| # taz.de -- Geburtstag der Roten Flora in Hamburg: Wer braucht die Flora? | |
| > Am 1.11.1989 wurde die Rote Flora besetzt. 30 Jahre später sind die Rufe | |
| > nach Schließung gerade wieder verstummt. Aber hat die Flora noch einen | |
| > Sinn? | |
| Bild: Glänzt im Alter besonders: die Rote Flora | |
| Hamburg taz | Der langjährige Aktivist und Flora-Sprecher Andreas | |
| Blechschmidt wählte im taz-Interview einen interessanten Vergleich: | |
| „[1][Die Flora ist für den Senat wie Scheiße am Schuh]“, sagte er. „Sie | |
| geht einfach nicht weg.“ Letzteres ist unbestritten seit nunmehr 30 Jahren. | |
| Aber wie sehr ist die Flora heute noch Scheiße am Schuh des Senats? Es gab | |
| Zeiten, da wollte der Senat dringend, dass die Flora verschwindet, und | |
| andere, da interessierte sie ihn gar nicht. Und wieder andere, wo er | |
| vielleicht überlegte, aus Scheiße Gold zu machen. Unfreiwillig ist das | |
| Kulturzentrum schließlich auch ein Tourismus-Magnet geworden, es hat seinen | |
| Platz im Stadtmarketing. Die Flora selbst reagiert auf die | |
| unterschiedlichen Stimmungslagen ihr gegenüber ziemlich konstant: m[2][it | |
| gleichgültiger Gelassenheit]. | |
| „Es ist uns egal, wem wir auf dem Papier gehören“, kommuniziert das | |
| Flora-Plenum immer nach außen. Auch als die stadteigene Lawaetz-Stiftung | |
| die Immobilie in Premium-Schanzenviertellage im Jahr 2014 kaufte und die | |
| Situation damit auf absehbare Zeit befriedete, schien es die Besetzer*innen | |
| nicht sonderlich zu interessieren. Sie haben schließlich die Schlüssel, | |
| einen Mietvertrag gab es nie und gibt es immer noch nicht. | |
| „Ebenso gut könnte man die Elbe oder das schlechte Wetter verkaufen“, | |
| [3][schrieben die Autonomen 2009], als die Stimmung sich mal wieder gegen | |
| sie gewandt hatte. Heute blicken sie zurück auf 30 Jahre völlige Autonomie | |
| – das ist, verglichen mit anderen Besetzungen in Deutschland, ziemlich | |
| einmalig. | |
| ## Die politische Agenda hat sich verändert | |
| Aber wie wirkt die Flora heute noch in die Gesellschaft hinein? Der Kampf | |
| gegen die Gentrifizierung des Schanzenviertels, aus dem heraus das Projekt | |
| entstand, ist längst verloren. So hat sich mit den Jahren auch die | |
| politische Agenda der Florist*innen verändert. Der Output aber ist immer | |
| noch hoch: Über Lesungen und Diskussionsveranstaltungen zum Umgang mit der | |
| AfD, Neonazis in der DDR, feministische Elternschaft, Antisemitismus von | |
| links oder Brasilien unter Bolsonaro – die Flora ist nach wie vor ein | |
| wichtiger Ort für linke Debatten. | |
| Es gibt nicht viele Orte, wo junge Menschen sich ausprobieren können. Wo | |
| sie Verantwortung übernehmen und mitgestalten können, oder auch einfach nur | |
| sein können, ohne anzuecken. Die Flora ist noch immer ein Ort der | |
| Gegenkultur, weil Leistungszwang und Ellbogenmentalität dort ebenso wenig | |
| hinpassen wie ökonomische Effizienz, Konsumzwang oder Verwertungsdruck. In | |
| dem Sinne leben ihre Nutzer*innen dort schon einen anderen | |
| Gesellschaftsentwurf. Auch wenn das fast zu romantisch klingt für das harte | |
| Autonomen-Image, dass die Florist*innen – gewollt oder ungewollt – nach | |
| außen vermitteln. | |
| Als bekanntestes autonomes Zentrum Deutschlands ist die Rote Flora zwar | |
| immer auch Anziehungspunkt für stumpfe Militanz und Krawalltourismus, aber | |
| davon hat sie sich in den vergangenen Jahren immer wieder klar distanziert. | |
| ## Der Fels im Schaum der politischen Stimmungsmache | |
| Gleichzeitig nutzen Konservative bis rechte Politiker*innen sie als | |
| Projektionsfläche für allerlei Übel. Wenn ein gerade amtierender | |
| Innenminister aus Bayern Richtung Schulterblatt hetzt, juckt das die | |
| Rotflorist*innen allerdings genauso wenig wie wenn ihr Eintrag im | |
| Grundbuchamt mal wieder verändert wird. Das über hundert Jahre alte Gebäude | |
| wirkt wie ein Fels im Schaum der politischen Stimmungsmache. | |
| Diese Konstanz ist auch als Kompliment des Projekts an sich selbst zu | |
| verstehen. Aus vielen linken Zusammenhängen verschwinden die Leute, wenn | |
| sie feste Lohnarbeitsverhältnisse eingehen oder Kinder bekommen. Der Flora | |
| aber bleiben viele treu. | |
| Alles Gute, alter Kasten, und auf weitere Jahrzehnte! | |
| 27 Oct 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://lokalrunde.podigee.io/39-inside-rote-flora | |
| [2] https://www.rote-flora.de/2010/zwei-schritte-vor-und-drei-zurueck-das-schei… | |
| [3] http://roteflora.de/html/standpunkte_16.htm | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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