# taz.de -- Gewalt in afrikanischen Nationalparks: Wann bilden Einzelfälle ein… | |
> Wildhüter töten, verhaften, foltern. Die Bundesregierung spricht von | |
> „tragischen Einzelfällen“. taz-Recherchen zeigen ein strukturelles | |
> Problem. | |
Bild: Die Bäuerin wurde von Rangern auf ihrem Feld geschlagen | |
Dass man mit Naturschutz nichts falsch machen könne, ist eine in Europa und | |
Nordamerika weitverbreitete Ansicht, die den [1][Blick auf einen großen | |
Problemkomplex] vermeidet. Den ärmsten Gemeinden der Welt im globalen Süden | |
einen Großteil ihres fruchtbaren Ackerlandes wegzunehmen und es unter | |
internationale Naturschutzrichtlinien zu stellen, führt automatisch zu | |
vielfältigen Konflikten. Dessen ungeachtet sollen mithilfe internationaler | |
Gelder vor allem im ohnehin krisengeplagten [2][Kongo-Becken neue | |
Schutzgebiete gegründet] beziehungsweise die bestehenden erweitert werden, | |
was die Konfliktlage verschärft. | |
Seitdem das Paradigma des „wehrhaften Artenschutzes“ immer dominanter wird | |
und [3][Afrikas Wildhüter militärisch ausgebildet werden], um die | |
Nationalparks wie Festungen zu schützen, kommt es vermehrt zu | |
Menschenrechtsverstößen der Wildhüter gegen die örtliche Bevölkerung. | |
Die Bundesregierung bezeichnet diese Übergriffe einerseits als „laufende | |
Aushandlungsprozesse“, andererseits als „tragische Einzelfälle“. Sie wei… | |
zunächst im Zusammenhang mit Vorfällen in der Demokratischen Republik Kongo | |
jede Verantwortung von sich: „Die Wildhüter sind Angestellte des | |
kongolesischen Staates. Weder die Bundesregierung noch ihre | |
Durchführungsorganisationen haben ihnen gegenüber Weisungsbefugnis“, so | |
[4][die Antwort der Bundesregierung (PDF)] auf eine parlamentarische | |
Anfrage zu Vorgängen in der DR Kongo. | |
Ein 2019 veröffentlichter Untersuchungsbericht des ehemaligen Beauftragten | |
der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Markus | |
Löning, kommt zu anderen Ergebnissen. Löning fasste diese bei der Übergabe | |
des Berichts in Berlin folgendermaßen zusammen: „Die 2011 etablierten | |
UN-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sprechen Organisationen | |
eine erweiterte Sorgfaltspflicht zu. Ihre Verantwortung erstreckt sich | |
damit nicht mehr nur auf das eigene Handeln, sondern auch auf das der | |
Partner.“ Er gibt zu: „Diese neue Situation fordert aktuell viele | |
Organisationen heraus.“ | |
Die Geber-Verantwortung ist in vielen Fällen mittelbar nachzuweisen: Denn | |
ein großer Anteil der Gehälter für Wildhüter im Kongo-Becken wird [5][mit | |
deutschen oder europäischen Steuergeldern finanziert]. So bezahlt die | |
deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Wildhütern sogenannte | |
Prämien zur Aufbesserung des niedrigen Staatsgehalts. Ein Beispiel: Bekommt | |
ein kongolesischer Wildhüter 25 Dollar Monatsgehalt, betragen die Prämien | |
mitunter 85 Dollar, so dass das Gesamteinkommen 110 Dollar umfasst, wovon | |
eine Familie gerade so leben kann. | |
Die Auszahlung der Prämien erfolgt jedoch nach Kriterien der „Performance“: | |
Wer mehr patrouilliert, weitere Strecken zurücklegt, mehr Eindringlinge | |
aufspürt, festnimmt und verhaftet, wird belohnt. Wir haben im Rahmen | |
unserer Recherche Verträge zu einzelnen Parks einsehen können, die klar | |
beschreiben: Die Performance richte sich nach „Zahl der Verhaftungen, | |
Beschlagnahmung von AK-47-Waffen und Munition sowie Elfenbein etc.“. | |
Vor diesem Hintergrund erscheinen die „Einzelfälle“ eher als Ausdruck eines | |
Systems, in welchem westliche Geldgeber Anreize schaffen, nicht nur gezielt | |
gegen Wilderer, sondern auch willkürlich gegen die Bevölkerung vorzugehen. | |
Auch Lönings [6][Bericht zur Arbeit des WWF (PDF)] in der DR Kongo warnt: | |
„WWF Deutschland befindet sich in dem Dilemma, dass derartige Ansätze | |
