| # taz.de -- Integration ukrainischer Geflüchteter: Ankommen im fremden Land | |
| > 2015 bauten Aktivisten in Lübeck das Solizentrum auf. Jetzt werden | |
| > Menschen aus der Ukraine unterstützt. Staat und Kommunen haben von damals | |
| > gelernt. | |
| Einst lagerte die Stadt auf der Wallhalbinsel im Zentrum von Lübeck | |
| Baumaschinen. Heute gibt es den „Kost-nix“-Laden, einen Veranstaltungssaal, | |
| Fahrradwerkstatt, ein Café, Sprachkurse, Beratung – eine Art all-inclusive | |
| der praktischen Solidarität mit Ankommenden: Willkommen im [1][Solizentrum] | |
| der Hansestadt. | |
| Eine der Gründer:innen ist Maria Brinkmann. Im Alltag berät sie für die | |
| Stadt Lübeck Menschen zum Thema Altenpflege, in ihrer Freizeit ist sie seit | |
| Jahren im Solizentrum aktiv. An einem Nachmittag sitzt sie im Café und | |
| erinnert sich an die ersten Monate des Projekts, damals vor knapp sieben | |
| Jahren, als Aktivist:innen das Gelände kurzerhand besetzten. „Damals | |
| wollten viele Ankommende nach Skandinavien“, sagt Brinkmann. Und in Lübeck | |
| legen die Fähren ab. | |
| Schon am Bahnhof in Hamburg wurden die Geflüchteten damals registriert, | |
| vorangemeldet, in Lübeck erwarteten sie Freiwillige, die sie über den | |
| Stadtgraben vorbei am Holstentor zum Solizentrum geleiteten. Über 15.000 | |
| Menschen kamen hier an – anders als die Ukrainer:innen heute zunächst | |
| ohne Anspruch auf Sozialleistungen und ohne Aufenthaltsrechte, und teils | |
| nach einer mehrjährigen Flucht-Odyssee. | |
| Sie schliefen auf Matratzen, bekamen Tickets für die Fähre, bezahlt aus | |
| privaten Spenden. „Bäcker brachten Brot, türkische Restaurants Essen. | |
| Aktivist:innen haben rund um die Uhr Schichten geschoben und Wache | |
| gehalten, aus Angst vor Nazi-Angriffen“, sagt Brinkmann. Das lief, bis | |
| Schweden Anfang 2016 die Grenze schloss. | |
| Willkommensinitiativen wie das Solizentrum schossen damals überall in | |
| Deutschland aus dem Boden. Deutschland gefiel sich darin so gut, dass 2019 | |
| gar ein SPD-Politiker beantragte, die Unesco möge die deutsche | |
| [2][„Willkommenskultur“ in ihre Liste des Immateriellen Kulturerbes der | |
| Menschheit] aufnehmen. Im Solizentrum will man von so etwas selbstredend | |
| nichts wissen. Nicht einmal das Wort „Willkommensinitiativen“ gefällt den | |
| Aktiven hier. | |
| „Wir sprechen lieber von Solidarität“, sagt Melissa Lindloge, eine junge | |
| Frau, die vor Jahren zum Studieren nach Lübeck kam und seither im Vorstand | |
| des Zentrums aktiv ist. | |
| ## Das Soli-Zentrum steht den Ukrainer:innen offen | |
| Das hat auch in den Jahren weitergemacht, in denen weniger Flüchtlinge | |
| kamen, auch während der Pandemie, in denen Cafébetrieb und Veranstaltungen | |
| nur schwer möglich waren. Das Gelände durften die Aktiven vorerst behalten. | |
| Und so kann Lübeck heute angesichts der flüchtenden Menschen aus der | |
| Ukraine auf eine umfassende Infrastruktur zurückgreifen, in der | |
| Zivilgesellschaft und Verwaltung einander ergänzen und Ankommenden zur | |
| Seite stehen. Im Solizentrum ist jeder willkommen. Zwei Dutzend Freiwillige | |
| bieten Fahrradreparaturen, Hilfe im Alltag, Rechtsberatung, kochen Kaffee, | |
| übersetzen und halten den Umsonstladen offen. | |
| Weit mehr als 300.000 Ukrainer:innen sind in Deutschland seit Beginn des | |
| Krieges Ende Februar in Deutschland registriert worden. Es sind viel mehr | |
| Menschen in viel kürzerer Zeit als im Jahr 2015, als die Flüchtlinge über | |
| die Balkanroute kamen. Dennoch lässt sich heute auf den Erfahrungen | |
| aufbauen, die Länder und Kommunen, alte und neue Beratungsstellen, Tausende | |
