| # taz.de -- Nationalpark contra Menschenrechte: Bauern, Bomben und Berggorillas | |
| > Der Virunga-Nationalpark im Kongo ist ein Kleinod der Natur. Doch | |
| > Menschen in der Umgebung sind zur Zielscheibe der Parkranger geworden. | |
| Bild: Parkranger sollen die Natur schützen. Doch sie vergreifen sich an den Me… | |
| Virunga-Nationalpark/Kongo taz | Mit schmerzverzerrtem Gesicht hebt Maurice | |
| Matembela seine verbundene Hand. Eine Kugel hat dem Fischer die Daumensehne | |
| durchtrennt, jetzt kann er nicht mehr arbeiten. „Meine vier Kinder sind | |
| hungrig“, klagt er. | |
| Als Einziger, so sagt Matembela, habe er einen tödlichen Zwischenfall auf | |
| dem Edwardsee im Osten der Demokratischen Republik Kongo am 23. Mai | |
| überlebt. Was er erzählt, klingt haarsträubend: Er habe mit seinen vier | |
| Kameraden gerade die Netze ausgeworfen, als sich ein Motorboot näherte mit | |
| zwei bewaffneten Milizionären an Bord, im Kongo Mayi-Mayi genannt. „Sie | |
| haben uns als Geiseln genommen“, berichtet er. Lösegelderpressung ist | |
| typisch für die Milizen in dieser Gegend. | |
| Doch dann keimte bei ihm Hoffnung auf: Ein Patrouillenboot der staatlichen | |
| Naturschutzbehörde, Kongolesisches Naturschutzinstitut (ICCN) genannt, | |
| näherte sich. An Bord seien Ranger des Virunga-Nationalparks gewesen, deren | |
| Aufgabe es ist, zu kontrollieren, dass die Fischer nur in den | |
| vorgeschriebenen Zonen ihre Netze auswerfen. | |
| „Ich dachte, die Ranger würden uns helfen“, sagt Matembela: „Doch sie | |
| eröffneten direkt das Feuer“. Seine vier Kameraden sowie die beiden | |
| Geiselnehmer seien im Kugelhagel gestorben, erzählt er. Er selbst sei ins | |
| Wasser gefallen, habe sich aber am Bootsrand festhalten können. Da traf die | |
| Kugel seine Hand und er ging unter. „Ich kann von Glück sagen, dass sie | |
| mich gerettet haben.“ | |
| Joel Wengamulay, Sprecher der Virunga-Parkleitung, bestätigt, dass zu dem | |
| Vorfall Ermittlungen laufen. | |
| ## Wie Parkwächter ein ganzes Dorf kontrollieren | |
| In der Savanne um das Dorf Vitshumbi mit seinen 700 Einwohnern tummeln sich | |
| nicht nur wilde Tiere, sondern auch Dutzende Rebellengruppen. Der Heimatort | |
| von Maurice Matembela befindet sich als Enklave innerhalb des | |
| Nationalparks. Zweimal am Tag kommt ein von Soldaten geschützter Konvoi | |
| vorbei, um Waren sicher durch den Nationalpark in das Dorf zu | |
| transportieren. Am Ortseingang kontrollieren Parkwächter an einer | |
| Straßensperre jedes Fahrzeug. Es ist ein Leben wie auf einer Insel. | |
| Die Schießerei auf dem See mit Matembela als einzigem Überlebenden ist der | |
| Höhepunkt eines Konflikts, der sich seit November 2018 zuspitzt. Damals, | |
| während des Wahlkampfs, war der Provinzgouverneur an den Edwardsee | |
| gekommen. Die Leute klagten über zerfallene Häuser und den Mangel an | |
| Baumaterialien. Immer wieder hatten die Parkranger Lastwagen mit | |
| Wellblechen, Zement und Holz nicht durch ihre Straßensperre gelassen – denn | |
| laut Gesetz darf hier nicht gebaut werden. Gouverneur Paluku versprach den | |
| Einwohnern Baumaterialien und erhoffte sich dafür Stimmen. | |
| Die alten Kolonialvillen entlang der staubigen Hauptstraße des Dorfs sind | |
