# taz.de -- Militarisierter Naturschutz in Afrika: Deutsche Gelder außer Kontr… | |
> Artenschutz ist teuer. Für Nationalparks in Afrika werden immer | |
> kreativere Finanzierungen entwickelt. Einige davon sind dubios. | |
Bild: Ein Virunga-Ranger guckt aus dem Auto | |
Simon Counsell ist ist nicht besonders gut auf die deutsche Kreditanstalt | |
für Wiederaufbau (KfW) zu sprechen. In seinen 23 Jahren als Direktor der | |
[1][britischen Rainforest Foundation] hatte er wiederholt mit der Bank zu | |
tun, die für die Abwicklung der meisten Zahlungen deutscher Gelder für die | |
Entwicklungszusammenarbeit, auch im Naturschutzsektor, verantwortlich ist. | |
„Es ist meistens sehr schwer nachzuvollziehen, wie viel Geld in welchen | |
Projekte für genau welche Dinge ausgegeben wird. Es gibt da einen sehr | |
ernsten Mangel an Transparenz.“ | |
Counsell geht davon aus, dass ohne parlamentarische Nachfragen wie die von | |
der Bundestagsabgeordneten Eva-Maria Schreiber (Linke) noch viel weniger | |
über die genauen Geldflüsse zugunsten des Naturschutzes in Afrika bekannt | |
wäre. Für Counsell und andere Aktive hat die Transparenz in der | |
Entwicklungshilfe unter anderem deshalb einen so hohen Stellenwert, um | |
Verantwortlichkeiten auch in Europa ausmachen zu können für die unzähligen | |
Menschenrechtsverstöße von Wildhütern gegen die lokale Bevölkerung im | |
Umfeld der afrikanischen Schutzgebiete. | |
Tatsächlich beantwortet die KfW nur ungern Anfragen, weder journalistische | |
noch parlamentarische. Im Zweifelsfall beruft man sich gern auf das | |
Bankgeheimnis. Auch das Transparenzportal der KfW im Netz hält nur sehr | |
basale Informationen zur Verwendung der Fördersummen bereit. Dort wie auch | |
beim üblicherweise bewilligenden Ministerium für wirtschaftliche | |
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fehlen außerdem praktisch durchgehend | |
Angaben zum Ablauf der geförderten Projekte. Nachvollziehbare | |
Erfolgskontrolle bleibt so auf der Strecke – und das bei Summen im | |
vielfachen Millionenbereich. | |
Mittlerweile ist die Bundesrepublik weltweit führend in der Finanzierung | |
von Schutzgebieten. Das BMZ gibt an, mit seinem Budget mittlerweile | |
Schutzgebiete im Umfang der vierfachen Fläche Deutschlands zu finanzieren. | |
Aktuell fördert allein die KfW 636 Naturschutzgebiete in 54 Ländern mit | |
einer Gesamtfläche von knapp 1,5 Millionen Quadratkilometern. „Das ist mehr | |
als die Fläche Deutschlands, Frankreichs und Spaniens zusammen genommen“, | |
heißt es auf ihrer Internetseite. | |
Die meisten dieser Schutzgebiete liegen in Afrika mit dem besonderen Fokus | |
auf das Kongobecken: Deutschland finanziert in der DR Kongo über die | |
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die KfW die | |
Naturschutzmaßnahmen der kongolesischen Naturschutzbehörde Institut | |
Congolais pour la Conservation de la Nature (ICCN). Darin mit inbegriffen | |
ist auch der Kahuzi-Biéga-Nationalpark in der krisengeplagten Provinz | |
Süd-Kivu im Ostkongo. Im Auftrag des BMZ leitet der WWF Deutschland mit dem | |
ICCN den Salonga-Nationalpark im Westen der DR Kongo mit einer Fläche so | |
groß wie Belgien, berühmt für seine Bonobo-Affen-Population. Dafür wurden | |
seit 2016 rund 5,4 Millionen Euro ausgegeben. | |
Offiziell hat die Bundesregierung 2016 zwar alle Zusammenarbeit mit Kongos | |
