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# taz.de -- Militarisierter Naturschutz in Afrika: Die grüne Armee der Nationa…
> Nationalparks sind ein zunehmend militarisiertes Geschäft. Wie
> Artenschutz neue Macht- und Gewaltstrukturen fördert. Ein
> taz-Rechercheprojekt.
Bild: Selbst gut dokumentierte Übergriffe von Rangern führen nur in den selte…
Als 2016 symbolisch [1][über eine Tonne Elfenbein in der Savanne Kenias in
Flammen aufging], war das ein Höhepunkt des „Krieges gegen die Wilderei“.
Tierschützer hatten seit dem Jahr 2011 Alarm geschlagen: Alle 15 Minuten
werde in Afrika illegal ein Elefant erlegt, mit knapp mehr als 400.000
Elefanten, die auf dem Kontinent noch übrigen sind, brauche es nur noch elf
Jahre, bis der letzte den Wilderern vor die Flinte laufe. Die
Weltgemeinschaft beschloss im Rahmen des Washingtoner Artenschutzabkommens
(Cites): Der Tierschutz muss wehrhaft werden. Selbst China, weltweit der
größte Abnehmer des Elfenbeins, [2][trat 2016 dem Abkommen bei].
Seitdem wurde im sogenannten Kampf gegen die Wilderei in Afrika
aufgerüstet. Unter der Losung „Professionalisierung“ werden Parkwächter im
Kampf gegen die Wilderer zum Töten ausgebildet: In Tansania engagieren sich
US-Veteranen, um sich von Einsätzen in Irak und Afghanistan zu erholen. Im
Kongo, in Uganda und Kenia bringen israelische Söldnerfirmen im Auftrag des
WWF Wildhütern bei, mit Nachtsichtgeräten, Scharfschützengewehren und
Drohnen umzugehen. In zahlreichen Nationalparks wurden satellitengestützte
Kontrollzentren für die Parkverwaltungen eingerichtet.
In Uganda, Malawi und Gabun trainieren britische Spezialeinheiten die
Parkwächter, in der DR Kongo sind es französische und belgische
Militärinstruktoren. In manchen Ländern sind die Parkwächter mittlerweile
militärisch und geheimdienstlich besser ausgestattet und ausgebildet als
die Soldaten der regulären Armee. Sie werden zu neuen Macht- und
Gewaltakteuren, die mitunter auch Menschenrechtsverbrechen begehen.
Westliche Naturschützer feiern die Erfolge des wehrhaften Naturschutzes: So
wurde 2017 in Ostafrika ein großer Wilderer-Ring zerschlagen, die
chinesische „Elfenbeinkönigin“ verhaftet und angeklagt. Sie wurde [3][im
Februar 2019 zu 15 Jahren Haft verurteilt] – ein Meilenstein. Der Prozess
brachte jedoch auch zahlreiche Verstrickungen zwischen chinesischen
Staatsangestellten, mafiösen Netzwerken, korrupten afrikanischen
Regierungsmitgliedern, den lokalen Wildtierschutzbehörden und lokalen
Wilderern zutage.
Drakonische Strafen treffen oft jedoch nur die kleinen Fische. So wurden
gerade erst in der Demokratischen Republik Kongo acht Pygmäen von einem
Militärgericht ebenfalls zu 15 Jahren Haft verurteilt. Ihnen wurde
vorgeworfen, Wälder zur Gewinnung von Holzkohle gerodet zu haben. Der
Verlauf der Ermittlungen und des Prozesses werfen jedoch mehr Fragen auf,
als sie beantworten.
