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# taz.de -- Militarisierter Naturschutz in Afrika: Deutsche Gelder außer Kontr…
> Artenschutz ist teuer. Für Nationalparks in Afrika werden immer
> kreativere Finanzierungen entwickelt. Einige davon sind dubios.
Bild: Ein Virunga-Ranger guckt aus dem Auto
Simon Counsell ist ist nicht besonders gut auf die deutsche Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW) zu sprechen. In seinen 23 Jahren als Direktor der
[1][britischen Rainforest Foundation] hatte er wiederholt mit der Bank zu
tun, die für die Abwicklung der meisten Zahlungen deutscher Gelder für die
Entwicklungszusammenarbeit, auch im Naturschutzsektor, verantwortlich ist.
„Es ist meistens sehr schwer nachzuvollziehen, wie viel Geld in welchen
Projekte für genau welche Dinge ausgegeben wird. Es gibt da einen sehr
ernsten Mangel an Transparenz.“
Counsell geht davon aus, dass ohne parlamentarische Nachfragen wie die von
der Bundestagsabgeordneten Eva-Maria Schreiber (Linke) noch viel weniger
über die genauen Geldflüsse zugunsten des Naturschutzes in Afrika bekannt
wäre. Für Counsell und andere Aktive hat die Transparenz in der
Entwicklungshilfe unter anderem deshalb einen so hohen Stellenwert, um
Verantwortlichkeiten auch in Europa ausmachen zu können für die unzähligen
Menschenrechtsverstöße von Wildhütern gegen die lokale Bevölkerung im
Umfeld der afrikanischen Schutzgebiete.
Tatsächlich beantwortet die KfW nur ungern Anfragen, weder journalistische
noch parlamentarische. Im Zweifelsfall beruft man sich gern auf das
Bankgeheimnis. Auch das Transparenzportal der KfW im Netz hält nur sehr
basale Informationen zur Verwendung der Fördersummen bereit. Dort wie auch
beim üblicherweise bewilligenden Ministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fehlen außerdem praktisch durchgehend
Angaben zum Ablauf der geförderten Projekte. Nachvollziehbare
Erfolgskontrolle bleibt so auf der Strecke – und das bei Summen im
vielfachen Millionenbereich.
Mittlerweile ist die Bundesrepublik weltweit führend in der Finanzierung
von Schutzgebieten. Das BMZ gibt an, mit seinem Budget mittlerweile
Schutzgebiete im Umfang der vierfachen Fläche Deutschlands zu finanzieren.
Aktuell fördert allein die KfW 636 Naturschutzgebiete in 54 Ländern mit
einer Gesamtfläche von knapp 1,5 Millionen Quadratkilometern. „Das ist mehr
als die Fläche Deutschlands, Frankreichs und Spaniens zusammen genommen“,
heißt es auf ihrer Internetseite.
Die meisten dieser Schutzgebiete liegen in Afrika mit dem besonderen Fokus
auf das Kongobecken: Deutschland finanziert in der DR Kongo über die
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die KfW die
Naturschutzmaßnahmen der kongolesischen Naturschutzbehörde Institut
Congolais pour la Conservation de la Nature (ICCN). Darin mit inbegriffen
ist auch der Kahuzi-Biéga-Nationalpark in der krisengeplagten Provinz
Süd-Kivu im Ostkongo. Im Auftrag des BMZ leitet der WWF Deutschland mit dem
ICCN den Salonga-Nationalpark im Westen der DR Kongo mit einer Fläche so
groß wie Belgien, berühmt für seine Bonobo-Affen-Population. Dafür wurden
seit 2016 rund 5,4 Millionen Euro ausgegeben.
Offiziell hat die Bundesregierung 2016 zwar alle Zusammenarbeit mit Kongos
Regierung eingestellt, [2][nachdem die anstehenden Wahlen verschleppt
wurden], doch auf unterer Ebene läuft die Zusammenarbeit weiter. In Berlin
geben die Verantwortlichen im BMZ im Hintergrundgespräch zu, dass dies
nicht ganz „unproblematisch“ sei, doch die deutschen Gelder seien für den
Erhalt der Gorillas lebensnotwendig, lautet das schlagende Argument. Seit
Jahrzehnten finanziert Deutschland Kongos Nationalparks so über alle Kriege
und Korruptionsvorwürfe hinweg weiter. Derzeit beläuft sich das Engagement
der Bundesregierung für Biodiversität und Waldbewirtschaftung in der DR
Kongo auf 24 Millionen Euro.