Regierung eingestellt, [2][nachdem die anstehenden Wahlen verschleppt | |
wurden], doch auf unterer Ebene läuft die Zusammenarbeit weiter. In Berlin | |
geben die Verantwortlichen im BMZ im Hintergrundgespräch zu, dass dies | |
nicht ganz „unproblematisch“ sei, doch die deutschen Gelder seien für den | |
Erhalt der Gorillas lebensnotwendig, lautet das schlagende Argument. Seit | |
Jahrzehnten finanziert Deutschland Kongos Nationalparks so über alle Kriege | |
und Korruptionsvorwürfe hinweg weiter. Derzeit beläuft sich das Engagement | |
der Bundesregierung für Biodiversität und Waldbewirtschaftung in der DR | |
Kongo auf 24 Millionen Euro. | |
Biodiversität in Afrika macht zwar nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil | |
der Ausgaben für Entwicklungshilfe aus, ist aber definitiv ein | |
Wachstumsmarkt, wenn man auf die Entwicklung der europäischen und deutschen | |
Ausgaben auf diesem Gebiet schaut. Laut den Zahlen der Europäischen | |
Kommission und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und | |
Entwicklung (OECD), die etwas großzügiger als BMZ und KfW mit der | |
Bereitstellung von Daten sind, vervierfachte sich zwischen 2007 und 2019 | |
die Summe der Förderungen für Projekte, die das Siegel Biodiversität | |
tragen: zuletzt auf mehr als 160 Millionen Euro jährlich. Mehr als 100 | |
Millionen Euro davon kommen direkt aus Deutschland und verteilen sich auf | |
etwa 800 Einzelposten. Der Anstieg des deutschen Engagements ist dabei noch | |
viel drastischer als im europäischen Vergleich. Während sich die deutsche | |
Entwicklungshilfe in Afrika zwischen 2007 und 2018 auf gut vier Milliarden | |
Euro jährlich verdoppelte, versiebenfachte sich der Anteil des für | |
Biodiversität ausgeschütteten Topfes. | |
Die meisten der Gelder sind zunächst sehr spezifischen Einzelprojekten | |
zugegangen, darunter fallen die Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen, | |
Büromaterialien, die Unterstützung lokaler Selbstorganisation und vor allem | |
sehr viele Forschungsvorhaben. Die Hälfte der Posten erreicht einen Umfang | |
von jeweils bis zu 150.000 Euro, ein Großteil deutlich weniger. Lediglich | |
ein Fünftel der geförderten Projekte erhielt Summen von mehr als einer | |
Million Euro. Das BMZ besteht darauf, dass keine Waffen oder militärisches | |
Gerät von den Geldern bezahlt würden, Gehälter-Prämien für bewaffnete | |
Wildhüter aber gehören zum förderungswürdigen Paket. | |
Diese Prämien sind als Aufstockung auf das mickrige Staatsgehalt gedacht, | |
werden aber nach Leistungen ausbezahlt. Sprich: Wer mehr patrouilliert und | |
mehr Erfolge aufweist, bekommt mehr Prämie. Da gilt auch für die Verhaftung | |
von mutmaßlichen Wilderern – was letztlich dazu führt, dass mehr | |
Verhaftungen und Operationen gegen Wilderei unternommen werden. Zumindest | |
mittelbar beteiligt sich Deutschland also an der Militarisierung im | |
Naturschutz. | |
## Hedgefonds für den Artenschutz | |
Der größte Einzelposten aus dem vergangenen Jahrzehnt ist die Auszahlung | |
von 25 Millionen Euro mit dem Überweisungszweck „Gestion durable des forêts | |
dans le Bassin du Congo, FTNS“. Die Abkürzung FTNS steht dabei für | |
[3][„Treuhandfonds für den trinationalen Sangha-Park“]. Es handelt sich | |
dabei um einen Treuhandfonds, der Renditen aus Investitionen am | |
Kapitalmarkt in Naturschutzprojekte investiert. Das Einsatzgebiet umfasst | |
