| # taz.de -- Mein Vormieter Max Anschel (1): Mein Vormieter, ermordet im KZ Stut… | |
| > In der Nazizeit lebte die Familie Anschel in der Elisabethkirchstraße in | |
| > Berlin-Mitte, im Haus, in dem heute unser Autor wohnt. Eine Spurensuche, | |
| > die nahe geht. | |
| Bild: Hier lebte Max Anschel mit seiner Familie: Das Haus in der Elisabethkirch… | |
| Diese Geschichte beginnt mit einem Text. Ende Februar 2023 [1][berichtete | |
| Sabine Seifert in der taz] über Menschen, die sich in Berlin auf die Spuren | |
| einer jüdischen Familie begeben haben, die einst in dem Haus wohnten, in | |
| dem sie heute leben. Und sie erwähnt dabei auch das noch recht neue | |
| [2][Internetprojekt „Mapping the Lives“], in dem die einstigen Wohnorte von | |
| Verfolgten des Nazi-Regimes auf einem Stadtplan eingetragen sind. | |
| Noch am selben Abend schaue ich mir die Seite im Netz an – prüfe meine | |
| eigene Adresse. Und plötzlich stehen fünf Namen vor meinen Augen. Fünf | |
| Menschen, die einst dort lebten, wo ich jetzt zuhause bin. | |
| Max Anschel. Seine Frau Anna. Ihre Tochter Ruth. Dazu Heinz Hans Geissler | |
| und Erwin Thiel. | |
| Seit über 25 Jahren schon wohne ich in einem alten Mietshaus in | |
| Berlin-Mitte. Ich weiß seit vielen Jahren, dass es bis in die 1930er Jahre | |
| einen jüdischen Eigentümer hatte, der aber nicht in Berlin, sondern in | |
| Amsterdam lebte. | |
| Stolpersteine, die an einstige jüdische Anwohner:innen erinnern, liegen | |
| vor vielen Häusern in unserem Kiez. Bei uns aber nicht. Es ist | |
| wahrscheinlich, dass auch in „meinem“ Haus Verfolgte gewohnt haben. Schon | |
| vor Jahren habe ich nach Ansatzpunkten dafür in alten Adressbrüchern | |
| gesucht, [3][die man im Internet findet], aber ohne Ergebnis. | |
| Ich habe auch mal im Berliner Gedenkbuch gesucht, das man in der Bibliothek | |
| in der Breiten Straße einsehen kann. Darin sind die Berliner Opfer des | |
| Nationalsozialismus nach Namen geordnet. Mehr als 6.000 Menschen, ermordet. | |
| Es ist erdückend, darin zu lesen. Bei meiner Suche nach ehemaligen | |
| Bewohnern meines Hauses aber war es keine Hilfe. Dank Mapping the Lives | |
| kenne ich nun die Namen. | |
| In einer Schnellrecherche im Netz finde ich wenig zu Heinz Hans Geissler | |
| und Erwin Thiel. Zur Familie Anschel finde ich dafür umso mehr. Und so wird | |
| mir klar: ich habe eine Aufgabe. Sie vor dem Vergessen zu retten. | |
| „Gestorben an den Folgen der NS-Verfolgung“ | |
| Max Anschel wurde am 28. 4. 1888 in Schermbeck am Niederrhein geboren. Wann | |
| er nach Berlin kam, ist unklar. Alle seine vier Großeltern waren Juden, das | |
| geht aus den Nazi-Akten hevor, die Mapping the Lives verarbeitet hat. Seine | |
| Frau Anna kam am 10. Januar 1901 in Berlin zur Welt, die gemeinsame Tochter | |
| Ruth am 5. Januar 1931. Anna Anschel hatte keine jüdischen Großeltern. | |
| „Verfolgungsgrund: kollektiv“ heißt es auf „Mapping the Lives“. Sie wu… | |
| also bedrängt, weil sie mit einem Juden verheiratet war. | |
| Was aus ihr und ihrer Tochter wurde, lässt die Datenbank offen. Bei Max | |
| Anschel aber gibt es keinen Zweifel. „Gestorben an den Folgen der | |
| NS-Verfolgung“, heißt es auf Mapping the Lives, am 22. November 1944. Und | |
| dass er zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Auschwitz deportiert worden | |
| war. | |
