# taz.de -- Mein Vormieter Max Anschel (1): Mein Vormieter, ermordet im KZ Stut… | |
> In der Nazizeit lebte die Familie Anschel in der Elisabethkirchstraße in | |
> Berlin-Mitte, im Haus, in dem heute unser Autor wohnt. Eine Spurensuche, | |
> die nahe geht. | |
Bild: Hier lebte Max Anschel mit seiner Familie: Das Haus in der Elisabethkirch… | |
Diese Geschichte beginnt mit einem Text. Ende Februar 2023 [1][berichtete | |
Sabine Seifert in der taz] über Menschen, die sich in Berlin auf die Spuren | |
einer jüdischen Familie begeben haben, die einst in dem Haus wohnten, in | |
dem sie heute leben. Und sie erwähnt dabei auch das noch recht neue | |
[2][Internetprojekt „Mapping the Lives“], in dem die einstigen Wohnorte von | |
Verfolgten des Nazi-Regimes auf einem Stadtplan eingetragen sind. | |
Noch am selben Abend schaue ich mir die Seite im Netz an – prüfe meine | |
eigene Adresse. Und plötzlich stehen fünf Namen vor meinen Augen. Fünf | |
Menschen, die einst dort lebten, wo ich jetzt zuhause bin. | |
Max Anschel. Seine Frau Anna. Ihre Tochter Ruth. Dazu Heinz Hans Geissler | |
und Erwin Thiel. | |
Seit über 25 Jahren schon wohne ich in einem alten Mietshaus in | |
Berlin-Mitte. Ich weiß seit vielen Jahren, dass es bis in die 1930er Jahre | |
einen jüdischen Eigentümer hatte, der aber nicht in Berlin, sondern in | |
Amsterdam lebte. | |
Stolpersteine, die an einstige jüdische Anwohner:innen erinnern, liegen | |
vor vielen Häusern in unserem Kiez. Bei uns aber nicht. Es ist | |
wahrscheinlich, dass auch in „meinem“ Haus Verfolgte gewohnt haben. Schon | |
vor Jahren habe ich nach Ansatzpunkten dafür in alten Adressbrüchern | |
gesucht, [3][die man im Internet findet], aber ohne Ergebnis. | |
Ich habe auch mal im Berliner Gedenkbuch gesucht, das man in der Bibliothek | |
in der Breiten Straße einsehen kann. Darin sind die Berliner Opfer des | |
Nationalsozialismus nach Namen geordnet. Mehr als 6.000 Menschen, ermordet. | |
Es ist erdückend, darin zu lesen. Bei meiner Suche nach ehemaligen | |
Bewohnern meines Hauses aber war es keine Hilfe. Dank Mapping the Lives | |
kenne ich nun die Namen. | |
In einer Schnellrecherche im Netz finde ich wenig zu Heinz Hans Geissler | |
und Erwin Thiel. Zur Familie Anschel finde ich dafür umso mehr. Und so wird | |
mir klar: ich habe eine Aufgabe. Sie vor dem Vergessen zu retten. | |
„Gestorben an den Folgen der NS-Verfolgung“ | |
Max Anschel wurde am 28. 4. 1888 in Schermbeck am Niederrhein geboren. Wann | |
er nach Berlin kam, ist unklar. Alle seine vier Großeltern waren Juden, das | |
geht aus den Nazi-Akten hevor, die Mapping the Lives verarbeitet hat. Seine | |
Frau Anna kam am 10. Januar 1901 in Berlin zur Welt, die gemeinsame Tochter | |
Ruth am 5. Januar 1931. Anna Anschel hatte keine jüdischen Großeltern. | |
„Verfolgungsgrund: kollektiv“ heißt es auf „Mapping the Lives“. Sie wu… | |
also bedrängt, weil sie mit einem Juden verheiratet war. | |
Was aus ihr und ihrer Tochter wurde, lässt die Datenbank offen. Bei Max | |
Anschel aber gibt es keinen Zweifel. „Gestorben an den Folgen der | |
NS-Verfolgung“, heißt es auf Mapping the Lives, am 22. November 1944. Und | |
dass er zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Auschwitz deportiert worden | |
war. | |
