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# taz.de -- Terminstreit um Klima-Volksentscheid: Iris Sprangers falsches Spiel
> Die Argumentation der Senatorin, wieso der Entscheid nicht am Wahltag
> stattfinden kann, ist unhaltbar. Spranger aber will einen Fehler
> vertuschen.
Bild: Nicht den richtigen Durchblick: Iris Spranger
Berlin taz | Die Entscheidung des Senats [1][scheint festzustehen]. Nach
Stand der Dinge werden die Regierungsmitglieder von SPD, Grünen und Linken
am Dienstag beschließen, dass der Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral
nicht am Tag der Wahlwiederholung am 12. Februar stattfinden wird, sondern
an einem eigenen Termin einige Wochen später. Innensenatorin Iris Spranger
(SPD) hatte dies bereits Mitte November, einen Tag nach der Übergabe der
Unterschriften durch die Initiative Klimaneustart, [2][angekündigt] und
sich seitdem auf nicht einzuhaltende Fristen und nicht zu bewältigende
organisatorische Herausforderung berufen.
Doch eine rechtliche Bewertung, die die Initiative hat vornehmen lassen,
zeigt: Die Argumentation Sprangers und des Senats basiert auf einer
fehlerhaften Grundlage – und ist in dieser Form nicht haltbar. Eine
schnelle Organisation der Abstimmung über den Volksentscheid ist weiterhin
möglich und könnte mit dem entsprechenden Willen am Dienstag beschlossen
werden. Selbst das Angebot einer Druckerei hat Klimaneustart bereits
eingeholt.
Kernpunkt des Streits ist die Frage der Fristen. Unstrittig ist: Spätestens
42 Tage vor der Wiederholungswahl, also bis zum 2. Januar, müssen laut der
Landeswahlordnung die Wahlverzeichnisse fertiggestellt sein, also jene
Listen, die alle Wahlberechtigten aufführen, auf deren Basis dann die
Wahlunterlagen für Briefwahlen beantragt werden können.
Sprangers Argumentation, die auch in einer Stellungnahme der
Senatsinnenverwaltung an den Senat vom 25. November festgehalten ist,
lautet: Zu diesem Zeitpunkt müssen auch die Briefwahlunterlagen fertig sein
und alle Wahlunterlagen vorliegen. In dieser Frist jedoch sei es nicht zu
schaffen, die Informationsbroschüre mit den Argumenten der
Volksentscheids-Initiatoren sowie der Stellungnahme des Senats und des
Abgeordnetenhauses zu drucken.
## Keine gesetzliche Vorgabe
Der von der Initiative Klimaneustart beauftragte Fachanwalt für
Verwaltungsrecht, Peter Kremer, sagt dazu jedoch gegenüber der taz: „Diese
Argumentation ist falsch.“ Im Namen der Initiative hat er deshalb am
vergangenen Freitag einen [3][Antrag zur Zusammenlegung von Volksentscheid
und Wahltermin] an die Senatskanzlei sowie die Senatsverwaltungen für
Inneres und Umwelt gestellt. Darin legt er dar, dass es „keine gesetzliche
Vorgabe“ gibt, die besagt, dass die Unterlagen zum Zeitpunkt der
Fertigstellung der Wahlverzeichnisse bereits vorliegen müssten. Die
Landeswahlordnung mache hierzu „schlicht keine Aussagen“, heißt es. Eine
Anfrage an die Innenverwaltung, wieso die Wahlunterlagen bereits am 2.
Januar vorliegen müssten, ließ diese am Sonntag unbeantwortet.
Aus den gesetzlichen Vorgaben ergebe sich lediglich, dass die Wahl- und
Stimmberechtigten spätestens 21 Tage vor der Wahl – also bis zum 21. Januar
– die Unterlagen erhalten müssen. Bei einer Postlaufzeit für behördliche
Postsendungen von drei Tagen könnten die Unterlagen demnach bis spätestens
18. Januar verschickt werden. Unberührt davon ist, dass die Verschickung
der Unterlagen für die Wahl zum Abgeordnetenhaus bereits am 2. Januar
starten könnte.
Dem Senat bliebe also deutlich mehr Zeit, um die Argumentation für die
Broschüre zu schreiben und die Druckaufträge zu erteilen und müsste den
Volksentscheid nicht auf einen eigenen Termin verschieben, an dem das
Scheitern am Beteiligungsquorum – einer erforderlichen Zustimmung von 25
Prozent der Wahlberechtigten – droht.
## Spranger will Fehler verstecken
Die fehlerhafte Argumentation der Innensenatorin führt Rechtsanwalt Kremer
darauf zurück, dass sie dadurch einen eigenen Fehler verdecken wolle.
Spranger habe es nämlich versäumt, bei der Ausschreibung für die
Wahlunterlagen auch die Option für den Druck von Abstimmungsunterlagen
aufzunehmen. Am 7. November, eine Woche vor Ende der Unterschriftensammlung
für das Volksbegehren, hatte der Senat einen Druckauftrag ausgeschrieben,
der alle Unterlagen für die Wahlen von Abgeordnetenhaus, Bezirksparlamenten
und im Falle einer entsprechenden Anordnung für den Deutschen Bundestag
beinhaltet, nicht aber für einen Volksentscheid.
Genau das war vor den Wahlen im September 2021 jedoch geschehen. Damals
hatte der Senat, ebenfalls in Unkenntnis, ob das Volksbegehren Deutsche
Wohnen & Co enteignen erfolgreich sein würde, einen Druckauftrag für alle
Wahlen und „optional“ den Volksentscheid ausgeschrieben. Dies hätte auch in
diesem Fall wieder passieren müssen, so Kremer. Ergo: „Spranger hat es
verbockt.“
Auch dem Argument, es lasse sich in der Kürze der Zeit nicht genügend
Papier auftreiben, widerspricht die Initiative. Sie hat dem Senat das
Angebot einer Druckerei über den Druck von 2,8 Millionen
Informationsbroschüren mit einem Umfang von je 24 Seiten übermittelt.
Demzufolge könnte die Broschüren bis zum 2. Januar ausgeliefert werden,
wenn die Druckvorlagen bis zum 19. Dezember eingingen. Die Druckerei habe
das Papier beim Lieferanten bis zu diesem Montag reserviert. Zwei weitere
Druckereien hätten erklärt, fristgerecht die Abstimmungszettel liefern zu
können.
Jessamine Davis, Sprecherin von Klimaneustart, sagte der taz: „Wenn der
Volksentscheid auf den 2. April gelegt wird – der Tag des Berliner
Halbmarathons – verhöhnt die Senatsverwaltung das zivilgesellschaftliche
Engagement.“ Für den Fall, dass der Senat an der eigenen Terminierung
festhalte, prüft die Initiative derweil, ob sie Klage erhebt. Ein
Eilverfahren vor dem Verwaltungs- oder auch dem Verfassungsgericht sei
denkbar, so Anwalt Kremer. Das Ziel auch hierbei bliebe, dass Wahl und
Abstimmung zusammen am 12. Februar stattfinden.
4 Dec 2022
## LINKS
[1] /Streit-um-Klima-Volksentscheid-in-Berlin/!5899955
[2] /Wahlwiederholung-ohne-Volksentscheid/!5892305
[3] https://klimaneustart.berlin/wp-content/uploads/2022/12/221202_Volksbegehre…
## AUTOREN
Erik Peter
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