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# taz.de -- Zwischenbilanz der Regierung: Merken Sie schon was?
> Friedrich Merz versprach: Im Sommer spüre man, dass es im Land vorangehe.
> Doch vieles geht nach rechts und zurück. Ein Blick ins schwarz-rote
> Kabinett.
Bild: Der Reichstag im Sommer 2025: Es wehen keine Regenbogenfahnen, und die Bu…
## Der Außenkanzler
„Germany is back on track“ – so hat Kanzler Friedrich Merz die Rückkehr
Deutschlands auf die internationale Bühne angekündigt. Schluss mit Scholz
und dem Zögern und Zaudern. „Machen, machen, machen“ scheint auch
außenpolitisch das Motto zu sein. Berlin werde Führungsmacht in der EU sein
und die stärkste konventionelle Armee in Europa haben, verkündete Merz
vibrierend vor Aufbruchsenergie. Er flog nach Paris und Warschau,
schmiedete mit Macron, Starmer und Tusk eine Koalition der Willigen. Man
holte per Telefon Trump ins Boot und stellte Putin forsch ein Ultimatum.
Das gab schöne Fotos und verzückte Leitartikel.
Eher bescheiden ist das Ergebnis dieser Show. Putin ließ das Ultimatum
wortlos verstreichen und lässt die Ukraine weiter in Trümmer schießen. Die
USA sind als Ukraineunterstützer halb auf dem Absprung. Einen Plan, wie
Europa schaffen soll, was schon mit den USA nicht gelang – die Ukraine bis
zum Sieg aufzurüsten –, gibt es nicht.
Nach J. D. Vance’ Auftritt in München war die außenpolitische Elite in
Deutschland kollektiv aus allen Wolken gefallen. Und Merz erklärte
entschlossen, Europa solle verteidigungspolitisch eine „Unabhängigkeit von
den USA erreichen“. Aber das ist stillschweigend in den Hintergrund
gerutscht. Merz hat inzwischen einen Auftritt im Oval Office ohne Blamage
überstanden. Und hofft nun, Trump durch Aufrüstung günstig stimmen zu
können. Es ist angenehmer, in der Illusion zu leben, dass Trump ein böser
Traum sei, den man nur geduldig überstehen müsse, als zu verstehen, dass
Europa allein für seine Sicherheit wird zu sorgen haben.
Das Prinzip Merz lautet: markige Ankündigungen in business as usual münden
zu lassen. Merz ermahnte Israel wegen Gaza, Außenminister Johann Wadephul
dachte öffentlich kurz über ein Aus von Waffenlieferungen an Israel nach.
Auch davon ist nach ein paar Wochen nichts mehr übrig geblieben. Merz lobte
Israels völkerrechtswidrige Bombardierung des Iran als nötige
„Drecksarbeit“. Innenminister Dobrindt schüttelte Netanjahu die Hand und
beschwor den gemeinsamen Kampf gegen den Terror. Ja zum Völkerrecht – aber
nur, wenn es uns gerade passt. Diese Doppelmoral beschädigt das wegen Gaza
und Israelunterstützung ohnehin ramponierte deutsche Image noch mal mehr.
Schwarz-Rot hat die Möglichkeit geschaffen, fast unbegrenzt Geld in Rüstung
und Militär zu pumpen. Eine politische Strategie aber fehlt – außer nett zu
Trump zu sein und auf gutes Wetter zu hoffen. Merz ist inhaltlich gar nicht
weit von Scholz entfernt ([1][transatlantisch, Israel als Staatsräson]), in
der Performance das Gegenteil: viel Schein, wenig Sein. Merz ist der
Außen-Kanzler für ein Publikum, das sich nur noch Überschriften merken
kann, auf Buzzwörter wie Drecksarbeit kurz anspringt, aber auch die
schnell wieder vergisst. Er ist der Blender, dessen Auftritt uns vergessen
lässt, dass wir keine Ahnung haben, was Europa nach dem Untergang des
Westens tun soll. (sr)
## Der Wehrpflichtplaner
Wer nach dem 31. Dezember 2007 geboren ist, könnte demnächst Post von der
Bundeswehr bekommen. Wenn es nach den Gesetzesplänen von
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geht, sollen Jugendliche
zwischen 18 und 25 Jahren ab dem 1. Januar zu einem „freiwilligen
Wehrdienst“ eingeladen werden. Du hast keine Lust, für Deutschland eine
Waffe in die Hand zu nehmen? Du hast gehört, dass sich auch ein halbes Jahr
bei der Bundeswehr ziemlich lang anfühlen kann, wenn die Duschen in den
Kasernen verschimmeln, Ausbilder*innen fehlen und es kein Gerät zum
Üben gibt? Da hat sich das Verteidigungsministerium etwas einfallen lassen!