das Schutzgebiet Dzangha Sangha in der Zentralafrikanischen Republik, den | |
Nationalpark Nouabalé Ndoki in der Republik Kongo sowie den Nationalpark | |
Lobéké in der Republik Kamerun. | |
Der 2000 gegründete FTNS steht beispielhaft für einen noch relativ jungen | |
Trend in der Finanzierung von Naturschutzprojekten. Als erstes noch immer | |
aktives Projekt dieser Art gilt der 1992 in Kooperation zwischen Bhutan, | |
dem WWF und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen gegründete | |
Bhutan Trust Fund for Environmental Conservation (BTFEC). | |
Zunächst vor allem aus den USA und von der Weltbank befördert, | |
interessierte die Idee schließlich auch das BMZ und die KfW-Bank. | |
Schließlich versprach das Konzept eine mögliche Lösung des Problems | |
langfristiger und nachhaltiger Finanzierung der Schutzgebiete. Die | |
fortgesetzte regelmäßige Alimentierung des Naturschutzes auf dem | |
afrikanischen Kontinent aus dem Entwicklungshilfebudget bindet schließlich | |
große Summen. Alternativen wie die Finanzierung durch Safari-Tourismus | |
funktionieren nur für einige wenige Parks und auch das selten in voller | |
Höhe der entstehenden Kosten. In Botswana geht man inzwischen so weit, | |
Lizenzen für die Großwildjagd verkaufen zu wollen, Simbabwe setzt auf | |
Private-public-Partnerships zur Finanzierung der Parks. | |
Der Charme der Idee aber, statt permanent einzelner Projektförderungen | |
einmalig Basiskapital zur Verfügung zu stellen, scheint KfW und BMZ | |
besonders überzeugt zu haben. Seit 2007 sind aus der für Biodiversität in | |
Afrika vorgehaltenen Summe mehr als 230 Millionen Euro in Treuhandfonds | |
geflossen. | |
18 dieser Fonds [4][haben sich 2011 in einem Konsortium | |
zusammengeschlossen]. Darunter sind der FTNS und auch der erst seit 2019 | |
aktive Okapi-Fonds, der zugunsten der Parks Kahuzi-Biéga und Garamba in der | |
Demokratischen Republik Kongo operieren soll. Die erste Kapitalspritze für | |
den Okapifonds setzte die Weltbank mit 9 Millionen Euro, das BMZ ließ über | |
die KfW 15 Millionen Euro überweisen. | |
Die Treuhandfonds werden in der Regel von einem Aufsichtsgremium | |
kontrolliert, das sich aus Vertretern der Parks, der betroffenen Länder und | |
der Geberparteien zusammensetzt. Im Falle deutscher Kofinanzierung ist das | |
üblicherweise ein Vertreter der KfW. Manager des Okapi-Fonds ist im Kongo | |
Jean Mbuyu, heute Universitätsprofessor für Jura in Kinshasa, bis Ende 2018 | |
jedoch Berater des damaligen Präsidenten Joseph Kabila, dessen Regime für | |
Korruption und Misswirtschaft bekannt war. Die KfW sagt dazu: „Basierend | |
auf einem Medien- und Listenscreening (u. a. im einschlägigen Riskcenter) | |
liegen uns keine Negativeinträge oder Informationen über eine etwaige | |
Involvierung in strafbare Handlungen zu Herrn Mbuyu vor.“ | |
Das Investmentportfolio bleibt für Journalisten ein Geheimnis. In welche | |
Art Hedgefonds unter welchen Nachhaltigkeitskriterien da investiert wird – | |
das ist für interessierte Bürger oder Journalisten, die wissen wollen, | |
welche Wege diese Gelder nehmen, nicht nachvollziehbar. Bei konkreten | |
Anfragen mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz beruft sich die | |
KfW auf das Bankgeheimnis als privatrechtliche Person. [5][In einem Urteil | |
des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 2019] wird jedoch | |
