# taz.de -- Militarisierter Naturschutz in Afrika: Krieg gegen die Wilderei | |
> Technologie, Ausbilder, Söldner: Wie der Naturschutz in Afrika wehrhaft | |
> und aus Wilderern mutmaßliche Terroristen wurden. | |
Bild: Zwei Ranger bewachen brennendes Elfenbein mit Gewehren | |
Es ist Krieg da draußen“, beurteilt Michael Keigwin, Ugandas führender | |
Elefantenforscher und Gründer der ugandischen NGO [1][Ugandan Conservation | |
Foundation (UCF),] die Situation zwischen Rangern und Wilderern. Im | |
Queen-Elisabeth-Nationalpark im Osten Ugandas war ein Elefant erlegt | |
worden. Tagelang war daraufhin der ehemalige britische Elitesoldat mit | |
einer Rangereinheit durch den Busch marschiert, um die Spuren der Wilderer | |
ausfindig zu machen. „Wir sind auf dem Kriegspfad“, schrieb er von seiner | |
Mission per SMS. | |
Der Vorfall geschah im Februar 2019. Es war das erste Mal seit zwei Jahren, | |
dass in Uganda ein Elefant wegen seines Elfenbeins getötet worden war. Die | |
Institution [2][CITES], die die Umsetzung des [3][Washingtoner | |
Artenschutzübereinkommens] von 1976 überwacht, meldete 2016 zum ersten Mal | |
seit Jahrzehnten einen Rückgang der Wilderei für Elfenbein vor allem in den | |
Ländern Ostafrikas, die aufgrund der Schifffahrtsverbindungen nach Asien am | |
meisten betroffen waren. | |
Laut Schätzungen der Weltnaturschutzunion [4][IUCN] starben in | |
Subsahara-Afrika in der Zeit von 2006 bis 2016 über 111.000 Elefanten. Die | |
Hochphase der Elefantenjagd war im Jahr 2011. [5][Seit 2008 nehmen die | |
Bestände wieder zu]. Ein Anstieg der Population lässt sich auch bei den | |
Berggorillas verzeichnen. Ende 2011 vermeldete die IUCN, dass sich die Zahl | |
der Gorillas so sehr vermehrt habe, dass sie [6][nicht mehr unter die | |
Kategorie critically endangered, sondern nun nur noch unter endangered, | |
gefährdet, fallen]. | |
Die Ursachen für die massive Elefantenwilderei sind vielfältig und komplex. | |
Und: Sie sind nicht nur in Afrika selbst zu suchen, sondern weltweit. Der | |
Elfenbeinhandel war schon immer Teil des Welthandels, er ist ein | |
nachfrageorientiertes Geschäft. | |
Masegeri Rurai, Projektmanager der [7][Zoologischen Gesellschaft Frankfurt | |
(ZGF)] im Serengeti-Nationalpark, erinnert sich an die nuller Jahre, als | |
Tansania sich wirtschaftlich für Investoren aus China öffnete, die große | |
Infrastrukturprojekte im Landesinneren bauten. Mit dem zunehmenden | |
wirtschaftlichen Engagement Chinas in Ostafrika stieg auch die Nachfrage | |
nach Elfenbein. „Die Wilderer organisierten sich damals, plötzlich trugen | |
sie Maschinengewehre statt Pfeil und Bogen“, berichtet Rurai. Der Tansanier | |
ist in einem Dorf am Rande der Serengeti aufgewachsen. „Die Regierung hat | |
die örtlichen Gemeinden beschuldigt, Teil des Problems zu sein – dabei war | |
das für sie einfach nur schnelles Geld“, so Rurai. Johannes Kirchgatter, im | |
[8][WWF Deutschland] für Ostafrika zuständig, erklärt, die Wilderer hätten | |
sich infolge der Nachfrage gut ausgerüstet, auch mit Nachtsichtgeräten und | |
Maschinengewehren. „Es waren, wie gesagt, keine armen Bauern, die | |
versuchen, sich ihr Abendbrot ein bisschen aufzubessern oder sich vor dem | |
Verhungern zu retten“, so Kirchgatter: „Das ist wirklich eine Mafia mit | |
hohen Gewinnspannen.“ | |
Diese Hochrüstung der Wilderer ist das zentrale Argument der | |
Naturschutzorganisationen für die Notwendigkeit der Aufrüstung der | |
nationalen Wildtierbehörden Afrikas. Über 1.000 Wildhüter seien in Afrika | |
und Asien im vergangenen Jahrzehnt getötet worden, so eine [9][Erhebung der | |
IUCN aus dem Jahr 2014]. Naturschutzorganisationen fordern seitdem eine | |
bessere Ausrüstung zur Selbstverteidigung der Ranger. Ilka Herbinger vom | |
WWF Deutschland, zuständig für das Kongobecken, erklärt, man habe als | |
Partner eine „Sorgfaltspflicht“ gegenüber den Wildhütern, die sich | |
verteidigen müssten. | |
Der WWF veröffentlichte 2018 die Studie [10][„Life on the Frontline“] über | |
die weltweiten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Wildhüter mit Ergebnissen | |
einer Umfrage unter mehr als 1.300 Rangern in Afrika. Weniger als ein | |
Viertel der Befragten gibt an, Zugang zu einer Waffe zu haben. Das Fazit | |
der Studie lautet: Bessere Ausrüstung – von Schuhen über Funkgeräte bis hin | |
zur Waffe – sowie bessere Ausbildung führen zu besseren Verhaltensweisen | |
der Wildhüter. | |
Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Wilderei seit 2016 ist laut | |
CITES jedoch nicht die Aufrüstung der Wildhüter, sondern der Importstopp | |
für Elfenbein in China, bislang größter Abnehmer weltweit. Seitdem die | |
Volksrepublik Ende 2016 dem Washingtoner Artenschutzabkommen beigetreten | |
ist, sind die Weltmarktpreise für Elfenbein gesunken. Außerdem werden | |
zunehmend illegale Elfenbeinlieferungen entlang der Handelsrouten zwischen | |
Afrika und China sichergestellt. Im Juli 2019 wurde am Hafen von Singapur | |
eine Containerladung mit 8,8 Tonnen Elfenbein von über 300 Elefanten | |
mithilfe von Informationen des chinesischen Zolls beschlagnahmt. Insgesamt | |
haben Chinas Zollbehörden im Jahr 2019 rund 1.200 Tonnen Elfenbein | |
sichergestellt. | |
In Afrika loben hingegen die Akteure die Militarisierung als Grund für den | |
Erfolg: Im Juni 2019 verkündete Tansanias Minister für Natürliche Rohstoffe | |
und Tourismus, Hamisi Kigwangal, den „Sieg im Krieg gegen die Wilderei“. Er | |
wiederum dankte nicht den Bemühungen des chinesischen Zolls, sondern lobte | |
die lokalen Geheimdienstabteilungen und Anti-Wilderei-Einheiten, die gute | |
Arbeit geleistet hätten, die „Multi-Millionen-Dollar-Tourismusindustrie des | |
Landes zu schützen“, die zu 90 Prozent von den Wildtieren abhänge. | |
Trotz des Zwischenfalls im Februar 2019 mit einem erlegten Elefanten rühmt | |
sich auch Ugandas Wildtierschutzbehörde UWA, den sogenannten Krieg gegen | |
die Wilderei gewonnen zu haben. „Bis 2016 hatten wir ein großes Problem mit | |
der Wilderei für Elfenbein, nicht nur mit Speeren, sondern mit Gewehren“, | |
erläutert Eduard Asalu, Direktor des Queen-Elisabeth-Nationalparks. Doch | |
2016 sei das von CITES aufgelegte und von der EU finanzierte Projekt | |
[11][MIKE] in Uganda eingeführt worden, wodurch Wildhüter ausgerüstet und | |
trainiert wurden. „Damit konnten wir dann unsere Ranger losschicken, die | |
den Elefantenherden gefolgt sind. Wer auch immer die Elefanten jagen | |
wollte, traf auf unsere Ranger. Jetzt haben wir Frieden. Wir sitzen hier | |
monatelang, ohne einen einzigen Schuss zu hören. Früher hörten wir sie | |
täglich.“ | |
## Vom Jagd- zum Maschinengewehr | |
Bei der Militarisierung des Naturschutzes geht es nicht nur um die | |
Ausrüstung mit Waffen. Sie umfasst auch Maßnahmen, die sich militärischer | |
Taktiken, Überwachungstechnologien und militärischen Geräts bedienen, sowie | |
die zunehmende Beteiligung – ausländischer wie nationaler – militärischer | |
Akteure im Naturschutz- und Tourismussektor. In vielen Ländern sind die | |
Wildtierschutzbehörden als paramilitärische Institutionen in die nationalen | |
Sicherheitsstrukturen eingebunden. Zahlreiche Wildtierschutzbehörden haben | |
für ihre Anti-Wilderei-Einheiten Offiziere der Armee angeheuert, die gegen | |