Etwa 2.000 Euro netto winken künftig für deinen Einstieg bei der Truppe.
Das Bundeskabinett soll Pistorius’ Pläne Ende August beschließen, dann
könnte der Bundestag das [2][Gesetz im Herbst verabschieden]. Ziel des
„neuen Wehrdienstes“ ist, dass die Zahl der aktiven Soldat*innen
innerhalb von zehn Jahren von derzeit 182.500 auf 260.000 steigt –
hinzukommen sollen 200.000 Reservist*innen. Kern des Gesetzes ist ein
Fragebogen, in dem junge Männer ihre Haltung zur Bundeswehr benennen müssen
und je nach ihren Aussagen dann zur Musterung geladen werden, zu der sie
dann auch erscheinen müssen. Für junge Frauen soll die Antwort auf das
Schreiben der Bundeswehr freiwillig sein.
Falls Geld und Appelle an die Kriegsbereitschaft nicht genug junge Menschen
für einen Dienst an der Waffe motivieren, sehen Pistorius’ Pläne noch einen
anderen Weg vor. Eine militärische Lage oder das Nichterreichen der
gewünschten Truppenzahl könnte für junge Männer [3][auch die Reaktivierung
des Zwangsdienstes bedeuten]. Für so einen Fall müsste das Parlament erneut
zustimmen.
Pistorius ist mit seinem Gesetzentwurf eine Art Overachiever in der
Bundesregierung, die in ihrem Koalitionsvertrag den „attraktiven
Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“, versprochen hatte.
Allerdings hatte der Verteidigungsminister seinen Entwurf auch schon im
vergangenen Herbst vorbereitet und wurde vom Auseinanderbrechen der
Ampelregierung aufgehalten. (cem)
## Der Rückführungsminister
Man darf davon ausgehen, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)
seine ersten Monate im Amt als Erfolg wahrnimmt. Und das im Wahlkampf
ausgegebene Ziel einer „Asylwende“ hat der CSU-Mann ja auch wirklich mit
einer bemerkenswerten Effizienz vorangetrieben. Die von ihm angeordnete
Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen ist ein
dramatischer Bruch in der deutschen Migrationspolitik.
Aber ist es wirklich ein Erfolg, wenn deutsche Polizist*innen jetzt
verzweifelte Menschen auf der Flucht vor Unterdrückung und Terror
abweisen? Wenn die Bundesregierung damit offen das Europarecht bricht, das
vorsieht, dass jeder Asylantrag geprüft werden muss? Wenn das deutsche
Vorgehen [4][die Nachbarstaaten vor den Kopf stößt] und etwa in Polen den
rechtsextremen Kräften Aufwind verschafft?
Zu solchen Fragen kommt außerdem noch der Umstand, dass die Zurückweisungen
bisher hauptsächlich eine symbolische Wirkung haben. Nur wenig mehr als 300
Asylsuchende wurden bisher zurückgeschickt.
Genauso zweifelhaft ist der „Erfolg“, dass jetzt die Zahl neuer Asylanträge
im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 Prozent sank – selbst wenn man
Dobrindts Logik übernimmt, nach der es eine positive Entwicklung ist, dass
so viel weniger Menschen hier Schutz finden. Denn der Rückgang hat laut
einhelliger Meinung von Expert*innen vor allem mit der Stabilisierung
der Lage in Syrien zu tun und mit den massiven Verschärfungen des
Asylrechts, die Dobrindts Amtsvorgängerin Nancy Faeser (SPD)
durchgesetzt hatte.
