Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Oper für Hamburg: Kein Applaus für Klaus Michael Kühne
> Der reichste Mann Deutschlands schenkt Hamburg eine neue Oper. Warum ihm
> kein Lob für seine Großzügigkeit gebührt, sondern eine Vermögenssteuer.
Bild: Klaus Michael Kühne ist der reichste Mann Deutschlands
Klaus-Michael Kühne ist [1][nach Angaben des Magazins Forbes] der reichste
Mann Deutschlands. Er schenkt Hamburg ein neues Opernhaus. Gott, muss der
reich sein! Und wie spendabel! Nebenbei ist er noch der wichtigste Sponsor
des HSV. Solche großherzigen Menschen brauchen wir. Soll man die wirklich
stärker besteuern? Ist das gerecht?
In Diskussionen über Reichtum habe selbst ich als Mathematiker manchmal
Probleme, die Dimensionen zu erklären. Versuchen wir es einmal: Ein
Facharbeiter verdient im Jahr netto etwa 27.000 Euro. Der Bundeskanzler
verdient netto (ohne seine vielen Nebeneinkünfte) etwa 150.000 Euro. Das
ist fast das Sechsfache. Arbeitet er so viel mehr? Ist das gerecht? Die
meisten Menschen finden: Ja, das ist okay.
Oliver Blume, der VW-Vorsitzende und zugleich bestbezahlte Manager
Deutschlands, verdient 5,4 Millionen Euro netto. Das ist 36-mal(!) so viel
wie der Bundeskanzler (in Worten: sechsunddreißig) und über 200-mal so viel
wie ein Facharbeiter. Kann man so viel überhaupt ausgeben? Ist das gerecht?
Macht das glücklicher? Da trennen sich die Meinungen.
Und Herr Kühne, der reichste Mann Deutschlands? Der hat im Jahr 2022
[2][3,3 Milliarden Euro Dividende] aus seiner Beteiligung an der Reederei
Hapag-Lloyd erhalten. Diese Zahl sagt niemandem mehr etwas. Das ist über
600-mal so viel wie der superreiche VW-Vorsitzende Blume.
## Ein Mount Everest und zwei Kölner Dome
Um das anschaulich zu machen: Nehmen wir an, das Nettoeinkommen eines
Facharbeiters entspräche sieben Zentimetern – also der Größe eines
Hühnereis. Dann entspräche das Einkommen des Bundeskanzlers 42 Zentimetern,
also der Größe eines Blumentopfs mit einer Blume darin. Das Einkommen des
VW-Chefs Herrn Blume entspräche bereits dem großen Fenster links unten im
Portal des Kölner Doms – das Fenster ist 15 Meter hoch.
Und nun zu Herrn Kühne. Sie vermuten sicher, dass sein Einkommen dann der
Höhe des Doms entspräche. Das wären 157 Meter. Aber weit gefehlt! Das wäre
„nur“ das Zehnfache von Herrn Blume. Und das höchste Gebäude der Welt? Der
Burj Khalifa in Dubai mit 828 Metern? Auch das reicht nicht aus. Ja, selbst
der Mount Everest wäre nicht ausreichend. Man müsste dann noch zwei Kölner
Dome übereinander oben draufstellen.
Wenn ein Facharbeiter total sparsam wäre und jedes Jahr die Hälfte seines
Einkommens auf die hohe Kante legen würde, dann müsste er 250.000 Jahre
arbeiten, um so viel anzusparen, wie Herr Kühne in einem einzigen Jahr
einnimmt. Um aber so viel anzusparen, wie Herr Kühne an Vermögen besitzt,
hätte der Facharbeiter bereits drei Millionen Jahre sparen müssen.
Stimmt – das ist irre! Aber wie hat denn Kühne sein Vermögen erarbeitet?
[3][Die Geschichte geht so]: Die Brüder Alfred (Klaus-Michael Kühnes Vater)
und Werner Kühne übernahmen 1932 das Geschäft Kühne + Nagel, nachdem ihr
Vater verstorben war. Im selben Jahr kam es zu einer Auseinandersetzung mit
ihrem dritten Partner Adolf Maass, der jüdischer Abstammung war und dem
fast die Hälfte des Betriebs gehörte. Im April 1933 musste er das
Unternehmen ohne Abfindung verlassen. Am 1. Mai 1933 traten Alfred und
Werner Kühne der NSDAP bei – mit einem jüdischen Mitinhaber wäre ihnen das
wohl nicht möglich gewesen. Das Ehepaar Maass starb 1945 in Auschwitz.
## NS-Musterbetrieb
Die Firma wurde ein NS-Musterbetrieb und wuchs rapide. Sie bekam nämlich
von Hitler das [4][Monopol für den Abtransport von Einrichtungen aus 65.000
jüdischen Haushalten] in Frankreich und den Beneluxstaaten, deren Bewohner
ins Ausland flohen oder gar ins KZ kamen.