| reparaturbedürftig. Bei einigen ist das Dach eingebrochen, Wände sind | |
| eingestürzt. Viele Familien hausen in Ruinen, einige unter freiem Himmel. | |
| Im November war Regenzeit und die Menschen waren den Tropenstürmen | |
| schutzlos ausgesetzt. Als elf Tage nach dem hohen Besuch ein Lastwagen mit | |
| Ziegeln und Zement von den Rangern blockiert wurde, kam es zum Eklat, | |
| berichtet Natalus Makuta. Er ist Vertreter der lokalen | |
| Menschenrechtsorganisation „Recherchezentrum für Umwelt, Demokratie und | |
| Menschenrechte“. | |
| ## Zwei Todesopfer, zwei unterschiedliche Darstellungen | |
| Während der Mann erzählt, spaziert er an den verfallenen alten Häusern | |
| vorbei in Richtung des Sees. Diesen Weg seien im November Schüler entlang | |
| marschiert, die gegen die Blockade protestierten. Auf dem Weg zur Station | |
| der Parkschützer am Ufer hätten sich ihnen Eltern und Fischer | |
| angeschlossen. „Dann fielen plötzlich Schüsse“, sagt Makuta und zeigt auf | |
| zwei Gräber am Wegesrand. Auf den Holzkreuzen stehen mit blauer Farbe zwei | |
| Namen: Adam und Ezeckiel Mumbere, beide nicht einmal 40 Jahre alt. | |
| Todestag: 28. November 2018. | |
| Auf der Internetseite des Virunga-Nationalparks gedenkt man an jenem Tag | |
| eines Toten: „Ranger Ezechiel Masumbuko killed in action“ heißt es dort. | |
| Von Schülerprotesten und zwei toten Fischern steht da nichts. Auf | |
| taz-Anfrage erklärt der Sprecher der Virunga-Parkleitung: „Das war ein | |
| gewaltsamer Angriff auf eine Ranger-Position von Mayi-Mayi-Rebellen, kein | |
| Protest.“ Die Ranger hätten sich „angemessen verhalten“. Es werde | |
| ermittelt. | |
| „Wir haben keine Milizen und keine Waffen bei uns im Dorf“, beteuert Makuta | |
| vor den Gräbern. „Die Ranger haben wild geschossen, dabei hat der eine den | |
| anderen getroffen“, lautet seine Version. | |
| Was an jenem Tag genau geschehen ist, bleibt ungeklärt. Klar ist: Die | |
| Menschen in Vitshumbi fühlen sich sowohl den Milizen als auch den | |
| Parkrangern gegenüber hilflos ausgeliefert. Dies sei der falsche Weg, | |
| Naturschutz zu betreiben, sagt Makuta. Er schaut grübelnd auf die Kreuze. | |
| Dann legt er die Stirn in Falten: „Wir sehen immer mehr, dass die Ranger | |
| die Menschen wie Tiere behandeln“, sagt er und folgert: „Und die Tiere im | |
| Kongo sind besser geschützt als wir Menschen.“ | |
| Der Virunga-Park ist Afrikas ältestes Naturschutzgebiet und ein | |
| Unesco-Weltkulturerbe. In ihm leben auch die weltberühmten, vom Aussterben | |
| bedrohten Berggorillas. Aber für viele Kongolesen in der Nachbarschaft ist | |
| der Park ein bedrohlicher Staat im Staat, mächtiger als die eigene | |
| Regierung. Sie nennen ihn „die unabhängige Republik Virunga“. | |
| ## Wie Abdoul Shamamba sein Haus verlor | |
| Ereignisse wie in Vitshumbi sind keine Einzelfälle. Bei einer einwöchigen | |
| Rundreise rund um den Park trifft die taz-Reporterin fast in jedem Dorf | |
| Menschen, die sagen, sie seien von Parkrangern drangsaliert, verhaftet, | |
| geschlagen, angeschossen oder vergewaltigt worden. | |
| So im Dorf Nzulo am Ufer des Kivusees: Dort steht Abdoul Shamamba, Vater | |
| von sechs Kindern, auf einem Haufen verkohlter Bretter und Wellblechen und | |