klargestellt, dass die KfW-Bankengruppe eine Behörde und damit verpflichtet | |
ist, Zugang zu ihren Informationen zu gewähren. | |
Die öffentliche Kontrolle über die Verwendung der gegebenenfalls | |
erwirtschafteten Gewinne entfällt. Counsell von RFUK nennt dieses Verfahren | |
„eine Art umgekehrter Geldwäsche“. Schließlich würden Mittel, die einer | |
ohnehin nur mäßig rigiden öffentlicher Kontrolle unterliegen, so in noch | |
undurchsichtigere Kanäle umgeleitet. | |
FTNS und Okapi-Fonds sind aus steuerlichen Gründen als wohltätige | |
Organisationen in Großbritannien registriert, was immerhin eine gewisse | |
Transparenz erzwingt. Beide Fonds sind unter derselben Adresse im Herzen | |
Londons zu finden, nur einen Steinwurf von der St.-Pauls-Kathedrale | |
entfernt in einem unauffälligen Bürogebäude. Von dort aus wird mit | |
Millionensummen an internationalen Finanzmärkten spekuliert. Geld, das als | |
Entwicklungshilfe deklariert ist und von dem eigentlich erwartet werden | |
dürfte, dass es direkt in Artenschutzprojekte fließt. | |
Anfang der Nullerjahre rechneten die Verfechter des Modells mit den | |
Treuhandfonds noch mit jährlichen Renditen von etwa 10 Prozent. Nach der | |
Finanzkrise ist diese Erwartung inzwischen auf durchschnittliche 4 Prozent | |
korrigiert. Zum Erreichen dieses Ziels beschäftigen die Fonds | |
Finanzberatungsfirmen. FTNS arbeitet dabei mit dem französischen | |
Unternehmen Indosuez Wealth Management zusammen, der Okapi-Fonds mit dem | |
britischen Finanzberater Smith & Williams. Beide Firmen waren [6][2016 im | |
Zuge des Skandals um die sogenannten Panama Papers] im Visier von | |
Steuerfahndern. | |
Die Idee, dass der Artenschutz in Afrika kein dauerhaftes Zuschussgeschäft | |
sein soll, ist derweil nicht gar so neu. Schon in der Kolonialzeit wurden | |
afrikanische Jagdreservate vor allem als Einkommenswelle für die | |
europäischen Verwaltungen angesehen. Im Vordergrund stand damals | |
Artenschutz lediglich als Mittel zum Zweck einer nachhaltigen | |
Bewirtschaftung, weniger eines altruistischen Naturschutzideals. | |
Ganz außer acht gelassen wurden damals wie auch heute die Interessen der | |
vor Ort lebenden Menschen. Die Erfahrung mit rücksichtslosen Parkrangern, | |
die teils jahrhundertealte Landrechte von Indigenen im Umfeld der Parks | |
missachteten, sind es denn auch, was Simon Counsell und Rainforest in den | |
vergangenen Jahren besonders beschäftigte: „Es geht doch darum, die | |
Menschen, die in den Wäldern leben, ins Zentrum der Naturschutzbemühungen | |
zu stellen, um deren Traditionen für effektiven Naturschutz nutzen zu | |
können.“ | |
## Entwicklungshilfe gegen Wilderei | |
Von den Geldgebern erwartet Counsell eine klare Verpflichtung, gegen die | |
immer wieder berichteten Menschenrechtsverstöße rund um die afrikanischen | |
Nationalparks vorzugehen. Die zunehmende Militarisierung im Naturschutz | |
beobachtet er mit Sorge. Das Problem ließe sich jedoch nicht kurzfristig | |
zum Beispiel mit dem kompletten Einfrieren von Entwicklungsgeldern beheben: | |
„Da gibt es jetzt eine große Zahl Ecoguards, 12.000 bis 15.000 vielleicht. | |
Das sind schlecht ausgebildete, aber schwer bewaffnete junge Männer. | |
Einfach aufzuhören, die zu bezahlen, würde sehr ernste neue Probleme | |
schaffen.“ | |
Eine Demobilisierung könne deshalb nur langfristig und gemeinsam mit den | |