| Gruppen und Hunderttausende Freiwillige damals sammelten. | |
| Wie nach einem Winterschlaf finden sich viele von ihnen in diesen Wochen | |
| erneut zusammen. Sie reaktivierten Kontakte, Räumlichkeiten, Netzwerke. Was | |
| 2015 spontan entstand, baut heute vielfach auf Bestehendem aus dieser Zeit | |
| auf. | |
| Trotzdem geht es im Lübecker Solizentrum viel ruhiger zu als vor knapp | |
| sieben Jahren. Das liegt nicht nur an einer gewachsenen Routine oder daran, | |
| dass viele Ukrainer:innen von Landsleuten versorgt werden. „Wir haben | |
| damals Aufgaben übernommen, die der Staat nicht erledigt hat“, sagt | |
| Lindloge. „Heute sagen wir da deutlicher: Nee.“ Das heißt vor allem: Für | |
| Übernachtungen ist das Zentrum nicht geöffnet. „Das wollten wir nicht noch | |
| mal machen, 2015 ging das echt an die körperlichen Grenzen von allen, viele | |
| haben kaum geschlafen.“ | |
| Diesmal wolle man anders helfen als mit Matratzen. Um die Übernachtungen | |
| habe sich die Stadt zu kümmern, sagt Lindloge. Und das funktioniere auch. | |
| Neben den städtischen Unterkünften gebe es viele Angebote von | |
| Privatpersonen, die städtische Freiwilligenagentur koordiniere diese. „Bei | |
| denen haben sich auch viele Strukturen verbessert“, sagt Lindloge. | |
| Das gilt nicht nur für die Erstaufnahme durch die Kommunen und für die | |
| Tausenden zivilgesellschaftlichen Initiativen im Land, die den | |
| Ukrainer:innen beim Ankommen helfen. Es gilt auch für jene, die den | |
| Menschen beim zweiten Schritt in ein möglicherweise neues Leben in | |
| Deutschland helfen – dem Weg auf den Arbeitsmarkt. | |
| Schon als die ersten Ukrainer:innen eintrafen, zeichnete sich ab: Die | |
| deutsche Wirtschaft hat angesichts von Fachkräftemangel und den in Rente | |
| gehenden Babyboomer:innen ein großes Interesse an den Menschen, die | |
| gerade vor Krieg und Zerstörung fliehen. Die Ankommenden profitieren dabei | |
| heute von einer Vielzahl an Institutionen, die ab 2015 ausgebaut wurden: | |
| Mit Fachsprachkursen, Weiterbildung, Nachqualifizierung, vor allem aber der | |
| Anerkennung mitgebrachter Abschlüsse. Mit Erfolg: Ab 2015 angekommene | |
| Flüchtlinge sind im Durchschnitt deutlich schneller erwerbstätig als | |
| solche, die in früheren Jahren nach Deutschland kamen, als es all diese | |
| Programme nicht gab. | |
| ## Berufsausbildung leichter anerkennen | |
| Eine dieser Institutionen ist das vom Bundeswirtschaftsministerium | |
| initiierte [3][BQ-Portal]. Ende März organisiert die Plattform eine | |
| Onlineveranstaltung zur Anerkennung ukrainischer Berufsabschlüsse. Mehr als | |
| 250 Interessierte haben sich zugeschaltet, die Fragen im Chat trudeln im | |
| Sekundentakt ein. „Zurzeit kommen ja fast ausschließlich Frauen. Welche | |
| Berufe bringen diese mit?“ Oder: „Welchen Abschluss haben Pflegekräfte in | |
| der Ukraine?“ Oder: „Gilt das Mindestlohngesetz für ukrainische | |
| Beschäftigte?“ | |
| Zwei Referentinnen führen durch das ukrainische System der Berufsbildung | |
| und die deutsche Bürokratie. Sie erklären, dass es in Deutschland | |
| reglementierte Berufe gibt – etwa im medizinischen Bereich oder wenn es um | |
| Meister geht –, bei denen eine Anerkennung zwingend nötig ist. Und dass der | |
| Bildungsstand in der Ukraine vergleichsweise hoch sei und die | |
| Wahrscheinlichkeit groß, dass viele der Geflüchteten berufliche oder | |
| Hochschulabschlüsse mitbringen. | |
| Geflüchtete aus der Ukraine dürfen sofort anfangen zu arbeiten, sobald sie | |
| sich registriert haben. Viele Arbeitgeber:innen legen Wert auf eine | |
| Anerkennung des ukrainischen Abschlusses. Die ist nicht immer einfach. Das | |