„Mapping the Lives“ hat bei ihm auch noch das [4][„Gedenkbuch für die Op… | |
der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft | |
in Deutschland 1933 – 1945“] verlinkt, das das Bundesarchiv online gestellt | |
hat. [5][Dort finde ich den Todesort] von Max Anschel: das | |
Konzentrationslager Stutthof. | |
Einmal angefixt von der Geschichte, braucht es nur ein paar Klicks, bis ich | |
im Netz noch mehr über Max Anschel gefunden habe. Auf [6][den Seiten des | |
United States Holocaust Memorial Museums] gibt es eine [7][Datenbank mit | |
Namen von Opfern und Überlebenden] des Holocaust. Dort kann man sogar | |
Dokumente zu ihnen anfordern. | |
Wenige Stunden später habe ich sie per Mail vorliegen: darunter seine | |
„Todesbescheinigung“, unterschrieben vom Lagerarzt des KZ Stutthof, einem | |
„SS-Obersturmführer“ mit unleserlicher Unterschrift, der angibt, dass „M… | |
Israel Anschel“ am 22. 11. 44 um 12.30 Uhr an „Herzmuskelschwäche“ | |
gestorben sei. „Israel“ war nicht der Zweitname von Max Anschel – er wurde | |
alle Juden von den Nazis zwangweise aufgedrückt. | |
Dazu die „Häftlings-Personal-Karte“ des KZ, aus der hervorgeht, dass Max | |
Anschel am 28. Oktober 1944 von Auschwitz nach Stutthof gebracht wurde. | |
Dass er ein Kind hat. Und dass seine Ehefrau Anna damals immer noch unter | |
der alten Adresse wohnte: Es ist das Haus, in dem ich heute lebe. | |
Das trifft mich. Wenn all dies offenbar seit vielen Jahren bekannt ist, | |
warum liegt dann noch kein Stolperstein vor dem Haus? | |
Tatsächlich gibt es in Berlin bereits [8][einen Stolperstein, der an Max | |
Anschel erinnert]. Er liegt am heutigen Platz der Vereinten Nationen. Aber | |
es ist nur ein Namensvetter, der ein paar Monate später am 10. November | |
1888 in Rogasen geboren wurde. Wie ich [9][aus alten Adressbüchern] | |
erfahre, war er offenbar Schuhmacher. Auch er wurde [10][1943 deportiert] | |
und kam in Auschwitz ums Leben. Genau wie [11][seine Frau] und [12][sein | |
Sohn]. Aber der Max Anschel, der in meinem Haus wohnte, ist offenbar | |
vergessen. Das will ich ändern. | |
Zuerst wende ich mich an die lokal Zuständige für die Verlegung von | |
Stolpersteinen. Sie schreibt mir, dass die Verlegung der Steine auch | |
auseinandergerissene Familien wieder zusammenbringen soll. Wenigstens | |
symbolisch. | |
Aber erst einmal muss ich die grundlegenden Fragen selbst beantworten: Wer | |
waren die Anschels? Was wurde aus ihnen? Und warum? | |
Die Suche in den Adressbüchern | |
Die historischen Adressbücher Berlins sind ein faszinierendes Dokument. Man | |
findet sie [13][auf den Seiten der Landesbibliothek], sie bieten einen | |
Rückblick bis ins 18. Jahrhundert. Sie sind als PDF einsehbar und lassen | |
sich nach Schlagworten durchsuchen. | |
In vielen aus der Zeit vor 1945 findet man die Bewohner:innen der Stadt | |
zudem nach Adressen sortiert. Neben den Namen steht häufig auch der Beruf. | |
So lassen sich kleine Familiengeschichten ablesen. Etwa wenn ein Mann erst | |
als Schuhmacher verzeichnet ist, Jahre später als Renter auftaucht und | |
nochmal Jahre später eine Frau gleichen Namens eingetragen ist – als Witwe. | |
Durch diese Adressbücher weiß ich schon seit Langem, dass [14][im Jahr | |
1933] in meinem Haus ein Postschaffner, ein Fleischermeister, ein Kaufmann, | |