Biodiversität in Afrika macht zwar nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil
der Ausgaben für Entwicklungshilfe aus, ist aber definitiv ein
Wachstumsmarkt, wenn man auf die Entwicklung der europäischen und deutschen
Ausgaben auf diesem Gebiet schaut. Laut den Zahlen der Europäischen
Kommission und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD), die etwas großzügiger als BMZ und KfW mit der
Bereitstellung von Daten sind, vervierfachte sich zwischen 2007 und 2019
die Summe der Förderungen für Projekte, die das Siegel Biodiversität
tragen: zuletzt auf mehr als 160 Millionen Euro jährlich. Mehr als 100
Millionen Euro davon kommen direkt aus Deutschland und verteilen sich auf
etwa 800 Einzelposten. Der Anstieg des deutschen Engagements ist dabei noch
viel drastischer als im europäischen Vergleich. Während sich die deutsche
Entwicklungshilfe in Afrika zwischen 2007 und 2018 auf gut vier Milliarden
Euro jährlich verdoppelte, versiebenfachte sich der Anteil des für
Biodiversität ausgeschütteten Topfes.
Die meisten der Gelder sind zunächst sehr spezifischen Einzelprojekten
zugegangen, darunter fallen die Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen,
Büromaterialien, die Unterstützung lokaler Selbstorganisation und vor allem
sehr viele Forschungsvorhaben. Die Hälfte der Posten erreicht einen Umfang
von jeweils bis zu 150.000 Euro, ein Großteil deutlich weniger. Lediglich
ein Fünftel der geförderten Projekte erhielt Summen von mehr als einer
Million Euro. Das BMZ besteht darauf, dass keine Waffen oder militärisches
Gerät von den Geldern bezahlt würden, Gehälter-Prämien für bewaffnete
Wildhüter aber gehören zum förderungswürdigen Paket.
Diese Prämien sind als Aufstockung auf das mickrige Staatsgehalt gedacht,
werden aber nach Leistungen ausbezahlt. Sprich: Wer mehr patrouilliert und
mehr Erfolge aufweist, bekommt mehr Prämie. Da gilt auch für die Verhaftung
von mutmaßlichen Wilderern – was letztlich dazu führt, dass mehr
Verhaftungen und Operationen gegen Wilderei unternommen werden. Zumindest
mittelbar beteiligt sich Deutschland also an der Militarisierung im
Naturschutz.
## Hedgefonds für den Artenschutz
Der größte Einzelposten aus dem vergangenen Jahrzehnt ist die Auszahlung
von 25 Millionen Euro mit dem Überweisungszweck „Gestion durable des forêts
dans le Bassin du Congo, FTNS“. Die Abkürzung FTNS steht dabei für
[3][„Treuhandfonds für den trinationalen Sangha-Park“]. Es handelt sich
dabei um einen Treuhandfonds, der Renditen aus Investitionen am
Kapitalmarkt in Naturschutzprojekte investiert. Das Einsatzgebiet umfasst
das Schutzgebiet Dzangha Sangha in der Zentralafrikanischen Republik, den
Nationalpark Nouabalé Ndoki in der Republik Kongo sowie den Nationalpark
Lobéké in der Republik Kamerun.
Der 2000 gegründete FTNS steht beispielhaft für einen noch relativ jungen
Trend in der Finanzierung von Naturschutzprojekten. Als erstes noch immer
aktives Projekt dieser Art gilt der 1992 in Kooperation zwischen Bhutan,
dem WWF und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen gegründete
Bhutan Trust Fund for Environmental Conservation (BTFEC).
Zunächst vor allem aus den USA und von der Weltbank befördert,
interessierte die Idee schließlich auch das BMZ und die KfW-Bank.
Schließlich versprach das Konzept eine mögliche Lösung des Problems
langfristiger und nachhaltiger Finanzierung der Schutzgebiete. Die
fortgesetzte regelmäßige Alimentierung des Naturschutzes auf dem
afrikanischen Kontinent aus dem Entwicklungshilfebudget bindet schließlich
große Summen. Alternativen wie die Finanzierung durch Safari-Tourismus
funktionieren nur für einige wenige Parks und auch das selten in voller
Höhe der entstehenden Kosten. In Botswana geht man inzwischen so weit,
Lizenzen für die Großwildjagd verkaufen zu wollen, Simbabwe setzt auf
Private-public-Partnerships zur Finanzierung der Parks.
