| # taz.de -- Friedrichstraße wird Flaniermeile: Flanieren für mehr Umsatz | |
| > Ab Samstag wird ein Teil der Friedrichstraße in Mitte bis Ende Januar | |
| > autofrei. Das soll vor allem den Handel unterstützen und den Konsum | |
| > ankurbeln. | |
| Bild: So schön soll's werden inmitten der Stadt: Protestaktion für eine autof… | |
| Maximal 20 Kilometer pro Stunde weist das Verkehrsschild als zulässige | |
| Höchstgeschwindigkeit an der Kreuzung der Friedrich- mit der Französischen | |
| Straße aus, das seit einer Woche dort steht – und die Ansage richtet sich | |
| nicht etwa an AutofahrerInnen, die müssen sich nämlich schon seit | |
| vergangenen Freitag entscheiden, ob sie an dieser Stelle jetzt entweder | |
| rechts oder links abbiegen wollen. | |
| Nein, die FahrradfahrerInnen werden gebeten, doch bitte nicht voll in die | |
| Pedale zu treten – jetzt, wo das Nadelöhr Friedrichstraße, durch das man | |
| sich zuvor gemeinsam mit FußgängerInnen, Autos, Lkws und Bussen quetschen | |
| musste, bis runter zur Kreuzung mit der Leipziger Straße keins mehr ist. | |
| Tatsächlich klappt die Ansage nur so mäßig, wie die radelnde Autorin eine | |
| Woche lang auf dem Arbeitsweg beobachten durfte: Was da seit Tagen für die | |
| offizielle Eröffnung am Samstag vorbereitet wird, ist eher eine Art | |
| Fahrradautobahn als eine Flaniermeile, wie der Abschnitt der Straße jetzt | |
| offiziell und erst mal bis Ende Januar 2021 heißen soll, eben wegen des | |
| Autoverbots. | |
| FußgängerInnen sollen also schlendern und RadfahrerInnen cruisen dürfen, so | |
| die Idee der Verkehrsverwaltung und des Bezirks Mitte: auf eigens dafür | |
| abgeklebten breiten Radstreifen an den Seiten und auf der breiten Gasse für | |
| die Fußgänger in der Mitte der Straße. Und natürlich sollen alle am besten | |
| auch noch irgendwo einen Kaffee trinken oder einen Kochtopf kaufen in einem | |
| der hochpreisigen Küchengeschäfte. Vielleicht braucht auch jemand noch ein | |
| Designerkleid oder ein paar neue Schuhe? | |
| Es gehe darum, „den Straßenraum neu zu verteilen“, hatte Verkehrssenatorin | |
| Regine Günther (Grüne) im Vorfeld gesagt. Auch Mittes ebenfalls grüner | |
| Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel gab zu Protokoll, er glaube an die | |
| Zukunft von Einkaufsstraßen und speziell an die „Marke“ Friedrichstraße. | |
| Und eigentlich geht es natürlich auch genau darum: der Problemstraße | |
| Friedrichstraße neues Leben einzuhauchen. Beziehungsweise sollen die Leute | |
| hier endlich wieder ihre Kohle ausgeben. Zuletzt hatten Geschäfte hier eher | |
| dichtgemacht, gerade in den Einkaufspassagen wie im insolventen Quartier | |
| 206 wuchs der Leerstand. Nicht mal für den Klamottendiscounter H&M war die | |
| vor allem von TouristInnen frequentierte Straße offenbar noch rentabel | |
| genug. | |
| Interessant an dem ganzen Zirkus um die paar Hundert Meter Flaniermeile, | |
| die da kommen, ist also vor allem die Tatsache, dass da viel Aufwand | |
| getrieben wird für Umsatzsteigerungen des Einzelhandels, an den die | |
| HändlerInnen aber selbst nicht recht glauben. Die IHK Berlin und der | |
| Handelsverband Berlin-Brandenburg sprechen jedenfalls von einem | |
| planerischen „Schnellschuss“ und einem „Bärendienst“ für den Handel. | |
| Anderswo in der Stadt wären viele Menschen hingegen wohl froh, wenn mit | |
| gleicher Verve von Senats- und Bezirksseite die Umverteilung des | |
| Straßenraums angegangen werden würde – und zwar dort, wo tatsächlich an | |
| Durchfahrtsstraßen gewohnt wird oder wo Kinder sich den Straßenraum mit | |
| einem Fußball schon zu nehmen wüssten. | |
| In der [1][Körtestraße in Friedrichshain-Kreuzberg] hat so ein | |
| Durchfahrtsverbot für Autos tatsächlich erstaunlich schnell innerhalb | |
| weniger Monate geklappt. Anderswo in der Stadt brauchen | |
| [2][Bürgerinitiativen für sogenannte Kiezblocks] dafür Jahre oder scheitern | |
| ganz – wie zum Beispiel am zähen Hin und Her um die Gudvanger Straße in | |
| Prenzlauer Berg, die eine Initiative einmal pro Woche nachmittags zur | |
| temporären Spielstraße machen wollte. AnwohnerInnen klagten allerdings | |
| erfolgreich zugunsten ihrer Parkplätze, am Ende blieb ein | |
| Mittwochnachmittag im Monat übrig. | |
| So etwas gibt es übrigens auch [3][sonntags in der Friedrichstraße], ganz | |
| an deren Kreuzberger Ende am Mehringplatz. Da also, wo die Friedrichstraße | |
| ohnehin nie mehr sein wollte, als sie ist – weshalb man dort auch viel | |
| lieber langflaniert. | |
| 28 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kreuzberg-sperrt-Strasse-fuer-Autos/!5704341&s=k%C3%B6rtestra%C3%9Fe/ | |
| [2] /Kiezblock-kommt-in-Reinickendorf/!5695391&s=kiezblock/ | |
| [3] /Neue-Spielstrassen-in-Berlin/!5681610/ | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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