| # taz.de -- Friedrich Merz' Queerfeindlichkeit: „Zirkuszelt“-Aussage erntet… | |
| > Selbst aus den eigenen Reihen erntet der Kanzler Kritik. Zwei | |
| > Bundestags-VizepräsidentInnen kündigten an, den Berliner CSD zu eröffnen. | |
| Bild: Auf der Jagd nach der Studiofliege: Moderatorin Sandra Maischberger fucht… | |
| Berlin taz | „Sie können doch einfach die Fahne hissen!“, fordert Sandra | |
| Maischberger am Dienstagabend Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf, als | |
| er in ihrer Sendung sitzt. Es geht um die Regenbogenflagge, die für queeres | |
| Leben steht. Diese zum Christopher Street Day (CSD) am 26. Juli über dem | |
| Reichstag zu hissen, hatte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner verboten | |
| und dafür viel Kritik geerntet. Merz pflichtet seiner Parteifreundin bei: | |
| „Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt“, sagt er bei Maischberger. Damit | |
| hat er die ohnehin aufgeheizte Debatte endgültig zum Kochen gebracht. | |
| „Wenn die Regenbogenfahne die Fahne auf einem Zirkuszelt ist, was sind dann | |
| queere Menschen? Zirkustierchen, die sich zur Erheiterung des Publikums zum | |
| Affen machen?“, sagte die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch | |
| (SPD), der taz. Queere Menschen hätten Würde und stünden wie alle anderen | |
| auch unter dem Schutz des Grundgesetzes. „Ein Verständnis dafür wäre für | |
| einen Bundeskanzler angemessen“, findet Koch. | |
| Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sprach von einer „Entgleisung“. „D… | |
| Regenbogenfahne ist keine Zirkusplane, sondern ein universelles Symbol für | |
| Vielfalt und Menschenrechte“, sagte LSVD-Vorstand Andre Lehmann dem ZDF. | |
| „Ich möchte den Bundeskanzler daran erinnern, dass er von einer | |
| Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus spricht, die auch noch in der | |
| Bundesrepublik lange Zeit unterdrückt und kriminalisiert wurde.“ | |
| ## „Von Fettnapf zu Fettnapf“ | |
| Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann bescheinigte Merz ein „Talent, | |
| von Fettnapf zu Fettnapf zu gehen und dabei Menschen vor den Kopf zu | |
| stoßen“. Die Regenbogenfahne repräsentiere eine Gruppe, „die vermehrt von | |
| Anfeindungen, Gewalt und Hass betroffen ist“, schrieb sie auf der Plattform | |
| X. Merz könnte sich „für Vielfalt, Selbstbestimmung und die Wahrung | |
| demokratischer Grundrechte einsetzen, statt diese Werte lächerlich zu | |
| machen“. | |
| Auch Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek bezeichnete Merz’ Worte als | |
| „völlig unangemessen“. Seit Jahren steige die Gewalt gegen queere Menschen. | |
| Die Union „verweigert nun auch noch einen symbolischen Akt und zieht den | |
| Kampf um Sichtbarkeit ins Lächerliche“, sagte sie. | |
| Laut Bundeskriminalamt haben sich die Straftaten in den Bereichen sexuelle | |
| Orientierung und geschlechtsbezogene Diversität seit 2010 fast | |
| verzehnfacht, 2024 wurden fast 3.000 Straftaten erfasst. Die | |
| Amadeu-Antonio-Stiftung zählte 2024 in Deutschland noch nie so viele | |
| CSD-Veranstaltungen – allerdings auch noch nie so viele [1][rechtsextreme | |
| Mobilisierungen dagegen]. 55 Fälle hat die Stiftung dokumentiert, in denen | |
| rechtsextreme Gruppen gezielt CSD-Demos, Teilnehmende und Infrastruktur | |
| gestört, bedroht und angegriffen haben. | |
| Auch der Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), Sönke | |
| Siegmann, sagte der taz: „Die Regenbogenflagge zeigt, wofür unser | |
| demokratischer Staat steht.“ Sie sei kein beliebiges Banner, sondern ein | |
| Zeichen von Menschenwürde, Vielfalt, Gleichberechtigung und | |
| gesellschaftlichem Zusammenhalt. Merz’ Wortwahl sei „unglücklich“ gewese… | |
| Darüber werde man mit dem Kanzler persönlich sprechen, es gebe bereits | |