Eigene Gesetzesvorhaben hat Dobrindt zwar ebenfalls schon in beachtlicher
Zahl angeschoben, im Vergleich zu den Zurückweisungen fanden sie aber eher
wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei könnte ihre Wirkung am Ende sogar
deutlich mehr Geflüchtete treffen. Gerade am Donnerstag beriet der
Bundestag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf aus seinem Ministerium
zur erleichterten Einstufung von Ländern als sogenannte sichere
Herkunftsstaaten. Darüber soll künftig die Bundesregierung allein
entscheiden können, ohne dass der Bundestag oder Bundesrat irgendwie
eingebunden wären. Wer aus [5][angeblich sicheren Herkunftsstaaten] kommt,
hat kaum Chancen auf Asyl in Deutschland.
Auch einen ersten Entwurf für die Anpassung des deutschen Rechts an die
Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems aus dem letzten Jahr gibt
es schon. Dabei will das BMI die von den EU-Regeln vorgegebenen Spielräume
bis zum Maximum ausreizen. So sollen möglichst viele Schutzsuchende den
beschleunigten Asylverfahren an Flughäfen unter Haftbedingungen unterworfen
werden. Außerdem erlaubt der Entwurf Haftzentren für Geflüchtete, deren
Asylantrag eigentlich in die Zuständigkeit anderer EU-Länder fällt. Solchen
Personen sollen dann auch alle staatlichen Leistungen gestrichen werden
können, auch dann, wenn sie gar keine Option haben, in das eigentlich
zuständige Land auszureisen.
Und die von Dobrindt [6][vorangetriebene zweijährige Aussetzung des
Familiennachzugs für Personen mit subsidiärem Schutz] ist sogar schon vom
Bundestag beschlossen worden. Hunderttausende Geflüchtete haben damit
vorerst keine Perspektive mehr, ihre Liebsten wiederzusehen. Es braucht
schon eine beachtliche Gefühlskälte, um darin einen Erfolg zu sehen. (fe)
## Der Möchtegerninvestitionsminister
Als Finanzminister hat Lars Klingbeil nach neun Wochen bereits mehr
erreicht als sein Vorgänger Christian Lindner. Er hat [7][einen Haushalt
mit Rekordausgaben] von einer halben Billion Euro aufgestellt, macht – da
die Einnahmen nicht reichen – Rekordschulden von rund 82 Milliarden Euro.
Und all das ganz ohne Hilfe des Bundeskanzlers. Anders als Lindner, dessen
Haushalte am Ende Olaf Scholz ausknobelte.
Allerdings hat Klingbeil es auch etwas leichter als Lindner. Dieser pochte
auf strikte Begrenzung der Neuverschuldung nahe null (Schuldenbremse) und
wollte Steuern senken und damit die Einnahmen für den Staat bei steigendem
Bedarf an Investitionen in Rüstung und Infrastruktur – eine Rechnung, die
am Ende nicht aufging, auch nicht für die Ampelkoalition.
Um einer Bruchlandung vorzubeugen legte Hobbypilot Friedrich Merz gleich
nach dem Wahlsieg und noch vor Amtsantritt eine spektakuläre Kehrtwende
hin: vom Bewahrer der Schuldenbremse zum Befürworter von Abermilliarden an
neuen Schulden. Damit schwenkte er elegant auf den Kurs von SPD, Grünen und
Linken ein, den er als Oppositionsführer heftigst kritisiert hatte. Das
nennt man wohl anpassungsfähig.
Dank der vom Bundestag beschlossen Ausnahmeregelung, die für einen großen
Teil der Verteidigungsausgaben, den Zivilschutz, aber auch für die
Ukrainehilfen gilt, und neuer Sonderschulden für die Infrastruktur darf
Vizekanzler und Finanzminister Klingbeil also richtig buttern. Er nannte
während der Haushaltsdebatte im Bundestag deshalb gleich einen neuen Namen
für sein Ministerium: Investitionsministerium. Denn allein in diesem Jahr
investiere man 115 Milliarden Euro – in Schienen und Schulen, aber vor
allem in Schießgewehre. Über die größte Steigerung im Etat darf sich
Verteidigungsminister Pistorius freuen, dessen Haushalt um zehn Milliarden
auf 62 Milliarden steigt.
