# taz.de -- Skandal im Kongo: Der Fall des Gorilla-Retters | |
> Gegen Innocent Mburanumwe, Vizedirektor des Virunga-Nationalparks, wird | |
> unter anderem wegen Vergewaltigung und Mordversuchs ermittelt. | |
Bild: Innocent Mburanumwe (l.) arbeitete im Jahr 2008 noch als einfacher Parkw�… | |
GOMA/RUMANGABO taz | Es waren zwei Schüsse, kurz nach Einbruch der | |
Dunkelheit. Eine Kugel traf die 20-jährige Denise Serubungo ins Bein an der | |
Eingangspforte des Hauptsitzes des Virunga-Nationalparks im Osten der | |
Demokratischen Republik Kongo. Die andere verfehlte sie nur knapp am Kopf. | |
Abgefeuert, sagt sie, wurden sie am 23. Mai aus der Pistole von Innocent | |
Mburanumwe, Vizedirektor des Parks. | |
Innocent Mburanumwe ist ein Held des Naturschutzes im Kongo. Erst im | |
vergangenen Jahr hat ihm die EU den Schuman-Preis für Biodiversität | |
verliehen. Im 2014 produzierten, mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm | |
„Virunga“ über den schwierigen Schutz der bedrohten Berggorillas hat | |
Mburanumwe eine Hauptrolle. | |
Seitdem ist der Kongolese weltweit berühmt und gepriesen als derjenige, der | |
die letzten Gorillas mit Leib und Leben schützt. Doch vor Ort bezeichnen | |
ihn jetzt manche als mutmaßlichen Vergewaltiger, Mörder und Chef eines | |
mafiösen Syndikats, das den ältesten Nationalpark Afrikas und | |
Unesco-Weltkulturerbe von innen heraus zerstört. Ausgerechnet der | |
Virunga-Nationalpark, der mit großem finanziellen Aufwand seit 1988 fast | |
ausschließlich von der EU finanziert wird, denn er gilt als | |
Entwicklungsmotor für die ganze Bürgerkriegsregion. | |
Denise Serubungo überlebte den Durchschuss durch die Wade nur knapp, | |
berichtet Krankenpfleger Jean Claude Karamba, der sie notversorgt hat. Sie | |
war schon bewusstlos, als ihre beiden Schwestern in die kleine schmutzige | |
Krankenstation von Rumangabo brachten, wo die Parkverwaltung ihren | |
Hauptsitz hat. „Sie hatte viel Blut verloren, wir mussten sie reanimieren“, | |
sagt Karamba. | |
## Vergewaltigt, seit sie 15 Jahre alt ist | |
Normalerweise hätte sie direkt von den Ärzten der Parkverwaltung versorgt | |
und mit deren Ambulanz in die 50 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Goma | |
gebracht werden müssen. Dies sei üblich bei schweren Verletzungen in | |
Rumangabo. „Doch in diesem Fall haben sie nicht geholfen“, sagt Karamba. Er | |
selbst musste das Rote Kreuz anrufen, deren Ambulanz Serubungo abholte. | |
Nach einer Operation mit 16 Stichen sitzt die junge Kongolesin nun im Haus | |
ihrer Schwester in Goma auf dem Sofa und zittert wie Espenlaub. Sie wirkt | |
noch immer wie unter Schock. Unter Schmerzen erzählt sie, wie Mburanumwe | |
sie immer wieder vergewaltigt habe, seit sie 15 Jahre alt ist. Im Dorf | |
Rumangabo lebt Serubungo mit ihrer Mutter und Geschwistern in einem kleinen | |
Haus mit Wellblechdach direkt neben der Eingangsstation des Parks. Ihre | |
Mutter ist über zwei Ecken mit Mburanumwe verwandt. Derzeit muss sich | |
Serubungo jedoch in Goma verstecken. Sie wird bedroht. Die UN-Mission im | |
Kongo ist eingeschaltet. | |
Neben ihr auf der Couch sitzt ihre vierjährige Tochter, die dem | |
Vizeparkchef zum Verwechseln ähnlich sieht. Zwei andere Schwangerschaften | |