| „Mapping the Lives“ hat bei ihm auch noch das [4][„Gedenkbuch für die Op… | |
| der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft | |
| in Deutschland 1933 – 1945“] verlinkt, das das Bundesarchiv online gestellt | |
| hat. [5][Dort finde ich den Todesort] von Max Anschel: das | |
| Konzentrationslager Stutthof. | |
| Einmal angefixt von der Geschichte, braucht es nur ein paar Klicks, bis ich | |
| im Netz noch mehr über Max Anschel gefunden habe. Auf [6][den Seiten des | |
| United States Holocaust Memorial Museums] gibt es eine [7][Datenbank mit | |
| Namen von Opfern und Überlebenden] des Holocaust. Dort kann man sogar | |
| Dokumente zu ihnen anfordern. | |
| Wenige Stunden später habe ich sie per Mail vorliegen: darunter seine | |
| „Todesbescheinigung“, unterschrieben vom Lagerarzt des KZ Stutthof, einem | |
| „SS-Obersturmführer“ mit unleserlicher Unterschrift, der angibt, dass „M… | |
| Israel Anschel“ am 22. 11. 44 um 12.30 Uhr an „Herzmuskelschwäche“ | |
| gestorben sei. „Israel“ war nicht der Zweitname von Max Anschel – er wurde | |
| alle Juden von den Nazis zwangweise aufgedrückt. | |
| Dazu die „Häftlings-Personal-Karte“ des KZ, aus der hervorgeht, dass Max | |
| Anschel am 28. Oktober 1944 von Auschwitz nach Stutthof gebracht wurde. | |
| Dass er ein Kind hat. Und dass seine Ehefrau Anna damals immer noch unter | |
| der alten Adresse wohnte: Es ist das Haus, in dem ich heute lebe. | |
| Das trifft mich. Wenn all dies offenbar seit vielen Jahren bekannt ist, | |
| warum liegt dann noch kein Stolperstein vor dem Haus? | |
| Tatsächlich gibt es in Berlin bereits [8][einen Stolperstein, der an Max | |
| Anschel erinnert]. Er liegt am heutigen Platz der Vereinten Nationen. Aber | |
| es ist nur ein Namensvetter, der ein paar Monate später am 10. November | |
| 1888 in Rogasen geboren wurde. Wie ich [9][aus alten Adressbüchern] | |
| erfahre, war er offenbar Schuhmacher. Auch er wurde [10][1943 deportiert] | |
| und kam in Auschwitz ums Leben. Genau wie [11][seine Frau] und [12][sein | |
| Sohn]. Aber der Max Anschel, der in meinem Haus wohnte, ist offenbar | |
| vergessen. Das will ich ändern. | |
| Zuerst wende ich mich an die lokal Zuständige für die Verlegung von | |
| Stolpersteinen. Sie schreibt mir, dass die Verlegung der Steine auch | |
| auseinandergerissene Familien wieder zusammenbringen soll. Wenigstens | |
| symbolisch. | |
| Aber erst einmal muss ich die grundlegenden Fragen selbst beantworten: Wer | |
| waren die Anschels? Was wurde aus ihnen? Und warum? | |
| Die Suche in den Adressbüchern | |
| Die historischen Adressbücher Berlins sind ein faszinierendes Dokument. Man | |
| findet sie [13][auf den Seiten der Landesbibliothek], sie bieten einen | |
| Rückblick bis ins 18. Jahrhundert. Sie sind als PDF einsehbar und lassen | |
| sich nach Schlagworten durchsuchen. | |
| In vielen aus der Zeit vor 1945 findet man die Bewohner:innen der Stadt | |
| zudem nach Adressen sortiert. Neben den Namen steht häufig auch der Beruf. | |
| So lassen sich kleine Familiengeschichten ablesen. Etwa wenn ein Mann erst | |
| als Schuhmacher verzeichnet ist, Jahre später als Renter auftaucht und | |
| nochmal Jahre später eine Frau gleichen Namens eingetragen ist – als Witwe. | |
| Durch diese Adressbücher weiß ich schon seit Langem, dass [14][im Jahr | |
| 1933] in meinem Haus ein Postschaffner, ein Fleischermeister, ein Kaufmann, | |