Trotz des neuen Füllhorns – Schulden – reicht das Geld nicht, wie der
Streit über die Stromsteuer zeigt. Die CSU wollte unbedingt die
Mütterrente, die SPD eine Garantie des Rentenniveaus und Merz einfach
Ruhe im Karton. Also musste Klingbeil die im Koalitionsvertrag
[8][versprochene De-facto-Abschaffung der Stromsteuer für die
Bürger:innen wieder abblasen]. Und zusätzlich noch sparen. Bis 2029
sehen seine Beamten einen „Handlungsbedarf“ wegen 144 Milliarden Euro,
sprich, die müssen irgendwo gekürzt werden. In diesem Jahr geht’s schon
los, etwa mit zweistelligen Millionenbeträgen bei der Kinder- und
Jugendhilfe, erneut einer Milliarde bei der Entwicklungshilfe, und die
humanitäre Hilfe wird halbiert. Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan
(SPD) nannte die Kürzungen hart und schmerzhaft und kann sie beim besten
Willen nicht erklären: Angesichts der tektonischen Verschiebungen und der
sich verändernden Lage in der Welt müsse Deutschland doch ein verlässlicher
Partner bleiben.
Tja, offenbar kann der Parteichef Lars Klingbeil auch vielen potenziellen
Wähler:innen gerade nicht erklären, warum die SPD unbedingt das
Finanzministerium besetzen musste. Die Sozialdemokraten liegen in Umfragen
bei 13 Prozent. (ale)
## Die Fossilministerin
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat bis zur Sommerpause
systematisch Duftmarken gesetzt und klar gemacht, wohin die Reise mit ihr
gehen wird. Die Christdemokratin hat im Kabinett die Rolle von Christian
Lindner übernommen und das Erbe der destruktiven FDP angetreten. Schon
während ihres Antrittsbesuchs in Frankreich irritiert sie den
Koalitionspartner SPD, als sie die Atomkraft lobt und den Eindruck
hinterlässt, die Bundesregierung habe ihre Position zu der Frage geändert,
ob EU-Gelder für neue AKWs fließen sollten.
Für Verstörung sorgt auch ihre Teilnahme an einem Treffen der Europäischen
Nuklearallianz, eines 2023 gegründeten Zusammenschlusses von elf
EU-Ländern, die die Nutzung der Atomenergie voranbringen wollen.
Deutschland gehört nicht dazu, die Koalition hält am Ausstieg aus der
Atomkraft fest.
Das Misstrauen der Opposition und vieler Umweltverbände und NGOs gegen
Reiche ist groß, weil sie bis zu ihrem Amtsantritt Chefin eines
Tochterunternehmens des Energiekonzerns Eon war. Ihre Kritiker:innen
fürchten, dass sie im Interesse der fossilen Energiebranche unterwegs ist.
In ihrem [9][Vorstoß für den massiven Ausbau von Gaskraftwerken,] die nicht
auf Wasserstoff umrüstbar sein müssen, sehen viele eine Bestätigung dieser
Befürchtung. Der Kraftwerksbau ist wichtig, damit der Kohleausstieg nicht
gefährdet wird. Aber Umweltschützer:innen halten Reiches Pläne für
überdimensioniert und fürchten ein Festschreiben fossiler Strukturen. Das
ficht die Ministerin nicht an.
Doch offenbar läuft es nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat.
Unmittelbar nach Amtsantritt spricht Reiche noch von einem Ausbau der
Kapazitäten von „mindestens“ 20 Gigawatt, einige Woche später nur noch von
„bis zu“. Dazwischen liegt ein Besuch bei der EU-Kommission.
EU-Vizekommissionschefin Teresa Ribera, früher sozialistische
Umweltministerin in Spanien, sperrt sich auch mit Blick auf die
europäischen Klimaziele gegen die Pläne.
Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD zu dem Ziel bekannt, dass
Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Auf einem Kongress des
Bundesverbands der Deutschen Industrie relativiert Reiche das. Sie ist
für eine Angleichung an die Marke der EU, die Klimaneutralität bis 2050
vorsieht. Aber in die europäische Vorgabe ist eingepreist, dass Deutschland
als wirtschaftlich stärkstes Land schon 2045 klimaneutral geworden sei.