Organisationen vor Ort und den internationalen Geldgebern angegangen | |
werden. Die müssten allerdings aufhören, Probleme zu ignorieren und für den | |
Anfang transparenter mit den Geldern für Entwicklungshilfe umgehen, als es | |
zum Beispiel die KfW bislang tut. | |
Auffallend in der Gesamtübersicht der aus Deutschland geförderten Projekte | |
ist entgegen der nötigen Demilitarisierung aber die zunehmende | |
Konzentrierung der deutschen Vorhaben auf gegebenenfalls brachiale | |
Maßnahmen der Wildereibekämpfung. Das BMZ hat 2018 die Wildereibekämpfung | |
in ihren [7][„Marshallplan mit Afrika“ aufgenommen] und rund 190 Millionen | |
Euro dafür weltweit vorgesehen; davon fließen 142 Millionen Euro nach | |
Afrika. Ein Großteil geht in die sogenannte Kapazitätsbildung afrikanischer | |
Parkbehörden, also Ausbildung und Ausrüstung der Wildhüter, aber auch in | |
den Ausbau der Strafverfolgungsmaßnahmen. | |
Allein für Namibia wurden 15 Millionen Euro für die Ausbildung und | |
Ausrüstung der Anti-Wilderei-Truppen ausgegeben. Gemeinsam mit dem BMU hat | |
das BMZ für den Zeitraum 2017 bis 2021 die „Partnerschaft gegen Wilderei | |
und illegalen Wildtierhandel in Afrika und Asien“ aufgesetzt und [8][rund | |
15 Millionen Euro dafür bereitgestellt]. Mehr als 200 Mitarbeiter von | |
Polizei, Zoll und Justiz aus über 20 Ländern in Afrika und Asien werden | |
geschult, um verdächtige Sendungen zu identifizieren und Ermittlungen gegen | |
Schmuggler aufzunehmen und so die Handelswege des Elfenbeins zu | |
zerschlagen. Als Entwicklungshilfe vorgesehene Gelder fließen so in die | |
Ausbildung von Strafverfolgungsbehörden. | |
## Private Spenden für den Artenschutz | |
Zu den staatlichen Geldern hinzu kommen Milliarden Euro privater Spenden | |
für den Artenschutz an weltweit agierende NGOs; unter anderem an den WWF | |
oder die ZGF. Medienwirksam stellen sie ständig neue Kampagnen auf, die | |
privates Geld akquirieren, um Pandas, Tiger, Elefanten oder Gorillas zu | |
retten. In der deutschen Spendenstatistik liegt Tierschutz auf Platz zwei, | |
direkt nach der humanitären Hilfe. | |
Einige Parks und NGOs wie der WWF entwickelten jüngst Finanzierungsideen | |
über direkte Kundenbindung: Tierfreunde können sich beispielsweise auf der | |
Facebook-Seite der ugandischen Wildtierschutzbehörde Uganda Wildlife | |
Authority (UWA) per Mausklick [9][mit einem ugandischen Gorilla für 90 Cent | |
befreunden] und erhalten regelmäßig Status-Updates. | |
Auf der Internetseite des kongolesischen Virunga-Nationalparks kann man | |
sich [10][unter der Kategorie Spenden den Zweck aussuchen]: 7 Euro für | |
Gummistiefel für einen Ranger, 45 Euro zur Unterstützung einer Frau und | |
ihrer Kinder eines verstorbenen Parkrangers, 137 Euro für zweiwöchige | |
Verpflegung eines Waisengorillas, 275 Euro für eine Stunde Rundflug, um | |
Wilderer aus der Luft aufzustöbern, oder 458 Euro für eine eintägige, | |
„taktische“, also militärische, Elefantenschutz-Operation. Auf der | |
WWF-Homepage kann man per Kreditkarte sogar die Ausbildung eines Rangers | |
/einer Rangerin finanzieren, sprich: Selbst Privatleute können nun dabei | |
helfen, die Wildhüter militärisch fit zu machen. | |
## Der lange Weg zum Geschäftsmodell | |
Ein einziger Mensch – zugegebenermaßen ein sehr wohlhabender – könnte | |
buchstäblich die Lösung für die Herausforderungen eines ganzen Kontinents | |
