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# taz.de -- Virunga-Nationalpark im Kongo: Massaker an Gorillaschützern
> 13 Ranger des Virunga-Nationalparks sterben in einem Hinterhalt. Die mit
> EU-Hilfe hochgerüstete Truppe ist im Kongo zum Kriegsziel geworden.
Bild: Mitglied der neuen Ranger-Elitetruppe des Virunga-Nationalparks
Kigali taz | Es war am Freitagvormittag gegen elf Uhr, als das Auto von Kos
Nzabonimpa auf der Überlandstraße durch den Virunga-Nationalpark im Osten
der Demokratischen Republik Kongo unter Beschuss geriet. Mit in seinem
weißen Fahrzeug saßen seine drei Kinder, seine Partnerin und zwei weitere
Frauen. Sie waren auf dem Weg zur Beerdigung von Nzabonimpas Mutter.
Jetzt liegt der 55-Jährige selbst im Krankenhaus in der ostkongolesischen
Provinzhauptstadt Goma. Er ist nicht verletzt, aber er weint und zittert,
offenbar traumatisiert. Er konnte unter Beschuss aus dem Auto fliehen,
bevor es in Flammen aufging, berichtet er unter Tränen. „Wirklich, es war
Gott, der mich gerettet hat“, stottert er. „Ich sollte jetzt auf dem
Friedhof sein.“
Insgesamt waren drei Fahrzeuge auf der verkehrsreichen Straße zwischen der
Millionenstadt Goma und der Kleinstadt Rutshuru 70 Kilometer nördlich in
einen Hinterhalt geraten. Der Vorfall geschah unweit des Hauptquartiers der
Verwaltung des [1][für seine Berggorillas weltberühmten
Virunga-Nationalpark]s im Ort Rumangabo, umgeben von dichtem Urwald.
Fotos vom Tatort zeigen einen Lastwagen, dessen Fahrer ins Kreuzfeuer
geraten war; auf der entgegenkommenden Fahrbahn einen Transport-Lkw für
Wildhüter mit zerschossenen Reifen und Blutspuren auf der Ladefläche, wo
die Wildhüter saßen. Daneben im Dreck: vier tote Ranger in Uniform, wohl
getötet durch Gewehrsalven.
Nur knapp hundert Meter entfernt liegen die Überreste von Nzabonimpas
ausgebranntes Kleinfahrzeug mit zwei verkohlten Leichen: seine zwei Kinder.
Es wurde wohl von einer Panzerfaust getroffen. Aus dem offenen Kofferraum
kullern Weißkohlköpfe. Daneben liegt sein 12-jähriger Sohn mit einer Kugel
im Bauch.
## 18 Tote, davon 13 Wildhüter
Die Bilanz, so Kongos Naturschutzbehörde ICCN: 13 tote Wildhüter und fünf
tote Zivilisten. Vier Ranger und ein Zivilist werden im Krankenhaus im 40
Kilometer entfernten Goma behandelt. ICCN-Direktor Cosma Wilungula spricht
von einem der tödlichsten Tage in der jüngsten Geschichte des
Virunga-Parks.
In einer Presseerklärung teilt die Parkverwaltung mit, es handle sich um
einen Angriff auf die lokale Bevölkerung, die Ranger seien zur Verteidigung
herbeigeeilt und seien nicht das primäre Angriffsziel gewesen. „Wir können
bestätigen, dass die Täter dieser Attacke die bewaffnete Gruppe FDLR-Foca
waren“, so Wilungula. 60 bewaffnete Rebellen hätten den Hinterhalt gelegt.
[2][Die ruandische Hutu-Miliz FDLR] (Demokratische Kräfte zur Befreiung
Ruandas) mit ihrem militärischen Flügel Foca (Streitkräfte der Erlöser) ist
unter unterschiedlichen Namen seit über 25 Jahren im Kongo aktiv,
hervorgegangen aus flüchtigen Tätern des ruandischen Völkermords an den
Tutsi. Sie ist für unzählige Massaker verantwortlich.