Wilderer militärische Operationen planen und durchführen. | |
Beraten werden diese mitunter [12][von privaten Sicherheitsfirmen]. | |
Außerdem investieren vermehrt afrikanische Armeegeneräle in Hotels und | |
Lodges innerhalb der Nationalparks, um ihr aus Korruption erwirtschaftetes | |
Geld zu waschen. In der führenden ugandischen Wildtierschutz-NGO UCF des | |
britischen Elitesoldaten Keigwin sitzen sogar die höchsten Generäle im | |
Aufsichtsrat und prägen die Entscheidungen mit. | |
Der Begriff Militarisierung ist unter Naturschützer unbeliebt, weil er das | |
positive Image ankratze, so der Forscher Christopher Day, der die | |
Militarisierungstendenzen in verschiedenen Parks Afrikas untersucht hat. | |
Naturschützer sprechen daher lieber von „Strafverfolgung“ im Sinne einer | |
polizeiähnlichen Tätigkeit. Doch bei der Planung von | |
Anti-Wilderei-Operationen würden viel mehr militärische Taktiken im Sinne | |
der „Aufstandsbekämpfung“ benutzt. | |
Es gibt mittlerweile zahlreiche Wissenschaftler*innen, die die | |
Militarisierung im Naturschutz untersuchen. Führend ist darunter das | |
Kollektiv [13][BioSec] an der Universität Sheffield, welches die | |
Zusammenhänge zwischen Artenschutz und Sicherheit unter die Lupe nimmt. | |
„Wir stellen fest, dass Naturschutz früher mehr ein ganzheitlicher Ansatz | |
war“, so Francis Massé von BioSec. Doch seitdem zunehmend militärische | |
Akteure die Entscheidungen treffen, verändere sich auch die Rolle der | |
Wildhüter*innen. „90 Prozent seiner Zeit verbringt er [der Ranger] mit | |
Anti-Wilderei-Operationen, fast alle finanziellen Mittel werden dafür | |
eingesetzt und auch in der Ausbildung nehmen militärische Taktiken einen | |
zunehmend größeren Stellenwert ein“, stellt Massé in seinen Erhebungen | |
fest. „Die Geldflüsse der Geber gehen zunehmend in Anti-Wilderei-Maßnahmen, | |
die jedoch teuer sind, sodass kaum mehr Mittel für Gemeindeprojekte übrig | |
bleiben.“ | |
Die Forscher*innen von BioSec kritisieren, dass immer mehr | |
kostenintensive Sicherheitstechnologien im Naturschutzbereich Anwendung | |
finden. Dies sei die langfristige Folge der zunehmenden Kommerzialisierung | |
des Naturschutzsektors, so ihre Schlussfolgerung: Wenn Schutzgebiete sowie | |
deren Wildtierbestand wie ein Warenkorb als Einkommensfaktor eines Staates, | |
einer NGO oder einer Puplic-private-Partnership betrachtet werden, dann | |
müssten die „Produkte“ – also Flora und Fauna – mit allen Mitteln gesc… | |
werden. | |
Umso dringlicher wird dieser Schutz, wenn ein Großteil des Staatshaushalts | |
vom Tourismussektor abhängt, sind sich die Wissenschaftler*innen | |
einig. Das gilt vor allem in unsicheren Krisenregionen. Dies zeigt sich | |
nicht zuletzt in Kenia nach den Terrorangriffen zwischen 2011 und 2013, als | |
die Touristenzahlen rapide sanken, oder auch in Uganda, wo im April 2019 | |
eine amerikanische Touristin im Queen-Elisabeth-Park nahe der Grenze zum | |
Kongo entführt wurde und die Geiselnehmer umgerechnet rund 450.000 Euro | |
Lösegeld forderten. Im benachbarten, kongolesischen Virunga-Park waren im | |
Mai 2018 zwei britische Touristen entführt worden. Daraufhin war der Park | |
fast neun Monate geschlossen, was große Verluste erzeugte. Die | |
Parkverwaltung investierte daraufhin in neue Sicherheitsmaßnahmen: eine | |
speziell trainierte Leibwächtereinheit für Touristen, elektrische Zäune | |
rund um die Lodges – Geld, das eigentlich dem Naturschutz dienen sollte. | |
Ein ugandischer Ranger brachte diese Veränderung in seinem Berufsbild mit | |
einem einzigen Satz auf den Punkt: „Meine Hauptaufgabe ist nicht, die Tiere | |
zu schützen, sondern die Einnahmen der Regierung.“ Dafür sei er von der | |
Regierung mit einer Waffe ausgestattet worden. | |
## Ein „Marshallplan für den Naturschutz“ | |
Die Ausbildung und Ausstattung von Wildhütern mit militärischen Methoden | |
und Mitteln ist in Afrika nicht neu. Bereits in den ehemaligen britischen | |
Kolonien – darunter Kenia, Uganda, Tansania – waren die Wildtierhüter – | |
damals Einheiten der königlichen Marine – bewaffnet. Als diese Staaten in | |
die Unabhängigkeit entlassen wurden, wurden die Ranger verfassungsrechtlich | |
als eine Säule des Sicherheitsapparats integriert. In Uganda trugen sie zur | |
Zeit der Unabhängigkeit einfache Jagdgewehre, um Elefanten zu töten, die | |
ausbrachen und Äcker und Ernten der Bevölkerung zerstörten. | |
Erst als sich in den 1990er Jahren bewaffnete Rebellen wie die Lord | |
Resistance Army (LRA) im Murchison-Falls-Nationalpark oder die Allied | |
Democratic Forces (ADF) im Rwenzori-Park verschanzten, wurden die Ranger | |
mit Kalaschnikows ausgestattet. Bis vor wenigen Jahren wurde zur | |
Verteidigung des Wildtierbestands in Uganda noch die reguläre Armee | |
entsandt, so zum Beispiel auch bei den Militäroperationen 2006, durch | |
welche die LRA aus dem Murchison-Falls-Nationalpark vertrieben wurde. | |
Mittlerweile sind die Ranger der ugandischen Wildtierschutzbehörde UWA | |
ähnlich gut ausgebildet und ausgestattet wie die Soldaten. Sie wurden | |
[14][von britischen Militärs im Anti-Terror-Kampf trainiert]. | |
Am Beispiel des Virunga-Parks in der DR Kongo kann man die zunehmende | |
Militarisierung ebenfalls gut nachverfolgen. Dort übernehmen die Ranger | |
innerhalb des Parks fast vollständig die Aufgaben der Armee. Während der | |
belgischen Kolonialzeit waren die meisten Parks in Belgisch-Kongo von | |
Zoologen und Biologen gegründet worden, es gab zunächst keine bewaffneten | |
Parkranger. In der Zeit des Diktators Mobutu, der die Parks als seine | |
eigenen Jagdgründe betrachtete, wurde die Einheit der sogenannten Ecoguards | |
als Leibgarde für seine Tiere aufgesetzt. Sie waren ihm direkt unterstellt, | |
nicht der Armee. | |
Erst in den 1970er Jahren, als zunehmend mehr Finanzmittel von außen in die | |
kongolesischen Parks flossen, wurden die Ecoguards in der | |
Naturschutzbehörde Institut Congolais pour la Conservation de la Nature | |
(ICCN) in die Strukturen des Tourismusministeriums integriert. Sie trugen | |
nur vereinzelt Waffen zum Selbstschutz. Als zum Ende der Mobutu-Ära 1994 | |
während des Völkermords in Ruanda Millionen von ruandischen Flüchtlingen | |
aus dem Nachbarland in den Ostkongo eindrangen, waren die beiden | |
Nationalparks – der Virunga sowie der Kahuzi-Biéga – entlang der Grenze | |
quasi ungeschützt, sodass die Flüchtlinge Unmengen an Bäumen für Feuerholz | |
abholzen konnten. Auch die ruandischen Völkermörder, die samt ihren Waffen | |
in die DR Kongo geflohen waren, versteckten sich in den Wäldern und formten | |
dort die Hutu-Miliz Forces Démocratiques de la Libération du Rwanda (FDLR), | |
die bis heute den illegalen Holzkohlehandel kontrolliert. Laut Angaben der | |
Virunga-Parkleitung [15][erwirtschaftet die FDLR daraus jährlich rund 27 | |
Millionen Euro]. | |
Die nationale Armee war mit dem Sturz Mobutus 1996 zerfallen. Es kam in der | |
Folge zu zahlreichen Kriegen. Inmitten des dritten Kongo-Kriegs fanden 2007 | |
Wildhüter in den Bergen des Virunga die Kadaver einer Gorillafamilie, | |
erschossen und verstümmelt von Rebellen, wahrscheinlich der FDLR. Der | |
belgische Gorillaforscher de Merode, damals Chef der NGO WildlifeDirect im | |
Kongo und später Leiter des Parks, mutmaßte, die FDLR wolle die Gorillas | |
