| # taz.de -- Zwischenbilanz der Regierung: Merken Sie schon was? | |
| > Friedrich Merz versprach: Im Sommer spüre man, dass es im Land vorangehe. | |
| > Doch vieles geht nach rechts und zurück. Ein Blick ins schwarz-rote | |
| > Kabinett. | |
| Bild: Der Reichstag im Sommer 2025: Es wehen keine Regenbogenfahnen, und die Bu… | |
| ## Der Außenkanzler | |
| „Germany is back on track“ – so hat Kanzler Friedrich Merz die Rückkehr | |
| Deutschlands auf die internationale Bühne angekündigt. Schluss mit Scholz | |
| und dem Zögern und Zaudern. „Machen, machen, machen“ scheint auch | |
| außenpolitisch das Motto zu sein. Berlin werde Führungsmacht in der EU sein | |
| und die stärkste konventionelle Armee in Europa haben, verkündete Merz | |
| vibrierend vor Aufbruchsenergie. Er flog nach Paris und Warschau, | |
| schmiedete mit Macron, Starmer und Tusk eine Koalition der Willigen. Man | |
| holte per Telefon Trump ins Boot und stellte Putin forsch ein Ultimatum. | |
| Das gab schöne Fotos und verzückte Leitartikel. | |
| Eher bescheiden ist das Ergebnis dieser Show. Putin ließ das Ultimatum | |
| wortlos verstreichen und lässt die Ukraine weiter in Trümmer schießen. Die | |
| USA sind als Ukraineunterstützer halb auf dem Absprung. Einen Plan, wie | |
| Europa schaffen soll, was schon mit den USA nicht gelang – die Ukraine bis | |
| zum Sieg aufzurüsten –, gibt es nicht. | |
| Nach J. D. Vance’ Auftritt in München war die außenpolitische Elite in | |
| Deutschland kollektiv aus allen Wolken gefallen. Und Merz erklärte | |
| entschlossen, Europa solle verteidigungspolitisch eine „Unabhängigkeit von | |
| den USA erreichen“. Aber das ist stillschweigend in den Hintergrund | |
| gerutscht. Merz hat inzwischen einen Auftritt im Oval Office ohne Blamage | |
| überstanden. Und hofft nun, Trump durch Aufrüstung günstig stimmen zu | |
| können. Es ist angenehmer, in der Illusion zu leben, dass Trump ein böser | |
| Traum sei, den man nur geduldig überstehen müsse, als zu verstehen, dass | |
| Europa allein für seine Sicherheit wird zu sorgen haben. | |
| Das Prinzip Merz lautet: markige Ankündigungen in business as usual münden | |
| zu lassen. Merz ermahnte Israel wegen Gaza, Außenminister Johann Wadephul | |
| dachte öffentlich kurz über ein Aus von Waffenlieferungen an Israel nach. | |
| Auch davon ist nach ein paar Wochen nichts mehr übrig geblieben. Merz lobte | |
| Israels völkerrechtswidrige Bombardierung des Iran als nötige | |
| „Drecksarbeit“. Innenminister Dobrindt schüttelte Netanjahu die Hand und | |
| beschwor den gemeinsamen Kampf gegen den Terror. Ja zum Völkerrecht – aber | |
| nur, wenn es uns gerade passt. Diese Doppelmoral beschädigt das wegen Gaza | |
| und Israelunterstützung ohnehin ramponierte deutsche Image noch mal mehr. | |
| Schwarz-Rot hat die Möglichkeit geschaffen, fast unbegrenzt Geld in Rüstung | |
| und Militär zu pumpen. Eine politische Strategie aber fehlt – außer nett zu | |
| Trump zu sein und auf gutes Wetter zu hoffen. Merz ist inhaltlich gar nicht | |
| weit von Scholz entfernt ([1][transatlantisch, Israel als Staatsräson]), in | |
| der Performance das Gegenteil: viel Schein, wenig Sein. Merz ist der | |
| Außen-Kanzler für ein Publikum, das sich nur noch Überschriften merken | |
| kann, auf Buzzwörter wie Drecksarbeit kurz anspringt, aber auch die | |
| schnell wieder vergisst. Er ist der Blender, dessen Auftritt uns vergessen | |
| lässt, dass wir keine Ahnung haben, was Europa nach dem Untergang des | |
| Westens tun soll. (sr) | |
| ## Der Wehrpflichtplaner | |
| Wer nach dem 31. Dezember 2007 geboren ist, könnte demnächst Post von der | |
