Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Umstrittenes Bauprojekt auf St. Pauli: Markisen plötzlich verschwu…
> Das geplante „Paulihaus“ neben der Rindermarkthalle entspricht nicht dem
> St.-Pauli-Code, kritisieren Gegner*innen des Projekts. Sie vermuten
> Tricks.
Bild: Der Siegerentwurf: Das St.Pauli-Haus rückt sehr nah an die Straße heran
Hamburg taz | Ist das geplante [1][„Paulihaus“] vor der Rindermarkthalle
ein Fremdkörper, der an der Öffentlichkeit vorbei in den Stadtteil gesetzt
werden soll? Das jedenfalls behauptet die Initiative „[2][St. Pauli Code
jetzt!]“.
Seit Monaten mobilisieren Anwohner*innen gegen das geplante Bürogebäude in
zentraler Lage, in das unter anderem das Immobilienunternehmen
Hamburg-Team, die Stadtentwicklungsgesellschaft Steg, das Planungsbüro
Argus und die Agentur Pahnke Markenmacherei einziehen wollen. Die
Bauarbeiten sollen im nächsten Jahr beginnen, wenn die Baugenehmigung vom
Bezirk Mitte da ist.
Die Initiative hat eine [3][Online-Petition] gestartet, um das zu
verhindern. Sie beruft sich dabei auf den so genannten [4][St.-Pauli-Code],
den die Stadtteil-Aktivist*innen der Planbude bei den Verhandlungen über
die Esso-Häuser auf der Reeperbahn mit dem damaligen Bezirksamtsleiter Andy
Grote (SPD) ausgehandelt hatten. Schlagworte waren: „Alt vor neu“, „Güns…
statt teuer“, „Schmuddeliger Glamour statt Hochglanzfassade“ und
„Unterschiedlichkeit statt Homogenität“.
Keiner dieser Punkte werde von den Planungen für das „Paulihaus“
berücksichtigt, kritisiert die Initiative. Dabei habe Andy Grote, der heute
Innensenator ist, den Code seinerzeit „als verbindliche Leitlinie für
künftige große Bauprojekte im Stadtteil“ bezeichnet.
## Das Lebensgefühl von St. Pauli
Für das Bezirksamt Mitte ist diese Absprache nicht ganz so wichtig. „Der
St.-Pauli-Code beschreibt das ‚Lebensgefühl‘ von St. Pauli und soll für d…
Debatte um Veränderungen auf St. Pauli als Anhaltspunkt dienen“, sagt Sarah
Kolland, Sprecherin des Bezirksamts. Der Code helfe festzustellen, was zu
St. Pauli passe. Eine bindende Richtlinie sei er aber nicht.
Die Gegner*innen des Bürogebäudes sehen sich von den Planern getäuscht. So
seien den Anwohner*innen noch 2017 Skizzen des Gebäudes mit bunten Markisen
präsentiert worden, die unter dem Motto „Built in St. Pauli“ ein
„freundliches, luftig gezeichnetes Bild“ in die Welt gesetzt hätten, heißt
es auf der [5][Homepage] der Stadtteilinitiative „Unser! Areal“, die sich
seit Jahren mit den Entwicklungen auf dem Gelände der Rindermarkthalle
auseinandersetzt.
Der darauf folgende Architekturwettbewerb wurde nicht etwa vom Bezirksamt,
sondern von dem Baukonsortium durchgeführt, und der Siegerentwurf des in
der Nachbarschaft am Neuen Pferdemarkt ansässigen Architekturbüros Coido
Architects hatte am Ende nichts mehr mit den ersten Skizzen zu tun. Er war
zudem um ein Stockwerk gewachsen und sehr nahe an die Straße herangerückt.
„Büroklotz“ nennen ihn die Gegner*innen. Die Sieger-Architekten bekamen den
Zuschlag bereits im Januar 2018, doch erst im April 2019 wurden die neuen
Pläne öffentlich.
Mario Bloem von der Initiative „St. Pauli Code jetzt!“ kritisiert die Pläne
als langweilig. „Es passt auch nicht in die Historie der Gegend und sieht
eher aus wie ein schlechter Kompromiss“, sagt Bloem, der selbst als
Stadtplaner arbeitet. Immerhin sei der Siegerentwurf der am wenigsten
hässliche aus dem Architekten-Wettbewerb.
Bemerkenswert findet Bloem auch, wie das Baukonsortium an das Grundstück
kam: Die Kommission für Bodenordnung, ein nicht öffentliches, bei der
Finanzbehörde angesiedeltes Gremium, hat das Projekt als einen
„Wirtschaftsförderungsfall“ [6][anerkannt]. Die Begründung: Das Projekt
bringe etwa 360 Arbeitsplätze, von denen mehr als die Hälfte auf die
Agentur Pahnke Markenmacherei entfielen. Diese habe erwogen, nach Berlin
umzusiedeln, weil ihr derzeitiger Mietvertrag in Hamburg auslaufe und sie
keine geeigneten Büroräume gefunden habe.
Bloem und die Initiative bezweifeln, dass das stimmt: Bei einem
[7][Infoabend] mit dem Titel „Netter Nachbar oder Kieztrojaner?“ im
Ballsaal des Millerntorstadions präsentierte er leer stehende
Büro-Immobilien in nächster Nachbarschaft. Der Bau des „Paulihauses“ sei
also nicht erforderlich.
