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# taz.de -- Militarisierter Naturschutz in Afrika: Krieg gegen die Wilderei
> Technologie, Ausbilder, Söldner: Wie der Naturschutz in Afrika wehrhaft
> und aus Wilderern mutmaßliche Terroristen wurden.
Bild: Zwei Ranger bewachen brennendes Elfenbein mit Gewehren
Es ist Krieg da draußen“, beurteilt Michael Keigwin, Ugandas führender
Elefantenforscher und Gründer der ugandischen NGO [1][Ugandan Conservation
Foundation (UCF),] die Situation zwischen Rangern und Wilderern. Im
Queen-Elisabeth-Nationalpark im Osten Ugandas war ein Elefant erlegt
worden. Tagelang war daraufhin der ehemalige britische Elitesoldat mit
einer Rangereinheit durch den Busch marschiert, um die Spuren der Wilderer
ausfindig zu machen. „Wir sind auf dem Kriegspfad“, schrieb er von seiner
Mission per SMS.
Der Vorfall geschah im Februar 2019. Es war das erste Mal seit zwei Jahren,
dass in Uganda ein Elefant wegen seines Elfenbeins getötet worden war. Die
Institution [2][CITES], die die Umsetzung des [3][Washingtoner
Artenschutzübereinkommens] von 1976 überwacht, meldete 2016 zum ersten Mal
seit Jahrzehnten einen Rückgang der Wilderei für Elfenbein vor allem in den
Ländern Ostafrikas, die aufgrund der Schifffahrtsverbindungen nach Asien am
meisten betroffen waren.
Laut Schätzungen der Weltnaturschutzunion [4][IUCN] starben in
Subsahara-Afrika in der Zeit von 2006 bis 2016 über 111.000 Elefanten. Die
Hochphase der Elefantenjagd war im Jahr 2011. [5][Seit 2008 nehmen die
Bestände wieder zu]. Ein Anstieg der Population lässt sich auch bei den
Berggorillas verzeichnen. Ende 2011 vermeldete die IUCN, dass sich die Zahl
der Gorillas so sehr vermehrt habe, dass sie [6][nicht mehr unter die
Kategorie critically endangered, sondern nun nur noch unter endangered,
gefährdet, fallen].
Die Ursachen für die massive Elefantenwilderei sind vielfältig und komplex.
Und: Sie sind nicht nur in Afrika selbst zu suchen, sondern weltweit. Der
Elfenbeinhandel war schon immer Teil des Welthandels, er ist ein
nachfrageorientiertes Geschäft.
Masegeri Rurai, Projektmanager der [7][Zoologischen Gesellschaft Frankfurt
(ZGF)] im Serengeti-Nationalpark, erinnert sich an die nuller Jahre, als
Tansania sich wirtschaftlich für Investoren aus China öffnete, die große
Infrastrukturprojekte im Landesinneren bauten. Mit dem zunehmenden
wirtschaftlichen Engagement Chinas in Ostafrika stieg auch die Nachfrage
nach Elfenbein. „Die Wilderer organisierten sich damals, plötzlich trugen
sie Maschinengewehre statt Pfeil und Bogen“, berichtet Rurai. Der Tansanier
ist in einem Dorf am Rande der Serengeti aufgewachsen. „Die Regierung hat
die örtlichen Gemeinden beschuldigt, Teil des Problems zu sein – dabei war
das für sie einfach nur schnelles Geld“, so Rurai. Johannes Kirchgatter, im
[8][WWF Deutschland] für Ostafrika zuständig, erklärt, die Wilderer hätten
sich infolge der Nachfrage gut ausgerüstet, auch mit Nachtsichtgeräten und
Maschinengewehren. „Es waren, wie gesagt, keine armen Bauern, die
versuchen, sich ihr Abendbrot ein bisschen aufzubessern oder sich vor dem
Verhungern zu retten“, so Kirchgatter: „Das ist wirklich eine Mafia mit
hohen Gewinnspannen.“
Diese Hochrüstung der Wilderer ist das zentrale Argument der
Naturschutzorganisationen für die Notwendigkeit der Aufrüstung der
nationalen Wildtierbehörden Afrikas. Über 1.000 Wildhüter seien in Afrika
und Asien im vergangenen Jahrzehnt getötet worden, so eine [9][Erhebung der
IUCN aus dem Jahr 2014]. Naturschutzorganisationen fordern seitdem eine
bessere Ausrüstung zur Selbstverteidigung der Ranger. Ilka Herbinger vom
WWF Deutschland, zuständig für das Kongobecken, erklärt, man habe als
Partner eine „Sorgfaltspflicht“ gegenüber den Wildhütern, die sich
verteidigen müssten.
Der WWF veröffentlichte 2018 die Studie [10][„Life on the Frontline“] über
die weltweiten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Wildhüter mit Ergebnissen
einer Umfrage unter mehr als 1.300 Rangern in Afrika. Weniger als ein
Viertel der Befragten gibt an, Zugang zu einer Waffe zu haben. Das Fazit
der Studie lautet: Bessere Ausrüstung – von Schuhen über Funkgeräte bis hin
zur Waffe – sowie bessere Ausbildung führen zu besseren Verhaltensweisen
der Wildhüter.
Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Wilderei seit 2016 ist laut
CITES jedoch nicht die Aufrüstung der Wildhüter, sondern der Importstopp
für Elfenbein in China, bislang größter Abnehmer weltweit. Seitdem die
Volksrepublik Ende 2016 dem Washingtoner Artenschutzabkommen beigetreten
ist, sind die Weltmarktpreise für Elfenbein gesunken. Außerdem werden
zunehmend illegale Elfenbeinlieferungen entlang der Handelsrouten zwischen
Afrika und China sichergestellt. Im Juli 2019 wurde am Hafen von Singapur
eine Containerladung mit 8,8 Tonnen Elfenbein von über 300 Elefanten
mithilfe von Informationen des chinesischen Zolls beschlagnahmt. Insgesamt
haben Chinas Zollbehörden im Jahr 2019 rund 1.200 Tonnen Elfenbein
sichergestellt.
In Afrika loben hingegen die Akteure die Militarisierung als Grund für den
Erfolg: Im Juni 2019 verkündete Tansanias Minister für Natürliche Rohstoffe
und Tourismus, Hamisi Kigwangal, den „Sieg im Krieg gegen die Wilderei“. Er
wiederum dankte nicht den Bemühungen des chinesischen Zolls, sondern lobte
die lokalen Geheimdienstabteilungen und Anti-Wilderei-Einheiten, die gute
Arbeit geleistet hätten, die „Multi-Millionen-Dollar-Tourismusindustrie des
Landes zu schützen“, die zu 90 Prozent von den Wildtieren abhänge.
Trotz des Zwischenfalls im Februar 2019 mit einem erlegten Elefanten rühmt
sich auch Ugandas Wildtierschutzbehörde UWA, den sogenannten Krieg gegen
die Wilderei gewonnen zu haben. „Bis 2016 hatten wir ein großes Problem mit
der Wilderei für Elfenbein, nicht nur mit Speeren, sondern mit Gewehren“,
erläutert Eduard Asalu, Direktor des Queen-Elisabeth-Nationalparks. Doch
2016 sei das von CITES aufgelegte und von der EU finanzierte Projekt
[11][MIKE] in Uganda eingeführt worden, wodurch Wildhüter ausgerüstet und
trainiert wurden. „Damit konnten wir dann unsere Ranger losschicken, die
den Elefantenherden gefolgt sind. Wer auch immer die Elefanten jagen
wollte, traf auf unsere Ranger. Jetzt haben wir Frieden. Wir sitzen hier
monatelang, ohne einen einzigen Schuss zu hören. Früher hörten wir sie
täglich.“
Vom Jagd- zum Maschinengewehr
Bei der Militarisierung des Naturschutzes geht es nicht nur um die
Ausrüstung mit Waffen. Sie umfasst auch Maßnahmen, die sich militärischer
Taktiken, Überwachungstechnologien und militärischen Geräts bedienen, sowie
die zunehmende Beteiligung – ausländischer wie nationaler – militärischer
Akteure im Naturschutz- und Tourismussektor. In vielen Ländern sind die
Wildtierschutzbehörden als paramilitärische Institutionen in die nationalen
Sicherheitsstrukturen eingebunden. Zahlreiche Wildtierschutzbehörden haben
für ihre Anti-Wilderei-Einheiten Offiziere der Armee angeheuert, die gegen
Wilderer militärische Operationen planen und durchführen.