| Bundeswehr bekommen. Wenn es nach den Gesetzesplänen von | |
| Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geht, sollen Jugendliche | |
| zwischen 18 und 25 Jahren ab dem 1. Januar zu einem „freiwilligen | |
| Wehrdienst“ eingeladen werden. Du hast keine Lust, für Deutschland eine | |
| Waffe in die Hand zu nehmen? Du hast gehört, dass sich auch ein halbes Jahr | |
| bei der Bundeswehr ziemlich lang anfühlen kann, wenn die Duschen in den | |
| Kasernen verschimmeln, Ausbilder*innen fehlen und es kein Gerät zum | |
| Üben gibt? Da hat sich das Verteidigungsministerium etwas einfallen lassen! | |
| Etwa 2.000 Euro netto winken künftig für deinen Einstieg bei der Truppe. | |
| Das Bundeskabinett soll Pistorius’ Pläne Ende August beschließen, dann | |
| könnte der Bundestag das [2][Gesetz im Herbst verabschieden]. Ziel des | |
| „neuen Wehrdienstes“ ist, dass die Zahl der aktiven Soldat*innen | |
| innerhalb von zehn Jahren von derzeit 182.500 auf 260.000 steigt – | |
| hinzukommen sollen 200.000 Reservist*innen. Kern des Gesetzes ist ein | |
| Fragebogen, in dem junge Männer ihre Haltung zur Bundeswehr benennen müssen | |
| und je nach ihren Aussagen dann zur Musterung geladen werden, zu der sie | |
| dann auch erscheinen müssen. Für junge Frauen soll die Antwort auf das | |
| Schreiben der Bundeswehr freiwillig sein. | |
| Falls Geld und Appelle an die Kriegsbereitschaft nicht genug junge Menschen | |
| für einen Dienst an der Waffe motivieren, sehen Pistorius’ Pläne noch einen | |
| anderen Weg vor. Eine militärische Lage oder das Nichterreichen der | |
| gewünschten Truppenzahl könnte für junge Männer [3][auch die Reaktivierung | |
| des Zwangsdienstes bedeuten]. Für so einen Fall müsste das Parlament erneut | |
| zustimmen. | |
| Pistorius ist mit seinem Gesetzentwurf eine Art Overachiever in der | |
| Bundesregierung, die in ihrem Koalitionsvertrag den „attraktiven | |
| Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“, versprochen hatte. | |
| Allerdings hatte der Verteidigungsminister seinen Entwurf auch schon im | |
| vergangenen Herbst vorbereitet und wurde vom Auseinanderbrechen der | |
| Ampelregierung aufgehalten. (cem) | |
| ## Der Rückführungsminister | |
| Man darf davon ausgehen, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) | |
| seine ersten Monate im Amt als Erfolg wahrnimmt. Und das im Wahlkampf | |
| ausgegebene Ziel einer „Asylwende“ hat der CSU-Mann ja auch wirklich mit | |
| einer bemerkenswerten Effizienz vorangetrieben. Die von ihm angeordnete | |
| Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen ist ein | |
| dramatischer Bruch in der deutschen Migrationspolitik. | |
| Aber ist es wirklich ein Erfolg, wenn deutsche Polizist*innen jetzt | |
| verzweifelte Menschen auf der Flucht vor Unterdrückung und Terror | |
| abweisen? Wenn die Bundesregierung damit offen das Europarecht bricht, das | |
| vorsieht, dass jeder Asylantrag geprüft werden muss? Wenn das deutsche | |
| Vorgehen [4][die Nachbarstaaten vor den Kopf stößt] und etwa in Polen den | |
| rechtsextremen Kräften Aufwind verschafft? | |
| Zu solchen Fragen kommt außerdem noch der Umstand, dass die Zurückweisungen | |
| bisher hauptsächlich eine symbolische Wirkung haben. Nur wenig mehr als 300 | |
| Asylsuchende wurden bisher zurückgeschickt. | |
| Genauso zweifelhaft ist der „Erfolg“, dass jetzt die Zahl neuer Asylanträge | |
| im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 Prozent sank – selbst wenn man | |
| Dobrindts Logik übernimmt, nach der es eine positive Entwicklung ist, dass | |
| so viel weniger Menschen hier Schutz finden. Denn der Rückgang hat laut | |
