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# taz.de -- Parteitag der Berliner Grünen: Kampfansage an Autos
> Die Grünen wollen ab 2030 Pkw mit Verbrennungsmotor aus der Innenstadt
> verbannen. Sie kritisieren den SPD-Regierungschef Michael Müller​.
Bild: Familiäre Atmosphäre: die beiden Grünen-Vorsitzenden Nina Stahr und We…
Das dürfte spannend werden am Dienstagmorgen bei der Senatssitzung im Roten
Rathaus. Er sei also mutlos, zeige nur auf andere und lege die Hände in den
Schoß, könnte da SPD-Regierungschef Michael Müller seine grünen
Koalitionspartner zitieren.
Er könnte auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop fragen, was denn nun Sache
sei mit der Internationalen Automobilausstellung (IAA). Eigentlich wollten
Müller und Pop die Messe nach Berlin holen. Das lehnen die Grünen seit
ihrem Parteitag am Samstag aber ab. Bei ihrem Treffen beschlossen mit
mitregierenden Grünen zudem, dass ab 2030 keine Privat-Pkws mit
Verbrennungsmotor mehr in der Innenstadt unterwegs sein sollen.
In einem Hotel am Alexanderplatz saßen die Grünen-Delegierten am Samstag
zusammen, um außer über Kinderarmut über einen Antrag des Parteivorstands
für mehr Klimaschutz zu diskutieren. Den kann es für Landeschef Werner Graf
nur geben, wenn man an die Wurzeln geht: „Wer heute vernünftig ist, muss
radikal handeln“, sagte Graf in seiner mit langem Applaus bedachten Rede.
Er gab sich überzeugt, „dass hier heute bei uns der heiße Scheiß passiert�…
– eine Anspielung auf eine Äußerung von Bundestagsfraktionschefin Karin
Göring-Eckard im für die Grünen wenig erfolgreichen Wahljahr 2017: Damals
bekam die Partei bei der Bundestagswahl nur 8,9 Prozent; heute sind es auf
Bundesebene in Umfragen bis zu 23 Prozent und in Berlin aktuell 24.
Graf und mehrere andere Redner sahen die Grünen in der Verantwortung,
Berlin, das Klima, wenn nicht sogar die Welt zu retten. Beim Rückhalt dafür
gab er sich aber skeptisch: „Sehr, sehr viele Menschen sind für Klimaschutz
– aber viel weniger sind bereit, den Preis dafür zu zahlen.“
## „Der Wind wird heftig gegen uns wehen“
Als jüngstes Beispiel nannte Graf auch den Protest gegen die spontane
Entscheidung der grünen Verkehrssenatorin Regine Günther vergangene Woche,
[1][162 Parkplätze in der Karl-Marx-Allee] in einen grünen Mittelstreifen
umzuwandeln, obwohl eine Bürgerbeteiligung anderes ergeben hatte. „Statt
Autoparkplätzen schaffen wir Bienenparkplätze“, sagte Graf. Die Grünen
müssten sich für solche Klima-Maßnahmen „auch in den Wind stellen, denn der
wird gegen uns wehen und zwar heftig.“
Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh ist an diesem Vormittag eine Zeitlang im
Tagungsraum. Seine Partei hat sich bislang dagegen ausgesprochen, Autos aus
der Stadt verbannen oder einen Kampf gegen das Auto führen zu wollen. Was
macht er nun mit einem Koalitionspartner, der radikal aus dem motorisierten
Individualverkehr raus will? „Als Gast kommentiert man nicht von der
Seitenlinie“, sagte Saleh einer kleinen Journalistenrunde am Rande. Bei
einem Parteitag dürfe auch eine „überzogene Forderung“ drin sein: „Die
Kunst liegt in der Koalition darin, den richtigen Mix hinzubekommen.“
Saleh ist schon weg, hin zum parallel stattfindenden SPD-Bundesparteitag
auf dem Messegelände, als der Parteitag auf Antrag eines Delegierten aus
Friedrichshain-Kreuzberg Berlin als künftigen Standort der Internationalen
Automobilausstellung (IAA) ablehnt, die bislang in Frankfurt am Main
zuhause ist. Das passiert allen Mahnungen von Partei- und Fraktionsführung
zum Trotz. SPD-Regierungschef Müller hatte sich mehrfach dafür
ausgesprochen, sie nach Berlin holen zu wollen, Wirtschaftssenatorin Pop –
in veränderter Form als Mobilitätsmesse – ebenfalls.
## Grüne Jugend setzt sich nicht durch
Eine andere Verschärfung hatte der Parteivorstand noch knapp vermeiden
können: Die Grüne Jugend wollte ab 2030 [2][nicht bloß die Innenstadt,
sondern ganz Berlin autofrei machen], und das sollte auch für E-Autos
gelten. Ein komplettes Auto-Verbot bis 2030 „ist nicht machbar“, mahnte
Parteichef Graf, „wir dürfen die Leute nicht vor den Kopf stoßen – die
drehen doch schon durch, wenn wir Punkte auf den Boden malen.“ Auch
Senatorin Pop mahnte, „die Menschen mitzunehmen“.
Nach der Abstimmungsniederlage zur IAA wirkte Pop geschockt und ließ
Journalistenfragen offen, ob das nun als Parteiauftrag zu verstehen sei,
einen IAA-Umzug im Senat zu stoppen. „Heute nehmen wir das erstmals zur
Kenntnis“, sagte ihre Sprecherin. Schriftlich ließ Pop wenig später
mitteilen: „Allen ist klar, dass die alte IAA in Berlin keine Perspektive
hat.“ Man müsse aber auch zur Kenntnis nehmen, „dass es ein klares
Misstrauen in die Automobilindustrie gibt, ob sie sich verändert“.
Ob eine solche Erklärung Regierungschef Müller in der nächsten
Senatssitzung reichen wird, könnte sich am Dienstagmorgen zeigen. Der
dürfte sich vielleicht eher mit Fraktionschefin Antje Kapek beschäftigen,
die den grünen Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt
verteidigte, den Müller jüngst wegen seiner Wohnungskaufpolitik als
„Mini-Robin-Hood“ kritisierte.
„Mir sind zehn Mini-Robin-Hoods, die vielleicht auch mal mit Pfeil und
Bogen übers Ziel hinaus schießen, die aber mit Energie und Leidenschaft
dafür kämpfen, zehnmal lieber als jemand, der nur mit dem Finger auf andere
zeigt und ansonsten die Hände in den Schoß legt“, sagte Kapek unter viel
Beifall und forderte: „Lasst uns Pfeil und Bogen spannen – Robin Hood war
ein Grüner.“
8 Dec 2019
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## AUTOREN
Stefan Alberti
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