| # taz.de -- Russische Desinformation: Fake Voices of Europe | |
| > Die Slowakei wählt einen neuen Präsidenten. Begleitet wird die Wahl von | |
| > Einflussnahme aus Russland, die höchste politische Kreise erreicht. | |
| Bild: Wer zieht hier ein? Am Samstag wählt die Slowakei einen neuen Präsident… | |
| Am Morgen des 28. September 2023, zwei Tage vor der slowakischen | |
| Nationalratswahl, meldet sich Sergej Naryschkin, der Chef des ansonsten | |
| eher verschwiegenen russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, zu Wort. Die | |
| US-Regierung habe „in letzter Zeit ihre Einmischung in die Slowakei | |
| intensiviert“, weiß Naryschkin. | |
| Angesichts guter Umfragewerte für die Gegner „bedingungsloser“ | |
| US-Gefolgschaft fürchte Präsident Joe Biden einen [1][„weiteren national | |
| orientierten Viktor Orbán in Europa“]. Und so versuche das | |
| US-Außenministerium mit „Druck, Erpressung, Einschüchterung und Bestechung�… | |
| für einen Wahlsieg der Partei Progresívne Slovensko (Progressive Slowakei, | |
| PS) zu sorgen, auf dass diese eine Washington gegenüber „völlig loyale“ | |
| Regierung bilde. | |
| Um 10.43 Uhr verbreitet die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA | |
| Novosti die Meldung. Es ist genau der Zeitpunkt, an dem in der Slowakei ein | |
| 48-Stunden-Moratorium bis zur Wahl beginnt. Medien dürfen in dieser Zeit | |
| nicht über die Wahl berichten, Politiker nichts öffentlich | |
| kommentieren. | |
| Kurz zuvor, um 10.04 Uhr jenes Morgens, wird – so zeigen es später die | |
| sogenannten Metadaten – ein kurzer Videoclip erstellt. Er ist 2:13 Minuten | |
| lang, zu sehen sind zwei schlecht aufgelöste Fotos: Ein Bild der berühmten | |
| slowakischen Investigativjournalistin Monika Tódová und eines von Michal | |
| Šimečka, dem Spitzenkandidaten von PS. Tódová arbeitet bei dem | |
| Enthüllungsportal Deník, sie ist seit Jahren für Berichte über Korruption | |
| im Umfeld von Ministerpräsident Robert Fico bekannt. Šimečka ist einer der | |
| populärsten prowestlichen Politiker des Landes. | |
| In dem Clip bleiben die Fotos unbewegt, während die Tonspur läuft. Zu hören | |
| ist, wie Šimečka vermeintlich schildert, dass er sich in Romadörfern | |
| Stimmen gekauft habe – und wie viel Geld Tódová angeblich bekommen habe, um | |
| Einfluss auf die Wahl zu nehmen. | |
| „Es klang wie meine Stimme“, sagt Monika Tódová später der taz. Aber was | |
| darin gesagt wird, stammt nicht von ihr – und auch nicht von Šimečka. Das | |
| Gespräch ist ein Fake, digital erzeugt von einer künstlichen Intelligenz, | |
| vermutlich trainiert mit im Netz verfügbaren Stimmproben. Es ist der erste | |
| Audio-Deepfake dieser Art von einem Spitzenpolitiker in Europa. | |
| ## Stimmen-KI birgt „ernsthafte Risiken“ | |
| Wie groß das Problem potenziell ist, zeigte sich am vergangenen Karfreitag. | |
| Selbst die „Tagesschau“ berichtete von der neuen Voice Engine der | |
| US-Softwareschmiede OpenAI, der Weltmarktführerin in Sachen künstliche | |
| Intelligenz. Das Programm könne die Stimme eines Menschen auf Basis eines | |
| nur 15-sekündigen Audioschnipsels duplizieren. | |
| [2][Man sei sich bewusst, dass dies „ernsthafte Risiken birgt“, die in | |
| einem Wahljahr besonders zu beachten seien, so OpenAI.] Vorerst klone das | |
| Programm deshalb nur Stimmen von Menschen, die dem „vorab ausdrücklich | |
| zugestimmt“ hätten, versicherte das Unternehmen. Außerdem müsse Hörern | |
| klargemacht werden, dass die Stimme KI-generiert sei. | |
| Doch der Geist ist aus der Flasche. Andere Firmen haben vergleichbare | |
| Software entwickelt – und weniger Skrupel, als OpenAI es von sich | |
