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# taz.de -- Der Virunga-Nationalpark und seine Hüter: Eine grüne Vision für …
> Multimilliardär Howard Buffett will Afrikas ältesten Nationalpark retten
> und damit das Land befrieden. Größenwahn oder Helferkomplex?
Bild: Die noch aktiven Vulkane Nyiragongo und Nyamuragira, hier mit Blick über…
VIRUNGA-PARK taz | Neuer Stacheldraht, eine mannshohe Mauer aus
Lavagestein, blau-weiße Holzpfosten, daneben ein Schild: „Grenze des
Virunga-Nationalparks“. Jenseits dieser Mauer wird der Wald dichter,
ursprünglicher. Die Luft ist kühl, kaum ein Lichtstrahl dringt durch die
Baumkronen. In Schlangenlinien führt die ungeteerte Piste durch das
Unterholz. Plötzlich biegt eine Straße ab.
Wie ein Raumschiff wirkt das Hauptquartier der Parkverwaltung mitten im
Dschungel: ein Gebäude mit gut ausgestatteten Büros, daneben moderne
Baumaschinen, Betonmischer, Bagger. Damit werden Wasserkraftwerke am nahen
Rutshuru-Fluss errichtet. Safari-Jeeps stehen für Touristen bereit. Die
Luxuslodge mit Kaminzimmern und Sprudelbadewannen wartet.
Der Virunga-Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist ein
Unesco-Weltkulturerbe. Er erstreckt sich von den Ufern des Edwardsees durch
die Savanne bis hoch ins höchste Gebirge Afrikas, den Ruwenzori mit seinen
geheimnisvollen schneebedeckten Gipfeln – Artenvielfalt ohne Ende, die es
zu schützen gilt, vor allem auch die vom Aussterben bedrohten Berggorillas.
Bis zu 300 Besucher kommen pro Monat, die teuren Tickets sind schon lange
im Voraus ausverkauft.
Viele Besucher werden angelockt, weil sie den Dokumentarfilm „Virunga“
gesehen haben: Elefantenherden in schwindelerregenden Kameraeinstellungen,
Babygorillas beim Spielen in Nahaufnahme. Die Bilder faszinieren, die
Botschaft rüttelt auf: Der Park ist in Gefahr! Denn unter dem Virunga liegt
Erdöl. Die britische Ölfirma Soco hat Türme für Probebohrungen installiert;
die Arbeiten ruhen derzeit, aber die Ölsuche ist nicht vom Tisch. Kongos
Regierung braucht das Öl – und das Geld.
## Der neue Akteur
Im Kampf um den Naturschutz gibt es einen neuen Akteur, der bereits Geld
hat. Neben Kongos Naturschutzbehörde ICCN und der Umweltschutzorganisation
WWF ist jetzt die Stiftung von US-Milliardär Howard Graham Buffett mit
einem eigenen Logo auf dem Eingangsschild des Parks zu sehen.
Der 60-jährige gelernte Farmer, Sohn des Investors Warren Buffett und
ehemaliger Direktor von Coca-Cola, fühlt sich berufen, den Virunga zu
bewahren. Er hat auch den Dokumentarfilm finanziert. „Marshallplan für den
Ostkongo“ nennt Buffett seine „Virunga-Allianz“.
Im Skype-Gespräch erzählt Buffett der taz, wie er 2009 zum ersten Mal den
Kongo besuchte. Es herrschte Krieg, die Gorillas zu sehen, ein lang
ersehnter Traum, gelang nicht. Aber er lernte Parkdirektor Emmanuel de
Merode kennen. Seitdem verbindet beide eine tiefe Freundschaft.
## Coca-Cola für die Rebellen
Als Buffett 2012 erneut in den Kongo reist, nächtigt er in der
5-Sterne-Lodge des Parks. Wieder herrscht Krieg, wieder kann er die
Gorillas nicht besuchen. Die Tutsi-Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März)
haben den Landstrich erobert. „Wir konnten von Weitem das Feuergefecht
hören“, erinnert sich Buffett. Im Wohnzimmer am offenen Kamin heckt er mit
seinem Freund de Merode den Marshallplan aus. „Ich saß mit Emmanuel auf dem
Sofa, er war bedrückt“, erzählt Buffett. Es ging um die Finanzierung eines
Wasserkraftwerks. Ein Investor war abgesprungen, wegen des Kriegs. „Ich
erinnere mich, wie ich mich zurücklehnte und sagte, dass wir das unbedingt
machen müssen.“
Seither hat seine Stiftung rund 150 Millionen Dollar investiert: in
Straßen, Kaffeeröstereien, Ökotourismusprojekte, Wasserkraftwerke – Buffett
kann gar nicht alles aufzählen. „Nach oben hin habe ich kein Limit“, sagt
er. „Wenn ich ein Projekt sehe, das dem Park hilft, dann finanzieren wir
das.“ Fünfmal besuchte er den Virunga. Inzwischen hat es auch mit dem
Gorillabesuch geklappt.