Beraten werden diese mitunter [12][von privaten Sicherheitsfirmen].
Außerdem investieren vermehrt afrikanische Armeegeneräle in Hotels und
Lodges innerhalb der Nationalparks, um ihr aus Korruption erwirtschaftetes
Geld zu waschen. In der führenden ugandischen Wildtierschutz-NGO UCF des
britischen Elitesoldaten Keigwin sitzen sogar die höchsten Generäle im
Aufsichtsrat und prägen die Entscheidungen mit.
Der Begriff Militarisierung ist unter Naturschützer unbeliebt, weil er das
positive Image ankratze, so der Forscher Christopher Day, der die
Militarisierungstendenzen in verschiedenen Parks Afrikas untersucht hat.
Naturschützer sprechen daher lieber von „Strafverfolgung“ im Sinne einer
polizeiähnlichen Tätigkeit. Doch bei der Planung von
Anti-Wilderei-Operationen würden viel mehr militärische Taktiken im Sinne
der „Aufstandsbekämpfung“ benutzt.
Es gibt mittlerweile zahlreiche Wissenschaftler*innen, die die
Militarisierung im Naturschutz untersuchen. Führend ist darunter das
Kollektiv [13][BioSec] an der Universität Sheffield, welches die
Zusammenhänge zwischen Artenschutz und Sicherheit unter die Lupe nimmt.
„Wir stellen fest, dass Naturschutz früher mehr ein ganzheitlicher Ansatz
war“, so Francis Massé von BioSec. Doch seitdem zunehmend militärische
Akteure die Entscheidungen treffen, verändere sich auch die Rolle der
Wildhüter*innen. „90 Prozent seiner Zeit verbringt er [der Ranger] mit
Anti-Wilderei-Operationen, fast alle finanziellen Mittel werden dafür
eingesetzt und auch in der Ausbildung nehmen militärische Taktiken einen
zunehmend größeren Stellenwert ein“, stellt Massé in seinen Erhebungen
fest. „Die Geldflüsse der Geber gehen zunehmend in Anti-Wilderei-Maßnahmen,
die jedoch teuer sind, sodass kaum mehr Mittel für Gemeindeprojekte übrig
bleiben.“
Die Forscher*innen von BioSec kritisieren, dass immer mehr
kostenintensive Sicherheitstechnologien im Naturschutzbereich Anwendung
finden. Dies sei die langfristige Folge der zunehmenden Kommerzialisierung
des Naturschutzsektors, so ihre Schlussfolgerung: Wenn Schutzgebiete sowie
deren Wildtierbestand wie ein Warenkorb als Einkommensfaktor eines Staates,
einer NGO oder einer Puplic-private-Partnership betrachtet werden, dann
müssten die „Produkte“ – also Flora und Fauna – mit allen Mitteln gesc…
werden.
Umso dringlicher wird dieser Schutz, wenn ein Großteil des Staatshaushalts
vom Tourismussektor abhängt, sind sich die Wissenschaftler*innen
einig. Das gilt vor allem in unsicheren Krisenregionen. Dies zeigt sich
nicht zuletzt in Kenia nach den Terrorangriffen zwischen 2011 und 2013, als
die Touristenzahlen rapide sanken, oder auch in Uganda, wo im April 2019
eine amerikanische Touristin im Queen-Elisabeth-Park nahe der Grenze zum
Kongo entführt wurde und die Geiselnehmer umgerechnet rund 450.000 Euro
Lösegeld forderten. Im benachbarten, kongolesischen Virunga-Park waren im
Mai 2018 zwei britische Touristen entführt worden. Daraufhin war der Park
fast neun Monate geschlossen, was große Verluste erzeugte. Die
Parkverwaltung investierte daraufhin in neue Sicherheitsmaßnahmen: eine
speziell trainierte Leibwächtereinheit für Touristen, elektrische Zäune
rund um die Lodges – Geld, das eigentlich dem Naturschutz dienen sollte.
Ein ugandischer Ranger brachte diese Veränderung in seinem Berufsbild mit
einem einzigen Satz auf den Punkt: „Meine Hauptaufgabe ist nicht, die Tiere
zu schützen, sondern die Einnahmen der Regierung.“ Dafür sei er von der
Regierung mit einer Waffe ausgestattet worden.
Ein „Marshallplan für den Naturschutz“
Die Ausbildung und Ausstattung von Wildhütern mit militärischen Methoden
und Mitteln ist in Afrika nicht neu. Bereits in den ehemaligen britischen
Kolonien – darunter Kenia, Uganda, Tansania – waren die Wildtierhüter –
damals Einheiten der königlichen Marine – bewaffnet. Als diese Staaten in
die Unabhängigkeit entlassen wurden, wurden die Ranger verfassungsrechtlich
als eine Säule des Sicherheitsapparats integriert. In Uganda trugen sie zur
Zeit der Unabhängigkeit einfache Jagdgewehre, um Elefanten zu töten, die
ausbrachen und Äcker und Ernten der Bevölkerung zerstörten.
Erst als sich in den 1990er Jahren bewaffnete Rebellen wie die Lord
Resistance Army (LRA) im Murchison-Falls-Nationalpark oder die Allied
Democratic Forces (ADF) im Rwenzori-Park verschanzten, wurden die Ranger
mit Kalaschnikows ausgestattet. Bis vor wenigen Jahren wurde zur
Verteidigung des Wildtierbestands in Uganda noch die reguläre Armee
entsandt, so zum Beispiel auch bei den Militäroperationen 2006, durch
welche die LRA aus dem Murchison-Falls-Nationalpark vertrieben wurde.
Mittlerweile sind die Ranger der ugandischen Wildtierschutzbehörde UWA
ähnlich gut ausgebildet und ausgestattet wie die Soldaten. Sie wurden
[14][von britischen Militärs im Anti-Terror-Kampf trainiert].
Am Beispiel des Virunga-Parks in der DR Kongo kann man die zunehmende
Militarisierung ebenfalls gut nachverfolgen. Dort übernehmen die Ranger
innerhalb des Parks fast vollständig die Aufgaben der Armee. Während der
belgischen Kolonialzeit waren die meisten Parks in Belgisch-Kongo von
Zoologen und Biologen gegründet worden, es gab zunächst keine bewaffneten
Parkranger. In der Zeit des Diktators Mobutu, der die Parks als seine
eigenen Jagdgründe betrachtete, wurde die Einheit der sogenannten Ecoguards
als Leibgarde für seine Tiere aufgesetzt. Sie waren ihm direkt unterstellt,
nicht der Armee.
Erst in den 1970er Jahren, als zunehmend mehr Finanzmittel von außen in die
kongolesischen Parks flossen, wurden die Ecoguards in der
Naturschutzbehörde Institut Congolais pour la Conservation de la Nature
(ICCN) in die Strukturen des Tourismusministeriums integriert. Sie trugen
nur vereinzelt Waffen zum Selbstschutz. Als zum Ende der Mobutu-Ära 1994
während des Völkermords in Ruanda Millionen von ruandischen Flüchtlingen
aus dem Nachbarland in den Ostkongo eindrangen, waren die beiden
Nationalparks – der Virunga sowie der Kahuzi-Biéga – entlang der Grenze
quasi ungeschützt, sodass die Flüchtlinge Unmengen an Bäumen für Feuerholz
abholzen konnten. Auch die ruandischen Völkermörder, die samt ihren Waffen
in die DR Kongo geflohen waren, versteckten sich in den Wäldern und formten
dort die Hutu-Miliz Forces Démocratiques de la Libération du Rwanda (FDLR),
die bis heute den illegalen Holzkohlehandel kontrolliert. Laut Angaben der
Virunga-Parkleitung [15][erwirtschaftet die FDLR daraus jährlich rund 27
Millionen Euro].