ausrotten, damit der Nationalpark aufgegeben werde und sie den | |
Holzkohlehandel ausweiten könne. Die Bilder der toten Tiere erzeugten einen | |
Aufschrei – und führten langfristig zu einem verstärkten finanziellen | |
Engagement westlicher Geber für den Virunga. Von einer militärischen | |
Aufrüstung war noch nicht die Rede. | |
Der Schlüsselmoment für diese Entscheidung ereignete sich 2012. Damals | |
schlugen Rebellen der Bewegung des 23. März (M23) mitten im Virunga-Park | |
ihr Hauptquartier auf, direkt neben dem Hauptsitz der Parkverwaltung in | |
Rumangabo. Doch anstatt die Gorillas zu massakrieren, boten die | |
M23-Rebellen nun ausländischen Touristen Gorillatouren für einen | |
Dumpingpreis von 360 Euro pro Person an und erwirtschafteten daraus | |
Einnahmen. Der M23-Tourismusminister, Stanislas Baleke, rühmte sich damit, | |
[16][seine Rebellenarmee würde die Gorillas besser schützen als die | |
Parkverwaltung]. Zur selben Zeit verhandelte die britische Ölfirma SOCO in | |
der Hauptstadt Kinshasa um Förderkonzessionen, um die Reserven unter dem | |
Virunga-Park anzuzapfen. Der Park stand kurz vor dem Aus. | |
„Einen Marshallplan für den Ostkongo“ nannte US-Milliardär und | |
Ex-Coca-Cola-Direktor Howard Buffett damals seinen Rettungsplan. 2015 | |
erzählte er, wie er mit dem belgischen Prinzen de Merode, mittlerweile | |
Direktor des Virunga-Nationalparks, im Jahr 2012 abends am Kamin in einer | |
leeren Fünf-Sterne-Lodge die Idee ausgebrütet hatte. Es war das dritte Mal, | |
dass der Hobbynaturschützer Buffett in den Kongo gereist war, um „endlich | |
einmal die Gorillas zu sehen“. Vergeblich, denn wieder herrschte Krieg. | |
„Wir konnten von Weitem das Feuergefecht hören“, [17][erinnert sich | |
Buffett]. | |
Buffett erklärte: Der Park sei nur zu retten, wenn es Frieden gäbe, damit | |
Touristen kämen. Doch dazu musste eine Lösung für die Rebellen gefunden | |
werden. Die M23-Offiziere kamen abends in die Lodge zum Whiskeytrinken. | |
Howard Buffett lud M23-Rebellenchef Sultani Makenga kurzerhand ein und bot | |
ihm an, seine Rebellenarmee als Parkwächter einzustellen, um gegen | |
rivalisierende Milizen wie die FDLR vorzugehen. Doch Makenga lachte nur: | |
„Ich kämpfe für politische Ziele und nicht für Gorillas“, sagt er. Die I… | |
floppte. Buffett und de Merode entschieden daraufhin, eine spezielle | |
Rangereinheit zu trainieren, die es mit den Rebellen aufnehmen konnte. | |
Von britischen, belgischen und französischen Militärtrainern wurde | |
daraufhin eine aus 300 Soldaten bestehende Spezialtruppe ausgebildet: die | |
sogenannte Quick Response Unit (QRU), die „Schnelle Eingreiftruppe“. Sie | |
wurde besser geschult als die Soldaten der Armee und war zu Beginn vom | |
Verteidigungsministerium unabhängig. Ausgestattet mit | |
Scharfschützengewehren, Raketenwerfern und Nachtsichtgeräten, wurden die | |
Ranger in den Krieg geschickt. Dies machte das Verteidigungsministerium in | |
Kinshasa hellhörig. Kongos führende Generäle argwöhnten, der | |
US-amerikanische Milliardär und der belgische Parkdirektor würden eine | |
Privatarmee aufbauen. Im Dokumentarfilm „Guns for Hire“ muss sich auch der | |
Vertreter der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), die damals noch | |
den Virunga unterstützte, die Frage gefallen lassen, ob er eine „Armee für | |
Frankfurt“ im Kongo trainiere. | |
Ende 2014, kurz nach der Oscarnominierung des [18][Netflix-Films | |
„Virunga“], geriet de Merode mitten im Park in einen Hinterhalt. Er | |
überlebte nur knapp mit fünf Kugeln im Leib. Als er wenige Monate später | |
wieder Interviews gab, wurde er von zwölf schwer bewaffneten Leibwächtern | |
begleitet. Sie trugen Maschinengewehre und Panzerfäuste. Aus dem | |
Naturschützer war der Kommandant einer paramilitärischen Truppe geworden. | |
Durch ein Dekret des Premierministers wurde 2015 schließlich das | |
kongolesische Naturschutzinstitut ICCN reformiert und ebenfalls unter die | |
Hoheit des für Korruption und Kriegsverbrechen berüchtigten | |
Verteidigungsministeriums gestellt. Sämtliche Ecoguards wurden dadurch in | |
die nationalen Sicherheitsstrukturen integriert. Es wurde das Ziel | |
formuliert, die Zahl der Ecoguards landesweit von 4.000 auf 10.000 zu | |
erhöhen. Oberste Funktionen der neu ausgebildeten QRU-Einheiten sei der | |
„Kampf gegen die Wilderei“ und „andere Verbrechen“ in den Schutzgebiete… | |
[19][so das Dekret]. Mittlerweile planen und exekutieren die QRU-Offiziere | |
entweder eigenständig oder gemeinsam mit der Armee militärische Operationen | |
gegen Milizen innerhalb des Parks, wobei die QRU-Offiziere auch gegenüber | |
der Armee die Befehlshoheit innehaben. Kongos einst unbewaffnete Ecoguards | |
ziehen mittlerweile mit Panzerfäusten durch den Dschungel. | |
Viele Wildhüter im Virunga-Park sagen, ihre Arbeit habe sich durch diese | |
Reform grundlegend geändert: „Ich wollte Ecoguard werden, wie mein | |
Großvater und mein Vater“, so einer der QRU-Ranger. „Doch anstatt die Natur | |
und die Tiere zu schützen, haben sie mich zur Kampfmaschine gemacht.“ Heute | |
– nach über zwei Jahren Kampferfahrungen – ist er ernüchtert: Er leide an | |
posttraumatischem Stress. „Mit Naturschutz hat mein Job fast gar nichts | |
mehr zu tun“, klagt er. In seinen zwei Dienstjahren habe er keinen einzigen | |
Gorilla zu Gesicht bekommen, dafür aber unzählige Menschen erschossen. | |
## Elfenbein – das weiße Gold des Dschihads | |
Zur gleichen Zeit, als die Schnelle Eingreiftruppe (QRU) der | |
Naturschutzbehörde ICCN gegründet wurde, wurden 2012 im ostkongolesischen | |
Garamba-Nationalpark die Kadaver von 26 Elefanten entdeckt. Anstatt ihrer | |
Stoßzähne klafften blutige Stümpfe. Es war eines der größten Massaker der | |
jüngsten Zeit. Der Garamba-Park galt einst als Kronjuwel unter Diktator | |
Mobutus Jagdgebieten. Auch der ehemalige bayrische Ministerpräsident Franz | |
Josef Strauß war in den 1980er Jahren dort zur Elefantenhatz. | |
2005 hatte die Naturschutz-NGO [20][African Parks], die mittlerweile 16 | |
Parks auf dem afrikanischen Kontinent verwaltet und diese als | |
Public-private-Partnership zu profitorientierten Unternehmen | |
umstrukturiert, den Garamba-Park übernommen und wollte ihn mithilfe des | |
Tourismus finanziell auf Vordermann bringen. Dann hatten sich 2006 die | |
LRA-Rebellen in den dichten Wäldern eingenistet, nachdem sie aus Uganda | |
geflohen waren. Kurz nach der Entdeckung der Kadaver bezeichnete | |
[21][African Parks den Garamba als „Ground Zero“]. | |
Schnell wurden Vermutungen laut, LRA-Rebellen hätten die Elefanten erlegt. | |
Die ugandische Miliz war gerade von US-Behörden zur Terrororganisation | |
deklariert worden. Es war die Hochphase des weltweiten Kriegs gegen den | |
Terror, auch in Afrika. 2010 hatte die somalische islamistische Miliz | |
[22][al-Shabaab in Ugandas Hauptstadt Kampala Bomben gezündet und 74 | |
Menschen getötet]. 2011 waren US-Spezialeinheiten über Uganda und die DR | |
Kongo in die Zentralafrikanische Republik vorgerückt, um Konys LRA zu | |
zerschlagen. Von seinen Stützpunkten am Horn von Afrika aus flog das | |
US-Militär Drohnenangriffe auf Al-Shabaab-Einheiten in Somalia. 2013 griff | |
die Miliz, die allem Anschein nach Kontakte zu al-Qaida in Afghanistan | |
unterhielt, das von israelischen Geschäftsleuten aufgebaute | |
