# taz.de -- Ausstellung bei Eden Eden: Wilder, unkorrekter Motivmix | |
> Drastisch und von düsterem Humor ist die Ausstellung im Eden Eden mit elf | |
> feministischen Künstlerinnen der letzten 50 Jahre. | |
Bild: Installationsansicht „In The Company of“ bei Eden Eden | |
Ausstellungen in der Galerie von Isabella Bortolozzi sind gerne kryptisch | |
und unvermittelt. Auch in der aktuellen Schau „In the Company of“ wird man | |
nahezu geworfen in ein zunächst unverständliches Geflecht aus Körpern, | |
Gesichtern, Kleidungsstücken und Aktionen. Doch die Zeichen, die da auf | |
einen einfallen, das spürt man dann doch sofort, sind krass. Und sie sind | |
von düsterem Humor. | |
In dieser Gruppenausstellung im Projektraum der Galerie namens Eden Eden, | |
die so bekannte und unterschiedliche Künstlerinnen wie Friedl Kubelka, | |
[1][Sarah Lucas], Meret Oppenheim und Vaginal Davis zusammenbringt, geht es | |
existentialistisch zu. Und es geht um das, was unsere Existenz vor allem | |
ausmacht: den Körper. Letztlich den weiblichen Körper. „My body was all I | |
had“ heißt es auch in einem [2][Textausschnitt der US-Punk-Autorin Kathy | |
Acker] (1947–1997), der in Bortollozzi’scher Manier anstelle eines | |
erklärenden Ausstellungstexts ausgelegt wird. | |
Wortwörtlich auf ein nacktes Dasein reduziert sind schon bei Eintritt die | |
frontal gehängten Fotografien der Performerin und Videokünstlerin Wu Tsang. | |
Fast lebensgroß sind ihre androgynen Akte von 2014 auf Aludibond gezogen. | |
Haut, Muskeln und Falten dramatisch ausgeleuchtet, stellt Wu Tsang die | |
Nackten in Momenten großer Anspannung, ja schon von Gewalt dar, ohne | |
anzudeuten, woher diese rührt. | |
Einen weiteren Akt zeigt die Künstlerin vollkommen mit einem feinen Band | |
verschnürt, als sei an ihm eine extreme Form des Bondaging praktiziert | |
worden. Die vielen, filigranen Schnüre schneiden sich tief in Haut und | |
Fleisch des sichtbar durchtrainierten, kantigen Frauenkörpers. | |
Diese Gruppenausstellung zeigt keine Furcht vor ästhetischen Grenzwerten. | |
Auch schmerzhaft anzusehen sind die Dokumentationen von Gina Panes | |
Body-Art-Performances. Pane war in den 1970er Jahren bekannt für extreme | |
Aktionen, in denen sie sich mit Rasierklingen selbst schnitt oder mit einem | |
harten Gegenstand derart häufig gegen die Schläfe schlug, bis sie | |
aufplatzte. | |
Die Performances brachen damals in ihrem blutigen Exhibitionismus mit den | |
gesellschaftlichen Regeln, die vor allem der Frau galten, denen der | |
Schönheit und Verschwiegenheit etwa. Der Realismus von Gina Pane und Wu | |
Tsang wirkt drastisch, wenn auch inszeniert. Solch eine Visualität wie auf | |
den Fotografien der beiden Künstlerinnen sieht man heute in Zeiten | |
artifizieller Bilder eigentlich selten. | |
## Subversiver Humor | |
Doch diese Schau verknüpft eben gerade eine historische feministische und | |
eine zeitgenössische feministische Kunst und damit auch ihr | |
unterschiedliches, ästhetisches Vokabular. So sind die plastischen Gemälde | |
von Carol Rama aus den späten 1960er und frühen 1970er Jahren ganz | |
abstrakt. Mit Klebstoff, Nägeln und Löchern kann sie eine dunkle Aggression | |
auf ihre Leinwände bringen. Ihre schwarzen Kreise auf weißem Grund aber | |
zeigen einen subversiven Humor. | |
Zunächst wirken sie wie die runde (und daher weibliche?) Variante des | |
Schwarzen Quadrats von Kasimir Malewitsch, hätte Carol Rama den | |
Kreisfiguren nicht aus industriellen Radreifen angefertigt und damit eine | |
Note Modernekritik gegeben. | |
[3][Meret Oppenheim wird auf ihren bunten Zeichnungen] wieder figurativ. | |
Charaktere mit großen Köpfen und vielen Brüsten, Chimären zwischen Tier und | |
Mensch mit weiblichen Unterleib – witzig, surrealistisch und überzogen sind | |
ihre Cadavre exquis aus den 1970er Jahren. Ein Gefühl der Gegenwart von | |
tatsächlichen Personen wiederum wecken die ausgelegten Kleiderstücke der | |
jungen Britin Reba Maybury. | |
Sieben Klamottenhaufen legte sie in den Raum, derart zerknüllt, als hätten | |
sich die sieben Personen gerade erst hastig ausgezogen. Und aus jedem | |
Knäuel aus T-Shirt, Jeans, Sneakers, Gürtel und Unterhose zeichnet sich der | |
Stereotyp eines jungen Mannes ab. Vor dem inneren Auge baut sich schon das | |
Figurenkabinett Mayburys auf – der sportliche Geografiestudent, der Raver, | |
der angehende Jurist –, grätschten in der Ausstellung nicht Leila Hekmats | |
Digitalcollagen dazwischen, die auf großformatigen Seitenbändern von der | |
Decke hängen. | |
Die darauf abgebildeten Gestalten speist Hekmat aus einem wilden, | |
unkorrekten Motivmix der Renaissance, des Barock und orientalistischer | |
Darstellungen. Geschlecht und sozialer Stand spielen keine Rolle mehr in | |
dieser Gesellschaft kurioser Einzelner – aber ihr Körper. | |
2 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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