Die nationale Armee war mit dem Sturz Mobutus 1996 zerfallen. Es kam in der
Folge zu zahlreichen Kriegen. Inmitten des dritten Kongo-Kriegs fanden 2007
Wildhüter in den Bergen des Virunga die Kadaver einer Gorillafamilie,
erschossen und verstümmelt von Rebellen, wahrscheinlich der FDLR. Der
belgische Gorillaforscher de Merode, damals Chef der NGO WildlifeDirect im
Kongo und später Leiter des Parks, mutmaßte, die FDLR wolle die Gorillas
ausrotten, damit der Nationalpark aufgegeben werde und sie den
Holzkohlehandel ausweiten könne. Die Bilder der toten Tiere erzeugten einen
Aufschrei – und führten langfristig zu einem verstärkten finanziellen
Engagement westlicher Geber für den Virunga. Von einer militärischen
Aufrüstung war noch nicht die Rede.
Der Schlüsselmoment für diese Entscheidung ereignete sich 2012. Damals
schlugen Rebellen der Bewegung des 23. März (M23) mitten im Virunga-Park
ihr Hauptquartier auf, direkt neben dem Hauptsitz der Parkverwaltung in
Rumangabo. Doch anstatt die Gorillas zu massakrieren, boten die
M23-Rebellen nun ausländischen Touristen Gorillatouren für einen
Dumpingpreis von 360 Euro pro Person an und erwirtschafteten daraus
Einnahmen. Der M23-Tourismusminister, Stanislas Baleke, rühmte sich damit,
[16][seine Rebellenarmee würde die Gorillas besser schützen als die
Parkverwaltung]. Zur selben Zeit verhandelte die britische Ölfirma SOCO in
der Hauptstadt Kinshasa um Förderkonzessionen, um die Reserven unter dem
Virunga-Park anzuzapfen. Der Park stand kurz vor dem Aus.
„Einen Marshallplan für den Ostkongo“ nannte US-Milliardär und
Ex-Coca-Cola-Direktor Howard Buffett damals seinen Rettungsplan. 2015
erzählte er, wie er mit dem belgischen Prinzen de Merode, mittlerweile
Direktor des Virunga-Nationalparks, im Jahr 2012 abends am Kamin in einer
leeren Fünf-Sterne-Lodge die Idee ausgebrütet hatte. Es war das dritte Mal,
dass der Hobbynaturschützer Buffett in den Kongo gereist war, um „endlich
einmal die Gorillas zu sehen“. Vergeblich, denn wieder herrschte Krieg.
„Wir konnten von Weitem das Feuergefecht hören“, [17][erinnert sich
Buffett].
Buffett erklärte: Der Park sei nur zu retten, wenn es Frieden gäbe, damit
Touristen kämen. Doch dazu musste eine Lösung für die Rebellen gefunden
werden. Die M23-Offiziere kamen abends in die Lodge zum Whiskeytrinken.
Howard Buffett lud M23-Rebellenchef Sultani Makenga kurzerhand ein und bot
ihm an, seine Rebellenarmee als Parkwächter einzustellen, um gegen
rivalisierende Milizen wie die FDLR vorzugehen. Doch Makenga lachte nur:
„Ich kämpfe für politische Ziele und nicht für Gorillas“, sagt er. Die I…
floppte. Buffett und de Merode entschieden daraufhin, eine spezielle
Rangereinheit zu trainieren, die es mit den Rebellen aufnehmen konnte.
Von britischen, belgischen und französischen Militärtrainern wurde
daraufhin eine aus 300 Soldaten bestehende Spezialtruppe ausgebildet: die
sogenannte Quick Response Unit (QRU), die „Schnelle Eingreiftruppe“. Sie
wurde besser geschult als die Soldaten der Armee und war zu Beginn vom
Verteidigungsministerium unabhängig. Ausgestattet mit
Scharfschützengewehren, Raketenwerfern und Nachtsichtgeräten, wurden die
Ranger in den Krieg geschickt. Dies machte das Verteidigungsministerium in
Kinshasa hellhörig. Kongos führende Generäle argwöhnten, der
US-amerikanische Milliardär und der belgische Parkdirektor würden eine
Privatarmee aufbauen. Im Dokumentarfilm „Guns for Hire“ muss sich auch der
Vertreter der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), die damals noch
den Virunga unterstützte, die Frage gefallen lassen, ob er eine „Armee für
Frankfurt“ im Kongo trainiere.
Ende 2014, kurz nach der Oscarnominierung des [18][Netflix-Films
„Virunga“], geriet de Merode mitten im Park in einen Hinterhalt. Er
überlebte nur knapp mit fünf Kugeln im Leib. Als er wenige Monate später
wieder Interviews gab, wurde er von zwölf schwer bewaffneten Leibwächtern
begleitet. Sie trugen Maschinengewehre und Panzerfäuste. Aus dem
Naturschützer war der Kommandant einer paramilitärischen Truppe geworden.
Durch ein Dekret des Premierministers wurde 2015 schließlich das
kongolesische Naturschutzinstitut ICCN reformiert und ebenfalls unter die
Hoheit des für Korruption und Kriegsverbrechen berüchtigten
Verteidigungsministeriums gestellt. Sämtliche Ecoguards wurden dadurch in
die nationalen Sicherheitsstrukturen integriert. Es wurde das Ziel
formuliert, die Zahl der Ecoguards landesweit von 4.000 auf 10.000 zu
erhöhen. Oberste Funktionen der neu ausgebildeten QRU-Einheiten sei der
„Kampf gegen die Wilderei“ und „andere Verbrechen“ in den Schutzgebiete…
[19][so das Dekret]. Mittlerweile planen und exekutieren die QRU-Offiziere
entweder eigenständig oder gemeinsam mit der Armee militärische Operationen
gegen Milizen innerhalb des Parks, wobei die QRU-Offiziere auch gegenüber
der Armee die Befehlshoheit innehaben. Kongos einst unbewaffnete Ecoguards
ziehen mittlerweile mit Panzerfäusten durch den Dschungel.
Viele Wildhüter im Virunga-Park sagen, ihre Arbeit habe sich durch diese
Reform grundlegend geändert: „Ich wollte Ecoguard werden, wie mein
Großvater und mein Vater“, so einer der QRU-Ranger. „Doch anstatt die Natur
und die Tiere zu schützen, haben sie mich zur Kampfmaschine gemacht.“ Heute
– nach über zwei Jahren Kampferfahrungen – ist er ernüchtert: Er leide an
posttraumatischem Stress. „Mit Naturschutz hat mein Job fast gar nichts
mehr zu tun“, klagt er. In seinen zwei Dienstjahren habe er keinen einzigen
Gorilla zu Gesicht bekommen, dafür aber unzählige Menschen erschossen.
Elfenbein – das weiße Gold des Dschihads
Zur gleichen Zeit, als die Schnelle Eingreiftruppe (QRU) der
Naturschutzbehörde ICCN gegründet wurde, wurden 2012 im ostkongolesischen
Garamba-Nationalpark die Kadaver von 26 Elefanten entdeckt. Anstatt ihrer
Stoßzähne klafften blutige Stümpfe. Es war eines der größten Massaker der
jüngsten Zeit. Der Garamba-Park galt einst als Kronjuwel unter Diktator
Mobutus Jagdgebieten. Auch der ehemalige bayrische Ministerpräsident Franz
Josef Strauß war in den 1980er Jahren dort zur Elefantenhatz.
2005 hatte die Naturschutz-NGO [20][African Parks], die mittlerweile 16
Parks auf dem afrikanischen Kontinent verwaltet und diese als
Public-private-Partnership zu profitorientierten Unternehmen
umstrukturiert, den Garamba-Park übernommen und wollte ihn mithilfe des
Tourismus finanziell auf Vordermann bringen. Dann hatten sich 2006 die
LRA-Rebellen in den dichten Wäldern eingenistet, nachdem sie aus Uganda
geflohen waren. Kurz nach der Entdeckung der Kadaver bezeichnete
[21][African Parks den Garamba als „Ground Zero“].
Schnell wurden Vermutungen laut, LRA-Rebellen hätten die Elefanten erlegt.
