| # taz.de -- Koalitionsstreit um einen Grünstreifen: Legal, illegal, scheißegal | |
| > Am Konflikt um Parkplätze und einen Grünstreifen auf der Karl-Marx-Allee | |
| > kann besichtigt werden, wie die Stimmung bei Rot-Rot-Grün ist. | |
| Bild: Platz ist genug auf der Karl-Marx-Allee in Mitte, hier mit Demo und Baust… | |
| Es gibt Familienstreitigkeiten, die damit enden, dass drei Geschwister, die | |
| sich eigentlich sehr nahestehen, über Jahre kein Wort mehr miteinander | |
| reden; an deren Auslöser sich aber in der Rückschau keiner mehr erinnern | |
| kann. Vielleicht, weil er zu banal war? | |
| In Berlin zofft sich die Regierungskoalition seit einigen Tagen darum, ob | |
| Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) auf einem Teil der Karl-Marx-Allee | |
| Parkplätze in der Mitte der breiten Fahrbahn [1][durch einen Grünstreifen | |
| ersetzen] darf. Obwohl, eigentlich geht es nicht darum, sondern um den | |
| Kulturkampf Auto vs. nichtmotorisierte Straßennutzer. Und letztlich ist der | |
| Streit eine Frage, wer im Senat mit wem redet. Das alles ist schwer zu | |
| verstehen. Im doppelten Sinne. | |
| Was ist passiert? Günther hatte im Sommer entschieden, statt den von | |
| AnwohnerInnen erwünschten Autoparkplätzen in der Straßenmitte einen | |
| Grünstreifen anzulegen. Sie übergeht damit das Ergebnis einer | |
| Bürgerbefragung vor sechs Jahren. Der Plan wurde öffentlich, als sich Ende | |
| vergangene Woche der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), | |
| [2][darüber empörte]. | |
| Günther begründet den Vorstoß damit, dass es „eine völlig neue Lage in der | |
| Stadt“ gebe. Gemeint ist unter anderem das Mobilitätsgesetz, das eine | |
| Verlagerung von Fläche zuungunsten unter anderem von Autos vorsieht, und | |
| der Klimawandel. | |
| Am Dienstag war der Plan Günthers auch Thema in der regulären wöchentlichen | |
| Sitzung des Senats. Sie verlief für Günther insgesamt eher rau, was mit der | |
| Debatte um die von ihr vorgeschlagene Ausrufung der Klimanotlage zu tun | |
| hatte, aber eben auch mit der Karl-Marx-Allee. | |
| Am Ende teilte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit: | |
| Günthers Entscheidung war „vorschnell“, sie könne das nicht allein | |
| entscheiden, weil noch zwei weitere Senatsverwaltungen zustimmen müssten. | |
| Letztlich habe Günther „keine Rechtsgrundlage“ für den Grünstreifen, | |
| betonte der Regierende, der letztlich so was ist wie ihr Chef. | |
| Nun könnte man daraus schließen: Was nicht rechtens ist, wird auch nicht | |
| umgesetzt. Das sieht die Umweltverwaltung allerdings anders. Es werde | |
| weiter gebaut, „der Grünstreifen befindet sich in Umsetzung“, beeilte sich | |
| Günthers Sprecher am Dienstagabend [3][einen Bericht der taz zu ergänzen], | |
| der davon ausging, dass sich alle drei Koalitionspartner vor der Schaffung | |
| von Tatsachen erst noch mal zusammensetzen. | |
| Die Umweltverwaltung will mit der Causa Karl-Marx-Allee offensichtlich auch | |
| dem [4][vielfachen Vorwurf von Radlobbyisten] entgegentreten, sie tue für | |
| die Umsetzung des Mobilitätsgesetzes zu wenig, und wenn, dann falsch. Mit | |
| Erfolg: Auf Twitter traten am Dienstag Günthers UnterstützerInnen – | |
| darunter der BUND – für den zugegebenermaßen überfälligen Kampf gegen Aut… | |
| und ihre Parkplätze sowie für das Klima an. | |
| Die Koalitionspartner Linke und SPD waren – vorsichtig formuliert – wenig | |
| erfreut über dieses Vorgehen der Umweltsenatorin. Kultursenator Klaus | |
| Lederer (Linke) etwa schrieb: „Es kann übrigens auch nicht im Interesse des | |
| BUND sein, dass jetzt einfach mal die Geltung von Verfahren und | |
| gesetzlichen Vorschriften suspendiert wird. Mein Verständnis: frühzeitig | |
| gemeinsam nach guten Lösungen suchen und für sie werben.“ Und: „Es geht | |
| nicht um Stellplätze.“ | |
| Lederer ist Teil des Streits, weil Günther mit ihm bisher nicht gesprochen | |
| hat und er auch für Denkmalschutz zuständig ist. Die Koalition will die | |
| Karl-Marx-Allee (und das Hansaviertel im Westen) als Unesco-Weltkulturerbe | |
| vorschlagen. Damit der Plan klappt, sollten Veränderungen am Ensemble | |
| vorher geklärt werden. | |
| Parkplätze, Kommunikation, legal, illegal, scheißegal, Bürgerbeteiligung, | |
| BUND – man sieht, die Ebenen, Aspekte, Kritikpunkte vermischen sich. Und es | |
| besteht die Gefahr, dass am Ende, wenn die Betroffenen nicht mehr | |
| miteinander reden, niemand mehr weiß, wie das alles angefangen hat. Gerade | |
| in einem Koalitionsbündnis, in dem bei jeder Auseinandersetzung – und sei | |
| sie noch so dezent – der Vorwurf laut wird, der jeweils andere verstehe die | |
| Argumention, die Sprache, die Seele des Regierungspartners nicht. Karl Marx | |
| hätte das nicht gewollt. | |
| 11 Dec 2019 | |
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| Bert Schulz | |
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