darstellen“, [11][kommentierte Peter Fearnhead, Geschäftsführer der African | |
Parks, eine Studie über den Finanzierungsbedarf] und kommt zum Fazit: „Das | |
macht Hoffnung.“ | |
Fearnhead meinte mit diesem „einzigen Menschen“ seinen guten Freund, den | |
niederländisch-britischen Milliardär Paul Fentener van Vlissingen. Bei | |
seinem Tod 2006 galt er als einer der reichsten Europäer. Seine | |
niederländische Familie war im 19. Jahrhundert mit einem | |
Schifffahrtsunternehmen wohlhabend geworden. Der bekannte Klimaaktivist und | |
Tierliebhaber unterhielt in den 1990er Jahren in Schottland ein | |
Modell-Wildtierschutzgebiet und ging in Afrika auf Großwildjagd. | |
Sein größter Coup gelang ihm 1998 in Südafrika, wo er in den 1980er Jahren | |
einen Großteil seines Kapitals in Unternehmen investiert hatte, die das | |
Apartheidregime unterstützten. Als Nelson Mandela und der ANC an die Macht | |
kamen, musste van Vlissingen seine Anlagemodelle ändern und wendete sich | |
dem Naturschutz zu. Die Nationalparks befanden sich in einem miserablen | |
Zustand, die Regierung war pleite. Die Frage stand im Raum, ob die Parks | |
überhaupt zu erhalten seien. | |
Mandela erklärte van Vlissingen bei einem Treffen 1998, dass die sozialen | |
Bedürfnisse der Menschen wichtiger seien als der Artenschutz. Daraufhin | |
schlug van Vlissingen dem Präsidenten vor: „Der Staat könnte Expertise, | |
Wissenschaftler und Tiere von anderen Parks und Ländern beschaffen, während | |
ich die Verwaltung und den Willen mitbringe, es zu realisieren.“ Mandela | |
willigte ein. „Ich strebe nicht nach Wohlstand, sondern ich will etwas | |
Gutes für den Planeten und die Menschheit tun“, erklärte van Vlissingen | |
sein Engagement. | |
Es war die Geburtsstunde von African Parks, dem größten, quasi | |
privatwirtschaftlich verwalteten Naturschutzunternehmen auf dem Kontinent. | |
Das im Jahr 2000 in Johannesburg gegründete, gemeinnützige Unternehmen ging | |
aus van Vlissingens Firma African Parks Management and Finance Company | |
hervor, [12][die er damals zur Stiftung umstrukturierte und dieses Modell | |
auf dem ganzen Kontinent vermarktet]. | |
Mittlerweile verwaltet African Parks 16 Naturschutzgebiete in zehn Ländern | |
als Public-private-Partnerships mit einer Gesamtfläche von über 10 | |
Millionen Hektar. Bis 2020 will African Parks 20 Nationalparks auf dem | |
Kontinent verwalten: „African Parks hat ein klares Geschäftsmodell“, | |
[13][heißt es auf der Internetseite], mit einem „starken Fokus auf | |
wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung in den umliegenden | |
Gemeinden, um sicherzugehen, dass der Park langfristig ökologisch, sozial | |
und finanziell nachhaltig ist“. | |
Die Tür für private Geschäfte und internationale Entwicklungsgelder im | |
Naturschutz steht so weit offen, da den Regierungen der meisten | |
afrikanischen Staaten Bereitschaft oder Kapazitäten fehlen, Geld in den | |
Erhalt der Biodiversität zu stecken. Steuereinnahmen decken oft genug nicht | |
einmal die Ausgaben für Gesundheit und Bildung, investiert wird ohnehin | |
lieber in Verteidigung und Sicherheit. | |
Zugänge zu internationalen Fördergeldern oder Kredite gibt es vor allem für | |
große Infrastrukturprojekte wie Straßen, Eisenbahnverbindungen, Ölförderung | |
oder Staudämme – Projekte, die zum Teil in Konkurrenz mit Natur- und | |