| behauptet. Fake News sind mittlerweile so verbreitet, dass | |
| Forscher:innen von einer globalen „Informationskrise“ sprechen und | |
| Desinformation als eines der größten Risiken für die Demokratien überhaupt | |
| einstufen. | |
| Was Stimmenklone da anrichten können, das zeigte sich in der Slowakei. | |
| Gleich mehrere Deepfake-Audios wie jenes mit Tódová hatten sich in den | |
| sozialen Medien des Landes verbreitet. Die künstlich erzeugten Tondokumente | |
| sollten prowestliche und proukrainische Politiker diskreditieren. Sie | |
| waren dabei nur eine Facette steter Desinformation aus dem Netz, die das | |
| Vertrauen in Medien und Institutionen in dem Land unterhöhlt hat. | |
| Dieser Vertrauensverlust ist einer der Gründe für die Wahl des | |
| prorussischen Robert Fico zu seiner insgesamt vierten Amtszeit als | |
| Ministerpräsident im vergangenen September. Zuletzt hatte er 2018 regiert. | |
| Und Fico baut den Staat seither in seinem Sinne um: Korruptionsbekämpfung | |
| wird erschwert, Medien werden staatlicher Kontrolle unterworfen und die | |
| Ukrainehilfen eingestellt. | |
| An diesem Samstag wählt die Slowakei nun auch einen neuen | |
| Staatspräsidenten. Die Abstimmung könnte das osteuropäische Land endgültig | |
| zum zweiten EU-Staat machen, der der bedrängten Ukraine die Unterstützung | |
| entzieht, wie zuvor Ungarn. Die Sorge vor russischer Desinformation und | |
| Wahlmanipulation in der Slowakei und darüber hinaus ist groß, auch mit | |
| Blick auf die EU-Wahlen im Juni. Denn sehr klar wurde in der Slowakei | |
| sichtbar, wie Russland in seinem Informationskrieg gegen den Westen | |
| vorzugehen bereit ist – und wie es damit Erfolg haben kann. | |
| ## „Waffenlieferungen an das Bandera-Regime“ | |
| Um 12.05 Uhr an jenem Morgen des 28. September postet der ehemalige | |
| slowakische Verfassungsrichter und Ex-Justizminister Štefan Harabin das | |
| Tódová-Video auf seinem Kanal im Messenger-Dienst Telegram. Harabin ist | |
| einer der bekanntesten kremlnahen Politiker der Slowakei. Er verteidigte | |
| die Annexion der Krim, am Tag nach dem Überfall auf die Ukraine schrieb er | |
| auf Facebook, er würde „genau das Gleiche tun wie Putin“. | |
| Harabin leitet das Tódová-Video von einem mittlerweile gelöschten | |
| Telegram-Kanal namens „Gabika Ha“ weiter – womöglich das Konto seiner Fr… | |
| Gabika Harabinová. Weiter zurückverfolgen lässt sich das Video nicht. In | |
| den folgenden Stunden verbreitet es sich ungezählte Male auf Facebook, | |
| Telegram, TikTok und über Mailinglisten. | |
| Um 15.20 Uhr erhält Monika Tódová von einem Facebook-Nutzer einen Link zu | |
| dem Video. Die Deník-Chefredaktion meldet es der Polizei. Um 15.58 Uhr | |
| postet Deník, dass das Video ein Schwindel ist. Um 16.41 Uhr schreibt die | |
| Polizei, dass sie „manipulative Videos und Tonaufnahmen“ im Zusammenhang | |
| mit der Wahl „abgefangen“ habe. Das Video bleibt indes auf Telegram und | |
| Facebook bis heute verfügbar. Facebook macht es als Fake kenntlich. | |
| Am folgenden Abend strahlt der russische Staatssender Rossija 1 in seiner | |
| Hauptnachrichtensendung ein Interview mit Harabin aus. Harabin sagt darin, | |
| es gebe „viele Hinweise, dass die Wahlen gefälscht sind“. Das für den | |
| Urnengang zuständige slowakische Statistikamt habe einen Vertrag mit der | |
| IT-Securityfirma ESET – und die arbeite „offiziell mit der CIA zusammen“, | |
| behauptet Harabin. Diese schon 2018 von Moskau aufgebrachte Anschuldigung | |
| hat ESET zurückgewiesen. | |
| „Mindestens 85 Prozent“ der slowakischen Bevölkerung, so Harabin weiter, | |
| seien gegen die „Waffenlieferungen an das Bandera-Regime“ – gemeint ist d… | |