habe sie abgebrochen. „Er hat mich immer wieder dazu gezwungen, mit ihm zu | |
verkehren“, wispert sie. Für das Kind habe er keinen einzigen Dollar | |
bezahlt. | |
Nun hat sie Klage eingereicht. Die Schwangerschaft habe ihr Leben zerstört | |
und ihre Schulkarriere unterbrochen, argumentiert Serubungos Anwalt | |
Sosthene Mashagiro in seiner Anzeige an die Militärstaatsanwaltschaft der | |
Provinz Nord-Kivu, in welcher der Park liegt. Mburanumwe habe „ihr Leben | |
terrorisiert, sie eingeschüchtert und ihr mit dem Tod gedroht, jedes Mal, | |
wenn es möglich war“. | |
## Kongo ist kein Rechtsstaat | |
Kongos Militärstaatsanwaltschaft hat den Vizeparkchef unter Hausarrest | |
gestellt. Die Ermittlungen laufen, bestätigt Militärstaatsanwalt William | |
Mulaja der taz. „Mburanumwes Verteidiger argumentieren, er habe das | |
Hauptquartier in der Dunkelheit gegen Eindringlinge verteidigt und nur in | |
die Luft geschossen“, so Mulaja. Wie die Kugel in Serubungos Wade eindrang, | |
bleibt unklar. Die junge Frau ist sich sicher: „Er hat versucht, mich zu | |
töten“. | |
Ist das alles vielleicht nur eine Kampagne gegen ein erfolgreiches | |
Naturschutzprojekt? Kongo ist kein Rechtsstaat, man kann Gerichte und | |
Zeugen kaufen und Anklagen fabrizieren. Doch in diesem Fall wird der | |
Vorfall an sich nicht einmal bestritten. Und Denise Serubungos Klage hat | |
eine Lawine losgetreten. Sie ist nicht die einzige Frau und das einzige | |
minderjährige Mädchen, das von Mburanumwe sexuell missbraucht wurde, erfuhr | |
die taz von zahlreichen Zeugen vor Ort übereinstimmend. Er habe auch | |
Menschen angeschossen und bedroht. | |
„Er gilt weltweit als großer Retter und ist damit unantastbar geworden“, | |
erklärt der Vertreter einer Menschenrechtsorganisation in Rumangabo, der | |
seit Jahren Mburanumwes Übergiffe dokumentiert. Die taz kann derzeit keine | |
Namen und Details nennen, denn es gibt Drohungen von hohen Stellen, die | |
versuchen, die Geschichte unter den Teppich zu kehren. | |
## Entführung und Lösegelderpressung | |
Mburanumwe, ein 47-jähriger Hutu aus einer einflussreichen Familie aus | |
Rumangabo, war einst zuständig für die Aufzucht der Gorilla-Waisenkinder. | |
Dann stieg er auf, wurde Kommandant des südlichen Parksektors, zuletzt | |
Vizeparkchef. Damit ist er zuständig für die Rekrutierung neuer Ranger, die | |
Finanzen des Parks, vor allem aber für den durch internationale Spenden | |
finanzierten Witwenfonds für die Familien getöteter Parkwächter. Den Fonds | |
verwaltet Mburanumwes Frau. Auch hier gibt es Aussagen von Rangerfamilien, | |
die Gelder würden oft nicht voll ausbezahlt. | |
Es gibt auch Hinweise, wonach der Vizeparkchef in der Entführung und | |
Lösegelderpressung zweier britischer Touristen im Mai 2018 involviert war. | |
Sie gerieten auf dem Weg von Goma in den Nationalpark in einen Hinterhalt, | |
direkt neben einer Position der kongolesischen Armee. Die begleitende | |
Parkrangerin wurde mit einer Kugel aus einem Scharfschützengewehr getötet. | |
Rebellen der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur | |
Befreiung Ruandas), die vom Kongo aus gegen Ruandas Regierung kämpften und | |
von ehemaligen Tätern des Völkermordes an Ruandas Tutsi kommandiert wurden, | |
