| # taz.de -- Journalist über Kühne-Oper in Hamburg: „Er würde sich am Ort d… | |
| > Hamburg lässt sich von Klaus-Michael Kühne eine Oper bauen. So | |
| > legitimiert sie dessen Umgang mit der NS-Schuld seiner Firma, findet | |
| > Journalist Bleyl. | |
| Bild: Schüttet Geld über Hamburg aus, wenn auch keine Steuern: Klaus-Michael … | |
| taz: Herr Bleyl, was ist Ihr Problem mit der Oper, die Milliardär | |
| Klaus-Michael Kühne Hamburg schenken will? | |
| Henning Bleyl: Die Oper soll an einen historisch hochbrisanten Ort kommen: | |
| dem Baakenhöft an der Elbe. Also dort, wo die Truppen eingeschifft wurden, | |
| die den Genozid an den Herero und Nama begingen, den ersten Völkermord | |
| durch deutsche Soldaten. In der NS-Zeit wurden genau dort [1][gewaltige | |
| Mengen jüdischen Eigentums aus Westeuropa] entladen. Klaus-Michael Kühne | |
| würde sich also exakt am Ort der uneingestandenen Schuld seines | |
| Familienunternehmens ein Denkmal setzen dürfen. Demonstrativer geht | |
| Geschichtsvertuschung kaum. | |
| taz: Sie haben als taz-Redakteur 2015 die NS-Verstrickung des | |
| Logistikunternehmens Kühne+Nagel öffentlich gemacht und [2][jahrelang für | |
| ein Mahnmal vor dem Bremer Firmensitz gekämpft]. Jetzt hat der Hamburger | |
| Senat der Kühne-Oper zugestimmt. Frustriert Sie das? | |
| Bleyl: Nein. | |
| taz: Warum nicht? | |
| Bleyl: Ich finde das nicht überraschend. Hamburg war [3][mit Kritik an | |
| Kühnes Umgang mit der Vergangenheit bisher ziemlich zaghaft]. Auch, weil er | |
| als Mäzen so präsent ist. | |
| taz: Kühne hat für die Elbphilarmonie gespendet, war lange wichtigster | |
| Sponsor des Fußballclubs HSV und hat Anteile der Hamburger Reederei | |
| Hapag-Lloyd … | |
| Bleyl: … sowie an Lufthansa, Flixbus und Greyhound. Er sponsert Hamburger | |
| Festivals, die Hauptkirche St. Katharinen und die Staatsoper. Dennoch | |
| interessieren sich durch das Opernhaus-Thema auf einmal viel mehr Menschen | |
| für Kühne, weil es ein gewaltiger Eingriff in die städtische Kulturpolitik | |
| ist. Ganz unterschiedliche Gruppen wie die Hafencity-Initiative, HSV-Fans, | |
| Künstler*innen oder die Hamburgische Architektenkammer befassen sich | |
| damit und [4][sogar die New York Times berichtet]. Da könnte sich die Stadt | |
| schon fragen, welches Bild sie mit diesem Kühne-Deal abgibt. | |
| taz: Die Stadt soll für die Oper 147,5 Millionen ausgeben, Kühnes Stiftung | |
| will den Rest bezahlen, rund 340 Millionen Euro. Können wir nicht die Oper | |
| „mitnehmen“ und Kühne trotzdem kritisieren? | |
| Bleyl: Das ist nicht so einfach. Geschenkte Gäule sind ja meist trojanische | |
| Pferde, die mit einer bestimmten Absicht zur Verfügung gestellt werden. Für | |
| Kühne geht es um die Manifestation seiner gesellschaftlichen Macht: Wenn | |
| sich die Stadt von ihm beschenken lässt, akzeptiert und legitimiert sie | |
| seinen Umgang mit der Vergangenheit ebenso wie seine | |
| Selbstermächtigungsattitüde. | |
| Kühne meint, überall reinreden zu dürfen, weil er die finanziellen Mittel | |
| hat. So lief es bei der Spielerauswahl des HSV und jetzt macht er es bei | |
| der städtischen Kultur. Insofern ist das Geschenk auch ein neo-feudaler | |
| Move. Der Unterschied zwischen einem König und Kühne besteht nur darin, | |
| dass sein Geld nicht Untertanen abgepresst wurde, sondern er es der | |
| öffentlichen Hand per Steuerflucht in die Schweiz vorenthält. Wobei ihn die | |
| Oper [5][wesentlich weniger kostet, als er wahrscheinlich zahlen müsste,] | |
| wenn er in Deutschland Steuern zahlen würde. | |
| taz: Auf einer Pressekonferenz zur Oper im Februar sagte Oberbürgermeister | |
| Peter Tschentscher (SPD) auf taz-Nachfrage zur NS-Geschichte seiner Firma, | |
| „dass Herr Kühne zu der Zeit Kind war“. Welche Verantwortung hat der 1937 | |
| geborene Klaus-Michael Kühne? | |
| Bleyl: Er hat eine Verantwortung für den aktuellen Umgang der Firma mit | |
| ihrer Geschichte. Niemand würde auf die Idee gekommen, ihn für die Aktionen | |
| seines Vaters und Onkels verantwortlich zu machen. Kühne + Nagel ist damit | |
| groß geworden, ab 1942 geraubte Möbel geflohener und deportierter Jüdinnen | |
| und Juden aus besetzten Westgebieten ins Deutsche Reich zu transportieren. | |