| Ukraine. Stepan Bandera war ein ukrainischer NS-Kollaborateur, er ist seit | |
| 65 Jahren tot. | |
| ## Fico änderte den Ukrainekurs seines Landes radikal | |
| [3][Einen Tag später gewinnt Robert Fico mit 22,9 Prozent der Stimmen die | |
| Wahl] und ändert den Ukrainekurs seines Landes radikal. Die | |
| Vorgängerregierung hatte versichert, „unbegrenzt“ Flüchtlinge aus der | |
| Ukraine aufzunehmen, sie gab dem überfallenen Nachbarn Flugabwehrraketen, | |
| Kampfjets und Panzerhaubitzen, so viele, dass die Slowakei seither auf | |
| Schutz durch Nato-Partner angewiesen ist. | |
| Ficos Lager geißelt dies als „Hochverrat“ und droht mit Verfassungsklagen. | |
| Nach seinem Wahlsieg stoppt Fico die Militärhilfe. Er behauptet, die | |
| Ukraine stehe „vollständig unter dem Einfluss und der Kontrolle der USA“ | |
| und sei deshalb „kein unabhängiges und souveränes Land“. | |
| An einem Dienstag im Januar sitzt Monika Tódová im siebten Stock eines | |
| Hochhauses am Rande der Innenstadt von Bratislava. Die Deník-Redaktion hat | |
| hier ihre Räume. Am Vortag hat die Staatsanwaltschaft Tódovás Antrag | |
| abgelehnt, wegen des Videos ein Ermittlungsverfahren einzuleiten – | |
| „angeblich ist kein Straftatbestand erkennbar“, sagt Tódová. Dass das | |
| gefälschte Gespräch solche Verbreitung erfahren habe, könne sie immer noch | |
| nicht glauben. „Das war so dumm, dass ich nur gelacht habe“, sagt sie. | |
| Dass sie selbst als Opfer ausgewählt wurde, wundert Tódová indes nicht. Im | |
| Jahr 2016 veröffentlichte sie eine große Geschichte über millionenschweren | |
| Steuerbetrug aus dem persönlichen Umfeld Ficos. | |
| Seither sei sie immer wieder angegriffen worden. „Sie haben in sozialen | |
| Netzwerken behauptet, dass ich eine sehr große Wohnung habe, die ich mir | |
| mit meinem Gehalt nicht leisten könne“, sagt Tódová. „Wenn Fico über | |
| Journalisten sprach, nannte er immer meinen Namen: ‚Tódová und Leute wie | |
| sie‘, oder die ‚reichste Journalistin der Slowakei‘.“ Sie schrieb immer | |
| weiter über Korruption – und bekam „jeden zweiten Tag Drohungen per | |
| E-Mail“. | |
| ## Nur wenige haben Vertrauen in etablierte Medien | |
| Schon 2016 wurden Tódovás E-Mails gehackt und von dem Immobilienunternehmer | |
| Marián Kočner veröffentlicht. Der Spiegel nannte Kočner die „Symbolfigur | |
| für die Verquickung von organisierter Kriminalität und Politik“. [4][Er | |
| verbüßt eine 19-jährige Haftstrafe und wird verdächtigt, mehrere Morde, | |
| darunter jenen an dem Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter Martina | |
| Kušnírová in Auftrag gegeben zu haben.] | |
| Auch Kuciak hatte zu Korruption im Regierungsapparat recherchiert. Er wurde | |
| im Februar 2018 von Unbekannten erschossen. Fico hatte da bereits 12 Jahre | |
| lang regiert. Die mafiöse Korruption im Staat war offensichtlich geworden – | |
| vor allem durch Recherchen von Ján Kuciak und Deník. | |
| „Wir haben viele Artikel über das System geschrieben, das sie geschaffen | |
| haben“, sagt Tódová heute. Hunderte Menschen seien nach dem Kuciak-Mord von | |
| Gerichten verurteilt worden. „Fast alle aus den staatlichen Behörden. Nach | |
| dem Mord geschah hier etwas wirklich Großes, weil diese Untersuchung viele | |
| andere Verbrechen aufdeckte, von Beamten und Politikern.“ Unter anderem | |
| wanderten der Leiter der Antikorruptions-Sonderstaatsanwaltschaft und der | |
| Leiter der Steuerbehörde ins Gefängnis. | |
| Für Tódová und viele andere in der Slowakei ist klar, dass die mafiosen | |
| Strukturen im Fico-Umfeld und die russische Einflussnahme nur zusammen zu | |
| begreifen sind: Die Politiker wollen die Macht, um weiter korrupte | |