| schaut verzweifelt. Sein ganzes Erspartes hatte er in sein kleines Haus | |
| investiert. Dann seien im Juni Ranger gekommen und hätten es verbrannt. Er | |
| zeigt auf frische Wunden am Arm und am Schienbein: „Als ich mich geweigert | |
| habe, das Haus zu verlassen, haben sie mich mit Gewalt davongezerrt“, | |
| berichtet Shamamba. | |
| Die Parkleitung erklärt auf Anfrage, sie habe keine Informationen zu dem | |
| Vorfall. | |
| ## Wie Bauern von ihren Feldern vertrieben werden | |
| Im Dorf Mugunga gleich nebenan: Die knapp 60-jährige Miriam Nyamulemba | |
| berichtet, sie sei im letzten Sommer auf ihrem Acker am See-Ufer von | |
| Parkrangern vertrieben worden, die ihr die Ernte stahlen – mit dem | |
| Argument, ihr Feld, das sie seit Jahrzehnten bestellt, liege innerhalb des | |
| Parks: „Ohne die Ernte wusste ich monatelang nicht, wie ich meine Kinder | |
| und Enkel satt kriegen soll“, klagt sie. | |
| Auch dieser Vorfall sei nicht bekannt, erklärt dazu die Parkverwaltung. | |
| Nyamulembas Tochter Esperance Kabekatyo erzählt, sie sei von den Rangern | |
| festgehalten worden, als sie im letzten September ihre Bohnenernte einholen | |
| wollte. Die 38-jährige Mutter von fünf Kindern sagt: „Sie haben mir die | |
| Kleider vom Leib gerissen. Ich hatte Angst, sie würden mich vergewaltigen – | |
| ich bin davongerannt.“ Als sie sich am Tag danach erneut aufs Feld gewagt | |
| habe, „fingen die Ranger direkt an zu schießen, eine Kugel verfehlte mich | |
| nur knapp“. Esperance Kabekatyo sagt: „Von allen Rebellen und Milizen sind | |
| die Ranger meine größten Feinde.“ Dann bittet sie darum, eine Botschaft an | |
| die Europäische Union richten zu dürfen: „Mithilfe der EU-Gelder ist der | |
| Park sehr mächtig geworden. Doch wenn sie uns weiter so behandeln, werde | |
| ich zur Waffe greifen und gegen sie rebellieren!“ | |
| ## Wie die EU glaubte Natur und Berggorillas zu retten | |
| Die EU hat seit 1988 rund 30 Millionen Euro in den Virunga-Nationalpark | |
| gesteckt. Er ist ein Vorzeigeprojekt des internationalen Naturschutzes in | |
| einer Bürgerkriegsregion. In seinen dichten Urwäldern rund um aktive | |
| Vulkane hatten sich Dutzende Rebellengruppen verschanzt, sie lebten teils | |
| vom illegalen Holzeinschlag – Holzkohle ist die wichtigste Energiequelle | |
| der Bevölkerung. | |
| Vor sieben Jahren drohte dem Park mit seinen berühmten Berggorillas das | |
| Aus. Sprengsätze flogen, Rebellen hatten sich in den Wäldern im | |
| Schutzgebiet festgesetzt und ihr Hauptquartier direkt neben der | |
| Parkzentrale eingerichtet. Die Regierung vergab Teile des Parks an | |
| Ölkonzerne. Entsetzt kratzten internationale Geber und Spender Geld | |
| zusammen. „Ein Marshallplan für den Ostkongo“ nannte der US-Milliardär | |
| Howard Buffet die Idee damals. | |
| Die Idee: Die Gründung der „Virunga-Allianz“, bestehend aus zwei im Ausland | |
| eingetragenen Stiftungen sowie von ihr gegründeten Unternehmen als eine | |
| Public-Private-Partnerschaft, die in Ökotourismus, nachhaltige Land- und | |
| Fischereiwirtschaft sowie saubere Energie aus Wasserkraft investiert. | |
| Auf ihrer Internetseite präsentiert die Virunga-Allianz ihre | |
| Zehn-Jahres-Ziele wie eine Rechenaufgabe: Jedes Megawatt Strom schaffe | |