Die ugandische Miliz war gerade von US-Behörden zur Terrororganisation
deklariert worden. Es war die Hochphase des weltweiten Kriegs gegen den
Terror, auch in Afrika. 2010 hatte die somalische islamistische Miliz
[22][al-Shabaab in Ugandas Hauptstadt Kampala Bomben gezündet und 74
Menschen getötet]. 2011 waren US-Spezialeinheiten über Uganda und die DR
Kongo in die Zentralafrikanische Republik vorgerückt, um Konys LRA zu
zerschlagen. Von seinen Stützpunkten am Horn von Afrika aus flog das
US-Militär Drohnenangriffe auf Al-Shabaab-Einheiten in Somalia. 2013 griff
die Miliz, die allem Anschein nach Kontakte zu al-Qaida in Afghanistan
unterhielt, das von israelischen Geschäftsleuten aufgebaute
[23][Einkaufszentrum „Westgate“ in Kenias Hauptstadt Nairobi] an und tötete
71 Menschen. Westliche Botschaften gaben Reisewarnungen heraus. Als Folge
brach Kenias Tourismussektor ein, [24][der immerhin rund 10 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht].
Inmitten dieser Ereignisse wurde im Mai 2012 der britische Zoologe und
Gründer der NGO Save the Elephants, Iain Douglas-Hamilton, nach Washington
eingeladen. Der für Afrika zuständige Senatsausschuss hielt eine Sitzung
zur Problematik der Wilderei und der Sicherheit in Afrika ab. [25][In
seinem „Zeugnisbericht“ nannte Douglas-Hamilton] Umsatzzahlen im
Elfenbeinhandel von bis zu 9 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sei mehr, als
durch illegalen Waffen- oder Drogenhandel gewonnen würde. Als Akteure
nannte er asiatische Syndikate, die nun vermehrt in Afrika tätig seien,
sowie afrikanische Wilderer, die Beziehungen zu „kriminellen Gangs und
Milizen in Ländern wie Sudan und Somalia“ unterhielten.
Gemeint waren die islamistische Al-Shabaab-Miliz in Somalia, die
Dschandschawid-Milizen in Sudans Bürgerkriegsregion Darfur sowie die
ugandische LRA unter ihrem vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH)
gesuchten Anführer Joseph Kony, der sich zu jener Zeit in den dichten
Wäldern zwischen der DR Kongo, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik
verschanzt hatte.
Der Elefantenforscher stützte seine Aussagen auf Recherchen, die Nir Kalron
und Andrea Crosta zwischen 2010 und 2012 in Kenia durchgeführt hatten,
einem Transitland für Elfenbein. Ihr 2011 nur in Auszügen veröffentlichter
Bericht mit dem Titel „Africa’s White Gold of Jihad“ besagte, dass sich
diese afrikanischen Terrorgruppen durch den Elfenbeinhandel finanzierten.
Angeblich handle [26][al-Shabaab mit rund drei Tonnen Elfenbein pro Monat].
Der Israeli Nir Kalron ist bis heute eine der einflussreichsten
Persönlichkeiten im Krieg gegen die Wilderei. Bereits sein Vater hatte als
Oberst der israelischen Luftwaffe die kenianischen Piloten der
Wildtierschutzbehörde Kenya Wildlife Services (KWS) trainiert. Der
39-jährige israelische Ex-Elitesoldat, Sicherheitsberater sowie
Waffenhändler war letztlich 2013 nach einem weiteren Elefantenmassaker in
der Zentralafrikanischen Republik und Kamerun nach Afrika gerufen worden.
Muslimische Rebellen hatten im Dzanga-Sangha-Nationalpark über 20 Elefanten
erlegt, mit Maschinengewehren und Raketenwerfern. WWF-Projektmanager
Jean-Bernard Yarissem kam gerade so mit dem Leben davon, er floh in den
Dschungel und versteckte sich dort im Unterholz.
Der Park war gerade dabei gewesen, sich für den Tourismus zu öffnen, und
hatte im Rahmen des trinationalen Fonds FTNS [27][Gelder aus Deutschland]
erhalten. Verwaltet wird der Dzanga-Sangha-Park vom WWF Deutschland und der
US-NGO Wildlife Conservation Society (WCS) – die durch die Präsenz der
Rebellen ihre Projekte in Gefahr sahen.
Maisha bedeutet Leben
In Tel Aviv sah Kalron die Bilder der Elefantenkadaver im Fernsehen und
stieg kurz entschlossen ins Flugzeug. Der ehemalige Elitesoldat sollte im
Auftrag von WWF und WCS in den Dschungel vorrücken und Rebellen verjagen.
[28][Gemeinsam mit einer Handvoll Kameraden der israelischen
Spezialeinheiten durchkämmte er den zentralafrikanischen Dschungel].
Nur wenige Monate später war das Problem offenbar unter Kontrolle –
zumindest im Dzanga-Sangha-Park. Was genau in diesen Tagen in den dichten
Wäldern des Bürgerkriegslandes geschah, lässt sich bis heute nicht
nachvollziehen. Bekannt ist, dass der WWF 2014 ein siebenwöchiges Training
für Anti-Wilderei-Einheiten finanzierte, das von Kalrons Elitesoldaten
durchgeführt wurde, auch im Umgang mit Waffen. 2015 meldete der WWF:
[29][„Friede ist eingekehrt im Dzanga-Sangha“].
„Maisha bedeutet Leben“, wird auf der Webseite der [30][Maisha Group Ltd.]
erklärt. Kalrons private Sicherheitsfirma, die er Ende 2012 mit Sitz in Tel
Aviv gründete, ist mittlerweile die erste Adresse für die Ausbildung von
Anti-Wilderei-Einheiten in Afrika. „Wir operieren nicht als private Armee
oder unterlaufen die staatliche Souveränität der Länder“, erklärt Kalron
seine Geschäftsidee. „Wir arbeiten mit Partnern wie der WCS in
verschiedenen Hotspots zusammen, bauen Verbindungen zu staatlichen Stellen
auf, um spezielle Trainings zu geben, Geheimdienstinformationen zu teilen
oder gemeinsame Operationen durchzuführen.“ In einem Interview erklärte er:
„Wir hatten das Gefühl, dass die Situation mit den Elefanten uns zu den
Waffen gerufen hat.“
In seinem mittlerweile multinationalen Team habe er Experten für jegliche
Disziplin, so Kalron: „Analysten aus israelischen Geheimdiensten,
Spezialkräfte, Technikexperten.“ Sie sprächen Arabisch, aber auch
afrikanische Sprachen wie Hausa und Somali. Die meisten seien jedoch keine
einfachen Söldner, sondern arbeiteten für Maisha, „weil sie emotional
involviert sind“.
Auch Kalrons Co-Autor, der in den USA wohnhafte Italiener Andrea Crosta,
stieg in das Wildtiergeschäft ein. Der damalige Sicherheitsberater für
verschiedene Regierungen in Sachen Piratenbekämpfung gründete 2012 die NGO
Elephant Action League in Kalifornien, die später in [31][Earth League
International (ELI)] umbenannt wurde. Seit 2014 betreibt sie die
Internetseite [32][„Wildleaks“], eine Whistleblower-Plattform gegen
Wilderei, die eine „mögliche finanzielle Zuwendung von der US-Regierung“
für Informationen über Wilderei verspricht. Sein Team bestehe aus
Geheimdienstlern und ehemaligen Mitgliedern der Strafverfolgungsbehörden
wie des Federal Bureau of Investigation (FBI), so Crosta. Er bezeichnet ELI
als „innovative gemeinnützige Organisation, die die Welten der
Geheimdienste und des Naturschutzes zusammenbringen – im Dienste der
Wildtiere, der Ozeane, der Wälder und der Menschen, die sie verteidigen“.
Mittlerweile sind zahlreiche Sicherheitsfirmen dieser Geschäftsidee gefolgt
und haben sich auf Wildtierschutz spezialisiert. Die meisten dieser Firmen
werden von ehemaligen Militärs betrieben, die ihre militärischen
Fähigkeiten auf dem globalen Markt anbieten und den Naturschutzsektor als
Nische für sich entdeckt haben.
