |
| dass die Rechten inzwischen eigene Kundgebungen auf dem Augustusplatz | |
| angemeldet hätten – eine wirkliche Unterwanderung sei also nicht mehr | |
| geplant. | |
| Experte David Begrich will sich das vor Ort anschauen. „Es wird am Montag | |
| darauf ankommen, wer am Ende die Bilder bestimmt“, sagt er. Ob wirklich | |
| eine große Protestwelle im Land folge und welche Richtung sie nehme, | |
| entscheide sich aber nicht in Leipzig, sondern in den kleinen Städten. „Es | |
| hängt an den politisch nicht Verorteten, welche Angebote man ihnen macht | |
| und auf welche sie eingehen.“ Für Begrich spricht einiges dafür, dass so am | |
| Ende politisch heterogene Proteste entstehen, mit von Region zu Region | |
| anderer Ausrichtung. | |
| Entscheidend dürfte auch das Agieren der Sozialverbände und Gewerkschaften | |
| sein. Mit Protestaufrufen hält man sich dort bisher zurück – auch weil | |
| derzeit noch Gespräche wegen der „Konzertierten Aktion“ mit der Regierung | |
| und den Arbeitgebern laufen. Man wolle zunächst die konkreten Beschlüsse | |
| der Regierung abwarten, heißt es von Verdi. Entschärften diese aber nicht | |
| die Probleme, sei Protest „ein angemessenes Mittel“. | |
| ## Wissler gibt sich gelassen | |
| Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, | |
| sieht den Protestherbst bereits fest kommen: „Wir gehen davon aus, dass im | |
| Herbst viele NGOs ihren zivilgesellschaftlichen Protest für eine | |
| solidarische, sozial und ökologisch gerechte Krisenbewältigung auf die | |
| Straße bringen.“ Man führe dazu bereits Gespräche, in zwei Wochen habe man | |
| Klarheit, „wie wir aktiv werden“. Welches Potenzial besteht, wenn die | |
| Verbände in den Protest mit einsteigen, zeigte sich bei den | |
| Montagsdemonstrationen vor 18 Jahren: Bis zu 100.000 Demonstrierende gingen | |
| damals auf die Straße. Auch bei den jüngsten „Unteilbar“-Aufzügen waren … | |
| Zehntausende. | |
| Pellmann will nun wöchentlich auf die Straße gehen. In Frankfurt (Oder) | |
| will die Linke Gleiches tun, jeden Dienstag. „Total zufrieden“ sei sie mit | |
| dem Auftakt, sagt Janine Wissler dort. Dass 200 Teilnehmende weit von | |
| Massenprotesten entfernt sind, sieht sie gelassen. Vor knapp 20 Jahren | |
| schon habe sie den Ableger der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV in | |
| Frankfurt am Main mitorganisiert. Da seien anfangs auch nur wenige Hundert | |
| Leute gekommen. „Am Ende war es eine bundesweite Bewegung.“ | |
| Und Wissler erinnert sich auch, wie damals schon Rechtsextreme versuchten, | |
| an die Proteste anzudocken. „Hätten wir uns da zurückziehen sollen?“, fra… | |
| sie. „Nein. Hätten wir das gemacht, dann wäre die AfD schon 2005 | |
| entstanden.“ | |
| 4 Sep 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rechtsextreme-Freie-Sachsen/!5875254 | |
| [2] /Linkspartei-kuendigt-Proteste-an/!5874900 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
| Konrad Litschko | |
| Rieke Wiemann | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Rechtsextremismus | |
| Die Linke | |
| Protest | |
| Soziale Spaltung | |
| GNS | |
| Energiekrise | |
| Schwerpunkt AfD | |
| IG Metall | |
| Protest | |
| Kolumne Der rechte Rand | |
| Montagsdemonstration | |
| Rechte Szene | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| #Unteilbar | |
| Die Linke | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Rechtsextremismus | |
| Protestforscher | |
| Olaf Scholz | |
| Sozialproteste | |