Eine Verschiebung hier würde zu einer Verschiebung dort führen.
Bei der Amtsübernahme lobt Reiche ihren Vorgänger Habeck überschwänglich
als guten Krisenmanager. Wenig später rammt sie seine Energiewende in Grund
und Boden. Die Energiewende nennt sie „völlig überzogen“. Mit Sorge blick…
Grüne, Umweltverbände und Klimaaktivist:innen auf das Projekt, dass
die Basis für Reiches weiteres Vorgehen sein soll: das Energiemonitoring.
Damit will die Ministerin, die am 16. Juli ihren 52. Geburtstag feiert, die
Energiewende einem „Realitätscheck“ unterziehen.
Ursprünglich sollte das Ergebnis bereits vor der Sommerpause vorliegen.
Doch [10][Reiche hat es erst Ende Juni geschafft, den Auftrag dafür zu
vergeben]. Und zwar ausgerechnet an das Energiewirtschaftliche Institut an
der Universität Köln (EWI), das ursprünglich von fossilen Energiekonzern
RWE und Eon finanziert wurde. Eine entscheidende Größe für den Ab- oder
Ausbau der Energiewende ist der künftige Strombedarf, den die Gutachtenden
prognostizieren. Setzen sie ihn gegenüber der von der Ampelregierung
angenommenen Menge herunter, könnte der Ausbau der Erneuerbaren
eingeschränkt werden.
Genau diesen Auftrag hat das Institut de facto bekommen, sagt die Deutsche
Umwelthilfe (DUH), die die Leistungsbeschreibung für das Gutachten bekommen
und ins Internet gestellt hat. „Katherina Reiche hat ideologische
Scheuklappen auf“, sagt der Bundesgeschäftsführer der DUH, Sascha
Müller-Kraenner. Das Gutachten soll Ende August vorliegen. Danach wird
Reiche ihre Pläne für die Zukunft der Erneuerbaren vorlegen – und das
Ringen um die Zukunft der Energiewende beginnen. (akr)
## Die Ministerin der Herzen
Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) muss ausführen, was vor
allem Herzensanliegen der Union sind. Zum Beispiel die [11][Reform des
Bürgergelds]. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat Milliarden Euro an
Einsparungen beim Bürgergeld in den nächsten Jahren versprochen, aus dem
SPD-Finanzministerium kursierten unlängst die Zahl von 4,5 Milliarden Euro
an Einsparungen in den kommenden zwei Jahren. Das Problem: Es ist sehr
unwahrscheinlich, dass diese Einsparungen durch etwas mehr Sanktionen der
Jobcenter gegen Terminsäumige, durch niedrigere Freibetragsgrenzen bei
Vermögen und eine Limitierung der Übernahme hoher Wohnkosten für
Antragssteller:innen zustande kommen.
Auch die Abschaffung des Bürgergelds für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
dürfte nach Schätzung von Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für
Arbeit, nur 900 Millionen Euro Einsparungen bringen. Ukrainer:innen, die
nach dem 1. April 2026 einreisen, sollen in den ersten Jahren nur noch die
niedrigeren Leistungen für Asylbewerber:innen erhalten. Einen
Gesetzentwurf zum Bürgergeld hat Bas noch für dieses Jahr angekündigt.
Neues Geld verteilt die Sozialministerin wohl vor allem durch die 4
Milliarden Euro teure [12][Erweiterung der Mütterrente] ab 2027. Das ist
ein Herzensanliegen der CSU. (bd)
## Die Ungesundministerin
Als Gesundheitsministerin musste sich die Juristin Nina Warken (CDU) erst
einmal einarbeiten, ihr Ressort gilt als besonders komplex. Zum Einstieg
ging es für sie aber nicht um zukunftsgerichtete Reformen, sondern um
Rückblick: Warken beschäftigt der Untersuchungsbericht zu den
milliardenschweren [13][Maskendeals ihres Vorgängers und Fraktionschefs
Jens Spahn]. Trotz Kritik auch vom Koalitionspartner hält Warken zum
Parteifreund und attackiert lieber [14][SPD-Sonderermittlerin Margaretha
Sudhof]. Das sorgt für ein Knirschen in der Koalition. Dabei stehen im
Gesundheitsbereich große Reformen an.