ein Lagerverwalter, eine Spritzerin, ein Bäcker und drei Witwen als | |
Haushaltsvorstände lebten. Und dass der jüdische Eigentümer schon damals in | |
Holland lebte, also nicht erst vor den Nazis geflohen war. | |
Nur bei meiner Suche nach eventuellen Opfern des Nationalsozialismus half | |
mir diese Datenbank nicht weiter. Bis jetzt. Doch wenn man weiß, was man | |
finden will, stößt man auf ganze Lebenläufe. Oder zumindest auf Fragmente | |
davon. | |
Die Anschels tauchen in den Berliner Adressbüchern im Jahr 1932 auf. | |
[15][Da wird ein Max Anschel in der Bergstraße 17 aufgeführt] mit dem | |
Zusatz „Biergebäck“. Das Haus liegt wenige hundert Meter von seiner | |
späteren, letzten Adresse entfernt. Anhand der Berufsangabe lässt sich aber | |
erkennen, dass es sich um „meinen“ Max Anschel handelt. Denn auch nach dem | |
Umzug bleibt der Geschäftsbereich, wenn auch mit stetig sich leicht | |
ändernden Bezeichnungen. [16][1933 wird Max Anschel als „Weinbäckvertrieb“ | |
genannt]. Zwei Jahre später, im Jahr 1935, gibt es in der Bergstraße 17 | |
eine „Backwarengroßhandlung“ – allerdings nicht mehr unter Max Anschel, | |
sondern unter dem Namen seiner Frau Anna, die [17][im Branchenverzeichnis | |
nun auch unter „Bäcker“ gelistet] ist. Ich kann nur ahnen, wie das damals | |
ausgesehen hat. Das Haus wurde offenbar im Krieg zerstört. Heute steht dort | |
ein Neubau. | |
Spätestens 1938 sind die Anschels an ihre neue Adresse gezogen, in das | |
Haus, in dem ich heute wohne. Anna Anschel wird nun mit dem Zusatz „Gebäck“ | |
erwähnt. Ein Jahr später heißt es, sie habe dort eine | |
„Konfitürengroßhandlung“. Ihr Mann Max wird unter der gleichen Adresse als | |
„Kaufmann“ geführt. 1940 ist Max aus dem Adressbuch verschwunden, nur noch | |
Anna taucht unter der Adresse auf. 1942 ist auch Anna nicht mehr zu finden. | |
Auch 1943, im letzten vorhandenen Adressbuch aus Kriegszeiten, gibt es | |
keinen Eintrag zu der Familie – aber ein anderes Detail gibt einen Hinweis | |
auf die Nazi-Diktatur. Als Eigentümer des Hauses taucht anders als in den | |
Vorjahren nicht mehr der in Amsterdam lebende Kaufmann Steinberger auf. | |
Offenbar wurden die jüdischen Besitzer enteignet. Ihre dann in New York | |
lebenden Erben bekamen das Haus erst um das Jahr 2000 herum rückübertragen. | |
Von der Familie Anschel verliert sich zunächst jede Spur. Erst im | |
Ostberliner Telefonbuch des Jahres 1961 taucht sie wieder auf. Die | |
mittlerweile erwachsene Tochter Ruth ist jetzt als „Dr. med“ verzeichnet – | |
unter der alten Adresse ihrer Eltern. Sie bleibt dort bis mindestens 1967 | |
wohnen. | |
Anfang der 70er Jahre zieht sie in eine der neuen Plattenbauten unweit des | |
Berliner Alexanderplatzes, wo sie jahrzehntelang wohnen bleibt – auch nach | |
dem Mauerfall. Geheiratet hat sie offenbar nie. | |
Kurz habe ich die Hoffnung, mit Ruth Anschel noch reden zu können. Sie wäre | |
heute knapp über 90 Jahre alt. Aber eine Anfrage ans Einwohnermeldeamt | |
ergibt: sie ist bereits im Jahr 2000 gestorben. Auch ihre Mutter, erfahre | |
ich so, hat den Nationalsozialismus überlebt. Sie starb 1992 im Alter von | |
91 Jahren. | |
Das Haus, in dem ich wohne | |
Das Haus, in dem ich seit 25 Jahren wohne, ist unscheinbar. Ein Mietshaus | |