| 1.000 Arbeitsplätze, in zehn Jahren also 100.000 Jobs. Parkchef de Merode | |
| erklärte damals, künftig würden neu gegründete Firmen Seife aus Palmöl | |
| herstellen, Enzyme aus Papaya und Strom aus Wasserkraft, um den Gebrauch | |
| von Holzkohle zum Kochen zu verringern. Kongos Jugend würde dann nicht mehr | |
| zur Waffe greifen. Wenn dann auch noch zusätzlich 28.000 Touristen pro Jahr | |
| den Virunga-Nationalpark besuchten, dann bringe das dem Kongo jährlich eine | |
| glatte Milliarde Dollar an Einnahmen. Das Versprechen an die rund vier | |
| Millionen Menschen im Umkreis des Parks: Ein Drittel der Einnahmen werde in | |
| die Entwicklung ihrer Gemeinden fließen. | |
| ## Öko-Strom, den keiner bezahlen kann | |
| Doch zuerst musste gewaltig investiert werden. Bagger rollten über die | |
| ungeteerten Straßen an: Staudämme, Wasserkraftanlagen, Stromtrassen und | |
| Luxus-Lodges entstanden. Buffet selbst pumpte 150 Millionen Dollar in das | |
| Projekt, als Startkapital: „Nach oben gibt es kein Limit“, tönte er damals. | |
| Die EU stellte im November 2018 erneut 20 Millionen Euro für Naturschutz im | |
| Kongo-Becken zur Verfügung. Ein Großteil davon fließt in die | |
| Virunga-Stiftung. | |
| Der dicht besiedelte Bezirk Rutshuru an Ugandas Grenze, ringsum von | |
| Nationalpark umgeben, wird seit 2015 mit Virunga-Strom aus Wasserkraft | |
| versorgt. Neue Hochspannungsleitungen laufen über der Hauptstraße der | |
| gleichnamigen Distrikthauptstadt und der Nachbarstadt Kiwanja, | |
| Straßenlaternen beleuchten nachts den Weg. Die Sicherheit im von | |
| Kriminalität und Geiselnahme geplagten Kiwanja habe sich enorm verbessert, | |
| sagen die Bewohner. Doch für kleine Schreinerwerkstätten oder Nähereien | |
| ist der Strom zu teuer. Schon die Anschlussgebühr beträgt über 200 Dollar, | |
| für die meisten Kongolesen unerschwinglich. Sie verzichten lieber auf Strom | |
| und kochen weiter mit Holzkohle. Die Rechnung, pro Megawatt 1.000 | |
| Arbeitsplätze zu schaffen, geht hier nicht auf. | |
| Bei einem Treffen zwischen Regierung und der Naturschutzbehörde im März | |
| 2019 lobte Olivier Kamuzinzi, Umweltminister der Provinz, die Erfolge des | |
| Parks. Die Zahl der Gorillas habe sich erhöht, Wilderei und Waldrodung | |
| hätten nachgelassen. Knapp einen Monat nach Wiedereröffnung des | |
| Nationalparks für den Tourismus freute sich der Generaldirektor der Behörde | |
| über rund 500 Urlauber. | |
| Dennoch hinkt der Virunga-Nationalpark seinen Zielen hinterher. Laut | |
| eigenen Angaben sind bis Ende 2017 nur 13.000 Jobs entstanden. Rund 3.000 | |
| davon sind direkt beim Park angesiedelt, ein Großteil sind Ranger. | |
| ## Wie die Ranger aufgerüstet werden | |
| Bislang ging Kongos Armee, zum Teil mit Unterstützung durch UN-Blauhelme, | |
| gegen die Rebellen vor. Mittlerweile hat aber der Virunga-Nationalpark | |
| besser ausgebildete Kämpfer, die 300 Mann der Schnellen Eingreiftruppe QRU. | |
| Sie wurden von Belgiern und Franzosen mit EU-Mitteln ausgebildet. | |
| Mit Scharfschützengewehren, Raketenwerfern und Infrarot-Nachtsichtgeräten | |
| ziehen diese QRU-Ranger wie Soldaten in den Krieg. „Ich wollte | |
| Naturschützer werden wie mein Großvater und mein Vater“, erzählt einer von | |
