| # taz.de -- Gedenkstätte Deutscher Widerstand: Durchhalteterror in den letzten… | |
| > Eine neue Ausstellung befasst sich mit dem Widerstand gegen das NS-Regime | |
| > am Weltkriegsende. Vielfach ging es dabei um die Rettung der eigenen | |
| > Städte. | |
| Bild: Die Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand dokumentiert Ak… | |
| Berlin taz | Am 6. April 1945 stand die Rote Armee 60 Kilometer vor Berlin. | |
| Im Westen erreichte die U.S. Army fünf Tage später die Elbe. Das | |
| bevorstehende Ende des NS-Regimes war selbst für fanatische Anhänger nicht | |
| mehr zu leugnen. Berliner „Normalverbraucher“ erhielten auf | |
| Lebensmittelkarten noch 254 Gramm Brot, 32 Gramm Fleisch und 16 Gramm Fett | |
| am Tag. | |
| Genau an diesem Tag entschied Hans Gathemann, NSDAP-Ortsgruppenleiter von | |
| Berlin-Rahnsdorf, etwas Gutes für seine Parteigenossen zu tun. Rahnsdorfer | |
| Mitglieder von NS-Organisationen erhielten Sonder-Brotmarken. Proteste aus | |
| der übrigen Bevölkerung, die ebenfalls mehr Brot verlangte, ignorierte der | |
| Nazi. Daraufhin stürmten etwa 200 Frauen aus dem Köpenicker Ortsteil und | |
| einige Männer zwei Bäckereien. Einer der Bäcker verteilte Brot an die | |
| Protestierenden. | |
| Zwei Anwohnerinnen denunzierten beteiligte Frauen und einen Mann bei der | |
| Polizei. Nur Stunden nach dem Sturm der Bäckereien nahm die Gestapo 15 | |
| Personen fest. Einen Tag später, am 7. April, verurteilte ein Berliner | |
| Standgericht Max Hilliges, Margarete Elchlepp und Gertrud Kleindienst zum | |
| Tode. | |
| Kleindienst „begnadigte“ man zwar kurz darauf zu acht Jahren Zuchthaus. | |
| Hilliges und Elchlepp dagegen wurden in der Nacht zum 8. April 1945 im | |
| Gefängnis Plötzensee hingerichtet. Propagandaminister Joseph Goebbels | |
| sorgte dafür, dass Plakate in Rahnsdorf über den Doppelmord informierten. | |
| Zwei Wochen später hatten Soldaten der Roten Armee den Ortsteil zwischen | |
| Müggelsee und Stadtgrenze erreicht. | |
| ## Gedenktafel in Rahnsdorf | |
| In Rahnsdorf erinnert heute eine Gedenktafel an Elchlepp, Hilliges und den | |
| Brotaufstand. Auf eine solche Tafel passen nicht viel Text und schon gar | |
| keine Fotos. Wer mehr über die mutige Tat der Rahnsdorfer Frauen vor 80 | |
| Jahren erfahren möchte, dem sei die neue Sonderausstellung der Gedenkstätte | |
| Deutscher Widerstand empfohlen. Bis zum 25. August informiert die Schau | |
| über den Widerstand aus der deutschen Bevölkerung in den letzten | |
| Kriegstagen gegen die Nazis. | |
| Das NS-Regime lehnte eine Kapitulation strikt ab. Die Deutschen sollten bis | |
| zur letzten Patrone gegen die Alliierten kämpfen und zum Sterben bereit | |
| sein. In Hitlers „Nero-Befehl“ vom 19. März 1945 hieß es, jegliche | |
| Infrastruktur, die dem Feind nützlich sein könnte, sei zu zerstören. | |
| Fliegende Standgerichte ließen Deserteure und Menschen, die sich gegen die | |
| Zerstörungen wandten, an rasch errichteten Galgen aufknüpfen. SS-Chef | |
| Heinrich Himmler ordnete an: „Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne | |
| erscheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen.“ | |
| Vielerorts wurden Brücken, Eisenbahngleise und Leitungen zerstört, damit | |
| sie den Alliierten nicht in die Hände fallen. Kampfkommandanten in Städten | |
| und Dörfern, aber auch fanatische SS-Männer und 16-jährige Hitlerjungen | |
| wollten die Ortschaften an der Front gegen die Übermacht der Armeen der | |
| Anti-Hitler-Koalition verteidigen, was in aller Regel eben die Zerstörung | |
| zur Folge hatte. | |
| Die Ausstellung zeigt ein von der US-Luftwaffe abgeworfenes Flugblatt. „In | |
| wenigen Minuten kann Ihre Ortschaft in einen Trümmerhaufen verwandelt | |
| werden“, heißt es da. Und: „Hunderte von Städten und Dörfern sind dem | |