Internationale Naturschutzorganisationen sowie westliche Regierungen fahren
schwere Geschütze auf, argumentativ wie auch im Wortsinne: Das Geld aus dem
Schmuggel mit Elfenbein fließe in die Strukturen des organisierten
Verbrechens. Afrikanische Terrororganisationen würden sich aus dem Handel
mit Elfenbein und Nashorn-Horn finanzieren. Nicht zuletzt diese Verbindung
zum internationalen Terror, aber auch die zunehmende Brutalität und
Rücksichtslosigkeit der Wilderer gegen die Parkwächter lassen den
Sicherheitsaspekt des Artenschutzes immer mehr in den Vordergrund treten.
Als Folge wachsen zweifellos die Ausgaben. Sowohl für Trainings von
Parkrangern als auch für die kostspielige Beschaffung von Drohnen und
anderer Hochtechnologie – Geld, das an anderer Stelle dann bei Projekten
fehlt, die der Bevölkerung zugutekämen.
Inwieweit im Namen des Artenschutzes mit Übertreibungen und falschen
Annahmen gearbeitet wird, die immer höhere Investitionen in Technologie zum
Schutz und der Überwachung von Nationalparks und anderen Schutzgebieten
rechtfertigen sollen, ist dabei durchaus umstritten. Dieses Projekt will
zur Aufklärung der Hintergründe beitragen. Denn Profiteure sind bereits
jetzt westliche und afrikanische Rüstungsunternehmen, die nun in den
Nationalparks ihre neuen Kunden sehen.
Dass der Naturschutz wehrhafter werden müsse, ist ein sich selbst
bestätigendes Mantra geworden und damit wesentlicher Bestandteil des
Diskurses um die [4][Bewahrung der Biodiversität]. Und diese wird immer
mehr zu einer Priorität internationaler Entwicklungszusammenarbeit. Sowohl
die US-amerikanische Entwicklungsagentur USAid als auch die Europäische
Union (EU) insgesamt sowie ihre einzelnen Mitglieder erhöhen die
entsprechend markierten Etatposten für Natur- und Artenschutz seit mehr als
einem Jahrzehnt in rasantem Tempo. Kaum ein anderer Schwerpunkt der
Entwicklungshilfe hat in dieser Zeit Zuwächse von mehreren hundert Prozent
verzeichnen können.
Ganz vorne mit spielt Deutschland. Die Bundesrepublik rühmt sich, weltweit
Schutzgebiete im Umfang der vierfachen Fläche Deutschlands zu finanzieren –
ein ganzes Naturschutzimperium. Interessant ist dabei der Vergleich aller
deutschen Ausgaben für den afrikanischen Kontinent: Während sich der
Gesamtbetrag für wirtschaftliche Zusammenarbeit, gemeinhin auch
Entwicklungszusammenarbeit (EZ) genannt, zwischen 2007 und 2017 etwa
verdoppelt hat, stieg der Anteil der Ausgaben, der explizit für
Biodiversität vorgehalten wird, im selben Zeitraum auf das Siebenfache.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) ist der Hauptfinanzier, die Abwicklung der Finanzhilfen erfolgt
zumeist über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW). Für die Umsetzung
der Vorhaben zeichnen projektabhängig verschiedene Organisationen
verantwortlich, unter anderem die Deutsche Gesellschaft für internationale
Zusammenarbeit (GIZ), aber auch NGOs und Stiftungen wie der WWF oder die
Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF).
Die größte Herausforderung in der Finanzierung des Naturschutzes ist dabei
seine nachhaltige Gestaltung. Seit Jahrzehnten werden langfristig
tragfähige Lösungen gesucht. Die dabei entstandenen Projekte sind ihrer
Ausgestaltung außerordentlich kreativ und divers. Gemein ist den meisten
Transferzahlungen, dass die Geldflüsse von außen nur schwer nachvollziehbar
und transparente Erfolgskontrollen eher selten sind. So werden inzwischen
sogar Treuhandfonds aufgelegt, die am Kapitalmarkt Rendite für die Parks
erwirtschaften sollen. Andere Parks werden als Public-private-Partnerships
aufgesetzt, um sie zu profitierientierten Unternehmen umzustrukturieren,
welche die afrikanischen Regierungen nichts kosten und stattdessen sogar
Gewinne in den Staatshaushalt einbringen sollen.