Buffett hat erkannt: Der Park ist nur zu retten, wenn es Frieden gibt und
Touristen kommen. Doch dazu musste eine Lösung für die Rebellen gefunden
werden. Das M23-Hauptquartier lag nur einen Steinwurf von der Parkstation
entfernt. Die M23-Offiziere kamen abends oft in der Lodge vorbei, zum
Whiskeytrinken. Der US-Unternehmer lud M23-Chef Sultani Makenga kurzerhand
zum Essen ein. Ein Teilnehmer erinnert sich: Dabei wurde statt Whiskey viel
Coca-Cola getrunken.
## Besser als die UN?
Später finanzierte Buffett die Friedensverhandlungen zwischen der M23 und
Kongos Regierung in Uganda. Danach wurde die M23 aus dem Kongo verdrängt,
ihre ehemaligen Kämpfer sitzen in Uganda und Ruanda im Exil. Buffett träumt
nun davon, ein Demobilisierungsprogramm zu schaffen, „damit sie nach Hause
kommen und einen Job finden können“.
Eigentlich ist so etwas Aufgabe der UN-Mission. Will Buffett die etwa
ersetzen? „Aber ja doch“, antwortet er unverblümt. „Wir tun hier in kurz…
Zeit mehr, als die UNO in den vergangenen 15 Jahren erreicht hat.“ Das
klingt fast nach Größenwahn.
Der Virunga ist im Ostkongo eine mächtige Institution. Offiziell ist er
Kongos Naturschutzbehörde ICCN unterstellt. Doch die rund 5 Millionen
Dollar Jahresbudget stammen nur zu 5 Prozent aus der Staatskasse. Der Rest
sind EU-Fördergelder und Tourismuseinnahmen, bald werden Erlöse aus dem
Stromverkauf dazukommen. Dadurch wird der Virunga-Park, jetzt schon größter
privater Arbeitgeber der Provinz, zum größten Investor im Ostkongo. Er wird
dann mehr Strom liefern als die staatlichen Betreiber.
Die Parkverwaltung beschäftigt außerdem fast 500 Parkwächter. Mit ihren
Maschinengewehren und Munitionsketten wirken sie wie eine Quasiarmee,
besser ausgerüstet und ausgebildet als die regulären Soldaten. Im Dschungel
und in der Savanne des Virunga kämpfen sie gegen Wilderer. Die meisten der
Ranger sind Einheimische, darunter auch ehemalige Rebellen. Heute
verteidigen sie den Virunga-Park. Einen Staat im Staate.
## Inseln der Stabilität
Wenige Kilometer jenseits der Parkstation lichtet sich der Wald. Zwischen
Holzhütten grasen Ziegen, Frauen schleppen Feuerholz heran. Wie eine Insel
inmitten von mannigfaltigen Grüntönen liegt der Distrikt Rutshuru im Herzen
des Virunga. Rund 1,5 Millionen Menschen leben hier, es werden stetig mehr.
Die Bevölkerung dringt immer weiter in den Park vor, die Grenze zwischen
den Maisfeldern und dem Urwald ist fließend.
In der gleichnamigen Kleinstadt Rutshuru, wo sich die Überlandstraßen
kreuzen, wirkt auf den ersten Blick alles friedlich: Kinder schlendern zur
Schule, Frauen schleppen Tomaten auf den Markt, Lastwagen, voll mit
Holzkohle, tuckern gen Süden in die 80 Kilometer entfernte Millionenstadt
Goma.
Noch vor zwei Jahren beherrschten die M23-Rebellen Rutshuru. Seit Ende 2013
ist es Kongos Regierung. Aber die ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) und lokale Mai-Mai-Milizen
machen das Gebiet unsicher. Sie verstecken sich im Park, entführen
Menschen, überfallen die Transporter. „Wir leben auf einer Insel der
Unsicherheit, und Schuld daran ist der Virunga-Park!“, sagt Innocent
Gasigwa, Chef des lokalen Dachverbandes der Zivilgesellschaft.
