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# taz.de -- Urteil im Stiftungsrat-Prozess: AfD darf ausgeschlossen werden
> Die AfD hat kein Recht auf einen Sitz im Stiftungsrat niedersächsischer
> Gedenkstätten. Das hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof
> entschieden.
Bild: Rechts außen die Vertreter*innen der AfD, links die der anderen Parteien…
Hamburg taz | Die AfD ist vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg
gescheitert. Vor dem Gericht wollte die niedersächsische Landtagsfraktion
der Partei einen Sitz im Stiftungsrat niedersächsischer Gedenkstätten
erstreiten. Das Gericht lehnte die Klage aber am Dienstag ab.
„Die Stiftung kann jetzt endlich mit der Arbeit beginnen, darüber sind wir
sehr froh“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen
Landtagsfraktion Helge Limburg der taz. Die von der AfD angestoßenen
geschichtsrevisionistischen Debatten um „Stolz auf die Wehrmacht“ oder eine
anstehende „Wende“ in die Geschichts- und Erinnerungskultur, zeigten, wie
nötig diese Arbeit sei, so Limburg.
Gerichts-Präsident Herwig van Nieuwland sagte, die Klage der AfD-Fraktion
sei teilweise nicht zulässig und nicht begründet. Im Juli vergangen Jahres
hatte die Fraktion um die Vorsitzende Dana Guth die Klage eingereicht, mit
der sie sich gegen eine Änderung des Gedenkstättengesetzes wandte. Die AfD
wurde dadurch aus dem Stiftungsrat ausgeschlossen.
Nach einem Gutachten des Staatsrechtlers Karl Albrecht Schachtschneider
habe die Mehrheit im Landtag mit dieser Änderung einen „deutlichen
Verfassungsverstoß“ verübt, so die AfD.
Schachtschneider, der sich seit Jahren in rechtspopulistischen und
rechtsextremen Kreisen bewegt, argumentierte, mit der Änderung des Gesetzes
würden die „fundamentalsten Rechte“ der AfD beschnitten. Denn nach Artikel
19 und 20 der niedersächsischen Landesverfassung hätten die
Oppositions-Fraktionen ein Recht auf Chancengleichheit in Parlament und
Öffentlichkeit. Artikel 20 lege fest, dass alle Fraktionen entsprechend
ihrer Stärke in den Ausschüssen vertreten sein müssten, mindestens jedoch
durch ein Mitglied mit beratender Stimme. „Moralistische Befürchtungen
gegenüber der AfD haben keinen Verfassungsrang“, meinte Schachtschneider.
In der Entscheidung erklärt das Gericht jedoch, „das Recht auf
Chancengleichheit 'im Parlament’ nach Art. 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 NV“
verpflichtet den Landtag nicht, jeder Fraktion „die Entsendung eines ihrer
Mitglieder in den Stiftungsrat zu ermöglichen“. Denn nach der
Gesetzesänderung beruhe die Entsendung „allein auf dem 'Modell der
Repräsentanz des Niedersächsischen Landtages im Stiftungsrat’“. Diese
Repräsentanz sei durch vier Landtagsabgeordnete gegeben, die der Landtag
nach dem Mehrheitsprinzip wählt. Die Gesetzesänderung selbst sei ebenfalls
rechtens, da die AfD „hinreichend Gelegenheit“ gehabt habe, ihre ablehnende
Haltung im Parlament einzubringen. Die „jeweiligen Abstimmungen seien „nach
dem Mehrheitsprinzip erfolgt und korrekt verlaufen“.
Im Februar hatte der Landtag das Gesetz geändert. Nach dem Einzug der AfD
ins Parlament war eine Debatte um ihr mögliches Agieren in der Stiftung
aufgekommen. Die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen, die von der Stiftung
getragen wird, protestierte. Überlebendenverbände aus den USA, Frankreich
und Israel hatten sich an die Stiftung gewandt und die weitere
Zusammenarbeit infrage gestellt, sollte die AfD in den Stiftungsrat
einziehen.
Die Stiftung zeigt sich erleichtert. „Wir hatten keine andere Entscheidung
erwartet, weil es unsererseits keinen Zweifel daran gab, dass die
Gesetzesänderung rechtskonform ist“, sagte Stiftungs-Geschäftsführer
Jens-Christian Wagner nach dem Urteil. „Im Stiftungsrat sollte nur
mitarbeiten, wer den gesetzlich definierten Stiftungszweck unterstützt“,
führte Wagner aus. „Das trifft auf die AfD-Landtagsfraktion, wie ich mich
selbst Ende 2017 in einem Gespräch mit ihrer Fraktionsspitze überzeugen
konnte, nicht zu.“
## Das Märchen von der Opfer-Rolle
In der Partei werde „die Verharmlosung oder gar Leugnung der NS-Verbrechen“
geduldet, sie treibe auch offen „Antisemitismus, Rassismus und
rechtsextreme Hetze gegen Geflüchtete und Andersdenkende“ voran. Solche
Positionen würden die Stiftung und ihr Anliegen deutlich beschädigen, die
Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und die Würdigung der Opfer in der
Gesellschaft zu fördern, so Wagner.
Die Entscheidung begrüßten bis auf die AfD alle Parteien im Landtag. Die
SPD-Landtagsabgeordnete Wiebke Osigus sagt, das „Ziel des Gesetzes“ sei
erreicht: „die Arbeitsfähigkeit des Stiftungsrates und die weitere
Mitarbeit der Opferverbände in diesem Gremium zu gewährleisten“.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion Jens Nacke
fügte hinzu: „Mit der Änderung des Gedenkstätten-Gesetzes haben wir
verhindert, dass die Opferverbände aus der Gedenkstättenarbeit aussteigen.“
Er glaubt, dass es der AfD gar nicht um einen Sieg vor Gericht ging, sie
wollte „einmal mehr das Märchen von der Opferrolle erzählen, in die sie die
anderen Parteien angeblich hineindrängen“.
16 Jan 2019
## AUTOREN
Andreas Speit
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AfD Niedersachsen
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