Ruf zu den Waffen
Die meisten Naturschutzorganisationen haben inzwischen die Behauptung einer
Verbindung zwischen Terror und Elfenbeinhandel unhinterfragt übernommen –
dabei ist sie längst widerlegt. Die Akademikerin [33][Natasha White, die
2014 einen kritischen Artikel verfasste], in dem sie die Zusammenhänge
zwischen dem Krieg gegen den Terror und dem Krieg gegen die Wilderei
untersuchte, kam hinsichtlich Kalrons und Crostas Engagement zu dem
Schluss: „Die Rechtfertigung des Kriegs gegen die Wilderei basierte auf
einer Serie unhaltbarer Annahmen.“
Wie sich herausstellte, stützten Kalron und Crosta ihre Thesen, die LRA
sowie die al-Shabaab würden sich vom Elfenbeinhandel finanzieren, lediglich
auf ein Gespräch mit zwei anonymen Informanten in einem Hotel in Nairobi.
ELI veröffentlichte erst [34][2016 in einer aktualisierten Version des
Berichts] den einsichtigen Kommentar: „Elfenbein spielte im Gesamtbudget
von al-Shabaab eine relativ kleine Rolle.“
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam 2015 auch der LRA-Experte [35][Ledio
Cakaj in seinem Bericht „Tusk Wars“] für die NGO Enough Project. Er fragte
LRA-Deserteure nach dem Elfenbeinhandel. Sie bestätigten: LRA-Führer Kony
würde Elfenbein gegen Waffen und Munition eintauschen. Die konkrete Menge
sei schwer nachvollziehbar, aber „die Schätzungen sind recht gering im
Vergleich zu anderen Wilderer-Netzwerken in der Region“. Die Deserteure
nannten eine Zahl, die weit unter den im Bericht geschilderten drei Tonnen
jährlich liegt, nämlich „insgesamt ungefähr 100 Stück“.
Unhaltbare Annahmen sind das eine Problem. Das andere ist die gezielte
Manipulation von Informationen durch militärische Akteure, um militärische
Operationen zu rechtfertigen – ähnlich der Propaganda im Krieg gegen den
Terror. Wie sich nämlich im Nachhinein herausstellte, waren die 26
Elefanten im Garamba-Nationalpark gar nicht von der LRA erlegt worden. Sie
wiesen Schusswunden von Scharfschützengewehren im Schädel auf. Offenbar
waren sie vom Hubschrauber aus erlegt worden.
Die UN-Mission im Kongo (MONUSCO) ist im Besitz von Radaraufzeichnungen von
ugandischen Armeehubschraubern, die zu jener Zeit unerlaubt in den
kongolesischen Luftraum eingedrungen waren. Der Helikopter mit der
Registrierungsnummer AF 605 gehörte zu Ugandas Luftwaffe, die zu jener Zeit
unter amerikanischer Beratung bereits die Militäroperationen gegen die LRA
jenseits ihrer eigenen Landesgrenzen anführte. LRA-Experte [36][Titeca
kommt 2019 wie viele andere Forscher zum Schluss], dass all die
Falschaussagen eine „klare Agenda [haben] – nämlich Lobbyarbeit zu leisten
für ugandische und amerikanische Militärs, um ihnen Zugang zur DR Kongo zu
ermöglichen“.
Und diese Agenda hat Erfolg: Nur wenige Tage nach dem Elefantenmassaker
2012 verkündete die Afrikanische Union (AU) die Entsendung einer regionalen
Eingreiftruppe bestehend aus 5.000 Soldaten. Mit Ugandas Spezialeinheiten
an der Spitze und von 100 Beratern der US-Streitkräfte unterstützt, wurde
die Jagd auf Kony letztlich zum gigantischen Plünderungsfeldzug im
ressourcenreichen Drehkreuz zwischen Uganda, der DR Kongo, Südsudan und der
Zentralafrikanischen Republik. Sowohl [37][ugandische als auch
südsudanesische Militärs bereicherten sich am Elfenbein, ließen
systematisch den Regenwald abholzen], suchten in den Minen im Wald nach
Gold. Ugandas Armee verneint die Vorwürfe vehement.
Im Gegensatz zum Dzanga-Sangha-Park, wo die Wilderei unter Kontrolle
gebracht wurde, gingen die Elefantenmassaker im Garamba-Park im großen Stil
weiter. Dabei war auch hier Maisha von African Parks angeheuert worden, die
Wilderer aktiv zu bekämpfen und die Ranger zu trainieren. Obwohl afrikaweit
die Zahl der getöteten Elefanten nach 2016 deutlich zurückging, wurden
allein im Garamba-Park 2017 rund 120 Elefantenkadaver gezählt. Mittlerweile
sind im Garamba-Nationalpark gerade noch 1.200 Elefanten übrig. Forscher
wie Titeca sind sich sicher: „Der Garamba ist ein Honigtopf für Wilderer.“
Doch die meisten von ihnen tragen Armeeuniformen der ugandischen oder
südsudanesischen Streitkräfte.
Erst nachdem die Militäroperationen 2017 vorbei waren, ging die Zahl der
getöteten Elefanten zurück. „In nur 18 Monaten ging die Wilderei auf
Elefanten um 50 Prozent zurück – im Jahr 2018 wurden bislang nur zwei
getötet“, heißt es auf der [38][Webseite anlässlich des 80-jährigen
Bestehens des Parks im Jahr 2018]. Die Erzählung, nach der Terroristen mit
Kampfhubschraubern Elefanten jagen würden, hat sich jedoch bis heute
gehalten.
## Töten und Gutes tun
Die vom Westen finanzierte Militarisierung des Natur- und Artenschutzes
geht mittlerweile so weit, dass ein Teil der Spezialausbildung für die
Anti-Wilderei-Einheiten Ostafrikas direkt von westlichen Militärs
durchgeführt und zum Teil aus deren Verteidigungsbudgets finanziert wird.
Der Militärattaché der britischen Botschaft in Uganda erklärt: „Wir
trainieren nur – die Ausrüstung kommt von den Amerikanern.“ Er habe seit
2017 acht Trainingspakete für jeweils rund 30 Ranger der verschiedenen
Parks in Uganda organisiert. Die Wildhüter bekämen von der ugandischen
Armee zuerst eine zehnwöchige Grundausbildung, anschließend würden drei
britische Militärinstrukteure aus der Infanterie die Offiziere sowie
Spezialeinheiten ausbilden.
Die Briten müssen gar nicht von weit her einfliegen: Im Rahmen des Krieges
gegen den Terror sind britische Ausbilder in Kenia stationiert. Sie kommen
regelmäßig nach Uganda, um Soldaten der ugandischen Armee (UPDF) für ihren
Friedenseinsatz im Auftrag der Afrikanischen Union (AU) in Somalia fit zu
machen. Danach reisen sie in die Nationalparks, um dort die Ranger in
denselben Methoden zu unterrichten. Man erhoffe sich neben Geldern aus dem
Verteidigungsbudget mehr Unterstützung aus dem ugandischen
Umweltministerium (DEFRA) oder von dritten Partnern, so der Attaché. DEFRA
bezahlt mittlerweile das 2018 in Malawi gestartete Trainingsprojekt für die
dortigen Parkranger durch britische Soldaten sowie ein ähnliches Projekt in
Gabun. Hier fließen internationale Gelder, die für den Naturschutz
vorgesehen sind, direkt in militärische Unternehmungen im Rahmen des Kriegs
gegen den Terror.
In Tansania hatte die Ausbildung der Anti-Wilderei-Einheiten einen
schlechten Start. 2012, kurz nach Douglas-Hamiltons Rede im US-Senat,
entschied sich eine kleine Gruppe US-Soldaten, ihre Kampferfahrungen in
Ostafrika anzubieten. Sie gründeten die NGO [39][Veterans Empowered to
Protect African Wildlife (VETPAW)], um „die unbestrittenen Fähigkeiten und
Erfahrungen der 9/11-Veteranen zu nutzen“, wie es auf der Internetseite
beschrieben wird. Ihre Mission: den Wildtierbestand in Tansania zu retten.