mit acht Wohnungen. Kein Gewerbe. Keine Erker, keine Balkone, kein Stuck. | |
Wie bei fast allen Häusern in der Rosenthaler Vorstadt hat sich auch hier | |
die Bewohnerschaft radikal geändert seit dem Mauerfall. Mehrere Familien | |
zogen fort, weil es ihnen mit den Kindern zu eng geworden war. Und weil sie | |
sich eine größere Wohnung im Kiez, der einst die Vorstadt der Armen war, | |
nicht mehr leisten können. | |
Einst lebte hier ein Karikaturist. Nach einer Vernissage mit seinen | |
Arbeiten saß die Crème der deutschen Zeichnerszene kurz bei uns im | |
Wohnzimmer, weil der Gastgeber gerade seinen Schlüssel nicht fand und wir | |
die Leute nicht vor der Tür stehen lassen wollten. Ein Restaurantbetreiber, | |
der hier wohnte, starb nach heftigen Drogenproblemen. Länger als ich wohnt | |
heute nur Wolfgang im Haus. Der dafür aber eigentlich schon immer. Er zog | |
als junger Mann in den 70er Jahren ein. Ein Metzger, der allein seinen Sohn | |
großzog. Heute ist er längst Rentner. Er öffnet gern laut brummend die | |
Wohnungstür, wenn die Kinder die Treppe runtertrampeln – und schenkt ihnen | |
dann Schokoriegel. | |
Hat er vielleicht die Anschels noch in unserem Haus erlebt? Ich drehe an | |
der alten Klingel an seiner Wohnungstür. Er kommt auf Krücken an. Anschel?, | |
fragt er. Da habe es doch dieses Ehepaar unter ihm gegeben, meint er. Aber | |
Ehepaar, das kann ja nicht sein. Der Mann, Max Anschel, war ja schon seit | |
1944 tot. Und Juden? Nein, das sagt ihm gar nichts. Dafür erzählt er noch | |
jede Menge anderer Geschichten, von quietschenden Betten in diesem | |
hellhörigen Haus, von Nachbarn, die er „gefressen hatte“, von den vielen | |
Kindern, die immer hier gelebt hätten. Und von dem Zeichner, der ihm noch | |
heute jedes Jahr einen Kalender schicke. Nur bei meiner Suche kann er mir | |
nicht weiterhelfen. | |
Aber vielleicht die WBM? Zu DDR-Zeiten wurde das Haus von der kommunalen | |
Wohnungsverwaltung geführt, aus der nach der Wende die | |
Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) hervorging. Von der hatte ich 1999 noch | |
meinen Mietvetrag bekommen – kurz bevor das Haus an die Alteigentümer | |
übertragen wurde. Ob die WBM vielleicht noch das alte Hausbuch hat, in dem | |
zu DDR-Zeiten alle Bewohner akribisch gelistet wurden? Ich frage bei der | |
Pressestelle an. Aber sie kann mir nicht weiterhelfen. | |
Ich stochere im Nebel. Also versuche ich meine Suche systematischer | |
anzugehen. Mit den wichtigsten Lebensdaten von Max Anschel. | |
Geboren in Schermbeck an der Lippe | |
In Schermbeck war ich noch nie. Ich wusste bisher nicht einmal, dass ein | |
Ort mit diesem Namen existiert. In der Gemeinde im Kreis Wesel nahe der | |
holländischen Grenze leben heute rund 13.000 Menschen. Hier wurde Max | |
Anschel 1888 geboren. Mindestens seit Mitte des 17. Jahunderts gab es dort | |
eine kleine jüdische Gemeinde. [18][Laut Wikipedia] stellte sie um 1855 | |
rund 10 Prozent aller Einwohner. | |
Im Netz stoße ich auf einen Bericht über eine Aktion der dortigen | |
Gesamtschule. Die Schüler:innen hatten 2017 in einem Projekt zur | |
jüdischen Geschichte des Ortes geforscht und am Jahrestag der | |
Reichspogromnacht daran erinnert. „Hanna Wegner, Alicia Theis und Joline | |
Rosendahl erinnerten an Mitglieder der jüdischen Familien Anschel, | |
