# taz.de -- Stadtentwicklung in Hamburg: Städtische Moneten für Milliardär | |
> Bei dem umstrittenen Bürobau am Neuen Pferdemarkt könnte die Stadt am | |
> Ende draufzahlen, warnt die Linke Heike Sudmann. | |
Bild: Von dieser Projektskizze sind Anwohner nicht begeistert: Paulihaus | |
Hamburg taz | Das umstrittene Paulihaus am Neuen Pferdemarkt könnte für die | |
Stadt teuer werden. Das befürchtet die Bürgerschaftsabgeordnete Heike | |
Sudmann (Die Linke) mit Blick auf die Antworten des Senats, die sie zu | |
diesem Thema erhalten hat. „Die Stadt und auch die Investoren selbst haben | |
andere Grundstücke, die leichter und vor allem kostengünstiger für die | |
Stadt zu bebauen sind“, sagt Sudmann. Das Vorhaben müsse gestoppt werden. | |
Beim Paulihaus geht es [1][um einen backsteinernen Büroriegel], der neben | |
der Rindermarkthalle errichtet werden soll. Das Projekt ist im Stadtteil | |
umstritten. [2][Die Betreiberin des indischen Restaurants], das im | |
bisherigen Gebäude liegt, klagt gegen die Kündigung durch die Stadt. | |
Zudem hat die Initiative „St.-Pauli-Code jetzt!“ nach eigenen Angaben | |
10.000 Unterschriften gegen das Projekt bei Anwohnern gesammelt. Der | |
St.-Pauli-Code wurde im Zusammenhang mit der [3][Bebauung des | |
Esso-Geländes] an der Reeperbahn entwickelt. Dabei geht es darum, bei der | |
Weiterentwicklung des Stadtteils dessen schmuddeligen Charme und dessen | |
Vielfältigkeit zu erhalten. Der geplante 114 Meter lange Bürobau passe da | |
nicht rein, findet die Initiative. | |
Der Senat will das Grundstück als 60-jähriges [4][Erbbaurecht vergeben]. | |
Wie Sudmanns Anfrage ergeben hat, verlangt er dafür als Einmalentgelt 6,5 | |
Millionen Euro von den Investoren – 75 Prozent des Verkehrswertes. | |
Höchstens sechs Millionen Euro will der Senat für das Herrichten des | |
Grundstücks ausgeben – was im Wesentlichen die Verlegung eines Siels zu | |
beinhalten scheint. | |
## Unterm Strich ein Minus? | |
Die 500.000 Euro, die im ungünstigsten Fall für die Stadt übrig bleiben, | |
werden allerdings um weitere 300.000 Euro geschmälert. Die Stadt übernimmt | |
die Ablöse für 52 Parkplätze, die eigentlich für das Gebäude errichtet | |
werden müssten. | |
Dazu könnten die Kosten für eine etwaige Altlastensanierung und | |
Kampfmittelräumung kommen. „Erfahrungsgemäß liegen die Kosten schnell im | |
sechsstelligen Bereich“, warnt Sudmann. Und dann falle auch noch die Miete | |
des Restaurants weg. All das zusammengerechnet, könnte unterm Strich für | |
die Stadt sogar ein Minus stehen. | |
Laut Finanzbehörde muss ein Investor die Sondierung des Geländes bezahlen. | |
Für die Entfernung von Kampfstoffen kommt die Stadt auf. Die Entsorgung der | |
übrigen Altlasten muss der Investor bezahlen – bis zu einem Betrag von 20 | |
Prozent des Einmalentgelts. Was darüber liegt, muss bis zu einer Schwelle | |
von 50 Prozent die Stadt tragen. | |
„Losgelöst von der Architektur des Büroklotzes, der Nichtakzeptanz im | |
Stadtteil und der mangelnden Transparenz des Grundstücksgeschäfts stellt | |
sich die Frage: Weshalb vergibt die Stadt hier ein Grundstück, wenn sie am | |
Ende draufzahlen muss?“, fragt Sudmann. Das gilt umso mehr, als statt der | |
versprochenen 360 nur 90 Arbeitsplätze in dem neuen Gebäude entstehen | |
sollen. | |
## Unternehmen könnte abwandern | |
Nach einer [5][Mitteilung der Wirtschaftsbehörde] an die Bezirksversammlung | |
Mitte soll mit der Vergabe die Pahnke Markenmacherei, auf die mehr als die | |
Hälfte der Arbeitsplätze entfallen, in Hamburg gehalten werden. Pahnke | |
benötige aufgrund eines starken Wachstums und auslaufender Mietverträge | |
eine neue Immobilie. „Sollte das Unternehmen keinen adäquaten Standort | |
finden, droht die Abwanderung des Kreativunternehmens nach Berlin sowie | |
der Verlust der damit verbundenen Arbeitsplätze“, warnte die Behörde. | |
Sudmann ist schleierhaft, warum eine Firma, die mit dem Storck-Eigentümer | |
Axel Oberwelland einen Milliardär als Miteigentümer hat, | |
Wirtschaftsförderung braucht. „Eine Bedürftigkeitsprüfung erfolgt nicht“, | |
antwortete der Senat. Eine solide Vermögens- und Ertragslage sei allerdings | |
Voraussetzung für die Grundstücksvergabe. | |
Die vertraulich tagende Kommission für Bodenordnung, deren Mitglieder | |
überwiegend von der Bürgerschaft und den Bezirksversammlungen entsandt | |
werden, hat dem Verkauf am Donnerstagabend zugestimmt. Die Entscheidung an | |
die Bürgerschaft zu überweisen, hielt sie nicht für nötig. | |
19 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Umstrittenes-Bauprojekt-auf-St-Pauli/!5642757/ | |
[2] /Neubau-am-Neuen-Pferdemarkt/!5616213/ | |
[3] /Plaene-fuer-Esso-Areal-konkretisiert/!5342869&s=st+pauli+code/ | |
[4] /Hamburger-Senat-macht-in-Immobilien/!5550201/ | |
[5] https://sitzungsdienst-hamburg-mitte.hamburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1009255 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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