| ein Lagerverwalter, eine Spritzerin, ein Bäcker und drei Witwen als | |
| Haushaltsvorstände lebten. Und dass der jüdische Eigentümer schon damals in | |
| Holland lebte, also nicht erst vor den Nazis geflohen war. | |
| Nur bei meiner Suche nach eventuellen Opfern des Nationalsozialismus half | |
| mir diese Datenbank nicht weiter. Bis jetzt. Doch wenn man weiß, was man | |
| finden will, stößt man auf ganze Lebenläufe. Oder zumindest auf Fragmente | |
| davon. | |
| Die Anschels tauchen in den Berliner Adressbüchern im Jahr 1932 auf. | |
| [15][Da wird ein Max Anschel in der Bergstraße 17 aufgeführt] mit dem | |
| Zusatz „Biergebäck“. Das Haus liegt wenige hundert Meter von seiner | |
| späteren, letzten Adresse entfernt. Anhand der Berufsangabe lässt sich aber | |
| erkennen, dass es sich um „meinen“ Max Anschel handelt. Denn auch nach dem | |
| Umzug bleibt der Geschäftsbereich, wenn auch mit stetig sich leicht | |
| ändernden Bezeichnungen. [16][1933 wird Max Anschel als „Weinbäckvertrieb“ | |
| genannt]. Zwei Jahre später, im Jahr 1935, gibt es in der Bergstraße 17 | |
| eine „Backwarengroßhandlung“ – allerdings nicht mehr unter Max Anschel, | |
| sondern unter dem Namen seiner Frau Anna, die [17][im Branchenverzeichnis | |
| nun auch unter „Bäcker“ gelistet] ist. Ich kann nur ahnen, wie das damals | |
| ausgesehen hat. Das Haus wurde offenbar im Krieg zerstört. Heute steht dort | |
| ein Neubau. | |
| Spätestens 1938 sind die Anschels an ihre neue Adresse gezogen, in das | |
| Haus, in dem ich heute wohne. Anna Anschel wird nun mit dem Zusatz „Gebäck“ | |
| erwähnt. Ein Jahr später heißt es, sie habe dort eine | |
| „Konfitürengroßhandlung“. Ihr Mann Max wird unter der gleichen Adresse als | |
| „Kaufmann“ geführt. 1940 ist Max aus dem Adressbuch verschwunden, nur noch | |
| Anna taucht unter der Adresse auf. 1942 ist auch Anna nicht mehr zu finden. | |
| Auch 1943, im letzten vorhandenen Adressbuch aus Kriegszeiten, gibt es | |
| keinen Eintrag zu der Familie – aber ein anderes Detail gibt einen Hinweis | |
| auf die Nazi-Diktatur. Als Eigentümer des Hauses taucht anders als in den | |
| Vorjahren nicht mehr der in Amsterdam lebende Kaufmann Steinberger auf. | |
| Offenbar wurden die jüdischen Besitzer enteignet. Ihre dann in New York | |
| lebenden Erben bekamen das Haus erst um das Jahr 2000 herum rückübertragen. | |
| Von der Familie Anschel verliert sich zunächst jede Spur. Erst im | |
| Ostberliner Telefonbuch des Jahres 1961 taucht sie wieder auf. Die | |
| mittlerweile erwachsene Tochter Ruth ist jetzt als „Dr. med“ verzeichnet – | |
| unter der alten Adresse ihrer Eltern. Sie bleibt dort bis mindestens 1967 | |
| wohnen. | |
| Anfang der 70er Jahre zieht sie in eine der neuen Plattenbauten unweit des | |
| Berliner Alexanderplatzes, wo sie jahrzehntelang wohnen bleibt – auch nach | |
| dem Mauerfall. Geheiratet hat sie offenbar nie. | |
| Kurz habe ich die Hoffnung, mit Ruth Anschel noch reden zu können. Sie wäre | |
| heute knapp über 90 Jahre alt. Aber eine Anfrage ans Einwohnermeldeamt | |
| ergibt: sie ist bereits im Jahr 2000 gestorben. Auch ihre Mutter, erfahre | |
| ich so, hat den Nationalsozialismus überlebt. Sie starb 1992 im Alter von | |
| 91 Jahren. | |
| Das Haus, in dem ich wohne | |
| Das Haus, in dem ich seit 25 Jahren wohne, ist unscheinbar. Ein Mietshaus | |