[23][Einkaufszentrum „Westgate“ in Kenias Hauptstadt Nairobi] an und tötete | |
71 Menschen. Westliche Botschaften gaben Reisewarnungen heraus. Als Folge | |
brach Kenias Tourismussektor ein, [24][der immerhin rund 10 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht]. | |
Inmitten dieser Ereignisse wurde im Mai 2012 der britische Zoologe und | |
Gründer der NGO Save the Elephants, Iain Douglas-Hamilton, nach Washington | |
eingeladen. Der für Afrika zuständige Senatsausschuss hielt eine Sitzung | |
zur Problematik der Wilderei und der Sicherheit in Afrika ab. [25][In | |
seinem „Zeugnisbericht“ nannte Douglas-Hamilton] Umsatzzahlen im | |
Elfenbeinhandel von bis zu 9 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sei mehr, als | |
durch illegalen Waffen- oder Drogenhandel gewonnen würde. Als Akteure | |
nannte er asiatische Syndikate, die nun vermehrt in Afrika tätig seien, | |
sowie afrikanische Wilderer, die Beziehungen zu „kriminellen Gangs und | |
Milizen in Ländern wie Sudan und Somalia“ unterhielten. | |
Gemeint waren die islamistische Al-Shabaab-Miliz in Somalia, die | |
Dschandschawid-Milizen in Sudans Bürgerkriegsregion Darfur sowie die | |
ugandische LRA unter ihrem vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) | |
gesuchten Anführer Joseph Kony, der sich zu jener Zeit in den dichten | |
Wäldern zwischen der DR Kongo, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik | |
verschanzt hatte. | |
Der Elefantenforscher stützte seine Aussagen auf Recherchen, die Nir Kalron | |
und Andrea Crosta zwischen 2010 und 2012 in Kenia durchgeführt hatten, | |
einem Transitland für Elfenbein. Ihr 2011 nur in Auszügen veröffentlichter | |
Bericht mit dem Titel „Africa’s White Gold of Jihad“ besagte, dass sich | |
diese afrikanischen Terrorgruppen durch den Elfenbeinhandel finanzierten. | |
Angeblich handle [26][al-Shabaab mit rund drei Tonnen Elfenbein pro Monat]. | |
Der Israeli Nir Kalron ist bis heute eine der einflussreichsten | |
Persönlichkeiten im Krieg gegen die Wilderei. Bereits sein Vater hatte als | |
Oberst der israelischen Luftwaffe die kenianischen Piloten der | |
Wildtierschutzbehörde Kenya Wildlife Services (KWS) trainiert. Der | |
39-jährige israelische Ex-Elitesoldat, Sicherheitsberater sowie | |
Waffenhändler war letztlich 2013 nach einem weiteren Elefantenmassaker in | |
der Zentralafrikanischen Republik und Kamerun nach Afrika gerufen worden. | |
Muslimische Rebellen hatten im Dzanga-Sangha-Nationalpark über 20 Elefanten | |
erlegt, mit Maschinengewehren und Raketenwerfern. WWF-Projektmanager | |
Jean-Bernard Yarissem kam gerade so mit dem Leben davon, er floh in den | |
Dschungel und versteckte sich dort im Unterholz. | |
Der Park war gerade dabei gewesen, sich für den Tourismus zu öffnen, und | |
hatte im Rahmen des trinationalen Fonds FTNS [27][Gelder aus Deutschland] | |
erhalten. Verwaltet wird der Dzanga-Sangha-Park vom WWF Deutschland und der | |
US-NGO Wildlife Conservation Society (WCS) – die durch die Präsenz der | |
Rebellen ihre Projekte in Gefahr sahen. | |
## Maisha bedeutet Leben | |
In Tel Aviv sah Kalron die Bilder der Elefantenkadaver im Fernsehen und | |
stieg kurz entschlossen ins Flugzeug. Der ehemalige Elitesoldat sollte im | |
Auftrag von WWF und WCS in den Dschungel vorrücken und Rebellen verjagen. | |
[28][Gemeinsam mit einer Handvoll Kameraden der israelischen | |
Spezialeinheiten durchkämmte er den zentralafrikanischen Dschungel]. | |
Nur wenige Monate später war das Problem offenbar unter Kontrolle – | |
zumindest im Dzanga-Sangha-Park. Was genau in diesen Tagen in den dichten | |
Wäldern des Bürgerkriegslandes geschah, lässt sich bis heute nicht | |
nachvollziehen. Bekannt ist, dass der WWF 2014 ein siebenwöchiges Training | |
für Anti-Wilderei-Einheiten finanzierte, das von Kalrons Elitesoldaten | |
durchgeführt wurde, auch im Umgang mit Waffen. 2015 meldete der WWF: | |
[29][„Friede ist eingekehrt im Dzanga-Sangha“]. | |
„Maisha bedeutet Leben“, wird auf der Webseite der [30][Maisha Group Ltd.] | |
erklärt. Kalrons private Sicherheitsfirma, die er Ende 2012 mit Sitz in Tel | |
Aviv gründete, ist mittlerweile die erste Adresse für die Ausbildung von | |
Anti-Wilderei-Einheiten in Afrika. „Wir operieren nicht als private Armee | |
oder unterlaufen die staatliche Souveränität der Länder“, erklärt Kalron | |
seine Geschäftsidee. „Wir arbeiten mit Partnern wie der WCS in | |
verschiedenen Hotspots zusammen, bauen Verbindungen zu staatlichen Stellen | |
auf, um spezielle Trainings zu geben, Geheimdienstinformationen zu teilen | |
oder gemeinsame Operationen durchzuführen.“ In einem Interview erklärte er: | |
„Wir hatten das Gefühl, dass die Situation mit den Elefanten uns zu den | |
Waffen gerufen hat.“ | |
In seinem mittlerweile multinationalen Team habe er Experten für jegliche | |
Disziplin, so Kalron: „Analysten aus israelischen Geheimdiensten, | |
Spezialkräfte, Technikexperten.“ Sie sprächen Arabisch, aber auch | |
afrikanische Sprachen wie Hausa und Somali. Die meisten seien jedoch keine | |
einfachen Söldner, sondern arbeiteten für Maisha, „weil sie emotional | |
involviert sind“. | |
Auch Kalrons Co-Autor, der in den USA wohnhafte Italiener Andrea Crosta, | |
stieg in das Wildtiergeschäft ein. Der damalige Sicherheitsberater für | |
verschiedene Regierungen in Sachen Piratenbekämpfung gründete 2012 die NGO | |
Elephant Action League in Kalifornien, die später in [31][Earth League | |
International (ELI)] umbenannt wurde. Seit 2014 betreibt sie die | |
Internetseite [32][„Wildleaks“], eine Whistleblower-Plattform gegen | |
Wilderei, die eine „mögliche finanzielle Zuwendung von der US-Regierung“ | |
für Informationen über Wilderei verspricht. Sein Team bestehe aus | |
Geheimdienstlern und ehemaligen Mitgliedern der Strafverfolgungsbehörden | |
wie des Federal Bureau of Investigation (FBI), so Crosta. Er bezeichnet ELI | |
als „innovative gemeinnützige Organisation, die die Welten der | |
Geheimdienste und des Naturschutzes zusammenbringen – im Dienste der | |
Wildtiere, der Ozeane, der Wälder und der Menschen, die sie verteidigen“. | |
Mittlerweile sind zahlreiche Sicherheitsfirmen dieser Geschäftsidee gefolgt | |
und haben sich auf Wildtierschutz spezialisiert. Die meisten dieser Firmen | |
werden von ehemaligen Militärs betrieben, die ihre militärischen | |
Fähigkeiten auf dem globalen Markt anbieten und den Naturschutzsektor als | |
Nische für sich entdeckt haben. | |
## Ruf zu den Waffen | |
Die meisten Naturschutzorganisationen haben inzwischen die Behauptung einer | |
Verbindung zwischen Terror und Elfenbeinhandel unhinterfragt übernommen – | |
dabei ist sie längst widerlegt. Die Akademikerin [33][Natasha White, die | |
2014 einen kritischen Artikel verfasste], in dem sie die Zusammenhänge | |
zwischen dem Krieg gegen den Terror und dem Krieg gegen die Wilderei | |
untersuchte, kam hinsichtlich Kalrons und Crostas Engagement zu dem | |
Schluss: „Die Rechtfertigung des Kriegs gegen die Wilderei basierte auf | |
einer Serie unhaltbarer Annahmen.“ | |
Wie sich herausstellte, stützten Kalron und Crosta ihre Thesen, die LRA | |
sowie die al-Shabaab würden sich vom Elfenbeinhandel finanzieren, lediglich | |
auf ein Gespräch mit zwei anonymen Informanten in einem Hotel in Nairobi. | |