| Geschäfte zu machen oder für diese nicht belangt zu werden. Und Russland | |
| will sie an der Macht, um den Westen zu spalten. So gingen sie eine | |
| Symbiose ein. „Das ist nicht zu trennen“, sagt Tódová. | |
| Die Folgen sind gravierend. Fake-News-Schleudern im Netz kriegen immer mehr | |
| Reichweite, seriöse Medien und demokratische Institutionen haben es schwer. | |
| Nur 28 Prozent der Slowaken trauen laut einer Reuters-Untersuchung noch den | |
| etablierten Medien, der niedrigste Wert der 46 untersuchten Länder. Nur 18 | |
| Prozent haben noch Vertrauen in staatliche Institutionen. Die Bevölkerung | |
| der Slowakei hat in Osteuropa die höchste Neigung, Fake News zu glauben. | |
| Ficos Partei Smer verlor 2020 die Nationalratswahl. Viele hofften auf einen | |
| politischen Neuanfang. Doch das danach regierende Bündnis des Verlegers | |
| Igor Matovič blieb glücklos. Matovič gilt heute vielen als Dilettant – und | |
| Fico kam zurück. | |
| ## Die Sowjetzeit ist in der Slowakei positiv besetzt | |
| Jetzt wird wieder gewählt in der Slowakei. [5][Die prowestliche Präsidentin | |
| Zuzana Čaputová (PS) kündigte im Juni 2023 an, nicht wieder anzutreten.] Zu | |
| heftig waren der populären Politikerin die Morddrohungen und Verleumdungen | |
| aus dem prorussischen und rechtsextremen Lager geworden. | |
| Die alte Regierung hatte dies schon früh als Problem erkannt. Als Tódovás | |
| Zeitung Deník sich wegen des Fake Videos am Mittag des 28. September bei | |
| den Behörden beschwerte, landete die Sache bei Daniel Milo. Er leitete im | |
| damaligen Innenministerium das Zentrum für die Bekämpfung hybrider | |
| Bedrohungen – und drängte die Social-Media-Plattformen, das Video zu | |
| löschen oder zu markieren. | |
| Das Zentrum suchte seit Anfang 2023 in den sozialen Medien nach | |
| „Narrativen, die die Legitimität der Wahlen untergraben sollen“, sagt Milo. | |
| „Das war das Muster, das sich überall auf der Welt wiederholt hat.“ | |
| Er stieß unter anderem auf Behauptungen, dass die Slowakei wegen der | |
| Ukraine das Kriegsrecht verhängen und Wahlen absagen würde. „Es wurden alle | |
| möglichen seltsamen Geschichten erzählt, um Zweifel zu säen und die | |
| Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses zu untergraben“, sagt Milo. „Es gab sogar | |
| Versuche, ein paralleles System zur Stimmenauszählung zu schaffen, es gab | |
| eine Website und Parteien, die dazu aufriefen, zu den lokalen Wahlkomitees | |
| zu gehen und selbst zu zählen.“ Trump lässt grüßen. | |
| Nach der Wahl im September warf Fico Milo raus. Der analysiert seither bei | |
| dem Thinktank Globsec die Stimmungen im Land. Anders als Tschechien mit | |
| seinen historisch nach Westen orientierten Intellektuellen war die Elite | |
| der Slowakei eher an Moskau orientiert. Das wirkt nach. Die Sowjetzeit ist | |
| hier noch positiv besetzt, prorussische Einstellungen sind weit verbreitet. | |
| Weniger als 40 Prozent der Slowaken machen Russland für den Krieg in der | |
| Ukraine verantwortlich. „Die meisten fielen auf Desinformationsnarrative | |
| herein“, so eine Analyse von Globsec. | |
| So scheint die Slowakei ein idealer Kandidat, um die Front der | |
| Ukraineunterstützer innerhalb der EU aufzubrechen. Die Wiederwahl Ficos war | |
| da für Putin ein klarer Erfolg. Tritt nun auch an die Staatsspitze ein | |
| prorussischer Politiker, hat Putin das Land endgültig auf seiner Seite. | |
| ## In der Slowakei herrscht Kriegsangst | |
| Neben dem klar prowestlichen Ivan Korčok und dem Fico nahestehenden Peter | |
| Pellegrini trat unter anderem auch Štefan Harabin zur Präsidentschaftswahl | |
| an – der ehemalige Richter, der das Fake Video Tódovás als Erster ins Netz | |