| mit acht Wohnungen. Kein Gewerbe. Keine Erker, keine Balkone, kein Stuck. | |
| Wie bei fast allen Häusern in der Rosenthaler Vorstadt hat sich auch hier | |
| die Bewohnerschaft radikal geändert seit dem Mauerfall. Mehrere Familien | |
| zogen fort, weil es ihnen mit den Kindern zu eng geworden war. Und weil sie | |
| sich eine größere Wohnung im Kiez, der einst die Vorstadt der Armen war, | |
| nicht mehr leisten können. | |
| Einst lebte hier ein Karikaturist. Nach einer Vernissage mit seinen | |
| Arbeiten saß die Crème der deutschen Zeichnerszene kurz bei uns im | |
| Wohnzimmer, weil der Gastgeber gerade seinen Schlüssel nicht fand und wir | |
| die Leute nicht vor der Tür stehen lassen wollten. Ein Restaurantbetreiber, | |
| der hier wohnte, starb nach heftigen Drogenproblemen. Länger als ich wohnt | |
| heute nur Wolfgang im Haus. Der dafür aber eigentlich schon immer. Er zog | |
| als junger Mann in den 70er Jahren ein. Ein Metzger, der allein seinen Sohn | |
| großzog. Heute ist er längst Rentner. Er öffnet gern laut brummend die | |
| Wohnungstür, wenn die Kinder die Treppe runtertrampeln – und schenkt ihnen | |
| dann Schokoriegel. | |
| Hat er vielleicht die Anschels noch in unserem Haus erlebt? Ich drehe an | |
| der alten Klingel an seiner Wohnungstür. Er kommt auf Krücken an. Anschel?, | |
| fragt er. Da habe es doch dieses Ehepaar unter ihm gegeben, meint er. Aber | |
| Ehepaar, das kann ja nicht sein. Der Mann, Max Anschel, war ja schon seit | |
| 1944 tot. Und Juden? Nein, das sagt ihm gar nichts. Dafür erzählt er noch | |
| jede Menge anderer Geschichten, von quietschenden Betten in diesem | |
| hellhörigen Haus, von Nachbarn, die er „gefressen hatte“, von den vielen | |
| Kindern, die immer hier gelebt hätten. Und von dem Zeichner, der ihm noch | |
| heute jedes Jahr einen Kalender schicke. Nur bei meiner Suche kann er mir | |
| nicht weiterhelfen. | |
| Aber vielleicht die WBM? Zu DDR-Zeiten wurde das Haus von der kommunalen | |
| Wohnungsverwaltung geführt, aus der nach der Wende die | |
| Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) hervorging. Von der hatte ich 1999 noch | |
| meinen Mietvetrag bekommen – kurz bevor das Haus an die Alteigentümer | |
| übertragen wurde. Ob die WBM vielleicht noch das alte Hausbuch hat, in dem | |
| zu DDR-Zeiten alle Bewohner akribisch gelistet wurden? Ich frage bei der | |
| Pressestelle an. Aber sie kann mir nicht weiterhelfen. | |
| Ich stochere im Nebel. Also versuche ich meine Suche systematischer | |
| anzugehen. Mit den wichtigsten Lebensdaten von Max Anschel. | |
| Geboren in Schermbeck an der Lippe | |
| In Schermbeck war ich noch nie. Ich wusste bisher nicht einmal, dass ein | |
| Ort mit diesem Namen existiert. In der Gemeinde im Kreis Wesel nahe der | |
| holländischen Grenze leben heute rund 13.000 Menschen. Hier wurde Max | |
| Anschel 1888 geboren. Mindestens seit Mitte des 17. Jahunderts gab es dort | |
| eine kleine jüdische Gemeinde. [18][Laut Wikipedia] stellte sie um 1855 | |
| rund 10 Prozent aller Einwohner. | |
| Im Netz stoße ich auf einen Bericht über eine Aktion der dortigen | |
| Gesamtschule. Die Schüler:innen hatten 2017 in einem Projekt zur | |
| jüdischen Geschichte des Ortes geforscht und am Jahrestag der | |
| Reichspogromnacht daran erinnert. „Hanna Wegner, Alicia Theis und Joline | |