Die vom Sender Animal Planet produzierte Dokumentarserie „Blood Ivory“, die
die Veteranen in die tansanische Savanne begleitet, erzählt von jungen
Männern und Frauen mit unbehandelter posttraumatischer
Stresssyndrom-Symptomatik (PTSD). VETPAW-Gründer Ryan Tate, damals gerade
einmal 30 Jahre alt, erklärte, [40][er habe sich in Afrika zu einem neuen
„Krieg“ gemeldet]: „Jeder leidet unter PTSD, wenn er aus einem Krieg
zurückkehrt […]. Es gibt all diese Veteranen, die mit Milliarden von
US-Dollar ausgebildet wurden, aber die Regierung braucht sie nicht mehr –
ich habe Verwendung für sie gefunden.“
Seine Verwendung ließ sich täglich auf den sozialen Medien verfolgen,
wodurch VETPAW mehr Spenden einwerben wollte. Kurz bevor die ehemalige
Mechanikerin der US-Armee, Kinessa Johnson, 2015 ins Flugzeug nach
Ostafrika stieg, gab sie in den USA ein TV-Interview. Sie erklärte: „Wir
werden ein paar schlimme Jungs töten und was Gutes tun!“
Diese Medienöffentlichkeit wurde VETPAW letztlich zum Verhängnis. Tansanias
Ministerium für Natürliche Ressourcen und Tourismus sowie die Polizei
hatten VETPAW zuerst das Okay gegeben, die Ranger im
Ngorongoro-Schutzgebiet und im Rungwa-Game-Reserve zu trainieren. Mit ihrer
Hilfe wurden 25 Wilderer festgenommen – ein Erfolg, der von VETPAW medial
ausgeschlachtet wurde. Doch damit wurden die Medien auch auf das Zitat von
Johnson aufmerksam. Im Mai 2015 wurde VETPAW-Chef Tate morgens um drei Uhr
in New York aus dem Bett geklingelt. Tansanias Tourismusminister Lazaro
Nyalandu gab in Daressalam eine Pressekonferenz: Er sei „erschüttert“ und
„enttäuscht“ über diese Aussage und erklärte die Zusammenarbeit mit VETP…
für beendet. Angaben auf der VETPAW-Internetseite zufolge ist die NGO nach
wie vor in Afrika aktiv. Wo genau, das wird allerdings nicht beschrieben.
US-Botschafter Mark Childress in Tansania ließ nach dem Skandal das 403.
Bataillon für zivile Angelegenheiten vom US-amerikanischen Afrika-Kommando
(AFRICOM) einfliegen. „Ich sage euch eins“, [41][erklärte er in seiner
Kampfansage], „wenn ich ein Wilderer in Tansania wäre und morgens aufwachen
würde und in den Nachrichten hören würde, dass AFRICOM hier ist – dann wä…
das für mich eine wirklich schlechte Nachricht.“
Von 2015 bis 2018 bildeten US-Militärs mit umgerechnet rund 13 Millionen
Euro aus dem Budget der Entwicklungsagentur USAID eine 300-Soldaten-starke
Anti-Wilderei-Einheit für die tansanische Wildtierschutzbehörde Tansania
Wildlife Management Agency (TAWA) aus. [42][Rekrutiert wurden die Wildhüter
durch die tansanische Armee]. Neben Stiefeln, Ferngläsern, Taschenlampen
und Uniformen erhielt TAWA Patrouillenfahrzeuge und
Telekommunikationssysteme aus den USA.
Mit deutscher Hilfe wurden zur selben Zeit in Tansania die
Wildtierschutzbehörde und Strafverfolgungsbehörden umorganisiert. Seit 2016
gibt es ein Komitee, in dem sich sowohl Vertreter der Wildtierbehörde TAWA
als auch des WWF, der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), der
deutschen Entwicklungsbank KfW sowie der tansanischen Regierung und
Vertretern der lokalen Bevölkerung vierteljährlich treffen. Das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hat über die KfW
dafür [43][18 Millionen Euro für vier Jahre bereitgestellt].
Haupteinnahmequelle der TAWA soll jedoch in Zukunft der Tourismus sein, so
der für Tansania zuständige WWF-Vertreter Johannes Kirchgatter. Das Land
hat mittlerweile ein Viertel seiner Fläche zum Schutzgebiet deklariert.
In Tansania ist die Trendwende geschafft. Symbolisch steht dafür das Urteil
in einem Prozess gegen den womöglich größten Wilderer-Ring Afrikas: 15
Jahre Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet 11,6 Millionen Euro – so
lautet der [44][Richterspruch im Fall der sogenannten Elfenbeinkönigin im
Februar 2019]. Das Gericht in Daressalam verurteilte sie zudem wegen
Führung einer kriminellen Vereinigung.
Die Chinesin Yang Fenglan galt jahrzehntelang als die Patin eines
Mafiarings aus chinesischen Investoren und Politikern, der den
Elfenbeinhandel aus Ostafrika nach China und Vietnam wie ein Kartell
dominierte und über 2,25 Millionen Euro Profit erwirtschaftet hatte. Laut
Gerichtsurteil hatte sie 840 Stoßzähne zwischen 2000 und 2014 außer Landes
geschmuggelt – dafür wurden 420 Elefanten getötet.
Im Zuge des Verfahrens wurde auch die Zusammenarbeit der Chinesen mit
tansanischen Offiziellen im Geschäft um das Elfenbein bekannt: Als 2014 der
Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas Xi Jinping auf seiner
ersten Auslandsreise nach Tansania geflogen war, verdoppelten sich die
Elfenbeinpreise am Tag vor seiner Ankunft auf umgerechnet 631 Euro pro
Kilo. Tausende Kilogramm Elfenbein wurden im Diplomatengepäck der
Präsidentenmaschine nach China ausgeflogen. Ohne die tief verwurzelte
Korruption in der politischen Elite in Tansania wären solche Geschäfte
unmöglich, so Rebeca Sandoval von EAGLE, einer NGO, die sich gegen
Korruption im Wildtiergeschäft einsetzt. Sie erklärt: „Im Handel mit
Wildtierprodukten ist Korruption überall zu 100 Prozent garantiert.“
Die Game Rangers Association of Africa lobte [45][in einer Pressemitteilung
zwar das zunehmende Engagement ausländischer Ausbilder im Wildtierschutz],
klagte jedoch: „Auch wenn es sich um ehrenwerte Intentionen handele, gebe
es zunehmend Bedenken.“ Der Hauptkritikpunkt: Die Arbeit der Ranger
unterscheide sich kaum noch von der eines Soldaten oder einer Soldatin in
einem Kriegsgebiet. Der Gebrauch von Scharfschützengewehren sollte aber im
Einsatz gegen Wilder*innen unmittelbar zur Verhaftung der Ranger führen,
denn „Ranger müssen stets die grundlegenden Menschenrechte respektieren,
wenn sie mit Verdächtigen umgehen“, so die Empfehlung.
## Naturschutz 2.0
Bereits Elefantenforscher Douglas-Hamilton hatte in seiner Rede vor dem
US-Senat 2012 ein ganzes militärisches Arsenal für die Parks verlangt:
Hubschrauber, Flugzeuge, Drohnen, GPS-Sender, die in Wildtiere eingepflanzt
werden, um via Satellitenverbindung ihre Bewegung zu verfolgen, sowie
andere „Hightechlösungen“. Konkret nannte er Softwareanwendungen, die seine
NGO gerade entwickle: „Ein Algorithmus, der Verletzungen und Tod“
feststellen [46][und dann automatisch Patrouillen alarmieren könne].
Seine Forderungen waren erfolgreich: 2016 wurde in den USA das [47][Globale
Anti-Wilderei-Gesetz] verabschiedet, welches letztlich die
US-Entwicklungsagentur USAID beauftragte, auch in Afrika gegen die Wilderei
vorzugehen. Die meisten Projekte werden von der US-NGO [48][Wildlife
Conservation Society (WCS)] [49][umgesetzt]. In Paragraf 401 des Gesetzes
heißt es ausdrücklich: „Die USA sollen weiterhin militärische Güter (jedo…
keine signifikante Ausrüstung), Verteidigungsdienste und relevante
Ausbildung von angemessenen Sicherheitskräften in die afrikanischen Länder
liefern, die dem Zweck des Kampfes gegen den Wildtierhandel und die
Wilderei dienen.“
Wer heute den Kontrollraum eines modernisierten afrikanischen Nationalparks
betritt, glaubt seinen Augen kaum. „Es erinnert an einen James-Bond-Film
oder an ‚Jurassic Park‘“, so Politikwissenschaftler Chistopher Day. Auf
Bildschirmen lässt sich die Bewegung von Tieren nachvollziehen, die mit
GPS-Sendern ausgestattet sind. An strategischen Wasserstellen, wo sich
Tiere in großen Herden sammeln und eine leichte Beute für Wilderer
darstellen, sind Überwachungskameras installiert. Ranger tragen ebenso
GPS-Sender, um auch ihre Bewegung zu überwachen und sie im Notfall per Funk
zu verständigen.
