# taz.de -- Nazis in Brandenburg: Fataler Burgfrieden | |
> Zwei Lehrkräfte kritisieren Naziumtriebe an ihrer Schule. Die | |
> Landesregierung hilft nur halbherzig – ein Vorgeschmack auf die Wahlen | |
> 2024. | |
Bild: Wer sich gegen Rechtsextremes wendet, gegen rassistisches Verhalten, muss… | |
Die zwei Lehrer:innen, die in [1][Burg im Spreewald] öffentlich gemacht | |
haben, dass Schüler:innen dort Hakenkreuze malen, [2][den Hitlergruß | |
zeigen und geflüchtete Kinder rassistisch beleidigen], werden die Stadt | |
verlassen. Laura Nickel und Max Teske haben in der vergangenen Woche um | |
ihre Versetzung an andere Schulen in Brandenburg gebeten. | |
Es wiederholt sich ein Muster. Wer sich gegen Rechtsextremes wendet, gegen | |
rassistisches Verhalten, [3][der muss am Ende gehen.] Und ja, die beiden | |
Lehrer:innen sind hart bedroht worden. Ebenfalls in der vergangenen | |
Woche klebten Unbekannte etwa 60 Aufkleber mit einem Schwarz-Weiß-Foto der | |
Lehrer:innen und der Aufforderung „pisst Euch nach Berl*in“ in Burg. | |
Aber ausschlaggebend ist in einer solchen Lage nicht so sehr das, [4][was | |
Faschist:innen und ihre Fans tun.] Sondern das, was die anderen machen, | |
die auch noch da sind. Die Kollegin Steffi Unsleber hat [5][für die taz | |
2018 und 2019 Lokalpolitiker:innen besucht,] die in Ostdeutschland | |
von Rechtsextremen bedroht worden sind. Was sie sagen, gleicht sich: | |
Michael Richter, Die Linke, [6][hat das sächsische Freital verlassen:] | |
„Beim Treffen sagt er, dass er geblieben wäre, wenn die Verwaltung in | |
Freital anders reagiert hätte. Aber der Oberbürgermeister der CDU habe sich | |
nie klar gegen die rechte Szene ausgesprochen.“ | |
Mario Müller, SPD, floh und wollte nur unter Decknamen reden: „Die | |
schweigende Mehrheit war das Hauptproblem“, sagt er. „Es wäre ganz anders | |
gewesen, wenn jemand zu mir gekommen wäre und gesagt hätte: Schade, dass | |
Sie gehen.“ | |
## Allein gelassen | |
Karin Larisch, Die Linke, [7][lebt immer noch in Güstrow:] „Dass man als | |
Nestbeschmutzer gesehen wird, ist schlimmer als all die Angriffe“, sagt | |
sie. „Würden alle zusammenstehen, dann würde viel weniger passieren.“ | |
Martina Angermann, SPD, damals Bürgermeisterin von Arnsdorf: [8][„Ich habe | |
darunter gelitten, dass die Mitte der Gesellschaft geschwiegen hat.“] | |
In Burg sah es nach dem Brief der beiden Lehrer:innen im April ein | |
bisschen so aus, [9][als hätten Gesellschaft und Politik gelernt,] dass | |
öffentliche Solidarität die richtige Antwort ist auf einen erwartbaren | |
Gegenschlag der Rechtsextremen. Die Schulbehörden wollten sie unterstützen, | |
Landespolitiker:innen lobten ihren Mut, Nickel und Teske durften auf | |
einer Demonstration öffentlich sprechen. Aber diese volle Solidarität wurde | |
schnell weniger, schwand zu einer Dreiviertelsolidarität, einer halben | |
Solidarität, einer Solidarität mit Bedingungen. | |
Kolleg:innen grüßten nicht mehr, sagen die beiden Lehrer:innen, und | |
manche, die auf ihrer Seite seien, äußerten das aus Angst nicht. Das | |
Schulamt Cottbus wies sie an, nicht mehr mit der Presse zu reden. Nickel | |
und Teske sagten, von der Regierung aus Potsdam [10][sei kaum Hilfe | |
gekommen.] | |
## Nazitolerantes Brandenburg | |
Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) [11][gab der | |
Süddeutschen Zeitung am 13. Juli ein Interview,] in dem er über Teske und | |
Nickel sagte: „So wie es die beiden gemacht haben, würde ich es zur | |
Nachahmung nicht unbedingt empfehlen. Das habe ich ihnen auch gesagt.“ | |
Ihn stört, dass Teske und Nickel Rechtsextremes und Rassistisches | |
öffentlich benannt haben, statt zu ihm zu kommen. 2024 sind in Brandenburg | |
Landtags- und Kommunalwahlen. Lange haben sich Politiker:innen darauf | |
ausgeruht, dass Brandenburg nicht Sachsen ist, auf dem Handlungskonzept | |
„Tolerantes Brandenburg“ gegen Rechtsextremismus: 25 Jahre wurde es gerade | |
alt. | |
Bei dem Festakt Anfang Juli feierte Ministerpräsident Dietmar Woidke sich | |
und seine Regierung. Er sagte: „[12][Das Tolerante Brandenburg | |
funktioniert,] und es funktioniert sogar so gut, dass wir Vorbild sind.“ | |
Und alles, was dieses Bild stört, stört. Eine Podiumsdiskussion während | |
dieser Feier wurde angeblich aus Zeitgründen vorzeitig beendet. Einige | |
Teilnehmer:innen waren gerade dabei, die Regierung zu kritisieren. | |
Einige Politiker:innen dieser Regierung bekommen Herzflattern | |
angesichts der Umfragewerte der AfD. 28 Prozent würde sie laut einer | |
Befragung von Anfang Juli bekommen. Stärkste Partei vor der regierenden SPD | |
(21 Prozent) und der CDU (18 Prozent). | |
Angesichts dieser Werte ist so etwas wie volle Solidarität vielleicht | |
einfach nicht mehr zu haben. | |
16 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Drohungen-gegen-Lehrkraefte-in-Brandenburg/!5947345 | |
[2] /Rechte-Drohung-in-Burg/!5943810 | |
[3] /Rechte-Drohung-in-Burg/!5943810 | |
[4] /AfD-in-Thueringen/!5941539 | |
[5] /Gewalt-gegen-linke-Politiker/!5505498 | |
[6] /Kolumne-Mittelalter/!5453831 | |
[7] /Rechte-Gewalt-in-Ostdeutschland/!5540833 | |
[8] /Buergermeisterin-ueber-rechtes-Mobbing/!5629068 | |
[9] /AfD-Vizepraesident-in-Brandenburg/!5626537 | |
[10] https://www.news4teachers.de/2023/07/nach-hetzjagd-aufrufen-lehrkraefte-di… | |
[11] https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-brandenburg-schule-1… | |
[12] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174414.tolerantes-brandenburg-brandenbu… | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
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