| Sozialer Zusammenhalt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Studie über Montagsdemonstrationen: Russlandverständnis und Grünenhass | |
| Teilnehmende der rechten Montagsdemos haben ein grundlegend anderes | |
| Verständnis von Demokratie. Eine neue Studie zu ihren Beweggründen. | |
| IG-Metall Tarifabschluss: Arbeitskampf in schwierigen Zeiten | |
| Der Konflikt in der Metall- und Elektroindustrie ist beigelegt. IG Metall | |
| und Arbeitgeber einigten sich auf prozentuale Lohnerhöhungen und | |
| Einmalzahlungen. | |
| Linke Proteste schwach besucht: Kaum Zulauf bei Energiedemos | |
| Linke Vereinigungen hatten zu Demonstrationen gegen steigende Energie- und | |
| Lebensmittelpreise in deutschen Städten aufgerufen. Der Zuspruch war mau. | |
| Wie sich eine Querfront bildet: Rechte kapern Friedensdemo | |
| Rechte marschieren bei Friedensdemos mit und gewinnen so Akzeptanz. Die | |
| Veranstalter*innen versäumen, sich zu distanzieren – wie zuletzt in | |
| Hamburg. | |
| Rechtsextreme Montagsdemos: Es brodelt wieder | |
| An Montagsprotesten beteiligen sich vor allem im Osten Tausende, darunter | |
| die AfD und andere Rechtsextreme. Der Verfassungsschutz ist in Sorge. | |
| Montagsdemonstrationen in Sachsen: Rechter Aufzug blockiert | |
| In Leipzig gingen am Montag tausende Menschen gegen rechte Mobilisierung | |
| auf die Straßen. Mit Sitzblockaden wurden Demorouten der Rechten gestört. | |
| Sachsens Justiz und Putin-Propaganda: Trommeln für den Angriffskrieg | |
| Eine Frau, die in Sachsen mit dem „Z“-Symbol ihre Putin-Unterstützung | |
| zeigte, blieb zunächst straffrei. Nun muss sie doch vor Gericht. | |
| GründerInnen über „Unteilbar“-Auflösung: „Die Dynamik ist verloren geg… | |
| Das Unteilbar-Bündnis, das bis zur Pandemie soziale, feministische und | |
| antirassistische Gruppierungen auf die Straße brachte, erklärt seine | |
| Auflösung. | |
| Reaktionen auf Wagenknecht-Rede: Diesmal den Bogen überspannt? | |
| Führende Linken-Politiker:innen distanzieren sich nach Wagenknechts | |
| Auftritt im Bundestag von der Fraktion. Auch aus der SPD kommt Kritik. | |
| Vergessen, das Mikro auszuschalten: AfD-Vorstand hofft auf Gaskrise | |
| AfD-Politiker Harald Weyel sprach aus, was wohl viele Rechte denken. Dumm | |
| nur, dass die Aussage aufgenommen wurde. Jetzt rudert Weyel zurück. | |
| Montagsprotest in Leipzig: Getrennt gegen die Krise | |
| In Leipzig eröffnet die Linke ihren „heißen Herbst“ – und verwehrt sich | |
| gegen angerückte Rechtsextreme. Deren Aufmarsch wird von Antifas blockiert. | |
| Protestforscher über Montagsdemos: „Der Montag ist schon besetzt“ | |
| Die Montagsdemonstrationen haben ein zwiespältiges Erbe. Der | |
| Bewegungsforscher Alexander Leistner ordnet die geplanten Sozialproteste in | |
| Ostdeutschland ein. | |
| Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro: Scholz stellt Entlastungspaket vor | |
| Die Ampel hat sich auf ein drittes Entlastungspaket geeinigt. Es sieht | |
| unter anderem Einmalzahlungen an Rentner:innen und Studierende und eine | |
| Kindergelderhöhung vor. | |
| Verfassungsschutz zum „Heißen Herbst“: Rechte mobilisieren mehr | |
| Der Berliner Verfassungsschutz erwartet im Herbst keine Unruhen „über die | |
| Schärfe der Coronaproteste hinaus“. Linke würden kaum mobilisieren. | |
| Linken-Chef Schirdewan zur Energiekrise: „Axt an den sozialen Frieden“ | |
| Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan macht der Ampelkoalition schwere | |
| Vorwürfe. Gegen die „soziale Kälte“ ruft er zu Protesten auf – ohne die | |
| Rechten. |