Von Gasigwas Schreibtisch aus sind der Stacheldraht und die weißen
Sandsäcke des UN-Camps zu sehen. Bis vor Kurzem hausten davor 2.300
Vertriebene in Zelten. Doch Provinzgouverneur Julien Paluku schickte sie
nach Hause: Es gebe ja jetzt Frieden. Der UN-Chef im Kongo, der Deutsche
Martin Kobler, landete mit dem Hubschrauber im UN-Lager. Erklärte,
„Rutshuru ist jetzt eine Insel der Stabilität!“, und flog wieder weg.
Die „Inseln der Stabilität“ sind Koblers Lieblingskonzept. Die Idee: Ein
Gebiet wird der Kontrolle von Rebellen entrissen, der Staat hält Einzug und
sichert die „Insel“. Rutshuru war nach Ende der M23 die erste dieser Art.
Doch die neue Distriktverwaltung verfügt nur über ein Jahresbudget von 700
Dollar. Die taz wurde Zeuge, wie Buchprüfer des Finanzministeriums aus der
Hauptstadt kamen und der Verwalter sich aus dem Staub machte. Die Kasse ist
seitdem leer.
## Tägliche Überfälle
Von Stabilität kann keine Rede sein. Nachts traut sich niemand raus. Wenn
Bauern die Ernte einholen, lauern plündernde Milizen am Waldrand. Gasigwa
zeigt den jüngsten Bericht, den er der UN-Mission vorgelegt hat:
Entführungen, Plünderungen, Vergewaltigungen, Morde, Überfälle auf
Fahrzeuge – die ganze Palette der Gewalt, fast täglich. „Die
Arbeitslosigkeit drängt junge Männer in die Miliz“, sagt Gasigwa. Wie schon
seit 20 Jahren.
2012 eröffnete die britische Ölfirma in Rutshuru ein Büro. Mit luxuriösen
Geländewagen brausten die Briten die Straße entlang, erinnert sich Innocent
Gasigwa. Die Einwohner standen Schlange, bettelten um Jobs. Niemand wurde
angeheuert. Soco verschwand wieder. Stattdessen erklärte Virunga-Chef
Emmanuel de Merode, Ölbohrungen seien schlecht für die Umwelt, der Park
werde Jobs schaffen. „Ausgerechnet der Virunga?“, fragt Gasigwa.
Parkchef de Merode ist sich der Problematik bewusst. Als Sprössling und
echter Prinz des belgischen Königshauses personifiziert er die finstere
Kolonialvergangenheit. In Rangeruniform sitzt er in einem Hotel in Goma,
auf dem Parkplatz eine Eskorte bewaffneter Leibwächter. Er muss aufpassen:
Kurz bevor der Virunga-Film anlief, wurde er angeschossen, er überlebte nur
knapp. De Merode hatte sich mit Soco und Kongos Regierung angelegt –
riskant. Auch sein Freund Buffett wird im Kongo argwöhnisch betrachtet: In
Goma erhält dessen Privatjet keine Landeerlaubnis mehr, er reist über
Ruanda ein. Er steht Ruandas Präsident Paul Kagame nahe.
Wenn der 45-jährige Belgier über seine Vision von dem Park spricht, dann
leuchten seine hellblauen Augen. „Wir sind uns bewusst, dass wir der
ärmsten Bevölkerung der Welt viel fruchtbares Ackerland wegnehmen. Deswegen
wollen wir Jobs schaffen“, sagt er. Der Schlüssel zu neuen
Einkommensquellen sei die Stromgewinnung, die Investoren anlocken werde.
Solche wie den in Burundi ansässigen deutschen Seifenhersteller Savonor,
der nun in Rutshuru eine Fabrik errichtet: Seife aus kongolesischem Palmöl,
sobald das Wasserkraftwerk läuft.
Pro Megawatt Strom, rechnet de Merode vor, ließen sich bis zu 1.000 Jobs
schaffen. Bis Ende 2015 sollen die Wasserkraftwerke 50 Megawatt liefern.
„Das wären bis zu 50.000 Jobs!“
Doch seit wann ist der Frieden im Kongo ein Zahlenspiel?
17 Jun 2015
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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Kongo
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