| # taz.de -- Für das Vergessen in Wolfsburg: Supermarkt auf früherem KZ-Gelän… | |
| > Wolfsburg baut Wohnungen und ein Einkaufszentrum auf ein ehemaliges | |
| > KZ-Areal am Laagberg. Barackenreste sollen nur teilweise erhalten | |
| > bleiben. | |
| Bild: Geschichtsvergessener Umgang: Auf dem Areal des ehemaligen KZ-Lagers am L… | |
| Wolfsburg taz | Einkaufszentrum und Wohnhäuser auf einem ehemaligen | |
| KZ-Gelände? Ja, sie werden dort gebaut, das hat der Rat der Stadt Wolfsburg | |
| am Montagabend in einer Sondersitzung entschieden. Gut erhaltene Reste von | |
| Fundamenten ehemaliger KZ-Baracken sollen umgelagert werden, in einen neuen | |
| Gedenk- und Bildungsort, der am Rande des Areals am Laagberg entstehen | |
| soll. Nur ein Teil der bei Ausgrabungen gefundenen KZ-Fundamente soll | |
| erhalten bleiben und zwischen den Neubauten sichtbar gemacht und angemessen | |
| gekennzeichnet werden. Wie genau, ist noch nicht klar. Der Ratsbeschluss | |
| ist ein Kompromiss nach einem längeren Streit um den Umgang mit dem | |
| ehemaligen KZ-Areal am Laagberg. | |
| 2016 kamen bei vorbereitenden Bauarbeiten für einen Supermarkt im Stadtteil | |
| Laagberg Fundamente einer Zwangsarbeiterbaracke zum Vorschein. Sie war Teil | |
| eines von 85 Außenlagern des KZ Neuengamme in Hamburg, das ein 1942 | |
| kurzzeitig betriebenes werksinternes KZ-Arbeitsdorf ersetzte. Von April | |
| 1944 bis Kriegsende waren am Laagberg rund 800 Häftlinge unter | |
| menschenverachtenden Bedingungen interniert und als Zwangsarbeiter in der | |
| Rüstungsproduktion im Werk für den KdF-Wagen, dem Vorläufer des VW-Werks, | |
| eingesetzt. Mehr als 140 von ihnen starben. | |
| Zwar wussten eigentlich alle Beteiligten um die Geschichte des Ortes, waren | |
| doch die Baracken bis in die 1960er-Jahre präsent und wurden „nachgenutzt“ | |
| – eine auch als Kindertagesstätte. Aber danach wurde das Areal recht | |
| unbefangen überplant, ein Bereich etwa mit einer Tankstelle besetzt. | |
| Der neue Bebauungsplan sieht nun für ein 10.000 Quadratmeter großes | |
| Gelände, das sich mit einem Teil des ehemaligen Lagerareals überschneidet, | |
| den Bau von drei Wohnhäusern mit rund 40 Einheiten, eines | |
| Vollsortiment-Supermarkts und kleinerer Läden, Büros und Praxen vor. | |
| Planung und Erstellung erfolgt durch eine seit der Stadtgründung 1938 | |
| existente kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Auch sie wusste eigentlich | |
| Bescheid, hätte von vornherein ein mit dem Ort verträgliches | |
| Bebauungskonzept ausarbeiten können. | |
| ## Muss auch mal Schluss sein mit Vergangenheit | |
| Eine erste Idee der Stadtverwaltung, den Supermarkt wie geplant zu | |
| errichten, stieß auf breite Kritik von Opferverbänden, Historikern, der | |
| archäologischen Kultur- und Baudenkmalpflege. Der Vorschlag der Stadt sah | |
| vor, die Barackenfundamente komplett zu bergen und an anderer Stelle | |
| mitsamt eines Dokumentationszentrums zum Lager Laagberg wieder aufzubauen. | |
| Allerdings gab es auch Stimmen in der Bevölkerung, die jegliche Art eines | |
| Gedenkens ablehnten, weil auch mal Schluss sein müsse mit der | |
| Vergangenheit. | |
| Seit März 2017 wurde der Bereich der geplanten Neubebauung durch die | |
| zuständige Denkmalschutzbehörde archäologisch untersucht und dokumentiert, | |