| Erdboden gleichgemacht worden, weil Fanatiker versuchten, den Widerstand | |
| fortzusetzen. Sie haben die Wahl zwischen: Übergabe und Schonung Ihrer | |
| Ortschaft oder Widerstand und Vernichtung!“ | |
| ## Kein massenhafter Widerstand | |
| Die drohende sinnlose Zerstörung der eigenen Städte und Dörfer war gewiss | |
| ein Motiv für diejenigen, die in diesem Moment gegen die Nazis aufstanden. | |
| [1][Es habe aber keinen massenhaften Widerstand gegeben], betonte | |
| Gedenkstättenleiter Johannes Tuchel bei der Eröffnung der Schau am | |
| Donnerstagabend. Doch es gab Proteste, die häufig von Frauen getragen | |
| worden seien. Die Ausstellung zeigt 14 Fälle, die sich im April 1945 in | |
| Deutschland zugetragen haben. | |
| So versuchte im fränkischen Ansbach der 19-jährige Robert Limpert, die | |
| Zerstörung seiner Heimatstadt zu verhindern. Der Nazi-Gegner verteilte | |
| selbst geschriebene Flugblätter. „Wir verteidigen Ansbach nicht!“, schrieb | |
| er unter einem rot durchgestrichenen Hakenkreuz. Mehr noch: Limpert | |
| durchtrennte mit einer Zange die Telefonkabel am Gefechtsstand des | |
| Kampfkommandanten der Wehrmacht. Das bekamen zwei Hitlerjungen mit, die ihn | |
| denunzierten. Nur Stunden vor dem Einmarsch der US-Army am 18. April wurde | |
| er am Ansbacher Rathaustor erhängt. | |
| Im oberbayerischen Penzberg setzte eine sozialdemokratisch orientierte | |
| „Freiheitsaktion Bayern“ zehn Tage später den Nazi-Bürgermeister ab und | |
| sorgte dafür, dass das örtliche Bergwerk nicht gesprengt wurde. Noch am | |
| selben Tag nahmen herbei gerufene Soldaten die Widerständler fest. Sieben | |
| der beteiligten Männer wurden am Abend des 28. April ermordet. | |
| Die Bereitschaft zur Kapitulation sei gegenüber den Truppen der westlichen | |
| Alliierten größer gewesen als bei der Roten Armee, sagte Johannes Tuchel. | |
| Aber es gab sie, so etwa in Greifswald, wo es einer linken | |
| Widerstandsgruppe gelang, dass die Stadt kampflos den Truppen der | |
| Sowjetunion übergeben und nicht zerstört wurde. | |
| ## Gruppe „Onkel Emil“ half schon 1938 | |
| Zwei weitere Beispiel in der Schau kommen aus Berlin und Umgebung. Eine | |
| Bucht am Krossinsee südlich von Berlin diente als Treffpunkt [2][von | |
| Kommunisten um Anton Saefkow] und Franz Jacob, die vor allem Flugblätter | |
| verteilten, bis der Kern der Widerstandsgruppe im Juli 1944 von der Gestapo | |
| verhaftet wurde. Doch einige Aktivisten entkamen und machten weiter. | |
| „Berliner zum Kampf! Rettet, was uns noch verblieben ist!“, stand auf einem | |
| ihrer Flugblätter. | |
| Andere bemalten in den letzten Tagen des NS-Regimes in Zweierteams | |
| Häuserfassaden mit weißer Farbe und Kreide. Am nächsten Tag stand dort ein | |
| großes „Nein!“ – als Zeichen des Widerstands. Die Aktionen gingen auf | |
| Mitglieder einer [3][Gruppe um die Journalistin Ruth Andreas-Friedrich mit | |
| dem Namen „Onkel Emil“] zurück, die schon 1938 bedrängten Jüdinnen und | |
| Juden geholfen hatte. Andreas-Friedrich trug am 19. April in ihr Tagebuch | |
| ein: „Je weiter wir fahren, desto glücklicher klopft unser Herz. Der | |
| Kurfürstendamm ist eine Glanzleistung. Wohin wir blicken, leuchten | |
| weißfarbene Proteste.“ | |
| Ruth Andreas-Friedrich hat überlebt. Viele andere nicht. Diejenigen, die | |
| ihre Ermordung befahlen, kamen nach dem Krieg häufig mit lächerlich | |
| geringen Strafen davon oder wurden gar nicht erst angeklagt. | |
| 13 Apr 2025 | |
| ## LINKS | |
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| [2] /75-Jahre-Attentat-auf-Adolf-Hitler/!5607271 | |
| [3] /der-krieg-ist-aus-Orte-im-Wandel-4/!609440&s=Gruppe+Onkel+Emil&Suc… | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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