| ihnen der taz-Reporterin. „Doch stattdessen bin ich jetzt eine | |
| Kampfmaschine.“ Aus Sicherheitsgründen muss sein Name ungenannt bleiben. | |
| Die taz will von ihm wissen, wie es sein kann, dass ausgerechnet die von | |
| der EU ausgebildeten Eingreiftruppe QRU die Bevölkerung drangsaliert. Der | |
| Elitekämpfer lacht zuerst und wird dann ernst: Zwar sei ihm beigebracht | |
| worden, wie man einen Verdächtigen festnimmt und auch, dass man nicht auf | |
| Zivilisten schießen dürfe, sagt er. „Doch wenn wir in die rote Zone | |
| geschickt werden, wo jeder Bauer potenziell einer Miliz angehören kann und | |
| die Rebellen keine Uniformen tragen, dann gibt es keinen Unterschied mehr | |
| zwischen dem Feind und der Bevölkerung.“ | |
| ## Wem gehört das Feld – den Bauern oder dem Nationalpark? | |
| „Die rote Zone“ ist voller Menschen. Im Distrikt Rutshuru, umgeben vom | |
| Virunga-Nationalpark, leben rund 1,5 Millionen Menschen, die meisten von | |
| ihnen betreiben Ackerbau. Jeden Morgen kurz nach Sonnenaufgang passieren | |
| Tausende Frauen, Männern und Kinder mit Körben, Hacken und Macheten am | |
| Stadtrand von Kiwanja die Straßensperre der Naturschutzbehörde ICCN, um | |
| einige Kilometer außerhalb der Stadt ihre Äcker zu bestellen. Mais, Bohnen, | |
| Hirse wachsen hier rechts und links der Straße bis zu der Brücke über den | |
| Rutshuru-Fluss. Danach beginnt der Urwald. | |
| In einem vor 45 Jahren formulierten Abkommen wurde dieser Abschnitt als | |
| „Jagddomäne“ definiert, eine Art Pufferzone für den Park. Doch | |
| unterzeichnet wurde der Vertrag nie. Er sei damit „null und nichtig“, sagt | |
| Faustus Kalwahali, Justiziar im örtlichen Bauernverband in Kiwanja. Aus | |
| einem Heftordner kramt er das mit Schreibmaschine getippte Dokument hervor | |
| – ohne Unterschrift. Trotz Verhandlungen beanspruche die | |
| Virunga-Parkbehörde dieses Ackerland für sich. | |
| Regelmäßig patrouillieren Ranger auf den Feldern und verhaften Bauern mit | |
| dem Vorwurf des „illegalen Eintritts in den Park“. Mit EU-Geldern wurde | |
| eine eigene Justizpolizei für die staatliche Naturschutzbehörde | |
| aufgestellt. Sie darf Menschen festnehmen und verhören, sie sammelt | |
| Beweise, formuliert Anzeigen und überstellt Festgenommene an die Justiz, | |
| laut Gesetz innerhalb von 48 Stunden. | |
| So weit die Theorie. Die Praxis: Fast täglich wird der Bauernvertreter | |
| Kalwahali von besorgten Bauernfamilien darüber informiert, dass deren | |
| Verwandte auf ihren Feldern festgenommen wurden. „Oft dauert es viele Tage, | |
| bis die Naturschutzbehörde die Leute dem Haftrichter vorführt“, klagt der | |
| Anwalt. „Oft wollen sie mir gar nicht sagen, wo sie die Leute unterbringen. | |
| Das grenzt schon fast an Geiselnahme.“ | |
| ## Der Staatsanwalt klagt über mangelnde Beweise | |
| Zuständig dafür ist Staatsanwalt Mirindi Mushagalusa. Er sitzt in seinem | |
| Büro hinter hohen, handgeschriebenen Aktenbergen. Computer, Telefon – | |
| Fehlanzeige. Auf die Frage nach den verhafteten Bauern seufzt er: „Ich bin | |
| mit diesen Fällen so überfordert, dass ich gar keine Zeit mehr für all die | |
| Mörder und Vergewaltiger hier habe.“ | |
| Durchschnittlich überstelle die Naturschutzbehörde 20 Fälle pro Monat. | |
