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# taz.de -- Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes: Schon wieder Ärger in de…
> SPD und Grüne wollen eine einfachere Einbürgerung. Die FDP schießt quer,
> der Kanzler wirbt für den Doppelpass.
Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag in Berlin
Berlin taz | Olaf Scholz weicht einmal kurz vom Skript ab. Die
Einwanderungsfeiern, bei denen er als Hamburger Bürgermeister MigrantInnen
als deutsche BürgerInnen begrüßte, sind ein fester Textbaustein seiner
Reden. Diese Feiern gehörten „zum Berührendsten, was ich als Politiker
erlebt habe“, so der Kanzler. Und, jetzt die Abweichung vom Skript: „Ich
musste immer cool gucken, damit die anderen es nicht merken.“
Diese knappe Innenansicht in die hanseatische Gemütslage gewährt Scholz in
Berlin-Kreuzberg am Montag. Es geht um „Deutschland. Einwanderungsland.
Dialog für Teilhabe und Respekt“, so der sperrige Titel. Scholz hält eine
kurze Rede [1][über Einwanderung und Integration]. Eigentlich ein
Routinetermin. Doch es kracht gerade gehörig in der Ampelkoalition.
SPD-Innenministerin Nancy Faeser will ein neues Staatsangehörigkeitsrecht:
Kernpunkte sind die doppelte Staatsangehörigkeit und erleichterte
Möglichkeiten, den deutschen Pass zu bekommen. Die Union protestiert, der
FDP fällt auch viel Kritisches ein.
Scholz hält sich mit direkten Eingriffen in die Debatte zurück. Keine
Angriffe auf die Union, die mit schwerem Geschütz feuert. Das
Staatsangehörigkeitsgesetz ist, wie das Bürgergeld, im Bundesrat
zustimmungspflichtig. Aber an einem Punkt wird er deutlich – beim
Doppelpass: Die Mehrheit der MigrantInnen, die einen deutschen Pass
bekommen, würden heute ihre alte Staatsangehörigkeit behalten. Deshalb sei
die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ein Gebot der Fairness. Es sei
„für die 40 Prozent, die ihren alten Pass abgeben müssen, schwer
verständlich, warum den 60 Prozent behalten dürfen“, so Scholz.
Faeser will nur umsetzen, worauf sich die Ampel im Koalitionsvertrag
geeinigt hat. Den Auftakt zum Opponieren in der Koalition machte
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für
eine Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts“, sagte er der Rheinischen
Post. Eine Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft werde es mit der FDP
nicht geben.
## Nicht erwünscht, wer nur die Hand im Sozialsystem aufhält
[2][Andere FDP-Politiker sprangen ihm bei]. „Bei der Einwanderung gilt,
dass alle helfenden Hände im Arbeitsmarkt willkommen sind, aber niemand,
der nur die Hand im Sozialsystem aufhalten möchte. Das gilt auch für die
Staatsbürgerschaft“, twitterte etwa Justizminister Maro Buschmann.
Konstantin Kuhle, Vizevorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, sagte der
taz: „Wir brauchen Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt und dazu
gehört ein modernes Einwanderungsgesetz und ein modernes
Staatsangehörigkeitsrecht.“
Wenn Menschen ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, „sollen sie auch
schneller Deutsche werden können“. Darauf habe man sich im
Koalitionsvertrag geeinigt und der gelte weiterhin. „SPD und Grüne machen
aber den Fehler, das Staatsangehörigkeitsrecht vor dem Einwanderungsgesetz
reformieren zu wollen.“
Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es: „Wir schaffen ein modernes
Staatsangehörigkeitsrecht. Dafür werden wir die Mehrfachstaatsangehörigkeit
ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
vereinfachen.“ Konkret ist festgelegt, dass die Ampel eine Einbürgerung in
der Regel nach fünf Jahren, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei
Jahren möglich machen will.
Genauso hat es Faeser jetzt vorgeschlagen. Auch dass in Deutschland
geborene Kinder ausländischer Eltern mit ihrer Geburt Deutsche werden, wenn
ein Elternteil seit fünf Jahren einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland
hat, steht im Koalitionsvertrag. Und ebenso das Vorhaben, für
[3][Angehörige der „Gastarbeitergeneration“] die Einbürgerung zu
erleichtern.
## Kampfansage an die FDP
Darauf verweist auch die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge: „Gut, dass
wir in unserem Ampelkoalitionsvertrag [4][ein modernes
Staatsangehörigkeitsrecht] versprochen haben“, so Dröge zur taz. „Genau d…
werden wir auch liefern.“ Das kann man als Kampfansage an die FDP deuten.
Saskia Esken versucht hingegen zu beruhigen. Manchen FDPlern würden noch
die „richtigen Informationen“ fehlen, so die SPD-Chefin.
Die Union dagegen kann angesichts der Äußerungen aus der FDP ihr Glück wohl
kaum fassen. „Es gibt keine Notwendigkeit, an den bestehenden Regeln etwas
zu ändern“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber. Es sei bemerkenswert,
dass sich FDP-Generalsekretär Djir-Sarai ähnlich äußere. Damit drohe „sch…
wieder der nächste Ampelzoff“. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt
hatte zuvor davor gewarnt, die deutsche Staatsangehörigkeit zu
„verramschen“.
Und CDU-Chef Friedrich Merz hatte sich gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft ausgesprochen und vor Einwanderung in die Sozialsysteme
gewarnt. Differenzierter sieht das die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap
Güler, die früher Staatssekretärin für Integration in NRW war. „Über eine
Verkürzung der Zeit kann man sprechen“, sagte Güler der taz. Aber unter
bestimmten Bedingungen auf unter fünf Jahre zu kürzen, halte sie für nicht
angemessen.
Güler ist prinzipiell auch für Mehrstaatlichkeit, allerdings auch für einen
Generationenschnitt. „Das heißt, man sucht sich eine Generation aus, ab der
sie nicht mehr weitergegeben wird. Spätestens sollte das ab der dritten
Generation sein.“ Das alles sei, betonte Güler, eine „ziemlich sensible
Diskussion“ für rund 25 Prozent der Bevölkerung, die eine
Migrationsgeschichte habe: „Deshalb sollten wir sie sachlich führen ohne zu
polemisieren.“
28 Nov 2022
## LINKS
[1] /Reform-des-Staatsbuergerschaftsrechts/!5898274
[2] /Einbuergerung-nach-fuenf-Jahren/!5898418
[3] /Autorin-ueber-Heimatverlust-und-Identitaet/!5875474
[4] /Gruenen-Politikerin-ueber-Arbeitsmigration/!5891679
## AUTOREN
Sabine am Orde
Stefan Reinecke
Jasmin Kalarickal
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