Schönbach, Marchand, Adelsheimer, Hoffmann und Sternberg“, [19][heißt es in | |
dem Text], in dem auch die Geschichtslehrerin genannt wird, die das Projekt | |
geleitet hat. Wissen die Schüler:innen mehr über die Familie Anschel und | |
über Max? Ich maile die Schule an – und bekomme Antwort von ganz anderer | |
Stelle. | |
Andrea Kammeier-Nebel, die lange zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in | |
Schermbeck geforscht hat, hat meine Anfrage von der Geschichtslehrerin | |
weitergeleitet bekommen. Sie schreibt mir, dass Max Anschel in den | |
Schermbecker Quellen leider nicht erwähnt werde. Das heißt aber nicht, dass | |
er dort nicht zur Welt kam. | |
Die Informationen über die jüdischen Familien in Schermbeck in der zweiten | |
Hälfte des 19. Jahrhunderts, schreibt Kammeier-Nebel, basieren weitgehend | |
auf den preußischen Volkszählungen. Standesamtliche Unterlagen sind nicht | |
erhalten. Die Volkszählungen führen die Familien pro Haus mit bürgerlichem | |
Namen, Geburtsdatum, Stand und Beruf auf. | |
Aufgrund der ihr vorliegenden Akten mutmaßt sie, dass Albert Anschel (*4. | |
9. 1851) sein Vater war, seine Frau Laura, geborene Hasendahl (*26. 1. 1850 | |
in Wesseling) seine Mutter. In der Volkszählung von 1885 wird ein Sohn mit | |
Namen Adolf Anschel (*31. 8. 1885) aufgeführt. Das Paar sei zwischen 1890 | |
und 1895 aus Schermbeck fortgezogen, vermutlich nach Krefeld. | |
Laura Anschel sei 1912 in Krefeld beerdigt worden. Ein Ingenieur namens | |
Adolf Anschel sei im Krefelder Adressbuch 1931/32 verzeichnet. Er wurde | |
1938 inhaftiert und war vom 17. November bis 1. Dezember 1938 im | |
Konzentrationslager Dachau. Am 26. April 1939 emigrierte er nach Belgien | |
und wurde am 10. Mai 1940 in dem kleinen französichen Ort Le Vigeant | |
interniert. Dort befand sich ein Lager, in dem überwiegend deutsche und | |
österreichische Emigranten interniert wurden, die vor den Nazis Zuflucht in | |
Belgien gesucht hatten. Am 10. August 1942 wurde Adolf Anschel nach | |
Ausschwitz deportiert. | |
Kammeier-Nebel rät mir, beim Stadtarchiv Krefeld nachzuforschen. Von der | |
dortigen NS-Dokumentationsstelle antwortet mir Fabian Schmitz: „[20][In | |
unserer Datenbank ist nur das Ehepaar Adolf und Erna] mit dem Sohn Günter | |
(geb. 1924 in Bremen, ermordet 1943 vermutlich in Auschwitz) verzeichnet. | |
Informationen zu Eltern und Geschwistern der beiden Eheleute fehlen | |
leider“. Aber Geburtsort und –tag von Adolf Anschel stimmen. Er war | |
offensichtlich der Bruder von Max. „Er wurde in Schermbeck geboren, war | |
Ingenieur und Inhaber eines Photogeschäftes.“ | |
Schmitz weiß noch mehr über den Leidensweg von Adolf Anschel und seiner | |
Familie: Er „wurde vermutlich im Rahmen der Novemberpogrome in ‚Schutzhaft�… | |
genommen und vom 17. November bis zum 1. Dezember in Dachau festgehalten, | |
bis er zwecks „Arisierung“ seines Vermögens und Auswanderung entlassen | |
wurde. Im April 1939 floh die Familie nach Belgien. Adolf wurde 1942 von | |
Drancy, Frankreich, aus nach Auschwitz deportiert, wo er vermutlich am 10. | |
August 1943 ermordet wurde. Erna wurde am 31. Juli 1943 ab Mechelen, | |
Belgien, nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich bei Ankunft | |