| einhelliger Meinung von Expert*innen vor allem mit der Stabilisierung | |
| der Lage in Syrien zu tun und mit den massiven Verschärfungen des | |
| Asylrechts, die Dobrindts Amtsvorgängerin Nancy Faeser (SPD) | |
| durchgesetzt hatte. | |
| Eigene Gesetzesvorhaben hat Dobrindt zwar ebenfalls schon in beachtlicher | |
| Zahl angeschoben, im Vergleich zu den Zurückweisungen fanden sie aber eher | |
| wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei könnte ihre Wirkung am Ende sogar | |
| deutlich mehr Geflüchtete treffen. Gerade am Donnerstag beriet der | |
| Bundestag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf aus seinem Ministerium | |
| zur erleichterten Einstufung von Ländern als sogenannte sichere | |
| Herkunftsstaaten. Darüber soll künftig die Bundesregierung allein | |
| entscheiden können, ohne dass der Bundestag oder Bundesrat irgendwie | |
| eingebunden wären. Wer aus [5][angeblich sicheren Herkunftsstaaten] kommt, | |
| hat kaum Chancen auf Asyl in Deutschland. | |
| Auch einen ersten Entwurf für die Anpassung des deutschen Rechts an die | |
| Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems aus dem letzten Jahr gibt | |
| es schon. Dabei will das BMI die von den EU-Regeln vorgegebenen Spielräume | |
| bis zum Maximum ausreizen. So sollen möglichst viele Schutzsuchende den | |
| beschleunigten Asylverfahren an Flughäfen unter Haftbedingungen unterworfen | |
| werden. Außerdem erlaubt der Entwurf Haftzentren für Geflüchtete, deren | |
| Asylantrag eigentlich in die Zuständigkeit anderer EU-Länder fällt. Solchen | |
| Personen sollen dann auch alle staatlichen Leistungen gestrichen werden | |
| können, auch dann, wenn sie gar keine Option haben, in das eigentlich | |
| zuständige Land auszureisen. | |
| Und die von Dobrindt [6][vorangetriebene zweijährige Aussetzung des | |
| Familiennachzugs für Personen mit subsidiärem Schutz] ist sogar schon vom | |
| Bundestag beschlossen worden. Hunderttausende Geflüchtete haben damit | |
| vorerst keine Perspektive mehr, ihre Liebsten wiederzusehen. Es braucht | |
| schon eine beachtliche Gefühlskälte, um darin einen Erfolg zu sehen. (fe) | |
| ## Der Möchtegerninvestitionsminister | |
| Als Finanzminister hat Lars Klingbeil nach neun Wochen bereits mehr | |
| erreicht als sein Vorgänger Christian Lindner. Er hat [7][einen Haushalt | |
| mit Rekordausgaben] von einer halben Billion Euro aufgestellt, macht – da | |
| die Einnahmen nicht reichen – Rekordschulden von rund 82 Milliarden Euro. | |
| Und all das ganz ohne Hilfe des Bundeskanzlers. Anders als Lindner, dessen | |
| Haushalte am Ende Olaf Scholz ausknobelte. | |
| Allerdings hat Klingbeil es auch etwas leichter als Lindner. Dieser pochte | |
| auf strikte Begrenzung der Neuverschuldung nahe null (Schuldenbremse) und | |
| wollte Steuern senken und damit die Einnahmen für den Staat bei steigendem | |
| Bedarf an Investitionen in Rüstung und Infrastruktur – eine Rechnung, die | |
| am Ende nicht aufging, auch nicht für die Ampelkoalition. | |
| Um einer Bruchlandung vorzubeugen legte Hobbypilot Friedrich Merz gleich | |
| nach dem Wahlsieg und noch vor Amtsantritt eine spektakuläre Kehrtwende | |
| hin: vom Bewahrer der Schuldenbremse zum Befürworter von Abermilliarden an | |
| neuen Schulden. Damit schwenkte er elegant auf den Kurs von SPD, Grünen und | |
| Linken ein, den er als Oppositionsführer heftigst kritisiert hatte. Das | |
| nennt man wohl anpassungsfähig. | |
| Dank der vom Bundestag beschlossen Ausnahmeregelung, die für einen großen | |
| Teil der Verteidigungsausgaben, den Zivilschutz, aber auch für die | |
| Ukrainehilfen gilt, und neuer Sonderschulden für die Infrastruktur darf | |