verschleppten die beiden Briten und ihren kongolesischen Fahrer in den | |
Dschungel. Sie verlangten rund eine halbe Million Dollar Lösegeld. | |
Britische Behörden zahlten über Umwege 180.000 Dollar. | |
Die Touristen kamen frei, aber der Park musste schließen bis Februar 2019. | |
Seitdem besuchen mehr Ausländer den Virunga-Park als je zuvor unter | |
verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Je zwei Geländewagen mit schwer | |
bewaffneten Rangern begleiten die Touristenfahrzeuge zur Luxuslodge in | |
Kibumba südlich des Parks. Rund um das Hauptquartier in Rumangabo wurde ein | |
elektrischer Zaun hochgezogen. Ein Großteil der EU-Gelder wurde demnach in | |
den Ausbau der Sicherheit investiert. | |
## Das Geld ging an die FDLR | |
Die taz hat mit mehreren Personen gesprochen, die in die Lösegeldabwicklung | |
involviert waren. Sie bestätigen: Das Geld ging an die FDLR, die sehr genau | |
wusste, wann Touristen wo vorbeifahren. Der für diesen Sektor zuständige | |
FDLR-Kommandant Oberst Ruhinda steht im Kontakt mit Park-Vizechef | |
Mburanumwe. „Sie telefonieren regelmäßig“, bestätigt ein ehemaliger Rang… | |
der taz. | |
Die FDLR hat ein ganz eigenes Interesse am Virunga-Park. Sie nutzt ihn als | |
Rückzugsgebiet und monopolisiert den Holzkohlehandel aus dem Park – ein | |
gewaltiges Geschäft, denn rund um den Park ist Holzkohle der einzige | |
Brennstoff für Millionen von Menschen. Gewonnen wird er durch den | |
Kahlschlag der Wälder – eine ökologische Katastrophe, mit der die Milizen | |
rund 30 Millionen Dollar Umsatz im Jahr machen, schätzte der belgische | |
Virunga-Chef Emmanuel de Merode im Interview mit der taz 2015 und kündigte | |
Maßnahmen an. | |
Doch kaum ließ Parkchef de Merode im Frühjahr 2018 auf der Straße zwischen | |
Rumangabo und Goma Straßensperren errichten, um Lastwagen systematisch auf | |
illegale Holzkohlelieferungen zu untersuchen, wurden auf just dieser Straße | |
die Touristen entführt. Schon 2014 war de Merode kurz vor der Premiere und | |
Oscar-Nominierung des Films „Virunga“ auf dem Weg in den Park mehrfach | |
angeschossen worden und hatte nur knapp überlebt. Auf taz-Anfrage zu den | |
aktuellen Vorfällen äußert er sich bislang nicht, ebenso wenig wie andere | |
offizielle Vertreter des Parks. | |
## Es steht für alle viel auf dem Spiel | |
Drohungen haben nun auch diejenigen erhalten, die in den vergangenen zwei | |
Wochen im Ostkongo mit der taz gesprochen haben. Es steht für alle viel auf | |
dem Spiel: Der Virunga ist nicht nur ein Naturschutzgebiet, sondern ein | |
Wirtschaftsimperium. Die Virunga-Stiftung, die neben der EU von | |
US-Milliardär Howard Buffet finanziert wird, hat drei Wasserkraftwerke | |
gebaut und vier Luxuslodges für die Gorillatouristen errichtet. Die EU hat | |
erst im November 2018 erneut 20 Millionen Euro für Nationalparks im | |
Kongo-Becken bis 2020 bereitgestellt, einen Großteil davon für Virunga. | |
Der Chef von Kongos Naturschutzbehörde ICCN, welcher der Park untersteht, | |
ist am Wochenende aus der Hauptstadt Kinshasa eingeflogen. Am Montag wird | |
er den Tatort in Rumangabo besuchen. Die Frauen dort rufen zum | |
Protestmarsch auf. | |
24 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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