ELI veröffentlichte erst [34][2016 in einer aktualisierten Version des | |
Berichts] den einsichtigen Kommentar: „Elfenbein spielte im Gesamtbudget | |
von al-Shabaab eine relativ kleine Rolle.“ | |
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam 2015 auch der LRA-Experte [35][Ledio | |
Cakaj in seinem Bericht „Tusk Wars“] für die NGO Enough Project. Er fragte | |
LRA-Deserteure nach dem Elfenbeinhandel. Sie bestätigten: LRA-Führer Kony | |
würde Elfenbein gegen Waffen und Munition eintauschen. Die konkrete Menge | |
sei schwer nachvollziehbar, aber „die Schätzungen sind recht gering im | |
Vergleich zu anderen Wilderer-Netzwerken in der Region“. Die Deserteure | |
nannten eine Zahl, die weit unter den im Bericht geschilderten drei Tonnen | |
jährlich liegt, nämlich „insgesamt ungefähr 100 Stück“. | |
Unhaltbare Annahmen sind das eine Problem. Das andere ist die gezielte | |
Manipulation von Informationen durch militärische Akteure, um militärische | |
Operationen zu rechtfertigen – ähnlich der Propaganda im Krieg gegen den | |
Terror. Wie sich nämlich im Nachhinein herausstellte, waren die 26 | |
Elefanten im Garamba-Nationalpark gar nicht von der LRA erlegt worden. Sie | |
wiesen Schusswunden von Scharfschützengewehren im Schädel auf. Offenbar | |
waren sie vom Hubschrauber aus erlegt worden. | |
Die UN-Mission im Kongo (MONUSCO) ist im Besitz von Radaraufzeichnungen von | |
ugandischen Armeehubschraubern, die zu jener Zeit unerlaubt in den | |
kongolesischen Luftraum eingedrungen waren. Der Helikopter mit der | |
Registrierungsnummer AF 605 gehörte zu Ugandas Luftwaffe, die zu jener Zeit | |
unter amerikanischer Beratung bereits die Militäroperationen gegen die LRA | |
jenseits ihrer eigenen Landesgrenzen anführte. LRA-Experte [36][Titeca | |
kommt 2019 wie viele andere Forscher zum Schluss], dass all die | |
Falschaussagen eine „klare Agenda [haben] – nämlich Lobbyarbeit zu leisten | |
für ugandische und amerikanische Militärs, um ihnen Zugang zur DR Kongo zu | |
ermöglichen“. | |
Und diese Agenda hat Erfolg: Nur wenige Tage nach dem Elefantenmassaker | |
2012 verkündete die Afrikanische Union (AU) die Entsendung einer regionalen | |
Eingreiftruppe bestehend aus 5.000 Soldaten. Mit Ugandas Spezialeinheiten | |
an der Spitze und von 100 Beratern der US-Streitkräfte unterstützt, wurde | |
die Jagd auf Kony letztlich zum gigantischen Plünderungsfeldzug im | |
ressourcenreichen Drehkreuz zwischen Uganda, der DR Kongo, Südsudan und der | |
Zentralafrikanischen Republik. Sowohl [37][ugandische als auch | |
südsudanesische Militärs bereicherten sich am Elfenbein, ließen | |
systematisch den Regenwald abholzen], suchten in den Minen im Wald nach | |
Gold. Ugandas Armee verneint die Vorwürfe vehement. | |
Im Gegensatz zum Dzanga-Sangha-Park, wo die Wilderei unter Kontrolle | |
gebracht wurde, gingen die Elefantenmassaker im Garamba-Park im großen Stil | |
weiter. Dabei war auch hier Maisha von African Parks angeheuert worden, die | |
Wilderer aktiv zu bekämpfen und die Ranger zu trainieren. Obwohl afrikaweit | |
die Zahl der getöteten Elefanten nach 2016 deutlich zurückging, wurden | |
allein im Garamba-Park 2017 rund 120 Elefantenkadaver gezählt. Mittlerweile | |
sind im Garamba-Nationalpark gerade noch 1.200 Elefanten übrig. Forscher | |
wie Titeca sind sich sicher: „Der Garamba ist ein Honigtopf für Wilderer.“ | |
Doch die meisten von ihnen tragen Armeeuniformen der ugandischen oder | |
südsudanesischen Streitkräfte. | |
Erst nachdem die Militäroperationen 2017 vorbei waren, ging die Zahl der | |
getöteten Elefanten zurück. „In nur 18 Monaten ging die Wilderei auf | |
Elefanten um 50 Prozent zurück – im Jahr 2018 wurden bislang nur zwei | |
getötet“, heißt es auf der [38][Webseite anlässlich des 80-jährigen | |
Bestehens des Parks im Jahr 2018]. Die Erzählung, nach der Terroristen mit | |
Kampfhubschraubern Elefanten jagen würden, hat sich jedoch bis heute | |
gehalten. | |
## Töten und Gutes tun | |
Die vom Westen finanzierte Militarisierung des Natur- und Artenschutzes | |
geht mittlerweile so weit, dass ein Teil der Spezialausbildung für die | |
Anti-Wilderei-Einheiten Ostafrikas direkt von westlichen Militärs | |
durchgeführt und zum Teil aus deren Verteidigungsbudgets finanziert wird. | |
Der Militärattaché der britischen Botschaft in Uganda erklärt: „Wir | |
trainieren nur – die Ausrüstung kommt von den Amerikanern.“ Er habe seit | |
2017 acht Trainingspakete für jeweils rund 30 Ranger der verschiedenen | |
Parks in Uganda organisiert. Die Wildhüter bekämen von der ugandischen | |
Armee zuerst eine zehnwöchige Grundausbildung, anschließend würden drei | |
britische Militärinstrukteure aus der Infanterie die Offiziere sowie | |
Spezialeinheiten ausbilden. | |
Die Briten müssen gar nicht von weit her einfliegen: Im Rahmen des Krieges | |
gegen den Terror sind britische Ausbilder in Kenia stationiert. Sie kommen | |
regelmäßig nach Uganda, um Soldaten der ugandischen Armee (UPDF) für ihren | |
Friedenseinsatz im Auftrag der Afrikanischen Union (AU) in Somalia fit zu | |
machen. Danach reisen sie in die Nationalparks, um dort die Ranger in | |
denselben Methoden zu unterrichten. Man erhoffe sich neben Geldern aus dem | |
Verteidigungsbudget mehr Unterstützung aus dem ugandischen | |
Umweltministerium (DEFRA) oder von dritten Partnern, so der Attaché. DEFRA | |
bezahlt mittlerweile das 2018 in Malawi gestartete Trainingsprojekt für die | |
dortigen Parkranger durch britische Soldaten sowie ein ähnliches Projekt in | |
Gabun. Hier fließen internationale Gelder, die für den Naturschutz | |
vorgesehen sind, direkt in militärische Unternehmungen im Rahmen des Kriegs | |
gegen den Terror. | |
In Tansania hatte die Ausbildung der Anti-Wilderei-Einheiten einen | |
schlechten Start. 2012, kurz nach Douglas-Hamiltons Rede im US-Senat, | |
entschied sich eine kleine Gruppe US-Soldaten, ihre Kampferfahrungen in | |
Ostafrika anzubieten. Sie gründeten die NGO [39][Veterans Empowered to | |
Protect African Wildlife (VETPAW)], um „die unbestrittenen Fähigkeiten und | |
Erfahrungen der 9/11-Veteranen zu nutzen“, wie es auf der Internetseite | |
beschrieben wird. Ihre Mission: den Wildtierbestand in Tansania zu retten. | |
Die vom Sender Animal Planet produzierte Dokumentarserie „Blood Ivory“, die | |
die Veteranen in die tansanische Savanne begleitet, erzählt von jungen | |
Männern und Frauen mit unbehandelter posttraumatischer | |
Stresssyndrom-Symptomatik (PTSD). VETPAW-Gründer Ryan Tate, damals gerade | |
einmal 30 Jahre alt, erklärte, [40][er habe sich in Afrika zu einem neuen | |
„Krieg“ gemeldet]: „Jeder leidet unter PTSD, wenn er aus einem Krieg | |
zurückkehrt […]. Es gibt all diese Veteranen, die mit Milliarden von | |
US-Dollar ausgebildet wurden, aber die Regierung braucht sie nicht mehr – | |
ich habe Verwendung für sie gefunden.“ | |
Seine Verwendung ließ sich täglich auf den sozialen Medien verfolgen, | |
wodurch VETPAW mehr Spenden einwerben wollte. Kurz bevor die ehemalige | |
Mechanikerin der US-Armee, Kinessa Johnson, 2015 ins Flugzeug nach | |
Ostafrika stieg, gab sie in den USA ein TV-Interview. Sie erklärte: „Wir | |
werden ein paar schlimme Jungs töten und was Gutes tun!“ | |
Diese Medienöffentlichkeit wurde VETPAW letztlich zum Verhängnis. Tansanias | |