| unter anderem filmisch mittels Drohnenbefliegung. Die Ausgrabung der | |
| Lagerbaracke hat einen unerwartet guten Erhaltungszustand der Fundamente | |
| erbracht. Zwei Lagerzellen von 4,4 auf 11,9 Meter, also von lediglich gut | |
| 52 Quadratmeter Größe, die jeweils für 28 Inhaftierte dienten, sind im | |
| Unterfußbodenniveau vollständig erhalten. | |
| Aus denkmalpflegerischer Sicht wäre eigentlich die vollständige Erhaltung | |
| der Barackenfundamente als archäologisches Kulturdenkmal wünschenswert. | |
| Laut der Beschlussvorlage zum Ratsentscheid stünden dem aber sowohl | |
| konservatorische als auch planungsrechtliche Einwände gegenüber. Derzeit | |
| sind die Fundamente mit provisorischen Einhausungen geschützt, das Areal | |
| eingezäunt. | |
| ## Mehrstufiges Konzept | |
| Der Rat hat hingegen nun ein mehrstufiges Konzept beschlossen, das durch | |
| drei Gutachter bestätigt wurde. Nur ein Teil der sichergestellten | |
| Fundamente soll vor Ort belassen werden. Fundamente, die nach der aktuellen | |
| Planung nicht an Ort und Stelle erhalten werden können, sollen fachgerecht | |
| abgebaut und später an einem neu gestalteten Gedenk- und Bildungsort | |
| präsentiert werden. Dieser soll auf einem städtischen Grundstück im | |
| nördlichen Bereich des ehemaligen Lagers, also am historischen Ort, | |
| geschaffen werden. | |
| Die dorthin translozierten Fundamente wären dann zwar kein archäologisches | |
| Denkmal mehr an authentischer Fundstelle, sie würden zu zeitgeschichtlichen | |
| Exponaten, die entsprechend kontextualisiert werden müssten. Man erwartet | |
| auf dem neuen Grundstück aber weitere archäologische Funde: Hier standen | |
| etwa die Sanitätsbaracke und auch der Trafo, der den Lagerzaun unter | |
| Starkstrom setzte. | |
| Die Konzeption des Gedenkortes soll gemeinsam mit der KZ-Gedenkstätte | |
| Neuengamme, der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten und der | |
| Landeszentrale für politische Bildung Niedersachsen erarbeitet werden, | |
| unter Beteiligung von Opferverbänden und politischen Gremien. Die Auslobung | |
| eines Wettbewerbs für Landschaftsarchitekten, Architekten und | |
| Ausstellunggestalter soll folgen. | |
| Auch die zustimmenden Worte der Fachgutachter während der Ratssitzung – | |
| Detlef Garbe, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Michael Geschwinde, | |
| Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege und Christoph Heubner, | |
| Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees – können | |
| nicht alle Bedenken zu diesem Kompromiss ausräumen. Dazu bleiben zu viele | |
| Fragen. Allen voran, wie es zu diesem geschichtsvergessenen Umgang mit dem | |
| Ort kommen konnte. | |
| Die Piratenfraktion bezeichnete das Gesamtkonzept dann auch als 1b-Lösung | |
| und enthielt sich der Stimme, die AfD votierte dagegen: wegen der | |
| Folgekosten des geplanten „Erinnerungsschaukastens“. Für Oberbürgermeister | |
| Klaus Mohrs wird die breite Zustimmung der anderen Fraktionen als | |
| Aufforderung zu werten sein, sich nun umfassend in einer zentralen | |
| Einrichtung mit der Geschichte der Stadt Wolfsburg zu befassen. Derzeit | |
| praktiziert die Stadt ein musealisiertes Gedenken an versprengten Orten. | |
| 22 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Maria Brosowsky | |
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