| # taz.de -- Rechtsradikale im Beirat von Bergen-Belsen: Darf man die AfD ausspe… | |
| > Die AfD-Fraktion hat Anspruch auf einen Sitz im Stiftungsrat der | |
| > Niedersächsischen Gedenkstätten. SPD und CDU erwägen, das zu verhindern. | |
| > Zu Recht? | |
| Bild: Ein Holocaust-Überlebender besucht die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen | |
| ## Ja | |
| AfDler, die die Arbeit der niedersächsischen NS-Gedenkstätten | |
| kontrollieren? Geht’s noch? Eine Partei , in der man ungestraft vom | |
| deutschen „Schuldkult“ schwadronieren darf, hat an dieser Stelle einfach | |
| nichts zu suchen. | |
| Man stelle sich das nur mal vor: Frühere Lagerhäftlinge von Bergen-Belsen | |
| müssten mit Leuten an einem Tisch sitzen, die finden, es sei jetzt langsam | |
| mal gut mit Gedenken. Unerträglich, aber es könnte viel schlimmer kommen: | |
| Gerade ist bekannt geworden, dass fast ein Sechstel der | |
| AfD-Bundestagsfraktion einer Facebook-Gruppe angehörte, in der die in | |
| Bergen-Belsen ermordete Anne Frank als „die ofenfrische“ verhöhnt wird. | |
| Wenn sich die Begegnung der Opfer mit solchen Leuten nicht auf anderem Wege | |
| verhindern lässt, dann eben mit einer „Lex AfD“, die die Regeln so fasst, | |
| dass die Rechten draußen bleiben. | |
| Natürlich werden sie dann wieder rumheulen, die „Altparteien“ würden ihre | |
| Pfründe sichern. Die AfD als demokratisch gewählte Partei, die von den | |
| „Altparteien“ geschnitten wird – da gilt es zu unterscheiden: demokratisch | |
| gewählt ist ja nicht gleich demokratisch. Wer jede Menge Antidemokraten in | |
| seiner Partei duldet, muss sich nicht wundern, wenn er für Demokraten nicht | |
| satisfaktionsfähig ist. Und ja: Kernbestandteil der deutschen Demokratie | |
| ist nun mal die Anerkenntnis der deutschen Verbrechen. | |
| Natürlich würde die AfD es nach Kräften ausschlachten, wenn sie aus dem | |
| Stiftungsrat herausmanövriert würde. Aber die Frage ist doch, was | |
| eigentlich besser ist: Eine AfD, die sich einmalig und unübersehbar im | |
| eigenen Interesse über eine vermeintlich ungerechte Behandlung beklagt. | |
| Oder eine AfD, die über vier Jahre jede Debatte im Stiftungsrat dafür | |
| missbraucht, sich über das Gedenken an die Shoah an sich zu mokieren, | |
| womöglich gewürzt mit genüsslich in den sozialen Medien breitgetretenen | |
| Interna aus den Sitzungen. | |
| Dass die gegenwärtige Rechtslage die Beteiligung aller Fraktionen an dem | |
| Gremium vorsieht, ist kein Grund, es dabei zu belassen. Gesetze sollen | |
| dafür sorgen, dass Gesellschaft funktioniert. Wo sie es nicht tun, muss man | |
| sie ändern. | |
| Das muss nicht heißen, dass nur die AfD als kleinste Fraktion | |
| ausgeschlossen wird. Dann könnte man nach der nächsten Wahl dasselbe | |
| Problem wieder auf dem Tisch haben. Vielleicht sollten die Parteien einfach | |
| ganz auf ihr Belegrecht verzichten. Sie könnten stattdessen Personen des | |
| öffentlichen Lebens für den Stiftungsrat nominieren, die vom Landtag mit | |
| Mehrheit gewählt würden. Dann hätten Nominierte auf AfD-Ticket mutmaßlich | |
| keine Chance. Es sei denn, es gelänge der Partei, Personal aufzustellen, | |
| das das Gedenken an die NS-Verbrechen nicht grundsätzlich infrage stellt. | |
