# taz.de -- Lehrer Teske über Rechtsextremismus: „Es gab kein Gesprächsange… | |
> Der Lehrer Max Teske machte rechte Vorfälle an seiner Schule in | |
> Brandenburg öffentlich – und verließ diese wegen fehlender Unterstützung. | |
Bild: Lehrer Max Teske | |
taz: Herr Teske, nachdem Sie und Ihre Lehrerkollegin Laura Nickel im | |
Frühjahr rechtsextreme Vorfälle an Ihrer Schule im Brandenburgischen Burg | |
öffentlich machten, [1][haben Sie diese jetzt verlassen]. Wie geht es Ihnen | |
beiden zurzeit? | |
Max Teske: Soweit ganz okay. Aber es ist recht stressig, weil wir viele | |
Termine haben. | |
Wie kann man sich generell das Klima in Ihrem damaligen Kollegium | |
vorstellen? Waren die Vorfälle bekannt und es wurde einfach darüber | |
hinweggesehen? | |
Das ist zu dienstintern. Ich habe ein Schreiben vom Schulamt bekommen, dass | |
ich nicht über diese Situationen sprechen darf. | |
Wie haben Sie auf das Schreiben reagiert? | |
Man fühlt sich unter Druck gesetzt und hat das Gefühl, dass man zum Täter | |
gemacht wird. | |
Wann haben Sie sich das erste Mal unwohl in der Schule gefühlt? | |
Eigentlich nachdem herauskam, dass ich einer der Verfasser des Brandbriefs | |
bin. | |
Hatten Sie das Gefühl, dass Sie als Nestbeschmutzer gesehen wurden? | |
Ja, genau. Da hat sich die Atmosphäre geändert. | |
Eine Lehrerin Ihrer ehemaligen Schule hat sich öffentlich mit Ihnen | |
solidarisiert. Ist das erst im Nachhinein geschehen und ist sie dort die | |
einzige? | |
Nein, sie hat uns schon während wir noch an der Schule waren unterstützt, | |
und ist damit auch nicht die einzige. | |
Fühlen Sie sich von staatlicher Seite im Stich gelassen? | |
Man muss dem Schulamt und wahrscheinlich auch dem Bildungsministerium | |
zugutehalten, dass wir relativ schnell eine neue Schule finden konnten. Die | |
Politik stellt sich aber so hin, als hätte sie alles getan, was meiner | |
Meinung nach nicht der Fall ist. | |
Zum Beispiel Brandenburg Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD). | |
Herr Freiberg hat ja im Interview gesagt, dass es Gesprächsangebote gab. | |
Ich habe nicht ein Gesprächsangebot erhalten. Er war bei uns an der Schule, | |
aber ich wurde nicht eingeladen zu dem Gespräch. [2][Das finde ich schon | |
sehr bezeichnend, wie Teile der Politik zu dem Thema stehen.] | |
Sie haben nun das Bündnis „Schule für mehr Demokratie“ mitgegründet. Was | |
ist das Ziel? | |
Wir haben verschiedene Forderungen, sowohl an den Bildungsminister als auch | |
an die Schulämter und an die Schulen generell. Wir wollen einen Ort | |
schaffen, wo sich Lehrkräfte untereinander austauschen können, wo sich | |
Schüler mit Lehrkräften austauschen können, wo sich Eltern austauschen | |
können. Gerade zu Themen wie Rassismus, Sexismus und Homophobie. | |
War die Gründung des Bündnisses eine Reaktion auf die Vorfälle? | |
Genau. Das Bündnis wurde kurz nach einer Kundgebung vor dem Cottbusser | |
Schulamt im Mai gegründet, bei der Laura Nickel und ich an die | |
Öffentlichkeit gegangen sind. | |
Wer hat sich dem Bündnis bisher angeschlossen? | |
Wir haben mittlerweile ungefähr 50 Unterstützer:innen. Da sind Eltern | |
dabei, Schüler:innen, Schulsozialarbeiter:innen und Lehrkräfte. | |
Haben sich auch Personen aus Ihrer ehemaligen Schule dem Bündnis | |
angeschlossen? | |
Ja, mehrere. | |
Haben Sie konkrete Vorstellungen von Maßnahmen, wie man an Schulen solche | |
Vorfälle und Strukturen verhindern kann? | |