| einen Termin. | |
| ## Durch und durch queerfeindliche Haltung | |
| Merz’ aktuelle Äußerung reiht sich ein in eine lange Reihe problematischer | |
| Aussagen des heutigen Kanzlers gegenüber queeren Personen. Im Jahr 2000 | |
| stellte sich Merz gegen die Ehe für alle, 2001 kommentierte er das | |
| Coming-out des SPD-Politikers Klaus Wowereit mit den Worten: „Solange der | |
| Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal.“ | |
| 2020 sagte Merz auf die Frage, ob ein Schwuler Kanzler werden könne: „Die | |
| Frage der sexuellen Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange | |
| sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft | |
| – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht –, | |
| ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion.“ Kritisiert wurde dabei, | |
| dass Merz Homosexualität in die Nähe von Pädophilie gerückt hatte. | |
| Im jüngsten auf Merz zugeschnittenen Bundestagswahlkampf hatte die Union | |
| damit geworben, trans Personen das gerade erst erkämpfte Recht auf | |
| Selbstbestimmung wieder zu entziehen, das Selbstbestimmungsgesetz | |
| abzuschaffen. Der Lesben- und Schwulenverband LSVD hatte in seinen | |
| Wahlprüfsteinen deshalb einige Positionen der Union als „gefährlich“ | |
| eingestuft. | |
| ## Merz zeigte Sympathie für Trumps Transfeindlichkeit | |
| Im Februar dieses Jahres zeigte Merz Sympathien für den transfeindlichen | |
| Beschluss von US-Präsident Donald Trump, nur zwei Geschlechter | |
| anzuerkennen. Merz sprach von einer „Entscheidung, die ich nachvollziehen | |
| kann“. Auch die [2][Reform des Abstammungsrechts], das unter anderem dazu | |
| führen sollte, dass Lesben ihre eigenen Kinder nicht mehr adoptieren | |
| müssen, war mit der Merz-Union nicht in den Koalitionsvertrag zu bekommen. | |
| Merz’ „Zirkuszelt“-Äußerung vorangegangen waren zwei Entscheidungen von | |
| [3][Bundestagspräsidentin Julia Klöckner]. Neben dem Verbot der | |
| Regenbogenflagge am CSD über dem Bundestag – am 17. Mai, dem sogenannten | |
| Idahobit-Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, darf die Flagge | |
| weiter gehisst werden – untersagte sie im Namen der „Neutralität“ kürzl… | |
| auch den queeren Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung die Teilnahme als | |
| sichtbare Gruppe am Berliner Christopher Street Day. Kritik an dieser | |
| Entscheidung war aus allen demokratischen Parteien gekommen, auch der Union | |
| selbst. | |
| CSU-Chef Markus Söder, dessen Partei auch immer wieder queerfeindlich | |
| Stimmung macht, postete auf Facebook ein Foto der Bayerischen | |
| Staatskanzlei, vor der am Münchner CSD Ende Juni Regenbogenflaggen wehten. | |
| „Bayern ist weltoffen und tolerant. Bei uns kann jeder leben und lieben, | |
| wie er möchte“, schrieb er dazu. Familienministerin Karin Prien (CDU) | |
| kündigte unterdessen an, ihr Ministerium werde mit einem eigenen Wagen | |
| beim Berliner CSD dabei sein. Dieser sei ein wichtiges Zeichen für den | |
| Respekt vor Vielfalt. Mit Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich zu | |
| schreiben untersagte Prien ihrem Ministerium allerdings erst diese Woche, | |
| auch Bayern hat das Gendern verboten. | |
| Am Mittwoch stellten sich die BundestagsvizepräsidentInnen Josephine Ortleb | |
| (SPD) und Omid Nouripour (Grüne) gegen Klöckners „Neutralitäts“-Gebot: S… | |
| selbst wollen den Berliner CSD Ende Juli eröffnen, sie stünden „an der | |
| Seite der queeren Community“, so Ortleb. Nouripour sagte: „CSDs sind | |
| gelebte Demokratie. Der Einsatz für Grundrechte ist keine Frage von | |
| Neutralität, sondern ein Auftrag für alle Demokratinnen und Demokraten.“ | |
| 2 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
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