Der Charme der Idee aber, statt permanent einzelner Projektförderungen
einmalig Basiskapital zur Verfügung zu stellen, scheint KfW und BMZ
besonders überzeugt zu haben. Seit 2007 sind aus der für Biodiversität in
Afrika vorgehaltenen Summe mehr als 230 Millionen Euro in Treuhandfonds
geflossen.
18 dieser Fonds [4][haben sich 2011 in einem Konsortium
zusammengeschlossen]. Darunter sind der FTNS und auch der erst seit 2019
aktive Okapi-Fonds, der zugunsten der Parks Kahuzi-Biéga und Garamba in der
Demokratischen Republik Kongo operieren soll. Die erste Kapitalspritze für
den Okapifonds setzte die Weltbank mit 9 Millionen Euro, das BMZ ließ über
die KfW 15 Millionen Euro überweisen.
Die Treuhandfonds werden in der Regel von einem Aufsichtsgremium
kontrolliert, das sich aus Vertretern der Parks, der betroffenen Länder und
der Geberparteien zusammensetzt. Im Falle deutscher Kofinanzierung ist das
üblicherweise ein Vertreter der KfW. Manager des Okapi-Fonds ist im Kongo
Jean Mbuyu, heute Universitätsprofessor für Jura in Kinshasa, bis Ende 2018
jedoch Berater des damaligen Präsidenten Joseph Kabila, dessen Regime für
Korruption und Misswirtschaft bekannt war. Die KfW sagt dazu: „Basierend
auf einem Medien- und Listenscreening (u. a. im einschlägigen Riskcenter)
liegen uns keine Negativeinträge oder Informationen über eine etwaige
Involvierung in strafbare Handlungen zu Herrn Mbuyu vor.“
Das Investmentportfolio bleibt für Journalisten ein Geheimnis. In welche
Art Hedgefonds unter welchen Nachhaltigkeitskriterien da investiert wird –
das ist für interessierte Bürger oder Journalisten, die wissen wollen,
welche Wege diese Gelder nehmen, nicht nachvollziehbar. Bei konkreten
Anfragen mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz beruft sich die
KfW auf das Bankgeheimnis als privatrechtliche Person. [5][In einem Urteil
des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 2019] wird jedoch
klargestellt, dass die KfW-Bankengruppe eine Behörde und damit verpflichtet
ist, Zugang zu ihren Informationen zu gewähren.
Die öffentliche Kontrolle über die Verwendung der gegebenenfalls
erwirtschafteten Gewinne entfällt. Counsell von RFUK nennt dieses Verfahren
„eine Art umgekehrter Geldwäsche“. Schließlich würden Mittel, die einer
ohnehin nur mäßig rigiden öffentlicher Kontrolle unterliegen, so in noch
undurchsichtigere Kanäle umgeleitet.
FTNS und Okapi-Fonds sind aus steuerlichen Gründen als wohltätige
Organisationen in Großbritannien registriert, was immerhin eine gewisse
Transparenz erzwingt. Beide Fonds sind unter derselben Adresse im Herzen
Londons zu finden, nur einen Steinwurf von der St.-Pauls-Kathedrale
entfernt in einem unauffälligen Bürogebäude. Von dort aus wird mit
Millionensummen an internationalen Finanzmärkten spekuliert. Geld, das als
Entwicklungshilfe deklariert ist und von dem eigentlich erwartet werden
dürfte, dass es direkt in Artenschutzprojekte fließt.
Anfang der Nullerjahre rechneten die Verfechter des Modells mit den
Treuhandfonds noch mit jährlichen Renditen von etwa 10 Prozent. Nach der
Finanzkrise ist diese Erwartung inzwischen auf durchschnittliche 4 Prozent
korrigiert. Zum Erreichen dieses Ziels beschäftigen die Fonds
Finanzberatungsfirmen. FTNS arbeitet dabei mit dem französischen
Unternehmen Indosuez Wealth Management zusammen, der Okapi-Fonds mit dem
britischen Finanzberater Smith & Williams. Beide Firmen waren [6][2016 im
Zuge des Skandals um die sogenannten Panama Papers] im Visier von
Steuerfahndern.
