| # taz.de -- Hohe Verteidigungsausgaben: SPD-Linke warnen vor Rüstungswettlauf | |
| > Ein Manifest fordert Abrüstung und stellt das Ziel von fünf Prozent für | |
| > Verteidigung infrage. Die Debatte dürfte auch den SPD-Parteitag | |
| > beschäftigen. | |
| Bild: SPD-Politiker Rolf Mützenich fordert Abrüstung und Gespräche mit Russl… | |
| Die Liste der Unterzeichner ist lang. Aber es steht oft „früherer“ | |
| dahinter: Rolf Mützenich, früherer SPD-Fraktionschef. Norbert | |
| Walter-Borjans, früherer Parteichef, Hans Eichel, Ex-Finanzminister. | |
| Dennoch hat es das [1][Manifest „Friedenssicherung in Europa durch | |
| Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“] in sich. Denn | |
| es bohrt an einer empfindlichen Stelle in der SPD und wurde nur gut zwei | |
| Wochen vor dem SPD-Bundesparteitag Ende Juni veröffentlicht. | |
| Seine zentralen Forderungen liegen über Kreuz mit dem, was die SPD in der | |
| schwarz-roten Regierung forciert. Kritikpunkt Nummer eins: Anstatt aktiv | |
| eine „stabile Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa“ anzustreben, | |
| setze Deutschland vor allem auf eine „militärische Konfrontationsstrategie | |
| und Hunderte von Milliarden Euro für Aufrüstung“. | |
| Der Gegenvorschlag lautet: Man müsse die „notwendige Verteidigungsfähigkeit | |
| mit einer Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik verknüpfen, um gemeinsame | |
| Sicherheit und gegenseitige Friedensfähigkeit zu erreichen“. Konkret | |
| schwebt den Genossen, darunter auch Ralf Stegner, Mitglied im Auswärtigen | |
| Ausschuss, vor, „vertrauensbildende Maßnahmen“ mit Russland zu entwickeln, | |
| zum Beispiel „Kooperationen im Katastrophenschutz oder der Cybersicherheit | |
| sowie die behutsame Wiederaufnahme diplomatischer Kontakte“. | |
| Die von Ex-Kanzler Olaf Scholz durchgewunkene [2][Stationierung neuer | |
| US-Mittelstreckenraketen in Deutschland] gelte es zurückzunehmen. Denn „die | |
| Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketen-Systemen würde | |
| Deutschland zum Angriffsziel der ersten Stunde machen.“ Mützenich und Co | |
| streben stattdessen „eine defensive Ausstattung der Streitkräfte an, die | |
| schützt, ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken zu schaffen“. Die [3][Erhöhung | |
| des Verteidigungshaushalts Richtung 5 Prozent] des Bruttoinlandsprodukts | |
| sei sicherheitspolitisch überflüssig. | |
| Am „völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine“ sei auch der | |
| Westen nicht unbeteiligt gewesen. Auch er habe durch den Kosovokrieg, den | |
| Irakkrieg 2003 „und die Missachtung wichtiger | |
| Rüstungskontrollvereinbarungen zumeist durch die USA“ die Friedensordnung | |
| untergraben. Der Kernpunkt des Papiers: „Eine Politik der reinen | |
| Abschreckung ohne Rüstungskontrolle und der Hochrüstung würde Europa nicht | |
| sicherer machen.“ | |
| Die [4][Brandenburger Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein] ist eine der | |
| wenigen Frauen und Jüngeren, die das, wie sie sagt, „idealistische | |
| Manifest“ unterschrieben haben. Eine Annäherung an Russland sieht die | |
| 39-Jährige darin keinesfalls. „Derzeit zwingt uns Putins Aggression dazu, | |
| mehr in Verteidigung zu investieren. Ich halte es aber für wichtig, jetzt | |
| schon über Alternativen zur Aufrüstung nachzudenken, für den Tag, an dem | |
| Putin nicht mehr im Kreml sitzt. Wir sollten das Ziel Abrüstung nicht aus | |
| den Augen verlieren.“ | |
| Das Manifest sei ein Beitrag zur Debatte, keine Gegenposition zu der von | |
| Parteichef Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius. „Ich | |
| sehe keine Spaltung der SPD.“ Wallstein kritisierte das Ziel, langfristig 5 | |
| Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. „Wir müssen mehr in | |
| Verteidigung investieren, ich kenne aber keine konkrete Begründung, warum | |
| es 5 Prozent des BIP sein müssen.“ | |
| Sich mehr Diplomatie zu wünschen, sei „in der SPD keine | |
| Außenseiterposition“, sagt auch Urheber Rolf Mützenich. Es gebe zudem | |
| manche in der SPD, die fürchten, dass „die hohen Ausgaben für Militär und | |
| Rüstung zulasten von notwendigen Innovationen gehen“. Das Manifest sei „mit | |
| Sicherheit“ keine Kampfansage an Parteichef Lars Klingbeil. Und auch „kein | |
| taktischer Versuch“, Wähler des [5][Bündnisses Sahra Wagenknecht] wieder | |
| für die SPD zu gewinnen. Ob die Initiatoren das Manifest beim SPD-Parteitag | |
| einbringen werden, ließ Mützenich offen und verwies auf bereits vorliegende | |
| Anträge mit ähnlichem Inhalt. | |
| Die entwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sanae Abdi, | |
| ebenfalls Unterzeichnerin des Manifests, betont, dass die Tür der | |