Ministerium für Natürliche Ressourcen und Tourismus sowie die Polizei | |
hatten VETPAW zuerst das Okay gegeben, die Ranger im | |
Ngorongoro-Schutzgebiet und im Rungwa-Game-Reserve zu trainieren. Mit ihrer | |
Hilfe wurden 25 Wilderer festgenommen – ein Erfolg, der von VETPAW medial | |
ausgeschlachtet wurde. Doch damit wurden die Medien auch auf das Zitat von | |
Johnson aufmerksam. Im Mai 2015 wurde VETPAW-Chef Tate morgens um drei Uhr | |
in New York aus dem Bett geklingelt. Tansanias Tourismusminister Lazaro | |
Nyalandu gab in Daressalam eine Pressekonferenz: Er sei „erschüttert“ und | |
„enttäuscht“ über diese Aussage und erklärte die Zusammenarbeit mit VETP… | |
für beendet. Angaben auf der VETPAW-Internetseite zufolge ist die NGO nach | |
wie vor in Afrika aktiv. Wo genau, das wird allerdings nicht beschrieben. | |
US-Botschafter Mark Childress in Tansania ließ nach dem Skandal das 403. | |
Bataillon für zivile Angelegenheiten vom US-amerikanischen Afrika-Kommando | |
(AFRICOM) einfliegen. „Ich sage euch eins“, [41][erklärte er in seiner | |
Kampfansage], „wenn ich ein Wilderer in Tansania wäre und morgens aufwachen | |
würde und in den Nachrichten hören würde, dass AFRICOM hier ist – dann wä… | |
das für mich eine wirklich schlechte Nachricht.“ | |
Von 2015 bis 2018 bildeten US-Militärs mit umgerechnet rund 13 Millionen | |
Euro aus dem Budget der Entwicklungsagentur USAID eine 300-Soldaten-starke | |
Anti-Wilderei-Einheit für die tansanische Wildtierschutzbehörde Tansania | |
Wildlife Management Agency (TAWA) aus. [42][Rekrutiert wurden die Wildhüter | |
durch die tansanische Armee]. Neben Stiefeln, Ferngläsern, Taschenlampen | |
und Uniformen erhielt TAWA Patrouillenfahrzeuge und | |
Telekommunikationssysteme aus den USA. | |
Mit deutscher Hilfe wurden zur selben Zeit in Tansania die | |
Wildtierschutzbehörde und Strafverfolgungsbehörden umorganisiert. Seit 2016 | |
gibt es ein Komitee, in dem sich sowohl Vertreter der Wildtierbehörde TAWA | |
als auch des WWF, der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), der | |
deutschen Entwicklungsbank KfW sowie der tansanischen Regierung und | |
Vertretern der lokalen Bevölkerung vierteljährlich treffen. Das | |
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hat über die KfW | |
dafür [43][18 Millionen Euro für vier Jahre bereitgestellt]. | |
Haupteinnahmequelle der TAWA soll jedoch in Zukunft der Tourismus sein, so | |
der für Tansania zuständige WWF-Vertreter Johannes Kirchgatter. Das Land | |
hat mittlerweile ein Viertel seiner Fläche zum Schutzgebiet deklariert. | |
In Tansania ist die Trendwende geschafft. Symbolisch steht dafür das Urteil | |
in einem Prozess gegen den womöglich größten Wilderer-Ring Afrikas: 15 | |
Jahre Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet 11,6 Millionen Euro – so | |
lautet der [44][Richterspruch im Fall der sogenannten Elfenbeinkönigin im | |
Februar 2019]. Das Gericht in Daressalam verurteilte sie zudem wegen | |
Führung einer kriminellen Vereinigung. | |
Die Chinesin Yang Fenglan galt jahrzehntelang als die Patin eines | |
Mafiarings aus chinesischen Investoren und Politikern, der den | |
Elfenbeinhandel aus Ostafrika nach China und Vietnam wie ein Kartell | |
dominierte und über 2,25 Millionen Euro Profit erwirtschaftet hatte. Laut | |
Gerichtsurteil hatte sie 840 Stoßzähne zwischen 2000 und 2014 außer Landes | |
geschmuggelt – dafür wurden 420 Elefanten getötet. | |
Im Zuge des Verfahrens wurde auch die Zusammenarbeit der Chinesen mit | |
tansanischen Offiziellen im Geschäft um das Elfenbein bekannt: Als 2014 der | |
Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas Xi Jinping auf seiner | |
ersten Auslandsreise nach Tansania geflogen war, verdoppelten sich die | |
Elfenbeinpreise am Tag vor seiner Ankunft auf umgerechnet 631 Euro pro | |
Kilo. Tausende Kilogramm Elfenbein wurden im Diplomatengepäck der | |
Präsidentenmaschine nach China ausgeflogen. Ohne die tief verwurzelte | |
Korruption in der politischen Elite in Tansania wären solche Geschäfte | |
unmöglich, so Rebeca Sandoval von EAGLE, einer NGO, die sich gegen | |
Korruption im Wildtiergeschäft einsetzt. Sie erklärt: „Im Handel mit | |
Wildtierprodukten ist Korruption überall zu 100 Prozent garantiert.“ | |
Die Game Rangers Association of Africa lobte [45][in einer Pressemitteilung | |
zwar das zunehmende Engagement ausländischer Ausbilder im Wildtierschutz], | |
klagte jedoch: „Auch wenn es sich um ehrenwerte Intentionen handele, gebe | |
es zunehmend Bedenken.“ Der Hauptkritikpunkt: Die Arbeit der Ranger | |
unterscheide sich kaum noch von der eines Soldaten oder einer Soldatin in | |
einem Kriegsgebiet. Der Gebrauch von Scharfschützengewehren sollte aber im | |
Einsatz gegen Wilder*innen unmittelbar zur Verhaftung der Ranger führen, | |
denn „Ranger müssen stets die grundlegenden Menschenrechte respektieren, | |
wenn sie mit Verdächtigen umgehen“, so die Empfehlung. | |
## Naturschutz 2.0 | |
Bereits Elefantenforscher Douglas-Hamilton hatte in seiner Rede vor dem | |
US-Senat 2012 ein ganzes militärisches Arsenal für die Parks verlangt: | |
Hubschrauber, Flugzeuge, Drohnen, GPS-Sender, die in Wildtiere eingepflanzt | |
werden, um via Satellitenverbindung ihre Bewegung zu verfolgen, sowie | |
andere „Hightechlösungen“. Konkret nannte er Softwareanwendungen, die seine | |
NGO gerade entwickle: „Ein Algorithmus, der Verletzungen und Tod“ | |
feststellen [46][und dann automatisch Patrouillen alarmieren könne]. | |
Seine Forderungen waren erfolgreich: 2016 wurde in den USA das [47][Globale | |
Anti-Wilderei-Gesetz] verabschiedet, welches letztlich die | |
US-Entwicklungsagentur USAID beauftragte, auch in Afrika gegen die Wilderei | |
vorzugehen. Die meisten Projekte werden von der US-NGO [48][Wildlife | |
Conservation Society (WCS)] [49][umgesetzt]. In Paragraf 401 des Gesetzes | |
heißt es ausdrücklich: „Die USA sollen weiterhin militärische Güter (jedo… | |
keine signifikante Ausrüstung), Verteidigungsdienste und relevante | |
Ausbildung von angemessenen Sicherheitskräften in die afrikanischen Länder | |
liefern, die dem Zweck des Kampfes gegen den Wildtierhandel und die | |
Wilderei dienen.“ | |
Wer heute den Kontrollraum eines modernisierten afrikanischen Nationalparks | |
betritt, glaubt seinen Augen kaum. „Es erinnert an einen James-Bond-Film | |
oder an ‚Jurassic Park‘“, so Politikwissenschaftler Chistopher Day. Auf | |
Bildschirmen lässt sich die Bewegung von Tieren nachvollziehen, die mit | |
GPS-Sendern ausgestattet sind. An strategischen Wasserstellen, wo sich | |
Tiere in großen Herden sammeln und eine leichte Beute für Wilderer | |
darstellen, sind Überwachungskameras installiert. Ranger tragen ebenso | |
GPS-Sender, um auch ihre Bewegung zu überwachen und sie im Notfall per Funk | |
zu verständigen. | |
Dank ausgefeilter Überwachungstechnologie lassen sich Eindringlinge | |
aufspüren: Betritt eine Wilderin oder ein Wilderer mit Handy den Park, | |
registrieren die Funkmasten ein nicht identifiziertes Signal. Drohnen | |
werden gestartet, um die Person ausfindig zu machen. Mittels | |
Kleinflugzeugen, Hubschraubern oder Geländewagen können dann | |
Anti-Wilderei-Einheiten losgeschickt werden. Diese sind mit schusssicheren | |
Westen, Scharfschützengewehren, Nachtsicht- sowie Wärmebildkameras | |