| duale deutsche Ausbildungssystem – betriebliche Ausbildung plus | |
| Berufsschule – ist recht einmalig. Komplex ist daher die Klärung, ob eine | |
| ukrainische Ausbildung gleichwertig ist und wenn nein, welche | |
| Zusatzqualifikationen nötig sind. Schließlich sind die in vielen Berufen | |
| nötigen Sprachkenntnisse eine Hürde für den schnellen Berufseinstieg. | |
| Ende März beriet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit | |
| Vertreter*innen von Gewerkschaften und Arbeitgeber:innen über die | |
| Arbeitsmarktintegration Geflüchteter. Zuerst gehe es um die Versorgung | |
| derer, die jetzt vor Krieg fliehen, sagte Heil. Trotzdem müsse man sich | |
| rasch einen Überblick darüber verschaffen, mit welchen Qualifikationen die | |
| Menschen kämen, und man müsse „schneller werden, was die Anerkennung | |
| betrifft“. Auch Kita- und Schulplätze müssten rasch her, damit die | |
| Erwachsenen arbeiten können. | |
| ## Andrang beim Verein Club Dialog | |
| Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine klingelt ständig das | |
| Telefon im Berliner [4][Verein Club Dialog]. Die Migrantenorganisation | |
| berät Menschen zur Anerkennung von Berufsabschlüssen. Sie ist Teil des | |
| IQ-Landesnetzwerks Berlin, eines von Heils Ministerium finanzierten | |
| Programms, das die Arbeitsmarktchancen von Eingewanderten verbessern will. | |
| Club Dialog hat seit jeher einen Schwerpunkt auf Osteuropa. „Uns rufen | |
| Leute an und fragen, was sie arbeiten können“, sagt Julia Merian, die | |
| Projektleiterin. Es rufen aber auch Leute an, „die am liebsten gleich | |
| Statistiken von uns haben wollen darüber, wie viele kommen und mit welchen | |
| Abschlüssen“. Doch dafür sei es noch viel zu früh. | |
| Normalerweise muss man für eine Beratung im Club Dialog einen Termin | |
| machen, Formulare ausfüllen. Doch für aus der Ukraine Geflüchtete gibt es | |
| eine offene Sprechstunde: Von Montag bis Freitag können die Menschen | |
| einfach vorbeikommen. Von den sechs Berater:innen sprechen vier | |
| Russisch und Ukrainisch. „Und zwar auf Muttersprachniveau“, sagt Merian. | |
| Unter den Ratsuchenden seien viele Akademiker:innen. Die meisten hätten | |
| ihre Diplome dabei. Das ist für die Anerkennung wichtig. Doch vieles sei | |
| noch ungewiss, sagt Merian. Zum Beispiel, ob und wenn ja wie lange die | |
| Menschen in Deutschland blieben. Und auch, wann sie bereit seien, sich | |
| tatsächlich um Berufseinstieg und Anerkennungsfragen zu kümmern. „Wir reden | |
| hier über Menschen, deren Kriegserfahrungen nicht Wochen oder Monate | |
| zurückliegen, sondern Tage oder Stunden“, sagt Merian. „Natürlich erklär… | |
| wir ihnen, was sie brauchen und wie die einzelnen Schritte aussehen. Aber | |
| das ist alles perspektivisch.“ | |
| Das liege nicht zuletzt an der Sprachbarriere. In manchen Branchen sei es | |
| unkompliziert, etwa in der IT, wo meist ohnehin Englisch gesprochen wird. | |
| Aber: „Normalerweise kommen Menschen zu uns, die sich lange auf den Umzug | |
| nach Deutschland vorbereiten, mitunter jahrelang.“ Die machen dann teils | |
| vorher Sprachkurse. „Die Menschen jetzt haben sich innerhalb von Stunden | |
| entschlossen zu fliehen.“ | |
| In Merians Beratung sei bislang nur eine junge Frau aus der Ukraine | |
| gekommen, die gut Deutsch gesprochen habe. Um aber etwa als Ärztin in | |
| Deutschland arbeiten zu dürfen, ist Sprachniveau C1 vorgeschrieben. „Was | |
| soll ich den Leuten denn da sagen, wenn sie nach Aussichten fragen?“ | |
| ## Aufenthaltstitel ohne langes Asylverfahren | |
| Dass sich diese Fragen für die Menschen aus der Ukraine überhaupt schon | |