Die Kassen sind leer, sowohl die der sozialen Pflegeversicherung als auch
die der gesetzlichen Krankenkassen, Kosten und Beiträge steigen.
[15][Reformen] werden seit Jahren verschleppt, weil sie so kompliziert
sind. Eine Kommission aus Bund, Ländern und Kommunen soll jetzt als Erstes
Vorschläge einer Pflegereform erarbeiten, mit einem straffen Zeitplan.
Schon Ende des Jahres sollen die Ergebnisse kommen. Wie die Reform dann
aussehen wird, ist noch offen. Warken will der Kommission jedenfalls keine
„Denkverbote“ erteilen. In welche Richtung sie selbst denkt, hat sie schon
klargemacht: Bürger*innen sollen mehr privat vorsorgen, eine
verpflichtende Zusatzversicherung ist möglich. Und auch über
Leistungskürzungen wird nachgedacht. (lf)
## Die Schnellbauministerin
Mit Worten ist Verena Hubertz (SPD) schon vorgeprescht. Bauen soll
schneller und billiger werden. Mit dem kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf,
dem [16][sogenannten Bauturbo], will sie den lahmenden Wohnungsbau wieder
ankurbeln. Das sei die dringend benötigte „Brechzange“, um die Verfahren in
den Kommunen zu beschleunigen, erklärte sie. Die Planungszeit soll künftig
nur noch zwei Monate dauern. Die Baukosten sollen sich halbieren. Abgesehen
von den berechtigten Sorgen – Spekulation, Naturzerstörung und
eingeschränkter Bürgerbeteiligung –, sind das waghalsige Versprechen.
7,4 Milliarden Euro Etat hat das Bauministerium in diesem Jahr. Davon
fließen 3,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau. Die Mittel werden
in den Folgejahren schrittweise erhöht. Die Regierung nennt das
Rekordmittel, der Deutsche Mieterbund hält aber 12,5 Milliarden pro Jahr
für nötig. Er kritisiert auch, dass aus dem 500-Milliarden-Sondervermögen
für Infrastruktur bis 2029 nur 11 Milliarden Euro für den Wohnungsbau
vorgesehen sind – das sind nur 2 Prozent. Was wird sich also in diesem Jahr
spürbar verändern? Vermutlich wenig. Baupolitik lässt sich nicht in
schnellen Erfolgen messen. Umso trauriger, dass in der Mietenpolitik so
wenig passiert. Zwar wurde von der zuständigen Justizministerin Stefanie
Hubig (SPD) die Mietpreisbremse um vier Jahre bis 2029 verlängert. Weitere
Verbesserungsvorschläge im Mietrecht müssen aber noch ausgehandelt werden.
(jak)
11 Jul 2025
## LINKS
[1] /Kriege-in-der-Ukraine-und-Iran/!6092601
[2] /Gesetzentwurf-fuer-neue-Wehrpflicht/!6100010
[3] /Verteidigungsminister-Pistorius/!6095699
[4] /Deutsch-polnische-Einreisekontrollen/!6096275
[5] /Migrations-Debatte-Dobrindt-will-Gespraeche-mit-der-Taliban/!6094906
[6] /Familiennachzug-ausgesetzt-/!6096907
[7] /Klingbeil-stellt-Haushaltsentwurf-vor/!6092979
[8] /Schwarz-rotes-Stromsteuer-Fiasko-/!6094818
[9] /Rollback-ins-fossile-Zeitalter/!6094322
[10] /Energiewende/!6090326
[11] /Soziale-Kuerzungen/!6092978
[12] /Diskussion-um-Muetterrente/!6077956
[13] /Masken-Affaere-um-Jens-Spahn/!6095813
[14] /Spahn-und-die-Maskenaffaere/!6095984
[15] /Bund-Laender-Kommission-zur-Pflegereform/!6095916
[16] /Bauministerin-Verena-Hubertz/!6095515
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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