Die Idee, dass der Artenschutz in Afrika kein dauerhaftes Zuschussgeschäft
sein soll, ist derweil nicht gar so neu. Schon in der Kolonialzeit wurden
afrikanische Jagdreservate vor allem als Einkommenswelle für die
europäischen Verwaltungen angesehen. Im Vordergrund stand damals
Artenschutz lediglich als Mittel zum Zweck einer nachhaltigen
Bewirtschaftung, weniger eines altruistischen Naturschutzideals.
Ganz außer acht gelassen wurden damals wie auch heute die Interessen der
vor Ort lebenden Menschen. Die Erfahrung mit rücksichtslosen Parkrangern,
die teils jahrhundertealte Landrechte von Indigenen im Umfeld der Parks
missachteten, sind es denn auch, was Simon Counsell und Rainforest in den
vergangenen Jahren besonders beschäftigte: „Es geht doch darum, die
Menschen, die in den Wäldern leben, ins Zentrum der Naturschutzbemühungen
zu stellen, um deren Traditionen für effektiven Naturschutz nutzen zu
können.“
## Entwicklungshilfe gegen Wilderei
Von den Geldgebern erwartet Counsell eine klare Verpflichtung, gegen die
immer wieder berichteten Menschenrechtsverstöße rund um die afrikanischen
Nationalparks vorzugehen. Die zunehmende Militarisierung im Naturschutz
beobachtet er mit Sorge. Das Problem ließe sich jedoch nicht kurzfristig
zum Beispiel mit dem kompletten Einfrieren von Entwicklungsgeldern beheben:
„Da gibt es jetzt eine große Zahl Ecoguards, 12.000 bis 15.000 vielleicht.
Das sind schlecht ausgebildete, aber schwer bewaffnete junge Männer.
Einfach aufzuhören, die zu bezahlen, würde sehr ernste neue Probleme
schaffen.“
Eine Demobilisierung könne deshalb nur langfristig und gemeinsam mit den
Organisationen vor Ort und den internationalen Geldgebern angegangen
werden. Die müssten allerdings aufhören, Probleme zu ignorieren und für den
Anfang transparenter mit den Geldern für Entwicklungshilfe umgehen, als es
zum Beispiel die KfW bislang tut.
Auffallend in der Gesamtübersicht der aus Deutschland geförderten Projekte
ist entgegen der nötigen Demilitarisierung aber die zunehmende
Konzentrierung der deutschen Vorhaben auf gegebenenfalls brachiale
Maßnahmen der Wildereibekämpfung. Das BMZ hat 2018 die Wildereibekämpfung
in ihren [7][„Marshallplan mit Afrika“ aufgenommen] und rund 190 Millionen
Euro dafür weltweit vorgesehen; davon fließen 142 Millionen Euro nach
Afrika. Ein Großteil geht in die sogenannte Kapazitätsbildung afrikanischer
Parkbehörden, also Ausbildung und Ausrüstung der Wildhüter, aber auch in
den Ausbau der Strafverfolgungsmaßnahmen.
Allein für Namibia wurden 15 Millionen Euro für die Ausbildung und
Ausrüstung der Anti-Wilderei-Truppen ausgegeben. Gemeinsam mit dem BMU hat
das BMZ für den Zeitraum 2017 bis 2021 die „Partnerschaft gegen Wilderei
und illegalen Wildtierhandel in Afrika und Asien“ aufgesetzt und [8][rund
15 Millionen Euro dafür bereitgestellt]. Mehr als 200 Mitarbeiter von
Polizei, Zoll und Justiz aus über 20 Ländern in Afrika und Asien werden
geschult, um verdächtige Sendungen zu identifizieren und Ermittlungen gegen
Schmuggler aufzunehmen und so die Handelswege des Elfenbeins zu
zerschlagen. Als Entwicklungshilfe vorgesehene Gelder fließen so in die
Ausbildung von Strafverfolgungsbehörden.
## Private Spenden für den Artenschutz
Zu den staatlichen Geldern hinzu kommen Milliarden Euro privater Spenden
für den Artenschutz an weltweit agierende NGOs; unter anderem an den WWF
oder die ZGF. Medienwirksam stellen sie ständig neue Kampagnen auf, die
privates Geld akquirieren, um Pandas, Tiger, Elefanten oder Gorillas zu
retten. In der deutschen Spendenstatistik liegt Tierschutz auf Platz zwei,
direkt nach der humanitären Hilfe.