| Vizekanzler und Finanzminister Klingbeil also richtig buttern. Er nannte | |
| während der Haushaltsdebatte im Bundestag deshalb gleich einen neuen Namen | |
| für sein Ministerium: Investitionsministerium. Denn allein in diesem Jahr | |
| investiere man 115 Milliarden Euro – in Schienen und Schulen, aber vor | |
| allem in Schießgewehre. Über die größte Steigerung im Etat darf sich | |
| Verteidigungsminister Pistorius freuen, dessen Haushalt um zehn Milliarden | |
| auf 62 Milliarden steigt. | |
| Trotz des neuen Füllhorns – Schulden – reicht das Geld nicht, wie der | |
| Streit über die Stromsteuer zeigt. Die CSU wollte unbedingt die | |
| Mütterrente, die SPD eine Garantie des Rentenniveaus und Merz einfach | |
| Ruhe im Karton. Also musste Klingbeil die im Koalitionsvertrag | |
| [8][versprochene De-facto-Abschaffung der Stromsteuer für die | |
| Bürger:innen wieder abblasen]. Und zusätzlich noch sparen. Bis 2029 | |
| sehen seine Beamten einen „Handlungsbedarf“ wegen 144 Milliarden Euro, | |
| sprich, die müssen irgendwo gekürzt werden. In diesem Jahr geht’s schon | |
| los, etwa mit zweistelligen Millionenbeträgen bei der Kinder- und | |
| Jugendhilfe, erneut einer Milliarde bei der Entwicklungshilfe, und die | |
| humanitäre Hilfe wird halbiert. Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan | |
| (SPD) nannte die Kürzungen hart und schmerzhaft und kann sie beim besten | |
| Willen nicht erklären: Angesichts der tektonischen Verschiebungen und der | |
| sich verändernden Lage in der Welt müsse Deutschland doch ein verlässlicher | |
| Partner bleiben. | |
| Tja, offenbar kann der Parteichef Lars Klingbeil auch vielen potenziellen | |
| Wähler:innen gerade nicht erklären, warum die SPD unbedingt das | |
| Finanzministerium besetzen musste. Die Sozialdemokraten liegen in Umfragen | |
| bei 13 Prozent. (ale) | |
| ## Die Fossilministerin | |
| Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat bis zur Sommerpause | |
| systematisch Duftmarken gesetzt und klar gemacht, wohin die Reise mit ihr | |
| gehen wird. Die Christdemokratin hat im Kabinett die Rolle von Christian | |
| Lindner übernommen und das Erbe der destruktiven FDP angetreten. Schon | |
| während ihres Antrittsbesuchs in Frankreich irritiert sie den | |
| Koalitionspartner SPD, als sie die Atomkraft lobt und den Eindruck | |
| hinterlässt, die Bundesregierung habe ihre Position zu der Frage geändert, | |
| ob EU-Gelder für neue AKWs fließen sollten. | |
| Für Verstörung sorgt auch ihre Teilnahme an einem Treffen der Europäischen | |
| Nuklearallianz, eines 2023 gegründeten Zusammenschlusses von elf | |
| EU-Ländern, die die Nutzung der Atomenergie voranbringen wollen. | |
| Deutschland gehört nicht dazu, die Koalition hält am Ausstieg aus der | |
| Atomkraft fest. | |
| Das Misstrauen der Opposition und vieler Umweltverbände und NGOs gegen | |
| Reiche ist groß, weil sie bis zu ihrem Amtsantritt Chefin eines | |
| Tochterunternehmens des Energiekonzerns Eon war. Ihre Kritiker:innen | |
| fürchten, dass sie im Interesse der fossilen Energiebranche unterwegs ist. | |
| In ihrem [9][Vorstoß für den massiven Ausbau von Gaskraftwerken,] die nicht | |
| auf Wasserstoff umrüstbar sein müssen, sehen viele eine Bestätigung dieser | |
| Befürchtung. Der Kraftwerksbau ist wichtig, damit der Kohleausstieg nicht | |
| gefährdet wird. Aber Umweltschützer:innen halten Reiches Pläne für | |
| überdimensioniert und fürchten ein Festschreiben fossiler Strukturen. Das | |
| ficht die Ministerin nicht an. | |
| Doch offenbar läuft es nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat. | |