Dank ausgefeilter Überwachungstechnologie lassen sich Eindringlinge
aufspüren: Betritt eine Wilderin oder ein Wilderer mit Handy den Park,
registrieren die Funkmasten ein nicht identifiziertes Signal. Drohnen
werden gestartet, um die Person ausfindig zu machen. Mittels
Kleinflugzeugen, Hubschraubern oder Geländewagen können dann
Anti-Wilderei-Einheiten losgeschickt werden. Diese sind mit schusssicheren
Westen, Scharfschützengewehren, Nachtsicht- sowie Wärmebildkameras
ausgestattet. So viele Hightechgeräte haben manch afrikanische Armeen und
Geheimdienste nicht.
All diese Ausrüstung ist teuer. Ihre Anschaffung wird in der Regel über
internationale Gelder zur Anti-Wilderei-Bekämpfung finanziert. Die
nationalen Budgets vieler Wildtierschutzbehörden sind aus
Sicherheitsgründen nicht für die Öffentlichkeit einsehbar. Daher ist es
schwer zu sagen, wie viel in jeden Park investiert wird; nicht nur in die
Anschaffung, sondern auch in die Wartung der Geräte sowie die Ausbildung
von Experten, die mit der Technik auch umgehen können. [50][Ugandas
„Elephant Actionplan“ von 2016 bis 2026], den die Wildtierschutzbehörde UWA
im Rahmen des von der Europäischen Union (EU) finanzierten
[51][MIKE-Projekts von CITES] aufgesetzt hat, ermöglicht einen Einblick:
Allein das Budget für die Ausbildungsprogramme – von Hundestaffeln über
Geheimdienstabteilungen bis hin zu Gemeinde-Pfadfindern in den Dörfern, die
den Behörden Informationen über potenzielle Wilderer liefern – umfasst 4,5
Millionen Euro.
Finanziert wird dies fast ausschließlich von westlichen Gebern. In den acht
ostafrikanischen Fokusländern, die von CITES für das MIKE-Projekt
auserkoren wurden – unter anderem Kenia, Tansania und Uganda –, wurde die
Anschaffung der Überwachungstechnologien über ein Projekt der EU finanziert
und vom [52][Büro der Vereinten Nationen für Drogen und
Verbrechensbekämpfung (UNODC) sowie der WCS implementiert]. USAID hat über
die WCS wiederum von der israelischen Sicherheitsfirma Maisha durchgeführte
Trainings bezahlt. Die NGO Save the Elephants setzte gemeinsam mit WCS
sowie der Stiftung Earth Alliance von Leonardo DiCaprio den Elephant Crisis
Fund auf, der „schnell die besten Ideen fördert“, wie auf der Webseite
angepriesen wird. In den vergangenen Jahren wurden in diesem Rahmen
umgerechnet [53][rund 18 Millionen Euro ausgezahlt, um 257
Anti-Wilderei-Projekte in Afrika zu ermöglichen].
Mit der zunehmenden Technologisierung des Naturschutzes sehen mittlerweile
auch Techkonzerne in Afrikas Naturschutzbehörden ihre zukünftigen Kunden:
Gemeinsam mit dem WWF und einer Spende von über 4,5 Millionen Euro von
Google wurden 2017 Bathawk-Drohnen an African Parks geliefert, um ein
umfassendes Experiment in Malawi zu starten, welches die Wirksamkeit von
Drohnen im Kampf gegen die Wilderei untersuchen soll. Seit 2017 arbeitet
die Onlineplattform Instagram mit Naturschutz-NGOs wie WWF und
[54][TRAFFIC] zusammen und meldet ihnen, [55][wenn Nutzer Suchmeldungen
eingeben, die in Zusammenhang mit Wilderei gebracht werden können].
Der WWF ist mittlerweile ein großer Kunde für die Drohnentechnologie. Seit
2012 testet die NGO im Rahmen seines Projekts Wildlife Crime Technology die
Anwendung von Hochtechnologien im Artenschutz. [56][Die Erfolgsgeschichten
werden auf der WWF-Webseite veröffentlicht]. Auch aus Deutschland werden
über den WWF neue Technologien geliefert. Drohnen, Nachtsicht- und
Infrarotkameras seien zwar effektiv, aber nur das i-Tüpfelchen, so
Kirchgatter vom WWF Deutschland, nachdem die Wildhüter, Fahrzeuge und
Stromanschluss bezahlt seien. Oft fehle es an Gummistiefeln. „Eine
Militarisierung ist nicht Ziel und Lösung des Problems“, erklärt er
dennoch.
## Neue Kunden der Rüstungsindustrie
Afrikas führendes Rüstungsunternehmen hat die Parkbehörden als neue Kunden
gewinnen können. Ivor Ichikowitz ist der Gründer und Geschäftsführer der
südafrikanischen Paramount Group und einer der reichsten Unternehmer des
Kontinents. Seine Firma produziert Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge,
Kriegsschiffe und gepanzerte Fahrzeuge. Zu seinen Abnehmern gehören Regime
wie in Saudi Arabien und Kasachstan und neuerdings auch afrikanische
Nationalparks.
Ichikowitz' Familienstiftung will sich in Zukunft für den Artenschutz in
Afrika einsetzen, verkündete der Milliardär auf einem Forum in Griechenland
zu Beginn 2019. Bereits 2016 lieferte Paramount Kampfhubschrauber zur
Wildereibekämpfung an die National Parks Agency in Gabun. Auf der
[57][Webseite der Stiftung] prangt eine lange Liste afrikanischer
Parkbehörden und NGOs, die von Paramount mit Trainings und Ausrüstung
versorgt wurden. Berühmt geworden ist die weltweit erste K9-Hundestaffel
zum Aufspüren von Wilderern, die mithilfe von Fallschirmen aus dem Flugzeug
oder Hubschrauber heraus abspringen kann.
Mittlerweile sind auch deutsche Rüstungsunternehmen an den afrikanischen
Nationalparks interessiert. Der führende Rüstungskonzern Rheinmetall AG hat
2016 ein Gesamtkonzept für die Rundumüberwachung der Parks entworfen:
Drohnen, Satellitenüberwachung sowie elektrische, mit Sensoren
ausgestattete Zäune. Der ehemalige Entwicklungsminister und heutige
Cheflobbyist von Rheinmetall, Dirk Niebel, hat dem BMZ im Jahr 2016 ein 20
Millionen Euro umfassendes Konzept für den Etosha-Park in Namibia
vorgelegt, wofür sich das Unternehmen eine Anschubfinanzierung aus
deutschen Steuergeldern erhoffte.
Auch mit WWF, GIZ, KfW und dem US-Außenministerium habe Niebel gesprochen.
„Wir stellen wie in einem Warenhaus vor, was möglich ist“, so Niebel, ein
Baukastensystem, „in dem man dann modulartig aussuchen kann, was man haben
möchte und was man gebrauchen kann.“ Namibia sei ein „gutes Umfeld“, um …
„teure Variante des Wildtierschutzes“ anzuwenden, heißt, die präventive
Verhinderung der Wilderei sowie die Wilderer dingfest zu machen und
einzusperren. „Es gibt andere Länder, da kostet die Bekämpfung der Wilderei
den Preis einer Patrone.“ Das BMZ stellt jedoch auf Anfrage klar, die
Rheinmetall-Vorschläge würden nicht weiterverfolgt.
Vonseiten des BMZ heißt es klar: Es werden keine militärischen Geräte
geliefert. [58][Als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei listet
die Bundesregierung die Gegenstände auf], die sie seit 2009 in Kooperation
mit der ZGF bereitgestellt habe. Darunter sind Kleinflugzeuge, Motorräder
und Lastwagen, Satelliten‐Internet‐Verbindungssysteme, Rangeruniformen,
Wärmebildkameras, Navigationsausrüstung, Funkgeräte sowie
Ausrüstungsgegenstände zum Aufbau von Artenschutz‐Spürhundeeinheiten.