Einige Parks und NGOs wie der WWF entwickelten jüngst Finanzierungsideen
über direkte Kundenbindung: Tierfreunde können sich beispielsweise auf der
Facebook-Seite der ugandischen Wildtierschutzbehörde Uganda Wildlife
Authority (UWA) per Mausklick [9][mit einem ugandischen Gorilla für 90 Cent
befreunden] und erhalten regelmäßig Status-Updates.
Auf der Internetseite des kongolesischen Virunga-Nationalparks kann man
sich [10][unter der Kategorie Spenden den Zweck aussuchen]: 7 Euro für
Gummistiefel für einen Ranger, 45 Euro zur Unterstützung einer Frau und
ihrer Kinder eines verstorbenen Parkrangers, 137 Euro für zweiwöchige
Verpflegung eines Waisengorillas, 275 Euro für eine Stunde Rundflug, um
Wilderer aus der Luft aufzustöbern, oder 458 Euro für eine eintägige,
„taktische“, also militärische, Elefantenschutz-Operation. Auf der
WWF-Homepage kann man per Kreditkarte sogar die Ausbildung eines Rangers
/einer Rangerin finanzieren, sprich: Selbst Privatleute können nun dabei
helfen, die Wildhüter militärisch fit zu machen.
## Der lange Weg zum Geschäftsmodell
Ein einziger Mensch – zugegebenermaßen ein sehr wohlhabender – könnte
buchstäblich die Lösung für die Herausforderungen eines ganzen Kontinents
darstellen“, [11][kommentierte Peter Fearnhead, Geschäftsführer der African
Parks, eine Studie über den Finanzierungsbedarf] und kommt zum Fazit: „Das
macht Hoffnung.“
Fearnhead meinte mit diesem „einzigen Menschen“ seinen guten Freund, den
niederländisch-britischen Milliardär Paul Fentener van Vlissingen. Bei
seinem Tod 2006 galt er als einer der reichsten Europäer. Seine
niederländische Familie war im 19. Jahrhundert mit einem
Schifffahrtsunternehmen wohlhabend geworden. Der bekannte Klimaaktivist und
Tierliebhaber unterhielt in den 1990er Jahren in Schottland ein
Modell-Wildtierschutzgebiet und ging in Afrika auf Großwildjagd.
Sein größter Coup gelang ihm 1998 in Südafrika, wo er in den 1980er Jahren
einen Großteil seines Kapitals in Unternehmen investiert hatte, die das
Apartheidregime unterstützten. Als Nelson Mandela und der ANC an die Macht
kamen, musste van Vlissingen seine Anlagemodelle ändern und wendete sich
dem Naturschutz zu. Die Nationalparks befanden sich in einem miserablen
Zustand, die Regierung war pleite. Die Frage stand im Raum, ob die Parks
überhaupt zu erhalten seien.
Mandela erklärte van Vlissingen bei einem Treffen 1998, dass die sozialen
Bedürfnisse der Menschen wichtiger seien als der Artenschutz. Daraufhin
schlug van Vlissingen dem Präsidenten vor: „Der Staat könnte Expertise,
Wissenschaftler und Tiere von anderen Parks und Ländern beschaffen, während
ich die Verwaltung und den Willen mitbringe, es zu realisieren.“ Mandela
willigte ein. „Ich strebe nicht nach Wohlstand, sondern ich will etwas
Gutes für den Planeten und die Menschheit tun“, erklärte van Vlissingen
sein Engagement.
Es war die Geburtsstunde von African Parks, dem größten, quasi
privatwirtschaftlich verwalteten Naturschutzunternehmen auf dem Kontinent.
Das im Jahr 2000 in Johannesburg gegründete, gemeinnützige Unternehmen ging
aus van Vlissingens Firma African Parks Management and Finance Company
hervor, [12][die er damals zur Stiftung umstrukturierte und dieses Modell
auf dem ganzen Kontinent vermarktet].
Mittlerweile verwaltet African Parks 16 Naturschutzgebiete in zehn Ländern
als Public-private-Partnerships mit einer Gesamtfläche von über 10
Millionen Hektar. Bis 2020 will African Parks 20 Nationalparks auf dem
Kontinent verwalten: „African Parks hat ein klares Geschäftsmodell“,
[13][heißt es auf der Internetseite], mit einem „starken Fokus auf
wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung in den umliegenden
Gemeinden, um sicherzugehen, dass der Park langfristig ökologisch, sozial
und finanziell nachhaltig ist“.