| Unmittelbar nach Amtsantritt spricht Reiche noch von einem Ausbau der | |
| Kapazitäten von „mindestens“ 20 Gigawatt, einige Woche später nur noch von | |
| „bis zu“. Dazwischen liegt ein Besuch bei der EU-Kommission. | |
| EU-Vizekommissionschefin Teresa Ribera, früher sozialistische | |
| Umweltministerin in Spanien, sperrt sich auch mit Blick auf die | |
| europäischen Klimaziele gegen die Pläne. | |
| Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD zu dem Ziel bekannt, dass | |
| Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Auf einem Kongress des | |
| Bundesverbands der Deutschen Industrie relativiert Reiche das. Sie ist | |
| für eine Angleichung an die Marke der EU, die Klimaneutralität bis 2050 | |
| vorsieht. Aber in die europäische Vorgabe ist eingepreist, dass Deutschland | |
| als wirtschaftlich stärkstes Land schon 2045 klimaneutral geworden sei. | |
| Eine Verschiebung hier würde zu einer Verschiebung dort führen. | |
| Bei der Amtsübernahme lobt Reiche ihren Vorgänger Habeck überschwänglich | |
| als guten Krisenmanager. Wenig später rammt sie seine Energiewende in Grund | |
| und Boden. Die Energiewende nennt sie „völlig überzogen“. Mit Sorge blick… | |
| Grüne, Umweltverbände und Klimaaktivist:innen auf das Projekt, dass | |
| die Basis für Reiches weiteres Vorgehen sein soll: das Energiemonitoring. | |
| Damit will die Ministerin, die am 16. Juli ihren 52. Geburtstag feiert, die | |
| Energiewende einem „Realitätscheck“ unterziehen. | |
| Ursprünglich sollte das Ergebnis bereits vor der Sommerpause vorliegen. | |
| Doch [10][Reiche hat es erst Ende Juni geschafft, den Auftrag dafür zu | |
| vergeben]. Und zwar ausgerechnet an das Energiewirtschaftliche Institut an | |
| der Universität Köln (EWI), das ursprünglich von fossilen Energiekonzern | |
| RWE und Eon finanziert wurde. Eine entscheidende Größe für den Ab- oder | |
| Ausbau der Energiewende ist der künftige Strombedarf, den die Gutachtenden | |
| prognostizieren. Setzen sie ihn gegenüber der von der Ampelregierung | |
| angenommenen Menge herunter, könnte der Ausbau der Erneuerbaren | |
| eingeschränkt werden. | |
| Genau diesen Auftrag hat das Institut de facto bekommen, sagt die Deutsche | |
| Umwelthilfe (DUH), die die Leistungsbeschreibung für das Gutachten bekommen | |
| und ins Internet gestellt hat. „Katherina Reiche hat ideologische | |
| Scheuklappen auf“, sagt der Bundesgeschäftsführer der DUH, Sascha | |
| Müller-Kraenner. Das Gutachten soll Ende August vorliegen. Danach wird | |
| Reiche ihre Pläne für die Zukunft der Erneuerbaren vorlegen – und das | |
| Ringen um die Zukunft der Energiewende beginnen. (akr) | |
| ## Die Ministerin der Herzen | |
| Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) muss ausführen, was vor | |
| allem Herzensanliegen der Union sind. Zum Beispiel die [11][Reform des | |
| Bürgergelds]. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat Milliarden Euro an | |
| Einsparungen beim Bürgergeld in den nächsten Jahren versprochen, aus dem | |
| SPD-Finanzministerium kursierten unlängst die Zahl von 4,5 Milliarden Euro | |
| an Einsparungen in den kommenden zwei Jahren. Das Problem: Es ist sehr | |
| unwahrscheinlich, dass diese Einsparungen durch etwas mehr Sanktionen der | |
| Jobcenter gegen Terminsäumige, durch niedrigere Freibetragsgrenzen bei | |
| Vermögen und eine Limitierung der Übernahme hoher Wohnkosten für | |
| Antragssteller:innen zustande kommen. | |
| Auch die Abschaffung des Bürgergelds für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine | |
| dürfte nach Schätzung von Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für | |
| Arbeit, nur 900 Millionen Euro Einsparungen bringen. Ukrainer:innen, die | |