| Klaus-Michael Kühne beharrt immer noch darauf, dass sein Vater eine | |
| positive Gestalt gewesen sei. Er sperrt sich bis heute dagegen, die | |
| Firmenarchive für Forschende zu öffnen. | |
| taz: Wofür braucht es das überhaupt noch? | |
| Bleyl: Wir wissen genug, um sagen zu können, dass Kühne + Nagel ein | |
| Hauptprofiteur der sogenannten „Arisierungs“-Politik war. Dennoch gibt es | |
| viele Geschäftsfelder, in die Kühne + Nagel während des Nationalsozialismus | |
| verwickelt war, die noch wenig erforscht sind. Dazu gehören | |
| Militärlogistik, Kunstraub, das Verschieben von Vermögensbeständen kurz vor | |
| Kriegsende in die Schweiz, die Verwicklung in geheimdienstliche Tätigkeit | |
| während des „Dritten Reichs“ und danach. Man kann in öffentlichen Archiven | |
| vieles finden, aber das ist sehr verstreut. Kühne erschwert die | |
| Aufarbeitung ungemein. | |
| taz: Kühne selbst sagt immer wieder, die Firmenarchive seien im Zweiten | |
| Weltkrieg verbrannt. Lügt er? | |
| Bleyl: Es stimmt, dass der Hauptsitz in Bremen vollständig abgebrannt ist. | |
| Es stimmt aber auch, dass das Zentralkontor, also Hauptbüro, rechtzeitig | |
| nach Süddeutschland verlegt worden ist. Das haben andere Firmen auch | |
| gemacht, um sich vor Bombenangriffen der Alliierten zu schützen. Außerdem | |
| gibt es viele weitere Belege für die Existenz eines Firmenarchivs. In | |
| Publikationen aus den 1970er Jahren zitiert die Firma selbst aus ihrem | |
| historischen Archiv. Das Unternehmen hat bei einer Befragung 1990 selbst | |
| angegeben, dass es ein historisches Archiv hat. | |
| taz: Kühne + Nagel ist kein Einzelfall. Viele große deutsche Unternehmen | |
| profitierten vom Nationalsozialismus, einige haben das inzwischen | |
| aufgearbeitet, geschadet hat es ihnen nicht. Warum will Kühne nicht? | |
| Bleyl: Weil Klaus-Michael Kühne der weltweit drittgrößte Spediteur ist und | |
| gleichzeitig mental tickt wie ein Mittelständler. Für ihn sind Firmen- und | |
| Familiengeschichte dasselbe. Er bringt es nicht über sich, aus dem Schatten | |
| seines Vaters zu treten und zu [6][akzeptieren, dass er sich unredlich | |
| verhalten hat.] | |
| taz: Die Milliardärsfamilie Reimann gibt Millionen, um die Verstrickung | |
| ihrer Chemiefirma Joh. A. Benckiser (JAB) erforschen zu lassen. Trotzdem | |
| gehört sie zu den reichsten Familien im Land. Ist Aufarbeitung nicht | |
| einfach gutes Marketing? | |
| Bleyl: Eigentümerfamilien haben verschiedene Motive, ihre Firmengeschichte | |
| aufzuarbeiten, dazu gehören sicher auch moralische. Bei Kühne zieht aber | |
| weder das strategische Kalkül, wie es von außen aussieht, noch eine innere | |
| Motivation. Er hätte die Diskussion vielleicht 2015 beenden können, indem | |
| er die Ergebnisse einer Studie, die er ja tatsächlich beauftragt hat, nicht | |
| geheimgehalten hätte. Durch seine Renitenz fällt ihm die Kritik immer mehr | |
| auf die Füße, wie auch jetzt beim Opernbau. | |
| taz: Der Hamburger Senat will sie, jetzt muss nur noch die Bürgerschaft | |
| zustimmen. Ist Kühnes Oper überhaupt noch zu verhindern? | |
| Bleyl: Ich glaube schon, dass sie verhinderbar ist. Neben den historischen | |
| gibt es ja noch viele weitere Gründe, die Oper nicht zu bauen, zum Beispiel | |
| kulturpolitische. Falls sie doch gebaut wird – was nicht gut wäre – sollte | |
| ihre Adresse wenigstens Käthe-und-Adolf-Maass-Platz lauten. Das heißt, | |
| Hamburg würde die Fläche vor der Oper nach dem jüdischen Unternehmer | |
| benennen, der K+N Hamburg aufgebaut hat, 1933 gehen musste und 1944 mit | |
| seiner Frau in Auschwitz ermordet wurde. Dieser Stachel müsste dem Projekt | |
| mindestens eingesetzt werden. Wobei die Kolonialverbrechen dann immer noch | |
| ungenannt blieben. | |
| 4 Aug 2025 | |
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| [3] /Milliardaer-schenkt-Hamburg-eine-Oper/!6066633 | |
| [4] https://www.nytimes.com/2025/07/22/arts/music/hamburg-opera-house-klaus-mic… | |
| [5] /Vanity-Fair-ueber-Klaus-Michael-Kuehne/!6034426 | |
| [6] /NS-Vergangenheit-von-KuehneNagel/!6077310 | |
| ## AUTOREN | |
| Amira Klute | |
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