Derzeit steht an der Stelle, an der das „Paulihaus“ gebaut werden soll, die
ehemalige Kantine der Rindermarkthalle – ein eingeschossiger Flachbau, in
dem das Restaurant „Maharaja“, die Autowerkstatt Max und das Tonstudio
Rekorder residieren. Die Autowerkstatt und das Tonstudio sollen in den
Neubau einziehen, die [8][Verhandlungen] mit dem indischen Restaurant
scheiterten. Die Inhaberin Kathrin Guthmann brach die Gespräche ab, nachdem
sie sich nicht mit dem Baukonsortium über eine Ablösesumme einigen konnte.
Guthmann hatte sich beklagt, dass sie bei der Vertragsunterzeichnung für
ihr Restaurant 2015 nichts von den Neubauplänen gewusst habe. Zwar habe es
den Vermerk gegeben, die Immobilie sei „planungsbetroffen“, sie habe damit
aber nichts anfangen können.
## Bürgerbeteiligung gefordert
Der Inhaber der Autowerkstatt Max, Thorsten Harms, begrüßt die Pläne für
das „Paulihaus“. Das alte Gebäude sei baufällig, sagt er. „Die Elektrik…
veraltet, wir haben seit Jahren Probleme mit Rissen in den Wänden und
selbst Statiker mussten kommen.“ Harms hofft, dass die Diskussion über den
Neubau bald beendet sein wird. Sollte die Neueröffnung verschoben werde,
befürchtet er Einbußen „in Höhe von 15.000 Euro monatlich“.
In Harms Mietvertrag aus dem Jahr 2009 steht ebenfalls, dass das Grundstück
„planungsbetroffen“ sei und dass die Vermieterin, die städtische
Sprinkenhof GmbH, ein Sonderkündigungsrecht habe. „Deswegen habe ich mich
nicht über die Baupläne gewundert“, sagt Harms.
Die Initiative „St. Pauli Code jetzt!“ hat inzwischen ein Bürgerbegehren
beim Bezirk Mitte eingereicht, um den Neubau doch noch zu verhindern. „So
geht das nicht weiter auf St. Pauli“, schimpft Bloem. „Bürgerbeteiligung
ist notwendig, damit hier nicht alles kaputtgetrampelt wird.“
8 Dec 2019
## LINKS
[1] /Neubau-am-Neuen-Pferdemarkt/!5616213/
[2] https://www.facebook.com/events/maharaja-neuer-pferdemarkt-34-20359-hamburg…
[3] https://www.openpetition.de/petition/online/den-bau-des-paulihauses-nicht-g…
[4] https://planbude.de/st-pauli-code/
[5] https://unser-areal.rindermarkthalle.de/
[6] https://fragdenstaat.de/anfrage/antrag-auf-wirtschaftsforderung-bauvorhaben…
[7] https://www.youtube.com/watch?time_continue=945&v=fU119J3rwko&featu…
[8] /Neubau-am-Neuen-Pferdemarkt/!5616213&s=kurth+maharaja/
## AUTOREN
Yasemin Fusco
## TAGS
Stadtentwicklung Hamburg
Stadtentwicklung
Stadtplanung
Architektur
Bürgerbeteiligung
Demokratie
Esso-Häuser
Fremd und befremdlich
Stadtentwicklung Hamburg
Stadtentwicklung Hamburg
Bürgerbeteiligung
Stadtplanung
Olivia Jones
St. Pauli
## ARTIKEL ZUM THEMA
Geplatztes Bauprojekt in Hamburg: La Paloma, oje
Bei der Planung des Paloma-Viertels auf St. Pauli gab es eine beispielhafte
Bürger:innenbeteiligung. Nun ist der Kompromiss hinfällig.
St. Pauli, das Paulihaus und die Bäume: Ein Paradox
Auf St. Pauli gibt es Proteste gegen das geplante Paulihaus. Dabei sind die
Leute hinter dem Paulihaus doch gar nicht die Bösen. Oder etwa doch?
Stadtentwicklung in Hamburg: Städtische Moneten für Milliardär
Bei dem umstrittenen Bürobau am Neuen Pferdemarkt könnte die Stadt am Ende
draufzahlen, warnt die Linke Heike Sudmann.
Grundstückpoker am Neuen Pferdemarkt: Heißhunger auf Flächen
Der Rechtsstreit zwischen dem „Maharaja“ auf St. Pauli und der Stadt
Hamburg geht weiter. Die Stadt will, dass eine Investorengruppe neu bauen
darf.
Bürger*innenbeteiligung in Hamburg: Nicht mehr als warme Worte
Ideen zur Bürger*innenbeteiligung kommen im rot-grünen Koalitionsvertrag
kaum vor. Die Stadtteilbeiräte finden das empörend.
Künstlerin über Stadtplanung von unten: „Wir knüpfen an das wahre Leben an…
Die Künstlerin Margit Czenki realisiert seit den 1980er Jahren
Bürgerbeteiligungsprojekte auf St. Pauli. Ein Gespräch über demokratische
Stadtplanung.
Olivia Jones zum 50. Geburtstag: Die Aufklärer:in
St. Pauli ist das interessanteste Viertel Hamburgs. Und eines mit
inoffizieller Königin: Olivia Jones. Am Donnerstag wird sie 50. Eine
Huldigung.
Neubau am Neuen Pferdemarkt: Büroklotz statt Biryani
Am Neuen Pferdemarkt auf St. Pauli soll ein Restaurant dem umstrittenen
sechsstöckigen Bürokomplex Pauli-Haus weichen.
Pläne für Esso-Areal konkretisiert: So viel Einigkeit gab's selten
Investor, Stadt und Zivilgesellschaft verständigen sich: Bis 2021 sollen
190 kompakte, lärmgeschützte und trotzdem gut belichtete Wohnungen
entstehen
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.