Eine Forderung ist, dass Lehrkräfte verpflichtet werden, Weiterbildungen zu | |
besuchen zum Thema Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie, um für diese | |
Themen zu sensibilisieren. Außerdem soll die Demokratiebildung im Zentrum | |
des Schulalltags stehen, dafür sollen Unterrichtsstunden zur Verfügung | |
gestellt werden. | |
Die Ausbildung von Lehrkräften muss neu strukturiert werden, damit | |
Demokratie viel mehr Beachtung im Studium erhält. Da die ersten sechs | |
Semester im Grunde ein Fachstudium sind, ist der pädagogische Anteil sehr | |
gering. Lehrkräfte müssen wissen, auf was sie sich einlassen. Und sie | |
müssen geschult werden, wie sie mit gewissen Situationen umgehen können. | |
Denken Sie, dass es unter Lehrkräften einen hohen Anteil gibt, die nicht | |
fest auf dem Boden der Demokratie stehen? | |
Das kann ich schwer einschätzen. Aber wir haben ja allein zwei prominente | |
Beispiele, den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und den rechtsextremen | |
„Volkslehrer“ Nikolai Nerling. Ich möchte nicht wissen, wie hoch die | |
Dunkelziffer ist. | |
Wie könnte man verhindern, dass so jemand Lehrer:in wird? | |
Ich denke, es muss eine stärkere Kontrolle seitens der Politik geben. Es | |
müsste ganz klar geschaut werden, welche Lehrkraft legt ein Fehlverhalten | |
an den Tag, das nicht demokratiefördernd ist. | |
Spielt der Lehrkräftemangel mit rein, dass jede:r gebraucht wird? | |
Ja, wahrscheinlich schon. In Brandenburg ist Lehrkräftemangel ein | |
Riesenthema. Lehrkräfte müssen Fächer unterrichten, die sie nicht studiert | |
haben, sie sind maßlos überarbeitet. Und das sind ja nicht nur die sechs | |
Stunden, die man am Tag vor der Klasse steht. Sondern auch Vor- und | |
Nachbereitungszeit, Elterngespräche, die Sorgen der Schüler. | |
Allein im Schulamt Cottbus gab es [3][zwischen dem 1. und 12. Mai acht | |
Meldungen wegen rechter Vorfälle]. | |
In Südbrandenburg haben wir eine sehr gefestigte, wirtschaftlich starke | |
Neonaziszene. Da kommen Rocker, Kampfsportler, Hooligans und Teile der AfD | |
zusammen. Sie betreiben Restaurants, Tattoostudios oder Klamottenlabels. | |
Die Rechtsextremen sind hier in der Mitte der Gesellschaft angekommen und | |
das schlägt sich natürlich auch an Schulen nieder. Zudem haben sie mit | |
Energie Cottbus ein Sammelbecken um unschuldige Jugendliche, die Lust auf | |
Fußball haben, für sich zu gewinnen. | |
Haben Sie von außerhalb Ihrer Schule, von Schüler:innen oder anderen | |
Lehrkräften, in den vergangenen Wochen Nachrichten bekommen? | |
Wir sehen in den sozialen Netzwerken, dass ganz viele Schüler berichten: | |
Das ist bei uns genauso. | |
Von Lehrkräften haben wir aus der ganzen Republik Nachrichten bekommen. Sie | |
haben sich für unser Engagement bedankt, aber auch von ähnlichen Vorfällen | |
berichtet. Seitens der Lehrkräfte bekommen wir Zuschriften eigentlich aus | |
der ganzen Republik, die sich für unser Engagement bedanken und die teils | |
auch von ähnlichen Vorfällen berichten. | |
Wenn das so ist, passt es aber nicht, dass Bildungsminister Freiberg nach | |
Ihrem Brief von Einzelfällen in den Schulen gesprochen hat. | |
Definitiv nicht. Der Fokus muss auch ein Stück weit von dieser Schule | |
wegkommen, weil Rechtsextremismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, | |
was sich in Schulen niederschlägt. | |
25 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Grimm | |
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