| Manchmal aber nähmen deren Justizpolizisten auch Dutzende Bauern oder | |
| Fischer auf einmal fest: „Doch in unsere Untersuchungshaftzelle passen nur | |
| sechs Menschen.“ | |
| Oft findet er die Anzeigen der Justizpolizei zweifelhaft, sagt Mushagalusa. | |
| Manchmal würden die Ranger Beweismittel zerstören: den Fischfang, das | |
| Holzboot, die Ernte. „Und wie soll ich nach Vitshumbi reisen und dort | |
| prüfen, ob der Fischer jenseits der erlaubten Fanggebiete tätig war?“ | |
| Problematisch seien vor allem die Fälle von Festnahmen auf der umstrittenen | |
| „Jagddomäne“, wo die Bauern ihre Felder haben. „Die Parkgrenzen müssen | |
| definiert werden, bevor wir urteilen können, was illegal ist“, sagt der | |
| Staatsanwalt. | |
| In der Regel lasse er die Fischer und Bauern dann laufen, sagt er. | |
| Allerdings gegen eine Entlassungsgebühr von umgerechnet 100 Dollar. Das ist | |
| mehr, als eine Bauernfamilie im Monat zum Leben hat. „Die Bevölkerung wird | |
| damit systematisch in die Armut getrieben“, sagt dazu der Justiziar des | |
| Bauernverbandes. „Die Freilassungsgebühr ist gesetzlich illegal“, bestäti… | |
| Festus Munyihata von der Menschenrechtsorganisation CREDDHO in Kiwanja. | |
| „Das Geld wird verlangt, um die Leute zu entmutigen, in den Park zu gehen“, | |
| sagt Munyahita. Die Naturschutzbehörde überstelle zunehmend Fälle an die | |
| Militärjustiz, „um noch mehr Abschreckung zu erzeugen“. | |
| Bei der Militärstaatsanwaltschaft direkt nebenan ist die Entlassungsgebühr | |
| doppelt so hoch. Dort kann man Menschen bis zu zwölf Monate lang | |
| festhalten, bis sie einem Richter vorgeführt werden müssen. Dies mag | |
| mitunter der Grund sein, gibt Militärstaatsanwalt William Mulaja zu, warum | |
| mittlerweile deutlich mehr dieser Fälle auf seinem Schreibtisch landen. | |
| 2018 wurden Mulaja über einhundert Zivilisten von der Naturschutzbehörde | |
| vorgeführt – im April 2019 waren es schon 168, darunter Frauen und Kinder. | |
| Der Vorwurf laute meist auf „Zusammenarbeit oder Teilnahme an einer | |
| bewaffneten Gruppe“. Doch Militärstaatsanwalt Mulaja hat damit Probleme: | |
| „Wenn die Rebellen dem Fischer das Geld abknöpfen, dann ist das per Gesetz | |
| schon ‚Unterstützung‘ der Miliz“, erklärt er. Wenn Frauen im Wald Feuer… | |
| sammeln, dann sei dies laut Gesetz bereits „Kollaboration“ mit der | |
| ruandischen Hutu-Miliz, die den Holzkohlehandel dominiert. Dass er jetzt | |
| mehr Fischer und Bauern als bewaffnete Kämpfer anklagen muss, das sei nicht | |
| Sinn der Sache. | |
| Auf Anfrage erklärt der Sprecher der Parkleitung dazu: „Virunga ist strikt | |
| gegen jegliche willkürliche Verhaftungen. Die Festnahme in | |
| Park-Unterkünften überschreitet niemals die 48-Stunden-Frist, die vom | |
| Gesetz vorgeschrieben ist.“ Nach seinen Angaben nehmen Ranger | |
| durchschnittlich 1.000 Menschen pro Jahr fest. Davon seien im Jahr 2018 423 | |
| an Gerichte überstellt worden, 21 wurden verurteilt. „Das Gesetz verlangt | |
| von uns, diejenigen an die Militärgerichte zu überstellen, die als | |
| Mitglieder einer Miliz verdächtigt werden oder mit ihr zusammenarbeiten.“ | |
| 11 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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