Und selbst wenn Naturschützer und Entwicklungshelfer in Hochglanzbroschüren
Fortschritte beim Schutz bedrohter Arten vermelden, ist bisweilen Skepsis
angebracht. Denn der wehrhafte Artenschutz kommt zu einem Preis, [5][den
nicht selten die lokale Bevölkerung zahlen muss]. Schon die Gründung vieler
Schutzgebiete zu Kolonialzeiten und später während der Zeit afrikanischer
Diktaturen ging einher mit massenhafter Vertreibung von lokalen und
indigenen Bevölkerungsgruppen.
In den romantischen Vorstellungen von Natur- und Artenschutz, oft geprägt
durch Tierfilme, herrscht die Annahme vor, Schutzgebiete seien eine von
Menschen unberührte Natur – im Gegensatz zur vom Menschen geprägten
Kulturlandschaft. Doch sind, wie dieses Projekt zeigt, die meisten
Nationalparks nicht menschenleer, im Gegenteil. Millionen von Menschen
leben nicht nur an den Parkrändern, sondern zum Teil innerhalb der
Parkgrenzen. Durch internationale Vereinbarungen sollen in den nächsten
Jahrzehnten die bestehenden Schutzgebiete in Afrika ausgeweitet werden,
einige werden gar neu gegründet. Dies führt unweigerlich zu lokalen Land-
und Ressourcenkonflikten. Der rasche Bevölkerungszuwachs auf dem
afrikanischen Kontinent wird im Zuge dessen zur Bedrohung erklärt.
Die abrupte Herauslösung riesiger Flächen und ihrer Markierung als
unberührte Natur durch die europäischen Kolonialherren verlief bereits in
der Vergangenheit oftmals gewalttätig. Entsprechend misstrauisch wird die
Einrichtung immer neuer Schutzgebiete bis heute beobachtet. Für die
bettelarme Bevölkerung, die im Grunde den Natur- und Artenschutz häufig
sogar gutheißt, geht es dabei schließlich ums Überleben. Dass Naturschutz
jedoch nur im Einklang mit der Bevölkerung vor Ort wirksam sein kann, ist
längst bei internationalen NGOs wie lokalen Beteiligten angekommen –
zumindest theoretisch. Seit den 1980er Jahren ist das Konzept der
sogenannten community-based conservation, also des Naturschutzes unter
Einbeziehung der im Einzugsbereich lebenden Menschen, ein immer wichtigeres
Paradigma.
Aktivisten in Afrika und Mitarbeiter von internationalen
Menschenrechts-NGOs kritisieren dennoch einen noch immer kolonial
anmutenden Stil bei der konkreten Ausgestaltung des Naturschutzes. Die auch
in anderen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit häufig zu beobachtende
verhängnisvolle Verlängerung des kolonialen Erbes auf dem afrikanischen
Kontinent tritt genauso auch im Bereich des Naturschutzes immer wieder auf.
Eventuell ist sie sogar noch stärker als an vielen anderen Punkten, gehören
doch die Schutzgebiete in der Regel zu den am massivsten von ausländischen
Geldgebern abhängigen Projekten in den meisten afrikanischen Staaten.
Afrikaner fordern hier schon lange eine längst überfällige
„Dekolonisierung“ des westlich finanzierten Naturschutzes. Dieses Projekt
soll ihnen eine Stimme geben.
Aufgrund der vermehrten finanziellen Anstrengungen im Natur- und
Artenschutz steigt die Elefanten -und Gorillapopulation in Afrika nun
wieder. Das ist die eine Seite der Geschichte, die Erfolgsgeschichte. Die
andere ist noch wenig beleuchtet. In der Naturschutzpolitik Afrikas vollzog
sich in den vergangenen zwei Jahren [6][ein grundlegender
Paradigmenwechsel]: Rund um die Parks werden Mauern gebaut und elektrische
Zäune errichtet, Gesetze gegen die Wilderei verschärft, Wälder und Savannen
werden wie eigene Herrschaftsterritorien abgesteckt, in welchen die
Menschen nichts zu suchen haben.
