# taz.de -- Corona und die Koalition in Berlin: Gefährlich über die Epidemie … | |
> In normalen Zeiten sorgt der Streit der Koalition bloß noch für | |
> Kopfschütteln, in Krisenzeiten wie jetzt aber ist er gefährlich. | |
Bild: Müller äußert sich zum Coronavirus | |
Wenn der Chef mittags Hü sagt, sein leitender Mitarbeiter zweineinhalb | |
Stunden später Hott und einer von drei Anteilseignern am nächsten Morgen im | |
Alleingang ein ganz anderes Tempo fordert, so gibt solch ein Unternehmen | |
nicht gerade ein Bild von Geschlossenheit und solider Führung ab. | |
Das ist erst mal nur ein Problem des Unternehmens, das sich dann in | |
sinkendem Aktienkurs und geringeren Verkaufszahlen ausdrücken kann. Anders | |
ist es, wenn das Szenario gar kein Unternehmen beschreibt, sondern eine | |
Landesregierung. Noch bedeutsamer wird es, wenn diese Landesregierung | |
gerade ein Problem von bislang unbekannten Ausmaßen zu bewältigen hat. | |
So ungefähr muss man sich vorstellen, was es heißt, wenn ausgerechnet zu | |
Zeiten von Corona das Machtgefüge in der rot-rot-grünen Koalition erodiert: | |
Wenn Regierungschef Müller am Dienstagmittag keine Veranstaltungen absagen | |
mag und auf ein Ministerpräsidententreffen am Donnerstag verweist, sein | |
Kultursenator von der Linkspartei aber am selben Nachmittag noch alle | |
Veranstaltungen in den großen Sälen der staatlichen Theater, Opern- und | |
Konzerthäuser stoppt. Und wenn die Grünen am folgenden Mittwochmorgen dazu | |
eine eigene forsche Pressemitteilung raushauen, was ein führender SPDler am | |
Nachmittag eine „Erschütterung der Koalition“ nennt. Was wiederum an den | |
Vorwurf „Angriff auf den Koalitionsfrieden“ von einer Woche zuvor erinnert, | |
den die Grünen der SPD machten. Ihrem Koalitionspartner, um daran noch mal | |
zu erinnern. | |
In normalen Zeiten sorgt dieser Streit bloß noch für Kopfschütteln, der | |
Gewöhnung wegen manchmal nur noch für Unterhaltung. Allein schon aus der | |
fatalen Erkenntnis heraus, dass sich am rot-rot-grünen Dauerzoff auch nach | |
der nächsten Abgeordnetenhauswahl nichts ändern wird – lieber streiten die | |
drei in jetziger Zusammensetzung weiter, als mit CDU oder FDP zu koalieren. | |
In Krisenzeiten aber ist solcher Streit immens gefährlich – ganz praktisch, | |
weil er Entscheidungen verzögern kann. Aber auch grundsätzlich. Denn er | |
erschüttert das Grundvertrauen ohnehin verunsicherter Menschen in | |
verlässliche Führung. Und das betrifft nicht etwa nur den Typus „Untertan�… | |
den Heinrich Mann so gut beschrieben hat. Es geht um den schlichten | |
Anspruch, dass die gewählte Regierung einer verfassten Gemeinschaft, in | |
diesem Fall des Bundeslands Berlin, sich wenigstens in Krisenzeiten | |
zusammenreißt, vorhandene Konflikte hintanstellt und ihren Job macht. Wenn | |
das nicht passiert, dann ist zwar irgendwann hoffentlich Corona überwunden, | |
aber das Vertrauen in die demokratischen Institutionen dauerhaft | |
erschüttert. | |
14 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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