seiner ursprünglichen Zielsetzung entgegenstehen, nämlich an einer Zukunft | |
zu arbeiten, in der Menschen in Einklang mit der Natur leben. Die Arbeit in | |
‚militarisierten‘ Umgebungen kann zu einer tieferen Verwicklung in | |
Konfliktdynamiken führen, die den Naturschutz gefährden.“ | |
Unser Ziel war es im Zuge der Recherche, die Einzelfall-These aufzubrechen | |
und die Systematik nachzuweisen. | |
## So sind wir vorgegangen | |
Wir haben uns in Afrika selbst rund um den Virunga- und den | |
Kahuzi-Biéga-Nationalpark in der DR Kongo sowie um den | |
Queen-Elisabeth-Nationalpark in Uganda auf den Weg gemacht, um mit den | |
Einwohnern der Gemeinden rund um die Parks zu sprechen. Wir sind | |
sprichwörtlich von Dorf zu Dorf gefahren, haben den jeweiligen | |
Gemeindevorstehern Formulare und Stifte ausgehändigt, um die Einzelfälle zu | |
dokumentieren. Wir standen monatelang in Telefonkontakt mit den | |
Dorfvertretern und sind immer wieder vor Ort gewesen, um letztlich die | |
Opfer aufzusuchen und deren Aussagen mit Video und Audio zu dokumentieren. | |
Wir haben die jeweiligen Parkverwaltungen mit den Vorfällen konfrontiert | |
und haben ebenso versucht, deren Aussagen zu den Fällen mit aufzunehmen. | |
Während der Recherche sind wir zudem mit anderen NGOs wie Survival | |
International und Rainforest UK in Kontakt getreten, die seit einigen | |
Jahren ebenfalls Fälle dokumentieren, vor allem in denjenigen Parks, die | |
für uns unerreichbar waren. Auch Akademiker und Researcher, die zum Thema | |
arbeiten, haben uns ihre dokumentierten Fälle übergeben. Wir haben so gut | |
es geht versucht, die jeweiligen Fälle aus mindestens zwei weiteren Quellen | |
zu bestätigen. | |
Es war uns wichtig, die Angaben zu Opfern und mutmaßlichen Tätern zu | |
anonymisieren, weswegen es oft so aussieht, als hätten wir nicht genug | |
Informationen. Für die Video-Dokumentation der einzelnen Fälle haben wir | |
von den Betroffenen die Erlaubnis erhalten, ihre Namen anzugeben. Wir | |
erheben bei der Dokumentation der Vorfälle keinen Anspruch auf | |
Vollständigkeit. Unsere Recherche soll lediglich einen Ausschnitt abbilden, | |
der bislang von Journalisten und Menschenrechtsorganisationen nur | |
unzureichend beleuchtet wurde. Wir haben uns auch gefragt, warum dies so | |
ist, und stießen hier immer wieder im Gespräch mit Kollegen, Anwälten und | |
Vertretern von Menschenrechtsorganisationen auf die Aussage, es sei | |
„gefährlich“, diese Fälle zu recherchieren. Dass dies tatsächlich der Fa… | |
ist, mussten auch wir feststellen, als in der DR Kongo [7][die lokalen | |
Kollegen vor Ort und Übersetzer bedroht und verhaftet] wurden. | |
Verschiedene Menschenrechtsorganisationen in der DR Kongo gaben zudem an, | |
dass es von Geberseite nicht gewünscht sei, die negative Seiten des | |
Naturschutzes aufzudecken, da dieselben internationalen Geber, die die NGOs | |
unterstützen, auch die Naturschutzaktivitäten des Parks finanzieren. Aus | |
diesem Grund war es uns wichtig, die Recherchen dennoch fortzusetzen und | |
zumindest einen Ausschnitt zu veröffentlichen. Wir danken allen, die dazu | |
beigetragen haben, für die Zusammenarbeit. | |
Alle Texte zum Thema finden Sie unter [8][taz.de/GrüneArmee] | |
31 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5667861 | |
[2] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671721 | |
[3] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5669805 | |
[4] https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/005/1900540.pdf | |
[5] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671719 | |
[6] https://mobil.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Loening_WWF-Bericht… | |
[7] /Drohungen-wegen-Skandal-im-Kongo/!5603745 | |
[8] /Gr%C3%BCneArmee | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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