| Rosendahl erinnerten an Mitglieder der jüdischen Familien Anschel, | |
| Schönbach, Marchand, Adelsheimer, Hoffmann und Sternberg“, [19][heißt es in | |
| dem Text], in dem auch die Geschichtslehrerin genannt wird, die das Projekt | |
| geleitet hat. Wissen die Schüler:innen mehr über die Familie Anschel und | |
| über Max? Ich maile die Schule an – und bekomme Antwort von ganz anderer | |
| Stelle. | |
| Andrea Kammeier-Nebel, die lange zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in | |
| Schermbeck geforscht hat, hat meine Anfrage von der Geschichtslehrerin | |
| weitergeleitet bekommen. Sie schreibt mir, dass Max Anschel in den | |
| Schermbecker Quellen leider nicht erwähnt werde. Das heißt aber nicht, dass | |
| er dort nicht zur Welt kam. | |
| Die Informationen über die jüdischen Familien in Schermbeck in der zweiten | |
| Hälfte des 19. Jahrhunderts, schreibt Kammeier-Nebel, basieren weitgehend | |
| auf den preußischen Volkszählungen. Standesamtliche Unterlagen sind nicht | |
| erhalten. Die Volkszählungen führen die Familien pro Haus mit bürgerlichem | |
| Namen, Geburtsdatum, Stand und Beruf auf. | |
| Aufgrund der ihr vorliegenden Akten mutmaßt sie, dass Albert Anschel (*4. | |
| 9. 1851) sein Vater war, seine Frau Laura, geborene Hasendahl (*26. 1. 1850 | |
| in Wesseling) seine Mutter. In der Volkszählung von 1885 wird ein Sohn mit | |
| Namen Adolf Anschel (*31. 8. 1885) aufgeführt. Das Paar sei zwischen 1890 | |
| und 1895 aus Schermbeck fortgezogen, vermutlich nach Krefeld. | |
| Laura Anschel sei 1912 in Krefeld beerdigt worden. Ein Ingenieur namens | |
| Adolf Anschel sei im Krefelder Adressbuch 1931/32 verzeichnet. Er wurde | |
| 1938 inhaftiert und war vom 17. November bis 1. Dezember 1938 im | |
| Konzentrationslager Dachau. Am 26. April 1939 emigrierte er nach Belgien | |
| und wurde am 10. Mai 1940 in dem kleinen französichen Ort Le Vigeant | |
| interniert. Dort befand sich ein Lager, in dem überwiegend deutsche und | |
| österreichische Emigranten interniert wurden, die vor den Nazis Zuflucht in | |
| Belgien gesucht hatten. Am 10. August 1942 wurde Adolf Anschel nach | |
| Ausschwitz deportiert. | |
| Kammeier-Nebel rät mir, beim Stadtarchiv Krefeld nachzuforschen. Von der | |
| dortigen NS-Dokumentationsstelle antwortet mir Fabian Schmitz: „[20][In | |
| unserer Datenbank ist nur das Ehepaar Adolf und Erna] mit dem Sohn Günter | |
| (geb. 1924 in Bremen, ermordet 1943 vermutlich in Auschwitz) verzeichnet. | |
| Informationen zu Eltern und Geschwistern der beiden Eheleute fehlen | |
| leider“. Aber Geburtsort und –tag von Adolf Anschel stimmen. Er war | |
| offensichtlich der Bruder von Max. „Er wurde in Schermbeck geboren, war | |
| Ingenieur und Inhaber eines Photogeschäftes.“ | |
| Schmitz weiß noch mehr über den Leidensweg von Adolf Anschel und seiner | |
| Familie: Er „wurde vermutlich im Rahmen der Novemberpogrome in ‚Schutzhaft�… | |
| genommen und vom 17. November bis zum 1. Dezember in Dachau festgehalten, | |
| bis er zwecks „Arisierung“ seines Vermögens und Auswanderung entlassen | |
| wurde. Im April 1939 floh die Familie nach Belgien. Adolf wurde 1942 von | |
| Drancy, Frankreich, aus nach Auschwitz deportiert, wo er vermutlich am 10. | |
| August 1943 ermordet wurde. Erna wurde am 31. Juli 1943 ab Mechelen, | |
| Belgien, nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich bei Ankunft | |