| Die AfD hätte ihr Schicksal sozusagen selbst in der Hand. Jan Kahlcke | |
| ## Nein | |
| Natürlich ist die Vorstellung ekelerregend, dass ein Abgeordneter jener | |
| Partei einen Sitz im Stiftungsrat erhalten soll, deren bekannteste | |
| Repräsentanten die NS-Zeit als „diese zwölf Jahre“ bezeichnen, die „uns… | |
| Identität heute nicht mehr“ beträfen. Und die vom Holocaust-Mahnmal in | |
| Berlin als „Denkmal der Schande“ faseln und deren Mitglieder gern mal | |
| gemeinsam mit der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ auf die Straße | |
| gehen. Aber: Auch so etwas muss manchmal schlichtweg ausgehalten werden. | |
| Denn die AfD ist eine demokratisch legitimierte Partei – dass sie in den | |
| niedersächsischen Landtag eingezogen ist, entspricht dem Ergebnis einer | |
| demokratischen Wahl oder, um es noch deutlicher auszudrücken: | |
| WählerInnenwillen, auch wenn das schwer auszuhalten ist. Zieht eine Partei | |
| in Fraktionsstärke in ein Parlament ein, bedeutet das also auch, dass sie | |
| ein Recht darauf hat, in Gremien zu sitzen, die nun einmal von Abgeordneten | |
| der parlamentarischen Fraktionen besetzt werden. So sind die Regeln, und | |
| die gelten auch für die AfD. | |
| Jetzt das Gesetz zu ändern, um zu verhindern, dass ein AfDler einen Sitz im | |
| Stiftungsrat erhält, hieße, den Willen von 6,2 Prozent der WählerInnen zu | |
| unterlaufen – es sei denn, es dürften dann überhaupt keine Abgeordneten | |
| mehr in den Stiftungsrat. Aber selbst diese Variante würde zum jetzigen | |
| Zeitpunkt der AfD nur in die Hände spielen. Denn das Gesetz würde | |
| ausschließlich wegen ihr geändert – und sie wird das für sich | |
| ausschlachten. | |
| Die Substanz der AfD besteht ja, wie bei allen Populisten, daraus, sich und | |
| ihre AnhängerInnen stets als Angegriffene eines nicht näher bezeichneten | |
| „Establishments“ zu stilisieren, das „Denkverbote“ erteilt und sie hind… | |
| will, die „Wahrheit“ auszusprechen. Das würde jetzt wieder geschehen. Und | |
| zwar lautstark. Es wäre falsch, das zuzulassen oder besser: auszulösen. | |
| Vielleicht trägt die Stiftungsratsmitgliedschaft eines AfDlers ja sogar ein | |
| bisschen zur ohnehin fortschreitenden Demontage der AfD bei. Denn | |
| angesichts der dort tobenden Richtungskämpfe ist die Wahrscheinlichkeit | |
| hoch, dass jedes Wort, das von ihrem Abgeordneten im Stiftungsrat fällt, | |
| innerhalb der Partei für Zündstoff sorgen wird. Verhindert werden kann das | |
| eigentlich nur, wenn der seine Mitgliedschaft schweigend ausüben würde – | |
| was ja durchaus begrüßenswert wäre. | |
| Jenseits solcher Spekulationen: Sowohl die Fraktionsvertreter als auch die | |
| anderen Mitglieder des Stiftungsrats sowie die Opferverbände sind sich doch | |
| einig in ihrer Haltung gegenüber der geschichtsrevisionistischen Haltung | |
| der AfD. Sie sind also in der Mehrheit gegen einen einzigen Abgeordneten, | |
| der die Stiftungsarbeit zwar nicht angenehmer machen wird – der sie aber | |
| auch nicht zerstören kann. Womit auch? Simone Schnase | |
| 12 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Kahlcke | |
| Simone Schnase | |
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