# taz.de -- Grünen-Politikerin über Arbeitsmigration: „Eine Aufgabe für un… | |
> Damit Fachkräfte kommen, brauche es echte Willkommenskultur, sagt Misbah | |
> Khan. Ein Gespräch über globale Märkte und rechte Stimmungsmache. | |
Bild: Fordert eine „gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung“: Misbah Khan … | |
taz: Frau Khan, der Bundesarbeitsminister hat Eckpunkte für die | |
Fachkräfteeinwanderung vorgelegt. Welche Knackpunkte geht die Ampel an? | |
Misbah Khan: Wir brauchen [1][jährlich 400.000 Arbeitskräfte aus dem | |
Ausland] zum Erhalt unseres Wohlstands und Sozialsystems. Also müssen wir | |
Rahmenbedingungen schaffen, damit das möglich ist. Die wichtigsten drei | |
Punkte sind die erleichterte Anerkennung von Qualifikationen aus dem | |
Ausland, eine Verschlankung der Verwaltungsprozesse und eine Stärkung der | |
Willkommenskultur. | |
Das finale Gesetz wird, anders als geplant, erst 2023 kommen. Gibt es | |
Meinungsverschiedenheiten in der Ampel? | |
Das sehe ich an dieser Stelle gar nicht. Sicher gibt es Fragen, bei denen | |
die Ampelparteien unterschiedlich ticken. Aber das betrifft [2][eher das | |
Asylrecht] und weniger die Arbeits- und Bildungsmigration. Da haben wir | |
alle drei ein sehr ähnliches Interesse und sehen ähnliche | |
Herausforderungen. | |
Gehört dazu die Sorge vor der sogenannten [3][Einwanderung in die | |
Sozialsysteme]? | |
Das ist eine Scheindebatte aus konservativer und AfD-Ecke und quantitativ | |
überhaupt nicht belegbar. Deswegen bin ich auch wenig bereit, mich darauf | |
einzulassen. Schauen Sie mal die Westbalkanregelung an, die es Menschen aus | |
dieser Region unabhängig von Qualifikation ermöglicht, zur Erwerbsarbeit | |
nach Deutschland zu kommen. Als die eingeführt wurde, wurde auch der | |
Untergang Deutschlands herbeigeredet. Das Gegenteil ist wahr: Ohne diese | |
Menschen wären wir heute in einer noch viel schlimmeren | |
Arbeitsmarktsituation. Deswegen wollen wir diese Regelung entfristen und | |
ausweiten. | |
Wie stellt man sicher, dass genau die Leute kommen, die die deutsche | |
Wirtschaft braucht? | |
Es gibt in Deutschland immer noch diese absurde Vorstellung, dass wir uns | |
handverlesen die Besten der Besten auf dem globalen Arbeitsmarkt aussuchen, | |
die dann mit Freudentränen in den Augen zu uns kommen. Wir brauchen jedes | |
Jahr eine sechsstellige Zahl an Menschen, und zwar längst nicht nur | |
qualifizierte Arbeitskräfte. Deutschland buhlt mit vielen Ländern um | |
Arbeitsmigrant*innen – und die sind mitunter attraktiver. | |
In den Eckpunkten heißt es, Deutschland solle als Einwanderungsland | |
attraktiver werden. Da ist von familienfreundlicheren Verfahren die Rede, | |
von einem „Welcome-Plan“ und einem Kulturwandel. | |
Das ist ein guter Anfang. Aber wir brauchen viel mehr, das kann nicht nur | |
das Fachkräfteeinwanderungsgesetz lösen. Es braucht eine | |
gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung. Integration darf nicht länger nur | |
eine Bringschuld derer sein, die herkommen, sondern ist eine Aufgabe auch | |
für uns als Aufnahmegesellschaft. Die Menschen müssen sich hier zu Hause | |
fühlen, sonst bleiben sie nicht. | |
Von branchenspezifischen Akteuren höre ich immer wieder, Deutschland sei | |
[4][für viele Hochqualifizierte wenig attraktiv] – eben weil es nicht | |
dieses Signal gibt: Ihr seid hier gewollt, ihr seid willkommen. | |
Populistische Stimmungsmache aus der Opposition und Angriffe auf | |
Geflüchtete haben eine starke Außenwirkung. Und es ist auch nicht | |
hilfreich, wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor der | |
[5][vermeintlichen Gefahr durch illegale Migration warnt]. | |
Sie sehen da kein Problem? | |
Ich halte es für das falsche Signal, zu sagen: Deutschland muss die harte | |
Hand ausfahren, um Migration zu drosseln, weil wir überfordert sind. Wir | |
sind dann überfordert, wenn wir weitermachen wie bisher und keinen | |
deutlichen Zuwachs an Arbeitskräften bekommen. | |
Beim Thema Grenzschutz geht es aber nicht um Arbeitsmigrant*innen. | |
Diese Art der Debatten hat aber einen negativen Effekt auf das | |
gesellschaftliche Klima in Gänze, die Konsequenzen tragen dann alle BIPoCs. | |
Wir suchen Arbeitskräfte, und die werden zu einem großen Teil aus Ländern | |
kommen, in denen die Mehrheit nicht-weiß ist. Schon heute haben wir an den | |
Kliniken viele Ärzt*innen aus Syrien. Jede nicht-weiße Person in | |
Deutschland hat Sorgen und Ängste, wenn [6][Unterkünfte von Geflüchteten in | |
Brand gesteckt werden]. | |
7 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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