Und nach dem Krieg? Zunächst durften die Brüder wegen ihrer
Nazivergangenheit kein Geschäft führen. Sie machten deshalb Dieter
Liesenfeld, einen jungen Mann jüdischer Abstammung, zum Teilhaber. Dann
aber agierte [5][Kühne + Nagel als Tarnfirma der Organisation Gehlen],
eines Vorläufers des Bundesnachrichtendienstes, der unter der Aufsicht der
CIA stand. Alfred Kühne wurde [6][auf Anweisung der CIA „entnazifiziert“]
und zahlte seinen Bruder und Herrn Liesenfeld aus. Später übergab er dann
die Führung des Konzerns nach und nach an seinen einzigen Sohn
Klaus-Michael.
Heute ist Kühne + Nagel das drittgrößte Logistikunternehmen der Welt.
Firmen- und Wohnsitz hat Kühne seit Jahrzehnten in der Schweiz. Im November
2008 widersprach er bei einer Podiumsdiskussion einer möglichen Fusion mit
der dänischen Reederei Mærsk. Er wolle das Käuferkonsortium [7][„möglichst
reinrassig deutsch halten“] – aber natürlich in Deutschland keine Steuern
zahlen.
## Eine bessere Gesellschaft wäre möglich – mit seinem Geld
Erstes Gedankenspiel: Herr Kühne schenkt nun ein Opernhaus für 300
Millionen Euro. Großzügig? Rechnen wir nach: Würde er Abgaben bezahlen wie
jeder normale Arbeitnehmer, wären das 1,7 Milliarden Euro jährlich. Das
wären also fünfeinhalb Opernhäuser – jedes Jahr! Oder: Der Hamburger Senat
und die Bundesregierung könnten von seinen Steuern auch 40.000 zusätzliche
Erzieher*innen finanzieren – die dringend gebraucht werden in
Deutschland. Er würde trotzdem jedes Jahr um fast 2 Milliarden Euro
reicher!
Zweites Gedankenspiel: Tatsächlich ist die Familie Kühne nur eine von
insgesamt etwa 220 Milliardärsfamilien in Deutschland. Wenn diese
prozentual so viel Steuern zahlen würden wie normale Arbeitnehmer, dann
würde das reichen für 100.000 neue dringend benötigte Sozialwohnungen, ein
Programm für gleiche Chancen für alle Kinder, die dringend nötige Reparatur
der Infrastruktur von Schulen, Krankenhäusern, Brücken und der Bahn sowie
den klimagerechten Umbau des Landes.
Kühne für die Spende der Hamburger Oper zu applaudieren, wäre also gänzlich
unangebracht. Viel angemessener wäre die Frage, warum Milliardäre wie er
nicht systematisch für die Finanzierung einer besseren Gesellschaft [8][zur
Verantwortung gezogen werden].
22 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.stern.de/wirtschaft/klaus-michael-kuehne-ist-laut--forbes--nun-…
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/rekord-dividende-boerse-dax-a…
[3] /KuehneNagel-mauert/!5021323
[4] /KuehneNagel-mauert/!5021323
[5] https://www.spiegel.de/spiegel/cia-dokumente-rodenstock-linde-und-aeg-spion…
[6] https://jacobin.de/artikel/nagel-karl-heinz-michael-kuehne-nationalsozialis…
[7] /Jubel-Jubilaeum-statt-ehrlicher-Rueckschau/!5022087
[8] /Ex-Millionaer-warnt/!6079409
## AUTOREN
Karl-Martin Hentschel
## TAGS
Klaus-Michael Kühne
Umverteilung
Reichensteuer
Vermögenssteuer
Kühne und Nagel
Hamburg
Oper
Social-Auswahl
Reden wir darüber
Klaus-Michael Kühne
Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
wochentaz
Klaus-Michael Kühne
## ARTIKEL ZUM THEMA
Journalist über Kühne-Oper in Hamburg: „Er würde sich am Ort der Schuld ei…
Hamburg lässt sich von Klaus-Michael Kühne eine Oper bauen. So legitimiert
sie dessen Umgang mit der NS-Schuld seiner Firma, findet Journalist Bleyl.
„Arisierungs“-Profiteur Kühne + Nagel: Gedenken unterm Firmensitz
Das Mahnmal für die „Arisierung“ jüdischen Eigentums wurde am Sonntag in
Bremen in Sichtweite der Zentrale von Kühne + Nagel eingeweiht.
„Arisierungs“-Mahnmal in Bremen: Vier Quadratmeter Wahrheit
Die Bremer Logistikfirma Kühne + Nagel hat in der NS-Zeit von den
Enteignungen der Juden profitiert. Nun wird ein Mahnmal eingeweiht – auf
taz-Initiative.
Ex-Pastor über Klaus-Michael Kühne: „Er ist gut gegen Kritik gepanzert“
Ex-Pastor Ulrich Hentschel über das Sponsoring von Klaus-Michael Kühne,
dessen Spedition im NS am Abtransport jüdischen Eigentums verdient hat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.