| nach dem 1. April 2026 einreisen, sollen in den ersten Jahren nur noch die | |
| niedrigeren Leistungen für Asylbewerber:innen erhalten. Einen | |
| Gesetzentwurf zum Bürgergeld hat Bas noch für dieses Jahr angekündigt. | |
| Neues Geld verteilt die Sozialministerin wohl vor allem durch die 4 | |
| Milliarden Euro teure [12][Erweiterung der Mütterrente] ab 2027. Das ist | |
| ein Herzensanliegen der CSU. (bd) | |
| ## Die Ungesundministerin | |
| Als Gesundheitsministerin musste sich die Juristin Nina Warken (CDU) erst | |
| einmal einarbeiten, ihr Ressort gilt als besonders komplex. Zum Einstieg | |
| ging es für sie aber nicht um zukunftsgerichtete Reformen, sondern um | |
| Rückblick: Warken beschäftigt der Untersuchungsbericht zu den | |
| milliardenschweren [13][Maskendeals ihres Vorgängers und Fraktionschefs | |
| Jens Spahn]. Trotz Kritik auch vom Koalitionspartner hält Warken zum | |
| Parteifreund und attackiert lieber [14][SPD-Sonderermittlerin Margaretha | |
| Sudhof]. Das sorgt für ein Knirschen in der Koalition. Dabei stehen im | |
| Gesundheitsbereich große Reformen an. | |
| Die Kassen sind leer, sowohl die der sozialen Pflegeversicherung als auch | |
| die der gesetzlichen Krankenkassen, Kosten und Beiträge steigen. | |
| [15][Reformen] werden seit Jahren verschleppt, weil sie so kompliziert | |
| sind. Eine Kommission aus Bund, Ländern und Kommunen soll jetzt als Erstes | |
| Vorschläge einer Pflegereform erarbeiten, mit einem straffen Zeitplan. | |
| Schon Ende des Jahres sollen die Ergebnisse kommen. Wie die Reform dann | |
| aussehen wird, ist noch offen. Warken will der Kommission jedenfalls keine | |
| „Denkverbote“ erteilen. In welche Richtung sie selbst denkt, hat sie schon | |
| klargemacht: Bürger*innen sollen mehr privat vorsorgen, eine | |
| verpflichtende Zusatzversicherung ist möglich. Und auch über | |
| Leistungskürzungen wird nachgedacht. (lf) | |
| ## Die Schnellbauministerin | |
| Mit Worten ist Verena Hubertz (SPD) schon vorgeprescht. Bauen soll | |
| schneller und billiger werden. Mit dem kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf, | |
| dem [16][sogenannten Bauturbo], will sie den lahmenden Wohnungsbau wieder | |
| ankurbeln. Das sei die dringend benötigte „Brechzange“, um die Verfahren in | |
| den Kommunen zu beschleunigen, erklärte sie. Die Planungszeit soll künftig | |
| nur noch zwei Monate dauern. Die Baukosten sollen sich halbieren. Abgesehen | |
| von den berechtigten Sorgen – Spekulation, Naturzerstörung und | |
| eingeschränkter Bürgerbeteiligung –, sind das waghalsige Versprechen. | |
| 7,4 Milliarden Euro Etat hat das Bauministerium in diesem Jahr. Davon | |
| fließen 3,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau. Die Mittel werden | |
| in den Folgejahren schrittweise erhöht. Die Regierung nennt das | |
| Rekordmittel, der Deutsche Mieterbund hält aber 12,5 Milliarden pro Jahr | |
| für nötig. Er kritisiert auch, dass aus dem 500-Milliarden-Sondervermögen | |
| für Infrastruktur bis 2029 nur 11 Milliarden Euro für den Wohnungsbau | |
| vorgesehen sind – das sind nur 2 Prozent. Was wird sich also in diesem Jahr | |
| spürbar verändern? Vermutlich wenig. Baupolitik lässt sich nicht in | |
| schnellen Erfolgen messen. Umso trauriger, dass in der Mietenpolitik so | |
| wenig passiert. Zwar wurde von der zuständigen Justizministerin Stefanie | |
| Hubig (SPD) die Mietpreisbremse um vier Jahre bis 2029 verlängert. Weitere | |
| Verbesserungsvorschläge im Mietrecht müssen aber noch ausgehandelt werden. | |
| (jak) | |
| 11 Jul 2025 | |
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