# taz.de -- Umweltorganisation zu Artenschutz: „Erhalten statt ersetzen“ | |
> Die ersten Verhandlungen über ein neues UN-Abkommen versprechen einen | |
> besseren Schutz der Artenvielfalt, sagt Friedrich Wulf von Pro Natura. | |
Bild: 30 Prozent der Land- und Meeresfläche sollen unter Schutz gestellt werden | |
taz: Herr Wulf, Sie kommen gerade aus Rom, von der entscheidenden | |
Vorverhandlung für ein [1][neues UN-Abkommen zum Schutz der Biodiversität]. | |
Wird das ein gutes Abkommen? | |
Friedrich Wulf: Schwer zu sagen, wir haben jetzt fünf Dokumente mit | |
verschiedenen Zielen, Optionen – da ist viel möglich. Es gab aber positive | |
Trends. | |
Welche? | |
Zum Beispiel ist das Ziel konkretisiert worden, 30 Prozent der Land- und | |
Meeresfläche unter Schutz zu stellen. In Schutzgebieten soll mehr darauf | |
geachtet werden, nicht nur die Natur zu schützen, sondern diese auch | |
wirkungsvoll zu betreuen und die Rechte der Anwohner zu beachten. Zweitens | |
hat die Konferenz klargemacht, dass es wichtiger ist, bestehende Ökosysteme | |
zu erhalten, als ihre Zerstörung zu kompensieren. Gerade für | |
Kohlenstoffspeicher wie Wälder oder Moore ist das relevant. Man darf nicht | |
ein Moorgebiet trockenlegen, nur weil man woanders Bäume pflanzt. Und | |
drittens ist zumindest ins Gespräch gebracht worden, sogenannte | |
Compliance-Mechanismen einzuführen. | |
Was ist das? | |
Das sind Verfahren, mit denen überprüft werden kann, ob ein Land sich an | |
das Abkommen hält. Es könnte ein Komitee eingerichtet werden, an den | |
Beschwerden über einen Mitgliedstaat der Biodiversitätskonvention gerichtet | |
werden können. Wenn eine Regierung gar nichts tut, um die Artenvielfalt | |
ihres Landes zu schützen, würde das zumindest öffentlich diskutiert. | |
Die größte Kritik an dem alten Abkommen, das 2020 ausläuft, war: Kaum eines | |
seiner guten Ziele wurde erreicht. Droht das auch dem neuen? | |
Zumindest ist das Problem den Beteiligten bewusst. Darum gab es ja die | |
Diskussion über Beschwerdeverfahren. Wichtig wäre, dass die | |
Biodiversitätsstrategien in den verschiedenen Ländern einheitlicher und | |
damit vergleichbar wären. Bisher macht jedes Land sein Ding, man kann gar | |
nicht sagen, inwieweit sie das globale Rahmenwerk umsetzen. Im Grundsatz | |
war man sich einig, dass Fortschrittsberichte nicht nur sang- und klanglos | |
auf die Website des Abkommens stellt, sondern offen diskutiert werden | |
müssen. Übrigens haben sich bisher schon einige Länder des Südens von | |
anderen Vertragsstaaten und der UN in Sachen Biodiversitätsschutz bewerten | |
lassen – aber noch nie ein Industriestaat. | |
Waren so auch die Allianzen auf der Konferenz – Norden gegen Süden? | |
Es gibt natürlich unterschiedliche Perspektiven zwischen dem finanzstarken | |
Norden und dem biodiversitätsreichen Süden. Ein Land allerdings hat sich | |
besonders isoliert, und zwar Brasilien. Es ist deutlich geworden, dass die | |
Regierung von dem Abkommen vor allem finanziell profitieren will. Zum | |
Beispiel möchte sie Schutzgebiete so definieren, dass dort künftig keine | |
Unternehmen aus dem Ausland mehr genetische Ressourcen nutzen dürfen, ohne | |
eine Entschädigung an die lokale Bevölkerung zu zahlen. | |
Das ist doch sinnvoll … | |
… natürlich, der Gedanke ist richtig, darum ist er ja auch in dem | |
bisherigen Abkommen verankert, im sogenannten Nagoya-Protokoll. Das ist | |
aber ein ganz anderes Thema als der Schutz von Pflanzen und Tieren in | |
Schutzgebieten. | |
Ist dieser Vorschlag Brasiliens mehrheitsfähig? | |
Kaum. Aber Brasilien ist das Land mit den größten Urwäldern der Welt mit | |
riesigem Artenreichtum. Es wäre schon wichtig, die Regierung für ein gutes | |
Abkommen mit an Bord zu haben. | |
Welche Risiken für ein gutes Abkommen gibt es noch? | |
Das Thema ist vielschichtig. Ein besonders wichtiger Aspekt sind Handel und | |
Konsum. Es darf nicht am Ende dabei herauskommen, dass allein die | |
VerbraucherInnen mit nachhaltigem Konsum für den Erhalt der Artenvielfalt | |
sorgen sollen. Die Regierungen müssen klare Regeln setzen, damit die | |
Wirtschaft nicht auf Kosten unserer Lebensgrundlagen geschieht. | |
2 Mar 2020 | |
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[1] /Abkommen-zu-Biodiversitaet/!5652374/ | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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