Seit rund einem Jahr führen die Armeen Ruandas und Kongos zum ersten Mal
seit [3][2009] wieder gemeinsame Operationen gegen sie. Im September wurde
FDLR-Militärführer [4][Sylvestre Mudacumura] in seinem Hauptquartier am
Rande des Virunga-Parks ermordet.
## Der Rachefeldzug des FDLR-Präsidenten
Vor zwei Wochen entkam FDLR-Präsident [5][Victor Byiringiro], Nachfolger
des 2019 [6][in deutscher Haft verstorbenen Ignace Murwanashyaka], nur
knapp einem Angriff auf seine Basis in Kazaroho nahe der Ortschaft Tongo,
ebenfalls am Rand des Virunga-Parks. Von Kazaroho aus führt eine holprige
Straße bis zu genau jener Kreuzung, wo nun der Hinterhalt gelegt wurde.
Byiringiro war nach zwei Tagen Feuergefecht gerade so die Flucht gelungen.
Doch er verlor laut Kongos Armee 32 Kämpfer. Auch die Armee musste Verluste
einstecken, konnte aber rund 20 Maschinengewehre erbeuten – ein harter
Schlag für die FDLR. In einer Pressemitteilung beklagte sich die FDLR am
15. April, ruandische Truppen würden nun das Coronavirus einschleppen.
Byiringiro marschierte in Richtung Nyamulagira-Vulkan im Virunga-Park. An
dessen Flanken befindet sich das aktuelle FDLR-Militärhauptquartier
„Paris“, wo der derzeitige FDLR-Militärchef Pacifique Ntawunguka, mit
Kampfnamen „Omega“, stationiert ist.
Seine Einheiten sind spezialisiert auf Hinterhalte, sie kennen die Wälder
des Virunga-Parks in- und auswendig. Bereits am Tag nach Byiringiros Flucht
griffen FDLR-Kämpfer eine Gruppe Jugendlicher am Rande des Parks an, einer
starb im Krankenhaus von Rutshuru an seinen Verletzungen.
## Dauerstreit zwischen Parkbehörde und Bevölkerung
Es gibt vor diesem Hintergrund Zweifel an der Aussage der Parkbehörde,
wonach die Wildhüter reine Kollateralschäden gewesen seien. Der
Nationalpark wurde in den vergangenen Jahren mit EU-Hilfsgeldern
[7][militärisch aufgerüstet], in der Bevölkerung – darunter viele
kongolesische Hutu – wächst schon lange der Unmut gegen die Ranger. Erst
vergangene Woche zerstörten Wildhüter im Dorf Nzulo sieben Häuser, weil sie
angeblich innerhalb der Parkgrenzen gebaut waren. Die genaue Grenzziehung
ist unklar.
In [8][Nyamilima] am nördlichen Parkrand gab es im Januar Verletzte, als
Dorfbewohner gegen die Errichtung eines Zauns durch die Parkbehörde
demonstrieren. Dort kam es zuletzt immer wieder zu Zusammenstößen zwischen
Rangern und der FDLR.
Sowohl die Parkverwaltung als auch die ruandischen Truppen haben zudem
jüngst Aktionen gegen den [9][illegalen Holzkohlehandel] durchgeführt,
durch den sich die FDLR finanziert. Auch kongolesische Händler wurden
verhaftet. Analysten vermuten, dass sich lokale Bürgerwehren rund um den
Park nun mit der FDLR zusammentun, um gemeinsam die Wildhüter zu bekämpfen.
26 Apr 2020
## LINKS
[1] /Der-Virunga-Nationalpark-und-seine-Hueter/!5204085/
[2] https://www.christoph-links-verlag.de/index.cfm?view=3&titel_nr=871
[3] /!5169066/
[4] /Ruandischer-Rebellenfuehrer-im-Kongo/!5624638/
[5] /Hutu-Miliz-FDLR-im-Kongo/!5309242/
[6] /Nach-neun-Jahren-Haft-in-Deutschland/!5589026/
[7] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5671719/
[8] /!5082485/
[9] /Das-Geschaeft-mit-der-Holzkohle/!5019603/
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
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Kongo
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