# taz.de -- Bilanz der Verkehrspolitik in Berlin: Ein Puzzle, dem viele Teile f… | |
> Ein Jahr vor der nächsten Wahl wirkt die Politik der grünen | |
> Verkehrsenatorin Regine Günther zu oft noch wie Stückwerk. | |
Bild: Ein Beispiel, wo was geht: die autofreie Friedrichstraße startet am Woch… | |
Ein Jahr vor den nächsten Abgeordnetenhauswahlen lässt sich die | |
Verkehrsbilanz der grünen Senatorin Regine Günther mit einem | |
1.000-Teile-Puzzle vergleichen. Einige Teile – sagen wir 50 bis 100 – sind | |
bereits zusammengelegt; allerdings nicht an einer Stelle, sondern über das | |
ganze Bild verteilt. Was darauf zu erkennen sein soll, erschließt sich | |
deshalb nicht unbedingt. | |
Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt ist die anfangs noch parteilose | |
Senatorin mit dem Vorwurf konfrontiert gewesen, sie kriege auf der Straße | |
keine Veränderungen umgesetzt zugunsten von ÖPNV, Radverkehr und Fußgängern | |
und zuungunsten des motorisierten Verkehrs. Diese Kritik wird seitdem | |
kontinuierlich wiederholt, weniger von der konservativen Opposition, die | |
den Autoverkehr verteidigt, wo es geht. Sondern aus den Reihen der | |
Koalition, selbst der Grünen, und auch von AktivistInnen. Letzteren etwa | |
verläuft die Umsetzung des Radgesetzes viel zu inkonsequent. | |
Günther verteidigt sich stets mit dem Argument, dass so grundsätzliche | |
Veränderungen zuungunsten vor allem der Autos Zeit bräuchten, viel Zeit; | |
dass nicht alle Verwaltungen mitziehen würden; dass MitarbeiterInnen | |
fehlten. Das mag stimmen. | |
Doch da die vielen kleinen Verbesserungen über die ganze Stadt verstreut | |
sind, wirken sie oft lieblos und ungeplant. Wären sie hingegen zum Beispiel | |
in Friedrichshain-Kreuzberg gebündelt worden, hätte die (ebenfalls | |
nachvollziehbare) Kritik wohl gelautet, Günther würde Politik nur für die | |
Innenstadt oder gar nur einen Bezirk machen. | |
Allerdings hat sie auch viele Vorlagen für ihre KritikerInnen geliefert, | |
insbesondere was Zeitpläne angeht. Bestes Beispiel ist die Abzweigung | |
Alexanderstraße/Karl-Marx-Allee, an der im Februar 2019 eine Radlerin von | |
einem rechtsabbiegenden LKW erfasst und getötet wurde. Günther ließ das | |
Abzweigen verbieten, um im Anschluss die Ampelschaltung zu verbessern. | |
Seitdem ist nichts passiert, und [1][viele Auto- und LKW-FahrerInnen | |
ignorieren das Rechtsabbiegeverbot] und gefährden damit RadlerInnen wie eh | |
und je. Befürchten müssen die Ignoranten wenig, kontrolliert wird kaum, die | |
Polizei spielt die Gefahr zu „Einzelfällen“ herunter. | |
## Angekratzte Glaubwürdigkeit | |
Beispiele dieser Art gibt es viele. Sie kratzen an der Autorität und der | |
Glaubwürdigkeit der Senatorin, die die Umsetzung der Vision Zero, also null | |
Verkehrstoten, fordert, aber bereits dieses Jahr schon allein erschreckende | |
14 Radtote verzeichnen muss. | |
Günther hat anfangs zu lange die Bedeutung der Verkehrspolitik verkannt, | |
wenn es darum geht, am Wahltag sichtbare Ergebnisse vorlegen zu können. | |
Stattdessen hat sie auf Klimapolitik gesetzt. Nun, da es nur noch gut ein | |
Jahr bis zur nächsten Wahl voraussichtlich im September 2021 ist, läuft der | |
Senatorin die Zeit davon. Die Grünen und sie müssen hoffen, dass genügend | |
WählerInnen das Bild erkennen, das die Senatorin da unter anderem in Sachen | |
Radinfrastruktur zusammengepuzzelt hat. Eine Aussicht, die genauso unsicher | |
ist, wie viele Kreuzungen in dieser Stadt für RadlerInnen. | |
25 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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