| ermordet. Günter wurde am 7. Oktober 1943 von Drancy aus nach Auschwitz | |
| deportiert. Auch er wurde vermutlich bei Ankunft ermordet.“ | |
| Je tiefer man einsteigt in die Geschichte, desto mehr offenbart sich das | |
| Grauen. | |
| Erst recht, wenn man nicht nach dem Lebensanfang von Max Anschel sucht, | |
| sondern nach dem Ende im Konzentrationslager Stutthof. Dazu frage ich die | |
| Gedenkstättenleiterin in Stutthof. Ihre Antwort kommt prompt. Und sie ist | |
| hart. | |
| .............. | |
| Die Geschichte von Max Anschel und seiner Familie hat taz-Redakteur Gereon | |
| Asmuth in einer sechsteiligen Serie aufgeschrieben. Alle Texte finden Sie | |
| unter [21][taz.de/maxanschel]. | |
| Teil 2: [22][Vier Tage und ein halbes Brot – Das KZ Stutthof, in dem Max | |
| Anschel starb, galt unter Häftlingen als schlimmstes Lager.] | |
| Teil 3: [23][Die gnadenlose Kirche gegenüber – Die jüdisch-katholische | |
| Famlie Anschel lebte direkt gegenüber einer NS-dominierten Kirche.] | |
| Teil 4: [24][Der Riss in der Tür – Ein Mordversuch, ein Einbruch, eine | |
| zertrümmerte Tür: Auf den Spuren meiner Vormieterin Anna Anschel] | |
| Teil 5: [25][„Mutti, ich habe eine sehr, sehr grosse Bitte an Dich!“ – Die | |
| Geschichte der Tochter Ruth Anschel] | |
| Teil 6: [26][Der Verrat im Luftschutzkeller und das Leben im Nazinest nach | |
| dem Krieg] | |
| 15 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Juedisches-Leben-in-Deutschland/!5914363 | |
| [2] https://www.mappingthelives.org/ | |
| [3] https://digital.zlb.de/viewer/berliner-adress-telefon-branchenbuecher/ | |
| [4] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/ | |
| [5] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1050298 | |
| [6] https://www.ushmm.org/de | |
| [7] https://www.ushmm.org/remember/resources-holocaust-survivors-victims/databa… | |
| [8] https://www.stolpersteine-berlin.de/de/platz-der-vereinten-nationen/4-5/max… | |
| [9] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1937/64/LOG_0015/ | |
| [10] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1050299 | |
| [11] https://www.stolpersteine-berlin.de/de/platz-der-vereinten-nationen/4-5/hu… | |
| [12] https://www.stolpersteine-berlin.de/de/platz-der-vereinten-nationen/4-5/we… | |
| [13] https://digital.zlb.de/viewer/berliner-adressbuecher/ | |
| [14] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1933/4238/ | |
| [15] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1932/4850/LOG_0345/ | |
| [16] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1933/52/ | |
| [17] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1935/3088/LOG_0234/ | |
| [18] https://de.wikipedia.org/wiki/Schermbeck#J%C3%BCdische_Gemeinde | |
| [19] https://schermbeck-online.de/fanatische-nazis-lehrten-juden-das-fuerchten/ | |
| [20] https://www.krefeld.de/c1257cbd001f275f/files/historische_datenbank_juedis… | |
| [21] /maxanschel | |
| [22] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-2/!6043628 | |
| [23] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-3/!6041702 | |
| [24] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-4/!6043629 | |
| [25] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-5/!6043654 | |
| [26] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-6/!6043658 | |
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