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# taz.de -- Militärischer Naturschutz in Kongo: Deutsches Geld für „grüne …
> Deutsche Entwicklungshilfe soll wieder in den militärischen Schutz von
> Kongos Nationalparks fließen. Darunter leidet die Bevölkerung.
Bild: Von Deutschland bezahlte Wildhüter im Kahuzi-Biega-Nationalpark im Febru…
Berlin taz | Es war um neun Uhr am Morgen, als der Konvoi von Marcelin
Bahaya überfallen wurde. Der Hinterhalt wurde für den
Landwirtschaftsminister Mitte Oktober in der ostkongolesischen Provinz
Südkivu gelegt, auf einer Straße mitten im dichten Regenwald des
Kahuzi-Biega-Nationalparks. Hier tummeln sich Milizen, die illegal in Minen
tätig sind oder Transporte ausrauben.
Die Parkverwaltung beschuldigte Jean-Marie Kasula, den Vorsitzenden der
Minderheit der Batwa-Pygmäen in der Region. „Er ist bewaffnet und nimmt
seine Erpressungsaktivitäten und den Diebstahl des Eigentums von Menschen
auf der Nationalstraße 3 wieder auf“, erklärte sie. Seine Männer hätten
Wertsachen und Geld geraubt und einem Leibwächter des Ministers eine Waffe
entwendet. Beweise für Kasulas Rolle nannte Pressesprecher Hubert Mulongoy
nicht. Er betonte lediglich: „Es besteht kein Zweifel daran, dass dieser
Angriff in direktem Zusammenhang mit Jean-Marie Kasula steht.“
Der Kahuzi-Biega-Nationalpark ist eine Säule der [1][deutschen
Entwicklungszusammenarbeit im Kongo]. Seit 1986 ist die Bundesrepublik
Deutschland der wichtigste Geldgeber des Parks. Ohne diese Unterstützung
hätte der Park die Kriegszeiten im Kongo nicht überstanden. Über die
Entwicklungsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) wird der Großteil der
Gehälter der 225 Wildhüter bezahlt.
Dieses Jahr deckte das [2][taz-Rechercheprojekt „Grüne Armee“] über die
Militarisierung des Naturschutzes in Afrika die zunehmenden Übergriffe der
Wildhüter auf die Bevölkerung im Umfeld der Nationalparks in der
Demokratischen Republik Kongo auf.
Spektakulärster Vorfall: die [3][Verhaftung des Batwa-Anführers Kasula]
wegen angeblich illegaler Abholzung zwecks Herstellung von Holzkohle, die
die Bevölkerung zum Kochen verwendet. Dafür sowie wegen Gründung einer
bewaffneten Miliz wurde er angeklagt. Als Beweisstück diente ein kaputtes
Maschinengewehr aus den Beständen der Armee. Ein Militärgericht verurteilte
Kasula in einem eintägigen Schauprozess zu 15 Jahren Haft.
## Bundesregierung reagierte auf taz-Berichte
Seit Ende August ist Kasula wieder frei – dank internationalen Drucks. Doch
sein Berufungsprozess läuft, und nun kommen die neuen Vorwürfe dazu.
Parksprecher Mulongoy holzt gegen die lokalen und internationalen NGOs, die
sich für die Rechte indigener Völker wie der Batwa-Pygmäen einsetzen: „Im
Namen des Schutzes der Menschenrechte rufen diese Organisationen Pygmäen
dazu auf, gegen das Gesetz zu verstoßen“, so der Parksprecher: „Man fragt
sich, ob sie nicht diejenigen sind, die sie letztendlich bewaffnen.“
Nach der taz-Berichterstattung über den Prozess gegen Kasula sowie über
Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen [4][hochrangigen Leiter des
Virunga-Nationalparks] in der Provinz Nordkivu hatte die deutsche
Bundesregierung reagiert. Alle Finanzmittel für Kongos Naturschutzbehörde
ICCN, die die Parks verwaltet, wurden eingefroren.
Jetzt sollen die Gelder wieder fließen. Die erneute deutsche Finanzierung
der Nationalparks im Kongo soll Anfang Dezember Teil der Verhandlungen mit
Kongos Regierung darstellen, bei denen es um die Wiederaufnahme der seit
Jahren eingestellten Entwicklungszusammenarbeit geht.
Um Menschenrechtsverletzungen durch Wildhüter vorzubeugen, hat das
Entwicklungsministerium BMZ im Mai mit der ICCN ein Memorandum geschlossen.
Es geht um die „Verbesserung des Menschenrechtsschutzes im Rahmen der
Förderung von Naturschutzgebieten“, so das BMZ auf taz-Anfrage. Vereinbart
worden sei unter anderem die Ernennung eines
ICCN-Menschenrechtsbeauftragten, Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz „zum
Kapazitätsaufbau beim Menschenrechtsschutz in der Arbeit der
Parkverwaltungen“ sowie die Erstellung von Risikoanalysen.
Die wichtigste Reform liegt in der Verwaltung der Parks an sich. In Zukunft
sollen alle sechs Naturschutzgebiete des Kongos, in welche deutsche Gelder
fließen, nur noch in enger Zusammenarbeit zwischen ICCN und internationalen
Organisationen verwaltet werden. „Internationale
Nichtregierungsorganisationen sollen ihre Erfahrungen aus anderen Regionen
und ihre Expertise im Bereich des Schutzes von Menschenrechten und von
Konfliktlösung einbringen“, erklärt das BMZ.
Eine solche Zusammenarbeit wird bereits im Salongapark im Zentrum Kongos
betrieben: der WWF war dort Partner der ICCN.