| stellte und bis heute nicht sagt, woher er es hatte. | |
| Am Abend des ersten Wahlgangs, es ist der 22. März – der Tag des | |
| IS-Terroranschlags nahe Moskau – lädt Štefan Harabin in ein syrisches | |
| Restaurant im Westen der Innenstadt von Bratislava ein. Holzvertäfelte | |
| Wände, niedrige Decken, Gulasch, Sülze und Falafel stehen auf dem Buffet, | |
| etwa 100 Menschen sind gekommen, die Frauen in Abendkleidern, die Männer im | |
| Anzug, der harte Kern der slowakischen Russlandfreunde. Viele haben Harabin | |
| ehrenamtlich geholfen, es wird mit Handys gestreamt, die sozialen Medien | |
| sind hier wichtig. | |
| „Ich hoffe, wir erleben eine freudige Nachricht“, sagt eine Dame, die | |
| filmend umherläuft und um Botschaften für ihre Follower bittet. 2019 wollte | |
| Harabin schon einmal Präsident werden, er bekam 14 Prozent der Stimmen. Die | |
| verbreitete Kriegsangst im Land soll ihm diesmal ein besseres Ergebnis | |
| bescheren, das hoffen alle hier. Andrej Danko, der Kandidat der | |
| rechtsextremen Partei SNS, gab seine Kandidatur kurz vor der Wahl zugunsten | |
| Harabins auf. Auch in der Slowakei stehen Moskaus Freunde und die extreme | |
| Rechte sich nahe. | |
| Ein älterer Mann nestelt an seinem Stativ herum. Er habe Harabins Wahlkampf | |
| als Kameramann begleitet, sagt er. Für die sozialen Medien, unentgeltlich. | |
| „Ich bin ein Patriot“, sagt er. Und wer patriotisch sei, der wolle den | |
| Frieden für das Vaterland. „Ich will nicht, dass mir jemand ein Gewehr in | |
| die Hand drückt und sagt, lauf und schieß!“ Harabin werde das verhindern. | |
| Der Herausforderer Ivan Korčok hingegen, „der will den Krieg, der will, | |
| dass junge Slowaken in den Krieg ziehen, um Russen zu töten oder selbst | |
| getötet zu werden“. | |
| ## Die Ukraine soll „nicht einmal humanitäre Hilfe“ bekommen | |
| Die Wahllokale haben bis 22 Uhr geöffnet, Harabin erscheint eine Stunde | |
| früher auf der Wahlparty. Er dreht eine Runde, fast alle begrüßt er mit | |
| Wangenkuss und dem Umschlingen der Hände. Er läuft so langsam wie er | |
| spricht. Frieden, das ist das große Thema, mit dem Harabin punkten will. | |
| Der Ukraine will er „nicht einmal humanitäre Hilfe“ schicken, hat er | |
| kürzlich gesagt. | |
| Seit einigen Tagen ist im Kreml nicht mehr von einer „militärischen | |
| Spezialoperation in der Ukraine“ die Rede, sondern von „Krieg“. Harabins | |
| Wahlkampfmanager Miroslav Jurena indes hält unbeirrt an der alten | |
| Sprachregelung fest. Die „militärische Spezialoperation in der Ukraine“, so | |
| sagt er der taz, könne „sicherlich nicht schwarz-weiß gesehen werden“. Man | |
| müsse schauen, „wie es zu diesem Konflikt überhaupt kommen konnte“. | |
| Allerdings sei es nun eben so, dass die Ostukraine von der Duma „quasi als | |
| neue Provinzen der russischen Föderation akzeptiert wurde“. Da werde es | |
| „sehr schwierig sein, dass Russland die beiden Republiken wieder | |
| zurückgeben wird“, so Jurena. Aber je früher man sich an einen | |
| Verhandlungstisch setzt, „desto besser, sicherlich auch für die Ukraine“. | |
| Warum Harabin das gefakte Video von Tódová verbreitet hat? Das sei seine | |
| „private Entscheidung“ gewesen, sagt Jurena. Erst sagt er ein Interview mit | |
| Harabin zu, später sagt er es wieder ab. | |
| Die Wahlberichterstattung im Fernsehen zieht sich hin. Es ist nach halb | |
| elf, als die ersten Hochrechnungen kommen. Harabin schaut auf die | |
| Bildschirme, die Hände in den Taschen. Niemand jubelt, keiner klatscht. | |
| 11,7 Prozent haben für Harabin gestimmt, weniger als 2019. [6][Der | |
| prowestliche Kandidat Korčok kommt überraschend auf 42,5 Prozent,] der im | |