ausgestattet. So viele Hightechgeräte haben manch afrikanische Armeen und | |
Geheimdienste nicht. | |
All diese Ausrüstung ist teuer. Ihre Anschaffung wird in der Regel über | |
internationale Gelder zur Anti-Wilderei-Bekämpfung finanziert. Die | |
nationalen Budgets vieler Wildtierschutzbehörden sind aus | |
Sicherheitsgründen nicht für die Öffentlichkeit einsehbar. Daher ist es | |
schwer zu sagen, wie viel in jeden Park investiert wird; nicht nur in die | |
Anschaffung, sondern auch in die Wartung der Geräte sowie die Ausbildung | |
von Experten, die mit der Technik auch umgehen können. [50][Ugandas | |
„Elephant Actionplan“ von 2016 bis 2026], den die Wildtierschutzbehörde UWA | |
im Rahmen des von der Europäischen Union (EU) finanzierten | |
[51][MIKE-Projekts von CITES] aufgesetzt hat, ermöglicht einen Einblick: | |
Allein das Budget für die Ausbildungsprogramme – von Hundestaffeln über | |
Geheimdienstabteilungen bis hin zu Gemeinde-Pfadfindern in den Dörfern, die | |
den Behörden Informationen über potenzielle Wilderer liefern – umfasst 4,5 | |
Millionen Euro. | |
Finanziert wird dies fast ausschließlich von westlichen Gebern. In den acht | |
ostafrikanischen Fokusländern, die von CITES für das MIKE-Projekt | |
auserkoren wurden – unter anderem Kenia, Tansania und Uganda –, wurde die | |
Anschaffung der Überwachungstechnologien über ein Projekt der EU finanziert | |
und vom [52][Büro der Vereinten Nationen für Drogen und | |
Verbrechensbekämpfung (UNODC) sowie der WCS implementiert]. USAID hat über | |
die WCS wiederum von der israelischen Sicherheitsfirma Maisha durchgeführte | |
Trainings bezahlt. Die NGO Save the Elephants setzte gemeinsam mit WCS | |
sowie der Stiftung Earth Alliance von Leonardo DiCaprio den Elephant Crisis | |
Fund auf, der „schnell die besten Ideen fördert“, wie auf der Webseite | |
angepriesen wird. In den vergangenen Jahren wurden in diesem Rahmen | |
umgerechnet [53][rund 18 Millionen Euro ausgezahlt, um 257 | |
Anti-Wilderei-Projekte in Afrika zu ermöglichen]. | |
Mit der zunehmenden Technologisierung des Naturschutzes sehen mittlerweile | |
auch Techkonzerne in Afrikas Naturschutzbehörden ihre zukünftigen Kunden: | |
Gemeinsam mit dem WWF und einer Spende von über 4,5 Millionen Euro von | |
Google wurden 2017 Bathawk-Drohnen an African Parks geliefert, um ein | |
umfassendes Experiment in Malawi zu starten, welches die Wirksamkeit von | |
Drohnen im Kampf gegen die Wilderei untersuchen soll. Seit 2017 arbeitet | |
die Onlineplattform Instagram mit Naturschutz-NGOs wie WWF und | |
[54][TRAFFIC] zusammen und meldet ihnen, [55][wenn Nutzer Suchmeldungen | |
eingeben, die in Zusammenhang mit Wilderei gebracht werden können]. | |
Der WWF ist mittlerweile ein großer Kunde für die Drohnentechnologie. Seit | |
2012 testet die NGO im Rahmen seines Projekts Wildlife Crime Technology die | |
Anwendung von Hochtechnologien im Artenschutz. [56][Die Erfolgsgeschichten | |
werden auf der WWF-Webseite veröffentlicht]. Auch aus Deutschland werden | |
über den WWF neue Technologien geliefert. Drohnen, Nachtsicht- und | |
Infrarotkameras seien zwar effektiv, aber nur das i-Tüpfelchen, so | |
Kirchgatter vom WWF Deutschland, nachdem die Wildhüter, Fahrzeuge und | |
Stromanschluss bezahlt seien. Oft fehle es an Gummistiefeln. „Eine | |
Militarisierung ist nicht Ziel und Lösung des Problems“, erklärt er | |
dennoch. | |
## Neue Kunden der Rüstungsindustrie | |
Afrikas führendes Rüstungsunternehmen hat die Parkbehörden als neue Kunden | |
gewinnen können. Ivor Ichikowitz ist der Gründer und Geschäftsführer der | |
südafrikanischen Paramount Group und einer der reichsten Unternehmer des | |
Kontinents. Seine Firma produziert Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge, | |
Kriegsschiffe und gepanzerte Fahrzeuge. Zu seinen Abnehmern gehören Regime | |
wie in Saudi Arabien und Kasachstan und neuerdings auch afrikanische | |
Nationalparks. | |
Ichikowitz' Familienstiftung will sich in Zukunft für den Artenschutz in | |
Afrika einsetzen, verkündete der Milliardär auf einem Forum in Griechenland | |
zu Beginn 2019. Bereits 2016 lieferte Paramount Kampfhubschrauber zur | |
Wildereibekämpfung an die National Parks Agency in Gabun. Auf der | |
[57][Webseite der Stiftung] prangt eine lange Liste afrikanischer | |
Parkbehörden und NGOs, die von Paramount mit Trainings und Ausrüstung | |
versorgt wurden. Berühmt geworden ist die weltweit erste K9-Hundestaffel | |
zum Aufspüren von Wilderern, die mithilfe von Fallschirmen aus dem Flugzeug | |
oder Hubschrauber heraus abspringen kann. | |
Mittlerweile sind auch deutsche Rüstungsunternehmen an den afrikanischen | |
Nationalparks interessiert. Der führende Rüstungskonzern Rheinmetall AG hat | |
2016 ein Gesamtkonzept für die Rundumüberwachung der Parks entworfen: | |
Drohnen, Satellitenüberwachung sowie elektrische, mit Sensoren | |
ausgestattete Zäune. Der ehemalige Entwicklungsminister und heutige | |
Cheflobbyist von Rheinmetall, Dirk Niebel, hat dem BMZ im Jahr 2016 ein 20 | |
Millionen Euro umfassendes Konzept für den Etosha-Park in Namibia | |
vorgelegt, wofür sich das Unternehmen eine Anschubfinanzierung aus | |
deutschen Steuergeldern erhoffte. | |
Auch mit WWF, GIZ, KfW und dem US-Außenministerium habe Niebel gesprochen. | |
„Wir stellen wie in einem Warenhaus vor, was möglich ist“, so Niebel, ein | |
Baukastensystem, „in dem man dann modulartig aussuchen kann, was man haben | |
möchte und was man gebrauchen kann.“ Namibia sei ein „gutes Umfeld“, um … | |
„teure Variante des Wildtierschutzes“ anzuwenden, heißt, die präventive | |
Verhinderung der Wilderei sowie die Wilderer dingfest zu machen und | |
einzusperren. „Es gibt andere Länder, da kostet die Bekämpfung der Wilderei | |
den Preis einer Patrone.“ Das BMZ stellt jedoch auf Anfrage klar, die | |
Rheinmetall-Vorschläge würden nicht weiterverfolgt. | |
Vonseiten des BMZ heißt es klar: Es werden keine militärischen Geräte | |
geliefert. [58][Als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei listet | |
die Bundesregierung die Gegenstände auf], die sie seit 2009 in Kooperation | |
mit der ZGF bereitgestellt habe. Darunter sind Kleinflugzeuge, Motorräder | |
und Lastwagen, Satelliten‐Internet‐Verbindungssysteme, Rangeruniformen, | |
Wärmebildkameras, Navigationsausrüstung, Funkgeräte sowie | |
Ausrüstungsgegenstände zum Aufbau von Artenschutz‐Spürhundeeinheiten. | |
## Ein Schießbefehl auf Wilderer? | |
In ihrem Aufsatz [59][„Waging War to Save Biodiversity“] kommt die | |
Wissenschaftlerin Rosaleen Duffy von der Forschergruppe [60][BioSec] zum | |
Schluss: Die Zunahme militärischer Akteure im Naturschutzsektor führte in | |
den vergangenen Jahren zu einem grundlegenden Richtungswechsel in den | |
Naturschutzansätzen. Waren in den 1980er und 1990er Jahren noch mehr | |
partizipative Ansätze gepflegt worden, mit denen die lokale Bevölkerung in | |
den Naturschutzes mit einbezogen werden sollte, werden die Menschen | |
mittlerweile zunehmend als Feinde betrachtet und die Schutzgebiete mithilfe | |
ausgefeilter Überwachungstechnologien wie Festungen verteidigt. | |
Die mutmaßliche Verbindung zwischen Wilderern, Rebellen und Terroristen | |
rechtfertigte zudem den Einsatz brutaler Methoden, der schon vor | |
Jahrzehnten eigentlich als unhaltbar galt. Bereits 1988 hatte der damalige | |