Auch dort kam es zu zahlreichen Menschenrechtsverstößen. In einem internen
Untersuchungsbericht vom März 2019, der der taz vorliegt, ist die Rede von
vergewaltigten Frauen und Fischern, deren Genitalien verstümmelt wurden.
Aufgrund der Vorfälle wurden daraufhin alle deutschen Gelder für Salonga
eingefroren, ebenso US-Gelder für den WWF und die US-amerikanische Wildlife
Conservation Society (WCS), die in Kahuzi-Biega aktiv ist.
## Deutschland will Menschenrechte schützen
Jetzt ist der WWF erneut als Partner in Salonga vorgesehen, die WCS hat
einen Co-Management-Vertrag für das Naturschutzgebiet Okapi im Norden des
Landes unterzeichnet. Deutschland versichert, zahlreiche Maßnahmen
eingeleitet zu haben, um neue Menschenrechtsverletzungen zu verhindern:
Wildhüter werden in Menschenrechten geschult, für die angrenzende
Bevölkerung wurden Beschwerde-Hotlines eingerichtet.
Die internationalen Organisationen, so das BMZ, sollen „die
Personalverantwortung inklusive Auswahl und Ausbildung der Ranger sowie die
Aufarbeitung von Zwischenfällen stärker verantworten.“ Eine
„Berichtspflicht gegenüber der KfW“ werde es geben: „Dies umfasst auch d…
Meldung von besonderen Vorfällen.“
Was Kahuzi-Biega angeht, präzisiert eine KfW-Sprecherin zur taz, ein
„Mediationsprozess“ unter ICCN-Beteiligung sei Bedingung für die
Wiederaufnahme der Zahlungen: „Für die KfW bleibt eine weitere Verbesserung
der Kooperation ein wesentliches Hauptaugenmerk des Engagements.“
Doch das Memorandum mit der Naturschutzbehörde ICCN ist nicht öffentlich,
und die [5][Militarisierung des Naturschutzes im Kongo] nimmt nicht ab,
sondern zu. Denn Kongos Naturschutzbehörde ICCN steht mittlerweile unter
gemeinsamer Aufsicht der Ministerien für Tourismus und für Verteidigung.
Die rund 4.000 Wildhüter im Kongo stehen nun unter Kommando der
[6][kongolesischen Armee], die für schwere Menschenrechtsverbrechen
berüchtigt ist. Ihr Chef, Generalmajor Maurice Aguru, tourt seit Ende 2019
durch die Parks und kündigt an, die Rangereinheiten auf 11.000 Mann
aufzustocken. Seitdem laufen landesweite Rekrutierungsmaßnahmen.
## Zwölf tote Ranger in diesem Jahr
Die Regierung macht geltend, es seien allein dieses Jahr in den
Nationalparks Virunga, Kahuzi-Biega und Okapi 12 Ranger getötet worden.
Kongos Wildhüter werden systematisch im Antiterrorkampf ausgebildet, von
westlichen Militärtrainern und israelischen Sicherheitsfirmen. Einen
Großteil der Trainings für Afrikas Wildhüter haben die USA bezahlt, für die
der Kampf gegen Wilderei in Afrika ein Teil ihres Kampfes gegen den
internationalen Terrorismus und dessen Finanzquellen darstellt.
Das BMZ sagt dazu: „Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit lehnt eine
Militarisierung des Naturschutzes ab. Waffen und Munition werden nicht
finanziert.“ Gleichzeitig gibt das BMZ „eine gute Ausbildung der Ranger –
auch in Menschenrechtsfragen – und die Ertüchtigung der
Naturschutzbehörden“ als Schwerpunkt der Zusammenarbeit an.
Die Zusammenarbeit zwischen Wildhütern und Militär will Deutschland im Auge
behalten: „Die Kooperation mit den kongolesischen Streitkräften im Rahmen
gemeinsamer Einsätze soll, wenn diese situationsbedingt und gemäß
nationaler Gesetzgebung unabdingbar sind, auf der Grundlage eines
schriftlichen Protokolls erfolgen“, sagt das BMZ. „Neben der Regelung der
Befehls- und Kommandogewalt soll dieses eine klare Verpflichtung zur
Wahrung menschenrechtlicher Standards sowie disziplinarische und
strafrechtliche Maßnahmen bei Verstößen enthalten.“
Kann das funktionieren? Zweifel sind angebracht. Aus Sicht der Behörden
sind die autochthonen Waldbewohner im Kahuzi-Biega-Park Aufständische, die
neutralisiert werden müssen. Im November nahmen Soldaten den mutmaßlichen
Milizenführer Nshokano Batumike fest, der als Chef der bewaffneten Gruppe
MDPAP (Mouvement de Défense Pour Autochtones Pygmées) für Angriffe auf die
Armee und über 50 Dörfer verantwortlich gemacht wird.
Und am vorvergangenen Wochenende kündigte Kongos junger Tourismusminister
Yves Bunkulu in Kinshasa neue Militäroperationen „großen Ausmaßes“ an, �…
für Ruhe in den Nationalparks zu sorgen“.
25 Nov 2020
## LINKS
[1] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671719
[2] /Schwerpunkt-Gruene-Armee/!t5605400
[3] /Naturschutz-contra-Menschenrechte/!5666561
[4] /Drohungen-wegen-Skandal-im-Kongo/!5603745
[5] /Gewalt-in-afrikanischen-Nationalparks/!5671819
[6] /Kongos-Krieg-gegen-den-Terror/!5654162
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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