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# taz.de -- Hamburger „Recht auf Stadt“-Aktivistin: „Wir müssten viel me…
> Mietendeckel und Enteignungen sind in Hamburg in weiter Ferne: Christina
> Zeh vom Netzwerk „Recht auf Stadt“ über Widerstand in Zeiten der
> Beton-SPD.
Bild: Am Tatort: Christina Zeh vor Häusern des Immobilienkonzerns Akelius im S…
taz: Frau Zeh, Sie haben in Hamburg die Proteste gegen den Wohnungskonzern
Akelius organisiert. Warum ist es so wichtig, dass sich Mieter*innen
wehren?
Christina Zeh: Nur so kann genügend Druck aufgebaut werden. Am Beispiel der
Akelius-Mieter*innen kann man das schön abbilden. [1][Das Unternehmen
treibt die Mietpreise], weil es mit Sanierungen die Mietpreisbremse
aushebelt. Umso mehr sich da mobilisieren, desto mehr wird draufgeschaut.
Der Rückkauf eines Akelius-Hauses auf St. Pauli durch die Stadt war auch
unser Gewinn.
Zurzeit ist der Protest leiser.
Das sind immer Wellenbewegungen. Viele Kämpfe finden in Hamburg im Moment
im Kleinteiligen statt. Es sind ja auch viele Kämpfe gewonnen worden.
Zum Beispiel?
Das [2][Gängeviertel], oder die ehemalige [3][Viktoriakaserne]. Der
Konflikt um die [4][Esso-Häuser auf St. Pauli] läuft im Hintergrund weiter,
wo ganz viel ausgehandelt wird. Das findet nicht mehr auf der Straße statt,
weil dieser Punkt überschritten wurde.
Das heißt, von außen bekommen wir einfach nicht alles mit?
Genau. Ende Oktober gibt es eine große Versammlung der Stadtteile. Das war
eine Idee nach dem ersten Mieten-Move: Wir müssen die einzelnen Initiativen
zusammenbringen, um auf lange Sicht einen größeren Protest hinzubekommen.
Was passiert bei der Versammlung?
Wir wollen voneinander lernen und uns vernetzen. Das ist ganz wichtig, weil
viele nur in ihren Stadtteilen so vor sich hin brödeln.
Welche gemeinsamen Aktionen sind möglich?
Den Protest jedes Jahr auf die Straße zu tragen, natürlich gerne mit
steigender Teilnehmer*innenzahl. Nächstes Jahr wird es Ende März einen
bundesweiten, sogar transnationalen Protesttag geben. Es wäre schön, dann
auch in Hamburg viele Menschen auf die Straße zu bringen.
In Berlin funktioniert das gerade ganz gut.
Natürlich schauen wir nach Berlin, wo sie diese Massen mobilisieren. Aber
anders herum schauen die Berliner*innen auch zu uns. In Hamburg gibt es
Leuchtturmprojekte wie das Gängeviertel. Da fragen sie uns, wie wir da
verhandelt haben.
Warum ist die Berliner Situation anders?
Ich glaube persönlich, dass Berlin auf eine ganz andere Protestkultur
zurückschaut. Die Stadt ist schon immer sehr links gewesen. Die Leute sind
dorthin gezogen, um Häuser zu besetzen.
Und aktuell?
Der Druck ist in Berlin viel höher, weil die Mieten innerhalb kurzer Zeit
so gestiegen sind. Als es 2009 in Hamburg Proteste gab, da waren in Berlin
eher noch Flächen frei. Erst in den vergangenen drei, vier Jahren ist der
Druck auf die Mieter*innen so extrem gestiegen, sodass sie sich viel
schneller mobilisieren lassen. Ich glaube, da ist die Schmerzgrenze in
Hamburg noch nicht erreicht. Akelius hat in Hamburg 4.000 Wohnungen, in
Berlin das dreifache. [5][Das sind ganz andere Dimensionen].
Das heißt, in Hamburg ist es noch gar nicht schlimm genug?
Vielleicht. Oft frage ich mich, wo alle sind. Der Druck ist ja schon da,
aber es spiegelt sich nicht in so einem großen Protest wider. Wir müssten
viel schneller viel mehr werden.
Ist es schwierig, Leute zu mobilisieren?
Wir verfügen natürlich nicht über eine Werbemaschinerie. Wir müssen uns ja
immer Kanäle suchen, um irgendwo anzukommen, unseren Protest zu erklären
und die Leute mitzunehmen. Da bedarf es eigentlich fast
Vollzeitaktivist*innen.
Wie beginnt man eine Mietervernetzung?
Erst mal ist es anstrengende Handarbeit. Als wir angefangen haben, sind wir
mit Zetteln in die Akelius-Häuser rein und haben wirklich einzeln in die
Briefkästen die Einladungen zu unseren Treffen verteilt. Das ist die ersten
drei Mal so, bis das aus sich selbst heraus größer wird.