| stellen, liegt an einer rechtlichen Besonderheit: Für sie wurde EU-weit | |
| erstmals die sogenannte [5][Massenzustromsrichtlinie] angewandt. So | |
| bekommen sie humanitäre Aufenthaltstitel – Arbeitserlaubnis inklusive –, | |
| ohne ein langwieriges Asylverfahren durchlaufen zu müssen. | |
| Andere Geflüchtete dürfen in den ersten drei Monaten überhaupt nicht | |
| arbeiten. Läuft ihr Asylverfahren noch oder sind sie geduldet, brauchen sie | |
| die Erlaubnis der Ausländerbehörde – und die ist Ermessenssache. Müssen sie | |
| in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben, gilt ein striktes Arbeitsverbot. | |
| War dieser Zeitraum früher noch auf wenige Monate begrenzt, hat die Große | |
| Koalition ihn auf bis zu 18 Monate ausgedehnt. Viele Asylsuchende dürfen | |
| deshalb monate-, mitunter jahrelang nicht arbeiten. | |
| Auch deshalb begrüßt Petra Bendel, die Vorsitzende des | |
| [6][Sachverständigenrats für Migration und Integration], die Regelungen für | |
| die Ukrainer:innen ausdrücklich. „Diese Richtlinie erlaubt es uns, | |
| sofort Schutz zu gewähren und die Menschen schnell in den Arbeitsmarkt zu | |
| integrieren“, sagt Bendel. Schon bei den Fluchtbewegungen im Jahr 2015 | |
| hätten viele, darunter auch Wissenschaftler:innen wie sie selbst, die | |
| Massenzustromsrichtlinie ins Gespräch gebracht. Auch damals seien die | |
| Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan vor Krieg und Unterdrückung | |
| geflohen. Trotzdem sei es nicht gelungen, die „EU-Mitgliedstaaten in | |
| Solidarität zu vereinen“, sagt Bendel. Dass es diesmal anders war, liege | |
| auch daran, dass der Krieg geografisch „sehr viel nähergerückt“ sei, glau… | |
| sie. | |
| „Wir haben seit 2015 beobachtet, wie zäh sich gesellschaftliche Teilhabe | |
| gestaltet, wenn Menschen lange in Asylverfahren stecken oder sich Duldung | |
| an Duldung reiht“, sagt Bendel. Dem habe man nun vorgebeugt. Doch schon vor | |
| Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe Deutschland aus 2015 Lehren | |
| gezogen. „Der Koalitionsvertrag verspricht hier Besserung. Kettenduldungen | |
| sollen durch ein ‚Chancen-Aufenthaltsrecht‘ ersetzt und ein Spurwechsel | |
| ermöglicht werden“, zählt Bendel auf. „Das war überfällig.“ | |
| 2015 wurden im gesamten Jahr etwa 890.000 Schutzsuchende registriert. Nun | |
| sind es rund 320.000 allein in den ersten sechs Wochen. Für die Stadt | |
| Berlin bedeutete das streckenweise rund 10.000 Ankommende am Tag. Das Land | |
| schickte mehrfach Hilferufe an den Bund, Sozialsenatorin Katja Kipping | |
| (Linke) warf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, zu spät auf die | |
| Fluchtbewegung reagiert zu haben. Besonders die Ballungsgebiete, in denen | |
| sehr viele Menschen ankommen, forderten früh eine faire Verteilung der | |
| Menschen im Bundesgebiet. | |
| Mit 2015 lässt sich diese Situation nur begrenzt vergleichen: Anders als | |
| damals dürfen die Menschen aus der Ukraine sich 90 Tage frei im Land | |
| bewegen. Sie konsequent nach dem Königsteiner Schlüssel zu verteilen, der | |
| die Aufnahme nach Bundesländern regelt, ist nur sehr begrenzt möglich. „Das | |
| wird sich aber ändern, sobald die Menschen sich registrieren lassen“, sagt | |
| Bendel. „Und das werden die allermeisten tun. Denn sonst bekommen sie | |
| keinen Aufenthaltstitel und somit auch keine Sozialleistungen und keine | |
| Arbeitserlaubnis.“ | |
| Bund, Länder und Kommunen hätten in den vergangen sieben Jahren viel | |
| gelernt, Strukturen aufgebaut und Expertise erlangt. „Die Rolle der | |
| Kommunen ist dabei ganz wichtig. Sie haben ein institutionelles Gedächtnis, | |
| haben Vernetzungen geschaffen innerhalb der Verwaltung, die es vor 2015 | |