| Sozialdemokratie zur Friedensbewegung offen bleiben müsse. Das | |
| 5-Prozent-Ziel werde auch in der SPD kontrovers diskutiert. Auf dem | |
| Bundesparteitag werde es „zwangsläufig zu einer Debatte darüber kommen“. | |
| Er werde regelmäßig von SPD-Ortsvereinen eingeladen, sagt Ex-Parteichef | |
| Norbert Walter-Borjans. „Die offizielle SPD-Linie und das, was an der Basis | |
| zu hören ist, fällt oft auseinander.“ An der Basis gebe „es beide | |
| Haltungen. Umso wichtiger wäre es, die jeweils andere nicht pauschal zu | |
| verteufeln.“ Das Manifest fordere ja keineswegs „Putin mit blanker Brust zu | |
| begegnen, sondern Verteidigungsfähigkeit und Abrüstung zu verknüpfen“. | |
| Die politische Konkurrenz ist auf den Barrikaden. Der Versuch, Russland | |
| Kooperationen anzubieten, sei „Wunschdenken, denn ein solcher Kurs führt | |
| leider gerade nicht dazu, dass ein skrupelloser Imperialist die Gewalt | |
| beendet“, so die Vizefraktionschefin der Grünen, Agnieszka Brugger. | |
| Dahinter stünden „vor allem die üblichen Verdächtigen“, die „bei der | |
| Postenvergabe in der SPD leer ausgegangen“ seien. | |
| Kritik kommt aber auch aus der SPD selbst. Adis Ahmetovic, außenpolitischer | |
| Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, findet an dem Manifest nicht Gutes. Er | |
| habe das „inhaltlich in weiten Teilen fragwürdige Papier von 5 der 120 | |
| Mitglieder der Bundestagsfraktion sowie weiteren (ehemaligen) Funktionären | |
| zur Kenntnis genommen“, so Ahmetovic. Er gehört wie Mützenich zur | |
| Parlamentarischen Linken, doch seine Erklärung verströmt maximale Distanz: | |
| inhaltlich uninteressant, die unerhebliche Ansicht einer verschwindenden | |
| Minderheit. | |
| Verteidigungsminister Boris Pistorius ließ auf Anfrage der taz mitteilen, | |
| er habe aus terminlichen Gründen keine Zeit sich zu dem Papier zu äußern. | |
| 11 Jun 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.erhard-eppler-kreis.de/manifest/ | |
| [2] /Diskussion-um-US-Raketen/!6047101 | |
| [3] /Fuenf-Prozent-fuer-die-NATO/!6084742 | |
| [4] /Haustuerwahlkampf-mit-der-SPD-im-Osten/!6070876 | |
| [5] /Das-BSW-im-Wahlkampf/!6065392 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| Stefan Reinecke | |
| ## TAGS | |
| SPD | |
| Norbert Walter-Borjans | |
| Rolf Mützenich | |
| Aufrüstung | |
| Abrüstung | |
| Mittelstreckenraketen | |
| GNS | |
| Frieden und Krieg | |
| Diplomatie | |
| Geheimdienst | |
| SPD | |
| SPD | |
| Russland | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Nato | |
| Sigmar Gabriel | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nach Russland-„Manifest“: Ralf Stegner soll Parlamentarisches Kontrollgremi… | |
| Er unterzeichnete das Abrüstungs-Manifest und traf sich mit Vertretern | |
| Russlands. Nun soll der SPD-Politiker das Kontrollgremium der Geheimdienste | |
| verlassen. | |
| Die SPD und die Rüstung: Heiße Eisen | |
| Vor dem Parteitag liegt bei den Sozialdemokraten Unmut in der Luft. | |
| Klingbeil steht in der Kritik. Die Streitfragen sollten offen diskutiert | |
| werden. | |
| Manifest von SPD-Altvorderen: Mützenich fordert respektvollere Debatte | |
| Ex-SPD-Fraktionschef Mützenich zeigt sich irritiert über die harsche Kritik | |
| an dem von ihm mitunterzeichneten „Manifest“ zur Außen- und | |
| Friedenspolitik. | |
| SPD-Manifest: Glaubwürdige Abschreckung ist nötig | |
| Die AutorInnen des SPD-Manifests ziehen falsche historische Schlüsse. | |
| Putins Russland ist ein völlig anderes Land als die Sowjetunion. | |
| SPD-Kritik an Aufrüstung: Ein Manifest der Realitätsverweigerung | |
| Einige SPD-Politiker fordern „gemeinsame Sicherheit“ mit Russland. Dem | |
| zugrunde liegt eine Fehleinschätzung des mörderischen russischen Regimes. | |
| Manifest der SPD-Linken: Kritik ist kein Verrat | |
| Das Manifest der linken Sozialdemokraten mag nicht bis ins Detail | |
| durchdacht sein. Doch in der Debatte um Aufrüstung verdient es | |
| Aufmerksamkeit. | |
| Sigmar Gabriel über die USA: „Donald Trump hält nichts von Allianzen“ | |
| Der US-Präsident setzt auf bilaterale Deals und spielt mit der Verfassung. | |
| Die US-Demokratie müsse man aber nicht gleich aufgeben, findet Sigmar | |
| Gabriel. | |
| Fünf Prozent für die NATO: Ein Blankoscheck für die Rüstungsindustrie | |
| Die Zahlenspielchen der Union sind ein weiterer Tiefpunkt der neuen | |
| Bundesregierung. Für die SPD sollten fünf Prozent NATO-Ausgaben untragbar | |
| sein. | |
| Haustürwahlkampf mit der SPD im Osten: Rote Manöver | |
| 2021 holte die SPD in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg alle | |
| Direktmandate. Können die Genoss*innen das am Sonntag gegen die AfD | |
| wiederholen? |