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# taz.de -- Gutachten Sachverständigenrat Migration: Tragende Rolle im Gesundh…
> Das deutsche Gesundheitswesen braucht Menschen mit Migrationsgeschichte.
> Schon heute sei dort jede*r sechste im Ausland geboren, zeigen
> Expert*innen auf.
Bild: Altenpflegerin Kraslovske Porici kommt aus Tschechien und unterstützt ei…
Berlin taz | Petra Bendels Aussage ist eindeutig: Ohne Eingewanderte
„stünde das deutsche Gesundheitswesen vor dem Kollaps“, erklärte die
Vorsitzende des Sachverständigenrats Migration und Integration (SVR). Am
Montag stellte das Gremium in Berlin [1][sein Jahresgutachten] vor. Unter
dem Titel „Systemrelevant“ gingen die interdisziplinären Forscher*innen
in diesem Jahr der Rolle von Migrant*innen und Menschen mit
Migrationshintergrund nach – sowohl als dringend benötigte Fachkräfte, als
auch als Patient*innen, die mitunter auf besondere Hürden stoßen.
Unterbesetzte Stationen, nicht einsatzbereite Intensivbetten: Nicht zuletzt
die Coronapandemie hat gezeigt, wie [2][massiv das Gesundheitswesen vom
Fachkräftemangel betroffen] ist – aber auch, welche Rolle [3][Zugewanderte]
und Menschen mit Migrationshintergrund dort spielen. Schon heute, betont
das SVR-Gutachten, sei jede*r sechste Erwerbstätige in Gesundheits- und
Pflegeberufen im Ausland geboren, fast ein Viertel hat einen
Migrationshintergrund. Anders als in anderen systemrelevanten Branchen
betrifft das nicht in erster [4][Linie prekäre Jobs]: Auch unter den
Ärzt*innen sei mehr als ein Viertel entweder selbst zugewandert oder das
Kind von Zugewanderten. 14 Prozent seien Ausländer*innen, vor allem aus
Syrien und Rumänien.
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist groß, nicht zuletzt wegen des
demografischen Wandels. Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass
Deutschland jährlich etwa 400.000 Zuwander*innen braucht, um den sich
verschlimmernden [5][Fachkräftemangel] abzubremsen.
## Mehr Auszubildende aus dem Ausland
Unter anderem im Lichte dessen hatte die Große Koalition im Jahr 2019 das
Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet. Expert*innen warnten aber
schon damals, dass dieses nicht ausreiche. Gesundheitsberufe gehören zu den
reglementierten Berufen – Fachkräfte müssen nachweisen, dass ihre
Qualifikation deutschen Standards entspricht. Das sei auch wichtig, betont
der stellvertretende SVR-Vorsitzende Daniel Thym. „Es geht um den Schutz
von Patientinnen und Patienten“. Trotzdem sei es wichtig, Prozesse zur
Anerkennung von Qualifikationen zu beschleunigen und zu vereinfachen und
eventuell nötige Nachqualifizierungen schnell zu ermöglichen, betont der
SVR.
Auch plädieren die Expert*innen dafür, mehr Auszubildende aus dem
Ausland zu rekrutieren. So würde man zum einen die bürokratischen
Anerkennungsverfahren und Nachqualifizierungen umgehen und zum anderen dem
sogenannten Brain-Drain aus den Herkunftsländern vorbeugen: der Abwanderung
von auch dort dringend gebrauchtem medizinischen Personal.
In einem Punkt geht der Sachverständigenrat über sein eigentliches
Arbeitsfeld hinaus: Es sei „unabdingbar, die Arbeitsbedingungen im
Gesundheitssektor und besonders in der [6][Pflege grundlegend zu
verbessern“], schreiben die Expert*innen. Nur so ließen sich Fachkräfte
langfristig halten – und durch Zuwanderung allein sei das Problem ohnehin
nicht zu lösen. Auch solle der Blick nicht nur auf ausländische Fachkräfte
gerichtet werden, sondern auch auf das „Potenzial von bereits
Zugewanderten“, die für Gesundheits- und Pflegeberufe gewonnen werden
könnten.
## Kinder von Migrant*innen fallen durchs Raster
Der SVR hat sich Migrant*innen und Menschen mit Migrationshintergrund
nicht nur als Beschäftigte im Gesundheitsbereich angeschaut, sondern auch
als Patient*innen. Auch dieses Thema war während der Pandemie in den
Mittelpunkt gerückt, als es hieß, Migrant*innen hätten ein höheres
Risiko, sich zu infizieren oder schwere Verläufe zu erleiden.
Die Expert*innen halten fest: „In Deutschland mangelt es an qualitativ
hochwertigen und aussagekräftigen Daten“, um verlässliche Aussagen zur
gesundheitlichen Situation dieser Gruppen zu machen. Entweder werde in
Untersuchungen nur zwischen Deutschen und Ausländer*innen unterschieden
oder gar nicht. Eingebürgerte oder mit deutscher Staatsangehörigkeit
geborene Kinder von Migrant*innen fielen so durchs Raster, auch gehe es
um sehr heterogene Gruppen, die auch entsprechend untersucht werden
müssten.
An und für sich sei Migrationsgeschichte kein bestimmender Faktor für die
Gesundheit eines Menschen, so die Sachverständigen. Doch noch immer falle
das Merkmal „Migrationshintergrund“ statistisch mit einer „ungünstigen
sozioökonomischen Lage“ zusammen – und diese ist maßgeblich für den
Gesundheitszustand. So lauteten auch viele Erklärungen in der
Coronapandemie, dass Menschen mit Migrationsbiografie häufiger als andere
in prekären Jobs arbeiten, die nicht ins Homeoffice verlegt werden können.
Deshalb seien sie auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind und in
könnten den direkten Kontakt zu anderen Menschen nicht vermeiden. „Auch
Sprachbarrieren und Diskriminierung können den Zugang zum Gesundheitssystem
behindern“, heißt es im Gutachten.
10 May 2022
## LINKS
[1] https://www.svr-migration.de/publikationen/jahresgutachten-2022/
[2] /Fachkraeftemangel-in-der-Pflege/!5853092
[3] /Integration-ukrainischer-Gefluechteter/!5845074
[4] /Reformen-in-der-Pflege/!5825343
[5] /Fachkraeftemangel-in-der-Pflege/!5853092
[6] /Die-These/!5792346
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Migration
Schwerpunkt UN-Migrationspakt
Migrationsbericht
GNS
Lesestück Recherche und Reportage
EU-Mission Irini
Lesestück Recherche und Reportage
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