| noch gar nicht gab.“ Wichtige Kooperationen zwischen Verwaltung und | |
| Zivilgesellschaft seien entstanden. Doch vieles davon wurde in den | |
| vergangenen Jahren, angesichts sinkender Flüchtlingszahlen und nicht | |
| zuletzt wegen der Coronapandemie, wieder zurückgefahren. „Was an Personal | |
| umverteilt oder an integrationspolitischen Maßnahmen in der Pandemie | |
| abgebaut wurde, muss schleunigst nicht nur wieder auf-, sondern ausgebaut | |
| werden“, sagt Bendel. Dafür sei es wichtig, dass es vom Bund schnell | |
| finanzielle Unterstützung gebe. | |
| ## Pro Asyl lobt – und mahnt | |
| [7][Pro Asyl] lobt den Umgang mit den Fliehenden aus der Ukraine. „Die | |
| Menschen können legal einreisen, werden nicht an den Grenzen aufgehalten | |
| und müssen sich nicht in die Hände von Schleppern begeben“, sagt die | |
| rechtspolitische Referentin Wiebke Judith. Sie erinnert an ein prägendes | |
| Bild aus dem Jahr 2015: den Körper des zweijährigen syrischen Jungen Alan | |
| Kurdi, angespült an einem Strand in der Nähe der türkischen Stadt Bodrum. | |
| Durch die jetzt geltenden Regelungen sei nicht nur die Flucht selbst | |
| sicherer, sondern die Menschen könnten auch dorthin reisen, wo sie | |
| Freund:innen oder Verwandte haben. Das helfe beim Ankommen – aber auch | |
| langfristig bei der Integration. | |
| „So haben wir und viele andere auch schon 2015 argumentiert. Aber damals | |
| wollte niemand auf uns hören“, sagt Judith. Stattdessen hätten die | |
| EU-Staaten dafür gesorgt, dass Menschen „innerhalb Europas hin- und | |
| hergeschoben wurden und nie richtig ankommen konnten“. | |
| Gerade gebe es eine „180-Grad-Wende in der Flüchtlingspolitik“, sagt | |
| Judith. Diese Veränderung müsse auf die Flüchtlingspolitik generell | |
| übertragen werden. Tatsächlich umfasst die sogenannte | |
| Massenzustromsrichtlinie der EU nur Menschen, die sich am 24. Februar 2022 | |
| in der Ukraine aufgehalten haben. Und sie unterscheidet zwischen | |
| ukrainischen Staatsbürger:innen und Menschen anderer Nationalität, die | |
| in der Ukraine lebten. Letztere bekommen nur unter bestimmten Bedingungen | |
| den gleichen Schutz wie Ukrainer:innen – wenn sie mit solchen | |
| verheiratet sind etwa oder wenn sie „nicht sicher und dauerhaft“ in ihre | |
| Herkunftsregion zurückkehren können. | |
| „Das klare Bekenntnis zum Flüchtlingsschutz muss für alle gelten, ohne | |
| Unterscheidung“, fordert Wiebke Judith. Das gelte für legale | |
| Einreisemöglichkeiten, für die freie Wohnortwahl, aber auch für die Frage, | |
| welche Sozialleistungen die Menschen beziehen sollen. | |
| Obwohl Judith positive Impulse für eine humanere Flüchtlingspolitik sieht, | |
| mahnt sie zur Vorsicht. Auch 2015 seien richtige Entscheidungen getroffen | |
| worden, etwa dass nach Ungarn geflüchtete Menschen nach Deutschland | |
| einreisen konnten. Doch in den Jahren danach „haben wir gesehen, wie | |
| restriktive Gesetze verabschiedet wurden, etwa zur Aufenthaltsdauer in | |
| Erstaufnahmeeinrichtungen oder zu Abschiebungen“. Das habe die Lage vieler | |
| Geflüchteter sehr erschwert – bis heute. | |
| 12 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://solizentrum.de/de/ | |
| [2] /Fuenf-Jahre-deutsche-Willkommenskultur/!5706916 | |
| [3] https://www.bq-portal.de/ | |
| [4] https://www.club-dialog.de/de/ | |
| [5] https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/schutz-fuer-menschen-aus-de… | |
| [6] https://www.svr-migration.de/ueber-uns/aufgaben/ | |
| [7] https://www.proasyl.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
| Christian Jakob | |
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