Die Tür für private Geschäfte und internationale Entwicklungsgelder im
Naturschutz steht so weit offen, da den Regierungen der meisten
afrikanischen Staaten Bereitschaft oder Kapazitäten fehlen, Geld in den
Erhalt der Biodiversität zu stecken. Steuereinnahmen decken oft genug nicht
einmal die Ausgaben für Gesundheit und Bildung, investiert wird ohnehin
lieber in Verteidigung und Sicherheit.
Zugänge zu internationalen Fördergeldern oder Kredite gibt es vor allem für
große Infrastrukturprojekte wie Straßen, Eisenbahnverbindungen, Ölförderung
oder Staudämme – Projekte, die zum Teil in Konkurrenz mit Natur- und
Artenschutzgebieten stehen. So berichtete die Weltbank im Haushaltsjahr
2012, dass die Regierung der Demokratischen Republik Kongo für ihre
Naturschutzbehörde ICCN rund 916.000 Euro vorgesehen habe. Letztlich seien
jedoch nur rund 16.000 Euro ausbezahlt worden.
Der Unterhalt von Schutzgebieten ist unbestreitbar extrem kostspielig. Eine
2018 veröffentlichte Untersuchung kalkulierte das Defizit für Schutzgebiete
in Afrika auf bis zu 1,8 Milliarden Euro – pro Jahr. Die Ergebnisse aus 23
verschiedenen Ländern Afrikas zeigen, dass rund 90 Prozent der Parks mit
einem Budget operieren, das gerade einmal 20 Prozent der Mittel beträgt,
die benötigt werden, um den Naturschutz effektiv zu gestalten. Pro
Quadratmeter werden [14][jährlich zwischen 350 und 700 Euro benötigt, zur
Verfügung stehen allerdings nur 70 Euro, so der Bericht]. Dies führe zu
einem Aussterben geschützter Tiere aufgrund fehlender finanzieller Mittel.
Im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Naturschutzes und dem
Finanzierungsdilemma steht also stets die Frage, wie sich am meisten Geld
aus den zu schützenden Gebieten extrahieren lässt. Der Betrag, den der
Unterhalt eines Schutzgebietes kostet und welcher beispielsweise durch
Einnahmen aus Eintrittsgebühren in den Nationalpark oder Trophäenjagd
generiert werden kann, wird von lokalen Regierungen mitunter mit den
Profiten aufgewogen, die durch die Exploration der natürlichen Ressourcen
wie Erdöl oder Mineralien aus den Gebieten gewonnen werden könnten. Die
meisten afrikanischen Regierungen stellen sich da ganz konkret die Frage:
Wie lassen sich aus dieser Landfläche die größten Gewinne generieren?
Aus diesen Überlegungen speist sich wie beschrieben eine große Vielfalt an
Ideen in Afrika wie auch Europa, die Experimente von Privatisierungen bis
hin zu Finanzmarktspekulationen entstehen lassen. Ob so am Ende ziviler
Artenschutz gefördert wird, der die Interessen der im Umfeld der
Schutzgebiete lebenden Menschen hinreichend in Betracht zieht, bleibt eine
offene Frage. Viele Indizien aber deuten darauf hin, dass stattdessen
neokoloniale Machtstrukturen perpetuiert werden. Internationale
Entwicklungshilfegelder, nicht zuletzt aus Deutschland, helfen unterdessen
nicht dabei, Transparenz und echte Beteiligung vor Ort zu schaffen.
17 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.rainforestfoundationuk.org/
[2] /Verschiebung-der-Wahl-im-Kongo/!5345994
[3] https://www.fondationtns.org/
[4] https://www.cafeconsortium.org/
[5] https://www.buzzfeed.com/de/marcusengert/kfw-ist-behoerde-ifg-verwaltungsge…
[6] /Steueroasen-verursachen-Umweltschaeden/!5528344
[7] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5669805/
[8] https://www.giz.de/de/downloads/giz2019_de_Factsheet_Partnerschaft%20Wilder…
[9] http://www.ugandawildlife.org/visitor-guide-2/travel-responsibly/friend-a-g…
[10] https://virunga.org/donate
[11] http://www.nytimes.com/2018/10/22/science/africa-conservation-parks-fundin…
[12] http://www.youtube.com/watch?v=JvrxVDo-5sY
[13] http://www.africanparks.org/about-us/our-story
[14] http://www.pnas.org/content/pnas/115/45/E10788.full.pdf
## AUTOREN
Simone Schlindwein
Daniél Kretschmar
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