kenianische Präsident Daniel Arap Moi der kenianischen | |
Wildtierschutzbehörde (KWS) einen Schießbefehl gegen Wilderer erteilt. In | |
Simbabwe und Tansania wurden in den 1980er und 1990er Jahren gezielte | |
Operationen gegen Wilderer in den Parks und den umliegenden Gemeinden | |
durchgeführt, ebenfalls mit der Erlaubnis zu schießen. | |
Berühmt geworden ist die 1987 in Südafrika durchgeführte „Operation Lock�… | |
die vom WWF als Anti-Wilderei-Mission finanziert wurde. Der WWF heuerte | |
damals die private südafrikanische Sicherheitsfirma KAS Enterprises an, die | |
enge Beziehungen zum Apartheidregime unterhielt. Sie nutzten | |
Kampfhubschrauber, um mutmaßliche Wilderer in den Parks aufzustöbern. | |
Bereits damals wurde bekannt, dass die KAS-Söldner vor allem Jagd auf | |
Mitglieder der Antiapartheidbewegung, also auf politische Gegner, machten. | |
In Ländern wie Botswana ist diese „Shoot to Kill“-Politik, die dort 2013 | |
ausgerufen wurde, aber keine gesetzliche Grundlage hat, nach wie vor | |
aktuell. 2015 wurde publik, dass botsuanische Wildhüter 30 Namibier und 22 | |
Simbabwer getötet hatten, [61][die sie in den grenznahen Parks als Wilderer | |
angetroffen hatten]. Tshekedi Khama, Botswanas Umwelt- und | |
Tourismusminister und Bruder des damaligen Präsidenten Ian Khama, erklärte: | |
[62][„Wenn du nach Botswana kommst, um zu wildern, dann besteht die | |
Möglichkeit, dass du nicht lebend zurückkehren wirst.“] | |
Diese Politik hatte Erfolg: Jahrelang wurde in Botswana kein Elefant | |
erlegt. Die botsuanischen Parks galten als so sicher, dass ganze Herden aus | |
den Nachbarländern migrierten. Das Land beherbergt mittlerweile die größten | |
Elefantenbestände Afrikas. Als Botswanas neuer Präsident Mokgweetsi Masisi | |
2018 diesen Schießbefehl wieder aufhob und die Parkranger radikal | |
entwaffnen ließ, wurden kurz darauf rund 90 Elefantenkadaver gefunden. In | |
einer Pressemitteilung kritisierte die Regierung Medienberichte, wonach die | |
Wilderer wieder nach Botswana gekommen seien, da dort die Ranger keine | |
Waffen mehr tragen würden. Vielmehr sei [63][mittlerweile die Armee | |
beauftragt worden, gegen Wilderer vorzugehen], so die Erklärung der | |
Regierung. Die „Shoot to kill“-Politik wurde also gar nicht aufgegeben, | |
statt den Wildhüter übernimmt aber nun das Militär diese Aufgabe. | |
2018 wurde im Queen-Elizabeth-Park in Uganda eine Gruppe unbewaffneter | |
Wilderer, die einen Büffel mit Fallen erlegt hatte, von den Rangern | |
erwischt und erschossen. Präsident Yoweri Museveni bekräftigte daraufhin | |
bei einem Besuch des Parks die „Shoot to kill“-Politik, tadelte aber den | |
Parkchef Eduard Asalu mit den Worten: „Wenn jemand eine Waffe trägt, dann | |
sollt ihr schießen – doch wenn sie nur Speere und Netze tragen, warum tötet | |
ihr sie?“ Auch Asalu bestätigt im Interview: „Diejenigen, die bewaffnet in | |
den Park kommen, die kann man nicht einfach verhaften. Ich denke, Sie | |
wissen das“, sagt er und deutet damit an, dass es in diesem Fall üblich | |
ist, auf bewaffnete Eindringlinge zu schießen. | |
10 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://ugandacf.org/ | |
[2] https://cites.org/ | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Washingtoner_Artenschutz%C3%BCbereinkommen | |
[4] https://www.iucn.org | |
[5] https://cites.org/eng/news/pr/African_elephant_poaching_down_ivory_seizures… | |
[6] http://www.iucnredlist.org/species/39999/17989719 | |
[7] https://fzs.org/de/ | |
[8] http://www.wwf.de | |
[9] http://www.iucn.org/content/rising-murder-toll-park-rangers-calls-tougher-l… | |
[10] http://d2ouvy59p0dg6k.cloudfront.net/downloads/wwf_rangers_survey_report_1… | |
[11] https://cites.org/eng/prog/mike/proj/mikes | |
[12] /!5669805/ | |
[13] http://www.biosecproject.org | |
[14] /!5669805/ | |
[15] /Das-Geschaeft-mit-der-Holzkohle/!5019603 | |
[16] /Kongos-Rebellen-im-Tourismusgeschaeft/!5081256 | |
[17] /Der-Virunga-Nationalpark-und-seine-Hueter/!5204085 | |
[18] https://www.imdb.com/title/tt3455224/ | |
[19] http://extwprlegs1.fao.org/docs/pdf/Cng175058.pdf | |
[20] https://www.africanparks.org/ | |
[21] http://www.africanparks.org/garamba-story-resilience-and-hope | |
[22] /Anschlaege-in-Uganda/!5139173 | |
[23] /Geiselnahme-in-Kenia/!5058442 | |
[24] https://theconversation.com/how-kenyas-tourism-industry-has-felt-the-impac… | |
[25] http://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-112shrg76689/html/CHRG-112shrg7668… | |
[26] https://web.archive.org/web/20130525175158/http://elephantleague.org/proje… | |
[27] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671719 | |
[28] http://www.conservation-watch.org/2016/11/04/how-wwf-and-wcs-came-to-hire-… | |
[29] http://www.wwf-congobasin.org/?239452%2FPeace-has-returned-to-Dzanga-Sangh… | |
[30] https://www.maisha-group.com/ | |
[31] https://earthleagueinternational.org/ | |
[32] https://wildleaks.org/ | |
[33] https://journals.uair.arizona.edu/index.php/JPE/article/view/21146 | |
[34] https://earthleagueinternational.org/wp-content/uploads/2016/02/Report-Ivo… | |
[35] https://enoughproject.org/files/Tusk_Wars_10262015.pdf | |
[36] http://www.conservationandsociety.org/text.asp?2019%2F17%2F3%2F258%2F261497 | |
[37] http://www.observer.ug/news/headlines/17456-updf-in-kony-hunt-accused-of-r… | |
[38] http://www.africanparks.org/press-release/garamba-park-80-year-anniversary… | |
[39] http://www.vetpaw.org | |
[40] http://www.theguardian.com/environment/2017/may/30/us-army-veterans-find-p… | |
[41] http://www.hoa.africom.mil/video/10592/africom-provides-supplies-and-train… | |
[42] http://www.thecitizen.co.tz/News/1840340-4856190-j08xqz/index.html | |
[43] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/135/1813552.pdf | |
[44] /Kampf-gegen-Elfenbeinhandel-in-Afrika/!5575038 | |
[45] http://www.gameranger.org/news-views/media-releases/170-media-stat | |
[46] http://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-112shrg76689/html/CHRG-112shrg7668… | |
[47] https://www.congress.gov/bill/114th-congress/house-bill/2494 | |
[48] https://www.wcs.org/ | |
[49] http://www.govtrack.us/congress/bills/114/hr2494/text | |
[50] /pdf/2016_bis_20126_UWA_Elephant_Conservation_Action_Plan_for_Uganda.pdf | |
[51] https://cites.org/eng/prog/mike/proj/mikes | |
[52] https://sdg.iisd.org/news/eu-funds-cites-unodc-and-cms-collaboration-on-wi… | |
[53] https://assets.takeshape.io/207c4ff8-bdf4-4529-970e-b992d4539152/dev/11433… | |
[54] https://www.traffic.org/ | |
[55] http://www.inc.com/bonnie-burton/how-drones-instagram-googles-ai-are-helpi… | |
[56] https://www.worldwildlife.org/projects/wildlife-crime-technology-project | |
[57] https://ichikowitzfoundation.com/index.php/conservation/ | |
[58] https://kleineanfragen.de/bundestag/19/8418-aktuelle-entwicklungen-in-von-… | |
[59] http://eprints.whiterose.ac.uk/109071/1/Duffy-Int%20Affairs%20pre%20public… | |
[60] http://biosecproject.org | |
[61] https://africasustainableconservation.com/2018/06/01/botswana-masisi-ends-… | |
[62] http://www.washingtonpost.com/news/morning-mix/wp/2018/09/04/its-open-seas… | |
[63] http://www.conservation-watch.org/2018/09/11/the-strange-story-of-botswana… | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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