| # taz.de -- NS-Vergangenheit von Kühne+Nagel: Schlussstrich vom Chef | |
| > Im „Spiegel“ behauptet Klaus-Michael Kühne, für eine Debatte um die | |
| > Beteiligung seiner Firma an der Ausplünderung von Europas Juden sei es zu | |
| > spät. | |
| Bild: Zu spät? 2023 wurde das Mahnmal für die Ausplünderung von Europas Jude… | |
| Der Multimilliardär Klaus-Michael Kühne hat dem Spiegel eine Audienz | |
| gewährt. Und da wurde er nicht nur gefragt, ob der [1][Elbtower in seiner | |
| Heimatstadt Hamburg] noch zu retten ist (glaubt er nicht) oder er die | |
| Eröffnung der [2][von ihm gestifteten Oper] noch erleben wird (glaubt er | |
| erst recht nicht). Sondern auch nach der [3][NS-Vergangenheit seiner | |
| Firma], des Logistikkonzerns Kühne + Nagel. Ganz höflich und zartfühlend, | |
| weil: Er kann ja nichts dafür, er war ja 1945 erst sieben Jahre alt. | |
| Aber dann haben die Spiegel-Leute auch noch gefragt, warum Kühne eine | |
| historische Aufarbeitung dieser Geschichte [4][immer wieder verhindert] | |
| hat. Weil: Da kann er was für. | |
| Dazu hat er eine bestürzend klare Haltung. „Wenn die Diskussion kurz nach | |
| dem Krieg aufgekommen wäre, hätte ich volles Verständnis“, sagt er. Sie | |
| habe aber [5][genau 2015 begonnen], zum 125-jährigen Jubiläum des | |
| Logistikkonzerns, 70 Jahre nach Kriegsende. Voll unfair, oder? Seitdem sei | |
| diese Diskussion „ein Dauerbrenner“. | |
| An dieser Stelle wollen wir mal kurz die Lorbeeren dafür einheimsen: Das | |
| Feuer, das diesen Dauerbrenner am Brennen hält, hat fast ganz allein die | |
| taz entfacht, die Lokalredaktion am Bremer Stammsitz von K+N. „Es werden | |
| alte Wunden aufgerissen“, klagt Kühne nun – und damit also uns an. Wir | |
| könnten zufriedener nicht sein. | |
| ## Siebenjähriger Arierknirps | |
| Denn wessen Wunden sind das, die da aufgerissen werden? Seine? Welche | |
| Wunden hat er denn davongetragen, als siebenjähriger Arierknirps? Oder | |
| meint er etwa die Wunden der Opfer, der Opfer auch seines Unternehmens, das | |
| sich ein Monopol auf den Abtransport und die „Verwertung“ jüdischen | |
| Eigentums im besetzten Westeuropa gesichert hatte? Als hätten deren Wunden | |
| je heilen können, als wären sie nicht auf ewig offen, schwärend, sich | |
| vererbend von Generation zu Generation. | |
| Kühne erlaubt sich festzulegen, bis wann eine Debatte darüber zulässig | |
| gewesen wäre. Klar, es ist natürlich schwer zu verstehen, dass die in | |
| Auschwitz Vergasten nicht am 9. Mai 1945 bei den Kühnes auf der Matte | |
| gestanden und Schadenersatz verlangt haben. Und dass die Überlebenden | |
| danach damit beschäftigt waren zu überleben, zunächst ganz körperlich und | |
| für immer seelisch, fast alle. Wären sie 1945 im Land der Mörder vorstellig | |
| geworden, hätte K+N ihnen sicher „voller Verständnis“ alles Geraubte | |
| zurückerstattet, mitsamt Zinsen. Aber so – weggegangen, Platz vergangen. | |
| Seltsamerweise haben auch die nichtjüdischen Deutschen gar nicht die | |
| Konzernzentrale gestürmt, um seinen Vater Alfred zur Rechenschaft zu ziehen | |
| – die waren nämlich wiederum ziemlich lange angestrengt damit befasst, sich | |
| mit sich selbst zu versöhnen. | |
| ## Der jüdische Teilhaber | |
| Dass dieser Vater seinen jüdischen Teilhaber Adolf Maas aus der Firma | |
| gedrängt hat, will Klaus-Michael im Spiegel-Interview nicht gelten lassen: | |
| Das sei „nicht der richtige Ausdruck“. Sein Vater habe „immer gut von ihm | |
| gesprochen“. Tüchtig sei Maas gewesen. Ob man sich damals „einvernehmlich | |
| oder gar freundschaftlich“ geeinigt hat – „das weiß ich nicht“, behaup… | |
| Kühne. Ernsthaft, im April 1933? Eine Nachfrage der Spiegel-Redakteure ist | |
| nicht überliefert. | |
| Jedenfalls trat Vater Kühne eine Woche später in die NSDAP ein. Maas bekam | |
| für seinen Firmenanteil keine Abfindung und wurde später in Auschwitz | |
| ermordet. | |
| Mord verjährt nicht. Massenmord schon gar nicht. Und für das Profitieren | |
| vom Massenmord sollte dasselbe gelten. Erst recht, da Kühne + Nagel seinen | |
| Aufstieg vom Mittelständler zum Global Player der Beteiligung am | |
| Menschheitsverbrechen Schoah verdankt. Falls Herr Kühne all das bestreiten | |
| möchte, kann er ja mal Historiker:innen beauftragen. | |
| 3 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Kahlcke | |
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