| Vergleich zu Harabin moderat kremlfreundliche Peter Pellegrini kriegt 37 | |
| Prozent. Ohne die Stimmen von Harabins Wählern wird es für Pellegrini | |
| schwierig, Präsident zu werden. Offen bleibt an diesem Abend, wie teuer | |
| Harabin seine Wahlempfehlung verkaufen will. | |
| ## Ein „Pro-Mafia-Paket“ | |
| Am Tag nach der Wahl sitzt Ján Hargaš, weinroter Rollkragenpullover, | |
| dunkelblaues Jackett, der Bart akkurat gestutzt, im Parlamentsgebäude auf | |
| der Bratislavaer Burg. In der vorigen Regierung war er als Staatssekretär | |
| für Digitalisierung zuständig. Heute ist er Abgeordneter, in der Führung | |
| der Progressiven Partei kümmert er sich um die Attacken aus dem Netz. Seine | |
| Partei unterstützt den Präsidentschaftskandidaten Ivan Korčok. | |
| Seine Partei habe auch während des jetzt laufenden Wahlkampfs reihenweise | |
| gegen sie gerichtete Fake News registriert, sagt er. An die | |
| Audio-Deepfakes erinnert er sich noch gut. Neben dem Video mit Tódová gab | |
| es noch ein weiteres. Darin behauptet sein Parteichef Šimečka angeblich, | |
| die Steuern auf Bier anheben zu wollen. „Natürlich treibt es Leute an die | |
| Wahlurnen, die das verhindern wollen“, sagt Hargaš. | |
| Sie kontaktierten unter anderem Facebook, [7][die von ihm mit Faktenchecks | |
| beauftragte Agentur AFP markierte die Fake Audios umgehend]. Doch wenn die | |
| Videos auf einer Plattform gesperrt werden, gehe es auf der nächsten | |
| weiter, sagt Hargaš. „Der Schaden entsteht binnen weniger Stunden, die | |
| Reaktion dauert Tage.“ Wie schnell sich etwa das Tódová-Video verbreitete, | |
| sei „kein Zufall gewesen“. „Es ist ein Netzwerk, das permanent und | |
| orchestriert Fake News produziert und damit Desinformation betreibt.“ Er | |
| wäre „sehr überrascht, wenn sie das nicht wieder versuchen“. | |
| [8][Man könne nicht „die Augen davor verschließen, dass Russland auf den | |
| demokratischen Prozess Einfluss nimmt, unter anderem mit hybriden | |
| Operationen“.] Am effektivsten dazu sei, das Vertrauen zu untergraben und | |
| Chaos zu stiften. Hargaš fürchtet, dass es nun so weitergeht. Wenn Ziel der | |
| Desinformation sei, die Korruptionsbekämpfung und die Ukrainehilfen zu | |
| stoppen, „dann wäre das erreicht, weil die neue Regierung genau das tut“, | |
| sagt Hargaš. | |
| Ficos Regierung will unter anderem die Sonderstaatsanwaltschaft für | |
| Korruptionsbekämpfung auflösen, die Strafbarkeitsgrenzen bei | |
| Wirtschaftskriminalität hat sie bereits angehoben. „Das war einer ihrer | |
| ersten Schritte und würde unter anderem dazu führen, dass ein Verfahren | |
| gegen ihren Ex-Finanzminister eingestellt werden müsste“, sagt Hargaš. | |
| NGOs werden gegängelt, außerdem will Fico den bisher unabhängigen | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach ungarischem Vorbild zum Staatsfunk | |
| umbauen. Ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren soll der Regierung schon | |
| bald ermöglichen, alle Inhalte öffentlich-rechtlicher Medien zu | |
| kontrollieren. | |
| [9][Ein „Pro-Mafia-Paket“ nennt Hargaš das.] Ein Pro-Desinformations-Paket | |
| ist es obendrein. | |
| Mitarbeit: Maria Disman | |
| Dieser Text entstand in dem Rechercheprojekt „Decoding the disinformation | |
| playbook“ des International Press Institute (Wien) zusammen mit Faktograf | |
| (Zagreb) und der taz. Das Projekt wird vom European Media and Information | |
| Fund und der Calouste-Gulbenkian-Stiftung finanziell unterstützt | |
| 6 Apr 2024 | |
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| [7] /Hass-gegen-Presse-in-Europa/!5925301 | |
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