ermordet. Günter wurde am 7. Oktober 1943 von Drancy aus nach Auschwitz | |
deportiert. Auch er wurde vermutlich bei Ankunft ermordet.“ | |
Je tiefer man einsteigt in die Geschichte, desto mehr offenbart sich das | |
Grauen. | |
Erst recht, wenn man nicht nach dem Lebensanfang von Max Anschel sucht, | |
sondern nach dem Ende im Konzentrationslager Stutthof. Dazu frage ich die | |
Gedenkstättenleiterin in Stutthof. Ihre Antwort kommt prompt. Und sie ist | |
hart. | |
.............. | |
Die Geschichte von Max Anschel und seiner Familie hat taz-Redakteur Gereon | |
Asmuth in einer sechsteiligen Serie aufgeschrieben. Alle Texte finden Sie | |
unter [21][taz.de/maxanschel]. | |
Teil 2: [22][Vier Tage und ein halbes Brot – Das KZ Stutthof, in dem Max | |
Anschel starb, galt unter Häftlingen als schlimmstes Lager.] | |
Teil 3: [23][Die gnadenlose Kirche gegenüber – Die jüdisch-katholische | |
Famlie Anschel lebte direkt gegenüber einer NS-dominierten Kirche.] | |
Teil 4: [24][Der Riss in der Tür – Ein Mordversuch, ein Einbruch, eine | |
zertrümmerte Tür: Auf den Spuren meiner Vormieterin Anna Anschel] | |
Teil 5: [25][„Mutti, ich habe eine sehr, sehr grosse Bitte an Dich!“ – Die | |
Geschichte der Tochter Ruth Anschel] | |
Teil 6: [26][Der Verrat im Luftschutzkeller und das Leben im Nazinest nach | |
dem Krieg] | |
15 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Juedisches-Leben-in-Deutschland/!5914363 | |
[2] https://www.mappingthelives.org/ | |
[3] https://digital.zlb.de/viewer/berliner-adress-telefon-branchenbuecher/ | |
[4] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/ | |
[5] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1050298 | |
[6] https://www.ushmm.org/de | |
[7] https://www.ushmm.org/remember/resources-holocaust-survivors-victims/databa… | |
[8] https://www.stolpersteine-berlin.de/de/platz-der-vereinten-nationen/4-5/max… | |
[9] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1937/64/LOG_0015/ | |
[10] https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1050299 | |
[11] https://www.stolpersteine-berlin.de/de/platz-der-vereinten-nationen/4-5/hu… | |
[12] https://www.stolpersteine-berlin.de/de/platz-der-vereinten-nationen/4-5/we… | |
[13] https://digital.zlb.de/viewer/berliner-adressbuecher/ | |
[14] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1933/4238/ | |
[15] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1932/4850/LOG_0345/ | |
[16] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1933/52/ | |
[17] https://digital.zlb.de/viewer/image/34115495_1935/3088/LOG_0234/ | |
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Schermbeck#J%C3%BCdische_Gemeinde | |
[19] https://schermbeck-online.de/fanatische-nazis-lehrten-juden-das-fuerchten/ | |
[20] https://www.krefeld.de/c1257cbd001f275f/files/historische_datenbank_juedis… | |
[21] /maxanschel | |
[22] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-2/!6043628 | |
[23] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-3/!6041702 | |
[24] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-4/!6043629 | |
[25] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-5/!6043654 | |
[26] /Mein-Vormieter-Max-Anschel-6/!6043658 | |
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Gereon Asmuth | |
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