Viele Nationalparks sind bereits „Festungen“, die nun mit militärischem
Hightechgerät gegen Eindringlinge verteidigt werden. Das hilft zwar den
Elefanten, doch es gibt auch eine Kehrseite mit negativen Konsequenzen für
die lokale Bevölkerung. Wer nämlich dennoch den Park betritt, und wenn er
nur Feuerholz sucht, wird als Wilderer kriminalisiert und von den
Parkwächtern mit Waffen gejagt, verhaftet und mitunter gar getötet.
Menschenrechts-NGOs, Politiker und Journalisten sammeln seit Jahren Fälle
schwerer Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Parks, begangen von
Parkwächtern, deren Gehälter von westlichen Gebern finanziert werden.
Versuche, über Organisations- und Forschungsarbeit vor Ort, mediale
Vermittlung und parlamentarische Arbeit Aufmerksamkeit für das Problem zu
erzeugen, greifen dabei häufig ins Leere. Immer wieder drängt sich der
Eindruck rechtsfreier Räume auf.
Selbst gut dokumentierte Übergriffe von Rangern führen nur in den
seltensten Fällen zu Gerichtsverfahren oder gar Verurteilungen. Die
Finanziers und Profiteure des Naturschutzes haben über Jahre entsprechende
Berichte als „tragische Einzelfälle“ oder „Kollateralschäden im Bemühe…
die Natur zu retten“ abgetan und wollten partout kein möglicherweise
systematisches Problem erkennen.
Die Sammlung dieser „Einzelfälle“ ist inzwischen jedoch so groß, dass sie
nicht mehr gänzlich ignoriert werden kann. Selbst der Blick auf nur wenige
Parks offenbart ein beunruhigendes Bild. Die Vielzahl der bekannten und
nachprüfbaren Vorkommnisse und die Schwere eines Teils der Übergriffe
lassen dazu eine hohe Dunkelziffer zumindest kleinerer Zusammenstöße
vermuten. Es handelt sich um ein strukturelles Problem.
Dieses Projekt möchte einen Beitrag dazu leisten, das Bild der weniger
glorreichen Seiten des Naturschutzes in Afrika vollständiger werden zu
lassen. Dazu gehört einerseits eine Bestandsaufnahme der laufenden
Militarisierung im Naturschutz und deren Finanzierung. Andererseits sollen
die konkreten Folgen dieser Militarisierung in der alltäglichen
Konfrontation für die im Umfeld der Schutzgebiete lebenden Menschen besser
beleuchtet werden. Opfer von Übergriffen kommen dafür zu Wort. Zu
ausgewählten Standorten wird zusätzlich eine Übersicht dokumentierter
Vorfälle präsentiert.
Die dargestellte Auswahl ist dabei weder abschließend noch soll sie das
Bestreben um den Erhalt von Biodiversität delegitimieren. Im besten Falle
ist sie eine ergänzende Hilfestellung für jene, die Naturschutz anders als
nur ohne oder gegen den Menschen denken und danach auch handeln wollen.
3 Mar 2020
## LINKS
[1] /Elfenbeinhandel-in-Afrika/!5338926
[2] /Hoffnung-fuer-Elefanten/!5018402
[3] /Kampf-gegen-Elfenbeinhandel-in-Afrika/!5575038
[4] /Biodiversitaet/!t5010056
[5] /Nationalpark-contra-Menschenrechte/!5606273
[6] /Kommentar-Artenschutz-in-Afrika/!5580241
## AUTOREN
Simone Schlindwein
Daniél Kretschmar
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