## Ein Schießbefehl auf Wilderer?
In ihrem Aufsatz [59][„Waging War to Save Biodiversity“] kommt die
Wissenschaftlerin Rosaleen Duffy von der Forschergruppe [60][BioSec] zum
Schluss: Die Zunahme militärischer Akteure im Naturschutzsektor führte in
den vergangenen Jahren zu einem grundlegenden Richtungswechsel in den
Naturschutzansätzen. Waren in den 1980er und 1990er Jahren noch mehr
partizipative Ansätze gepflegt worden, mit denen die lokale Bevölkerung in
den Naturschutzes mit einbezogen werden sollte, werden die Menschen
mittlerweile zunehmend als Feinde betrachtet und die Schutzgebiete mithilfe
ausgefeilter Überwachungstechnologien wie Festungen verteidigt.
Die mutmaßliche Verbindung zwischen Wilderern, Rebellen und Terroristen
rechtfertigte zudem den Einsatz brutaler Methoden, der schon vor
Jahrzehnten eigentlich als unhaltbar galt. Bereits 1988 hatte der damalige
kenianische Präsident Daniel Arap Moi der kenianischen
Wildtierschutzbehörde (KWS) einen Schießbefehl gegen Wilderer erteilt. In
Simbabwe und Tansania wurden in den 1980er und 1990er Jahren gezielte
Operationen gegen Wilderer in den Parks und den umliegenden Gemeinden
durchgeführt, ebenfalls mit der Erlaubnis zu schießen.
Berühmt geworden ist die 1987 in Südafrika durchgeführte „Operation Lock�…
die vom WWF als Anti-Wilderei-Mission finanziert wurde. Der WWF heuerte
damals die private südafrikanische Sicherheitsfirma KAS Enterprises an, die
enge Beziehungen zum Apartheidregime unterhielt. Sie nutzten
Kampfhubschrauber, um mutmaßliche Wilderer in den Parks aufzustöbern.
Bereits damals wurde bekannt, dass die KAS-Söldner vor allem Jagd auf
Mitglieder der Antiapartheidbewegung, also auf politische Gegner, machten.
In Ländern wie Botswana ist diese „Shoot to Kill“-Politik, die dort 2013
ausgerufen wurde, aber keine gesetzliche Grundlage hat, nach wie vor
aktuell. 2015 wurde publik, dass botsuanische Wildhüter 30 Namibier und 22
Simbabwer getötet hatten, [61][die sie in den grenznahen Parks als Wilderer
angetroffen hatten]. Tshekedi Khama, Botswanas Umwelt- und
Tourismusminister und Bruder des damaligen Präsidenten Ian Khama, erklärte:
[62][„Wenn du nach Botswana kommst, um zu wildern, dann besteht die
Möglichkeit, dass du nicht lebend zurückkehren wirst.“]
Diese Politik hatte Erfolg: Jahrelang wurde in Botswana kein Elefant
erlegt. Die botsuanischen Parks galten als so sicher, dass ganze Herden aus
den Nachbarländern migrierten. Das Land beherbergt mittlerweile die größten
Elefantenbestände Afrikas. Als Botswanas neuer Präsident Mokgweetsi Masisi
2018 diesen Schießbefehl wieder aufhob und die Parkranger radikal
entwaffnen ließ, wurden kurz darauf rund 90 Elefantenkadaver gefunden. In
einer Pressemitteilung kritisierte die Regierung Medienberichte, wonach die
Wilderer wieder nach Botswana gekommen seien, da dort die Ranger keine
Waffen mehr tragen würden. Vielmehr sei [63][mittlerweile die Armee
beauftragt worden, gegen Wilderer vorzugehen], so die Erklärung der
Regierung. Die „Shoot to kill“-Politik wurde also gar nicht aufgegeben,
statt den Wildhüter übernimmt aber nun das Militär diese Aufgabe.
2018 wurde im Queen-Elizabeth-Park in Uganda eine Gruppe unbewaffneter
Wilderer, die einen Büffel mit Fallen erlegt hatte, von den Rangern
erwischt und erschossen. Präsident Yoweri Museveni bekräftigte daraufhin
bei einem Besuch des Parks die „Shoot to kill“-Politik, tadelte aber den
Parkchef Eduard Asalu mit den Worten: „Wenn jemand eine Waffe trägt, dann
sollt ihr schießen – doch wenn sie nur Speere und Netze tragen, warum tötet
ihr sie?“ Auch Asalu bestätigt im Interview: „Diejenigen, die bewaffnet in
den Park kommen, die kann man nicht einfach verhaften. Ich denke, Sie
wissen das“, sagt er und deutet damit an, dass es in diesem Fall üblich
ist, auf bewaffnete Eindringlinge zu schießen.
10 Mar 2020
## LINKS
[1] https://ugandacf.org/
[2] https://cites.org/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Washingtoner_Artenschutz%C3%BCbereinkommen
[4] https://www.iucn.org
[5] https://cites.org/eng/news/pr/African_elephant_poaching_down_ivory_seizures…
[6] http://www.iucnredlist.org/species/39999/17989719
[7] https://fzs.org/de/
[8] http://www.wwf.de
[9] http://www.iucn.org/content/rising-murder-toll-park-rangers-calls-tougher-l…
[10] http://d2ouvy59p0dg6k.cloudfront.net/downloads/wwf_rangers_survey_report_1…
[11] https://cites.org/eng/prog/mike/proj/mikes
[12] /!5669805/
[13] http://www.biosecproject.org
[14] /!5669805/
[15] /Das-Geschaeft-mit-der-Holzkohle/!5019603
[16] /Kongos-Rebellen-im-Tourismusgeschaeft/!5081256
[17] /Der-Virunga-Nationalpark-und-seine-Hueter/!5204085
[18] https://www.imdb.com/title/tt3455224/
[19] http://extwprlegs1.fao.org/docs/pdf/Cng175058.pdf
[20] https://www.africanparks.org/
[21] http://www.africanparks.org/garamba-story-resilience-and-hope
[22] /Anschlaege-in-Uganda/!5139173
[23] /Geiselnahme-in-Kenia/!5058442
[24] https://theconversation.com/how-kenyas-tourism-industry-has-felt-the-impac…
[25] http://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-112shrg76689/html/CHRG-112shrg7668…
[26] https://web.archive.org/web/20130525175158/http://elephantleague.org/proje…
[27] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671719
[28] http://www.conservation-watch.org/2016/11/04/how-wwf-and-wcs-came-to-hire-…
[29] http://www.wwf-congobasin.org/?239452%2FPeace-has-returned-to-Dzanga-Sangh…
[30] https://www.maisha-group.com/
[31] https://earthleagueinternational.org/
[32] https://wildleaks.org/
[33] https://journals.uair.arizona.edu/index.php/JPE/article/view/21146
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[35] https://enoughproject.org/files/Tusk_Wars_10262015.pdf
[36] http://www.conservationandsociety.org/text.asp?2019%2F17%2F3%2F258%2F261497
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[49] http://www.govtrack.us/congress/bills/114/hr2494/text
[50] /pdf/2016_bis_20126_UWA_Elephant_Conservation_Action_Plan_for_Uganda.pdf
[51] https://cites.org/eng/prog/mike/proj/mikes
[52] https://sdg.iisd.org/news/eu-funds-cites-unodc-and-cms-collaboration-on-wi…
[53] https://assets.takeshape.io/207c4ff8-bdf4-4529-970e-b992d4539152/dev/11433…
[54] https://www.traffic.org/
[55] http://www.inc.com/bonnie-burton/how-drones-instagram-googles-ai-are-helpi…
[56] https://www.worldwildlife.org/projects/wildlife-crime-technology-project
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[58] https://kleineanfragen.de/bundestag/19/8418-aktuelle-entwicklungen-in-von-…
[59] http://eprints.whiterose.ac.uk/109071/1/Duffy-Int%20Affairs%20pre%20public…
[60] http://biosecproject.org
[61] https://africasustainableconservation.com/2018/06/01/botswana-masisi-ends-…
[62] http://www.washingtonpost.com/news/morning-mix/wp/2018/09/04/its-open-seas…
[63] http://www.conservation-watch.org/2018/09/11/the-strange-story-of-botswana…
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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