Artenschutzgebieten stehen. So berichtete die Weltbank im Haushaltsjahr | |
2012, dass die Regierung der Demokratischen Republik Kongo für ihre | |
Naturschutzbehörde ICCN rund 916.000 Euro vorgesehen habe. Letztlich seien | |
jedoch nur rund 16.000 Euro ausbezahlt worden. | |
Der Unterhalt von Schutzgebieten ist unbestreitbar extrem kostspielig. Eine | |
2018 veröffentlichte Untersuchung kalkulierte das Defizit für Schutzgebiete | |
in Afrika auf bis zu 1,8 Milliarden Euro – pro Jahr. Die Ergebnisse aus 23 | |
verschiedenen Ländern Afrikas zeigen, dass rund 90 Prozent der Parks mit | |
einem Budget operieren, das gerade einmal 20 Prozent der Mittel beträgt, | |
die benötigt werden, um den Naturschutz effektiv zu gestalten. Pro | |
Quadratmeter werden [14][jährlich zwischen 350 und 700 Euro benötigt, zur | |
Verfügung stehen allerdings nur 70 Euro, so der Bericht]. Dies führe zu | |
einem Aussterben geschützter Tiere aufgrund fehlender finanzieller Mittel. | |
Im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Naturschutzes und dem | |
Finanzierungsdilemma steht also stets die Frage, wie sich am meisten Geld | |
aus den zu schützenden Gebieten extrahieren lässt. Der Betrag, den der | |
Unterhalt eines Schutzgebietes kostet und welcher beispielsweise durch | |
Einnahmen aus Eintrittsgebühren in den Nationalpark oder Trophäenjagd | |
generiert werden kann, wird von lokalen Regierungen mitunter mit den | |
Profiten aufgewogen, die durch die Exploration der natürlichen Ressourcen | |
wie Erdöl oder Mineralien aus den Gebieten gewonnen werden könnten. Die | |
meisten afrikanischen Regierungen stellen sich da ganz konkret die Frage: | |
Wie lassen sich aus dieser Landfläche die größten Gewinne generieren? | |
Aus diesen Überlegungen speist sich wie beschrieben eine große Vielfalt an | |
Ideen in Afrika wie auch Europa, die Experimente von Privatisierungen bis | |
hin zu Finanzmarktspekulationen entstehen lassen. Ob so am Ende ziviler | |
Artenschutz gefördert wird, der die Interessen der im Umfeld der | |
Schutzgebiete lebenden Menschen hinreichend in Betracht zieht, bleibt eine | |
offene Frage. Viele Indizien aber deuten darauf hin, dass stattdessen | |
neokoloniale Machtstrukturen perpetuiert werden. Internationale | |
Entwicklungshilfegelder, nicht zuletzt aus Deutschland, helfen unterdessen | |
nicht dabei, Transparenz und echte Beteiligung vor Ort zu schaffen. | |
17 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rainforestfoundationuk.org/ | |
[2] /Verschiebung-der-Wahl-im-Kongo/!5345994 | |
[3] https://www.fondationtns.org/ | |
[4] https://www.cafeconsortium.org/ | |
[5] https://www.buzzfeed.com/de/marcusengert/kfw-ist-behoerde-ifg-verwaltungsge… | |
[6] /Steueroasen-verursachen-Umweltschaeden/!5528344 | |
[7] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5669805/ | |
[8] https://www.giz.de/de/downloads/giz2019_de_Factsheet_Partnerschaft%20Wilder… | |
[9] http://www.ugandawildlife.org/visitor-guide-2/travel-responsibly/friend-a-g… | |
[10] https://virunga.org/donate | |
[11] http://www.nytimes.com/2018/10/22/science/africa-conservation-parks-fundin… | |
[12] http://www.youtube.com/watch?v=JvrxVDo-5sY | |
[13] http://www.africanparks.org/about-us/our-story | |
[14] http://www.pnas.org/content/pnas/115/45/E10788.full.pdf | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
Daniél Kretschmar | |
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