Wie viele Mieter*innen kommen?
Zu unserem Höhepunkt im vergangenen Herbst waren das 50 bis 60 Leute. Es
kristallisiert sich dann ein fester Kern von etwa 20 Leuten heraus, und
immer wieder kommen sporadisch mehr dazu. Das sind dann Wellenbewegungen.
Warum springen Teilnehmende wieder ab?
Von 60 Leuten sind mindestens 25 dabei, die eigentlich nur abladen wollen.
Sie hegen vielleicht die Hoffnung, sie gehen hin und können etwas für ihre
persönliche Situation tun. Dafür braucht es natürlich eher Stellen wie
Mieter*innen helfen Mieter*innen. Einige bleiben deshalb leider wieder
fern. Die kleinteiligen Dinge kann man in so einem großen Rahmen eben nicht
behandeln, und das ist ja auch nicht das langfristige Ziel. Es geht nicht
nur um die eine Hausgemeinschaft, die gerade Probleme mit Nebenkosten oder
einem speziellen Sanierungsfall hat.
Worum geht es dann?
Natürlich geht es darum, sich zu solidarisieren. Aber wir wandeln das um in
einen politischen Protest. Das ist eine Gratwanderung, weil es sich über
Monate oder Jahre hinziehen kann, bis man kleine Erfolge sieht. Es hat
natürlich nicht jeder sofort das Verständnis für so einen politischer
Kampf.
Was ist das langfristige Ziel?
Dass ein Akteur wie Akelius auf dem Hamburger Wohnungsmarkt kein Bein mehr
an die Erde bekommt. Ich finde, dass so ein Unternehmen keine weiteren
Wohnungen mehr in dieser Stadt aufkaufen darf.
Wie kann man das erreichen?
Indem die Stadt ihr Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt. Denn klar, wenn
Privateigentümer an Akelius verkaufen wollen, ist es ihnen freigestellt. Da
hat die Stadt gar keinen anderen Hebel. Wir brauchen in Hamburg dringend
einen [6][Mietendeckel]. Was der Senat mit der Mietpreisbremse auf den
Tisch gelegt hat, [7][wirkt nicht].
Wie würde ein Deckel helfen?
Dann würde ein Unternehmen wie Akelius ganz schnell die Lust verlieren,
weil die Renditemöglichkeit einfach nicht mehr so hoch ist. Denn
letztendlich geht es genau darum. Es geht ihnen darum, so viel Profit wie
möglich aus den Wohnungen zu schlagen, und mitnichten um die Mieter*innen
oder um die Stadtteilkultur.
Wünschen Sie sich für Hamburg auch [8][eine Enteignungsinitiative wie in
Berlin]?
Es ist eine Utopie, die man auch in Hamburg spinnen sollte, auf jeden Fall.
Wie realistisch ist das?
Sollte die Initiative in Berlin einen Erfolg verzeichnen, könnte ich mir
das auch für Hamburg vorstellen. Wobei die politische Konstellation in
Berlin mit Rot-Rot-Grün eine ganz andere ist. In Hamburg haben wir seit
Langem diese wirtschaftsliberale Beton-SPD, die sich keinen Millimeter
bewegt. Die Politik in unserer Stadt orientiert sich nicht an den
Bedürfnissen der Bewohner*innen, sondern zielt auf die Interessen der
Investoren ab.
Ist das manchmal frustrierend?
Auf jeden Fall. Nicht einmal die Grünen haben das Thema Miete in den
letzten Jahren auf die Agenda gesetzt, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Der Senat [9][spielt sich als Mietenretter auf] mit seiner Baupolitik und
der Mietpreisbremse.
Und öffentlicher Druck kann das ändern?
Ja. Wir prangern die Senatspolitik an. Wir sagen, ihr verkauft uns etwas,
das einfach nicht stimmt. Und anders könnte es besser funktionieren. Diese
ungeschönte Gegenpropaganda ist wichtig. Ohne die würde sich hier noch viel
weniger bewegen.
2 Oct 2019
## LINKS
[1] /Raeumungen-ohne-Rechtstitel-in-Hamburg/!5524842
[2] /Mitstreiterin-ueber-10-Jahre-Gaengeviertel/!5617516
[3] /Mitstreiterin-ueber-10-Jahre-Gaengeviertel/!5617516
[4] /Neubauten-auf-St-Pauli/!5501375
[5] /Protest-gegen-Akelius-in-Berlin/!5618113
[6] /Protest-gegen-Akelius-in-Berlin/!5618113
[7] /Trotz-Buendnis-fuer-das-Wohnen/!5614554
[8] /Interview-mit-Mietenaktivist-Taheri/!5626981
[9] https://www.abendblatt.de/hamburg/article226674343/Tschentscher-Zielzahl-10…
## AUTOREN
Jana Hemmersmeier
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