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# taz.de -- Buxtehude verhindert Syrien-Vortrag: Politisch oder nicht?
> Die Stadt Buxtehude verbietet eine Live-Reportage über Syrien vor dem
> Krieg in einer Schulaula, weil die politisch sei. Ein Vortrag über
> Finnland wäre dagegen okay.
Bild: Ausverkauftes Haus: Lutz Jäkel bei einem Vortrag über Syrien in Köln
Hannover taz | Eine Mann und eine Frau sitzen auf einer Stufe in einem Park
und unterhalten sich. Vor ihnen stehen Glasflaschen mit gelber Brause. Sie
lächeln und wirken entspannt. Fotojournalist Lutz Jäkel hat die Aufnahme
gemacht. [1][Seine Bilder] zeigen Syrien vor dem Krieg. Gebetsräume aller
Religionen und Betende, spielende Kinder oder ein alter Mann, der sich von
einem wohl noch älteren Friseur die Haare schneiden lässt.
Aus diesen Fotografien des syrischen Alltags hat Jäkel eine Live-Reportage
für die Bühne konzipiert. Damit wollte er – auf Einladung einer
Stadtteilelterngruppe – im April auch im niedersächsischen Buxtehude
auftreten. Doch die Kleinstadt legte ihr Veto ein.
Das Problem: Die Stadtverwaltung in Buxtehude wertet die Veranstaltung als
politisch. Es gibt [2][einen Ratsbeschluss] von 2017, der besagt, dass in
Schulgebäuden keine politischen und religiösen Veranstaltungen stattfinden
dürfen. Und der größte Veranstaltungssaal der Stadt mit rund 500 Plätzen,
ebenjener, den die Stadtteilelterngruppe buchen wollte, liegt in der
Halepaghen-Schule.
Dunja Sabra von den Stadtteileltern des Familienbildungszentrums in
Buxtehude ärgert diese Einschätzung der Verwaltung, die auch die
Bürgermeisterin von Buxtehude Katja Oldenburg-Schmidt (parteilos) mitträgt.
„Unser Anliegen ist es, mit dieser Reportage die Bilder in den Köpfen zu
revidieren“, sagt Sabra.
Syrien und auch die Menschen, die von dort nach Deutschland gekommen seien,
würden in den Medien beinahe ausschließlich mit Not, Leid, Krieg, Flucht
und Armut in Verbindung gebracht. „Dabei hat das Land eine reiche Kultur,
eine lange Tradition und es haben dort viele Ethnien und Religionen
friedlich zusammengelebt.“ Um das zu zeigen, hat die Initiative Jäkel
eingeladen.
## Ganz unpolitisch geht nicht
„Wir haben nicht mit Widerstand gerechnet“, sagt Sabra, die sich in ihrer
Arbeit angegriffen fühlt. Die Initiative setzt sich für Integration und
Völkerverständigung ein. Vier Wochen habe sich die Verwaltung Zeit gelassen
und ihnen dann in einem persönlichen Gespräch die Absage erteilt. Sie
unterstütze eigentlich den Ratsbeschluss, sagt Sabra. „Es ist sinnvoll,
dass in Schulen keine Wahlkampfveranstaltungen stattfinden dürfen, aber bei
dem Vortrag geht es um Kultur und Geschichte.“
So sieht das auch der Referent Jäkel selbst, der 2011 zuletzt in Syrien
war. „Ich wundere mich, dass mich niemand von der Stadt gefragt hat“, sagt
er. Natürlich erwähne er bei einer Veranstaltung über Syrien auch den Krieg
und er thematisiere als Journalist auch am Ende seines Vortrages die
diktatorische Regierung.
„Wie soll man auch völlig unpolitisch über ein Land berichten, dass sich
seit acht Jahren in einem fürchterlichen Krieg befindet?“ Doch es gehe ihm
vor allem darum, den täglichen Kriegsbildern etwas entgegenzusetzen. Mehr
Wissen über das Land helfe, Vorurteile abzubauen, sagt Jäkel.
Es ist tatsächlich nicht besonders eindeutig, was die Stadtverwaltung als
politisch einstuft und was nicht. Im Februar tritt Entertainer Kay Ray auf
der Halepaghen-Bühne auf. Der wird im Kartenvorverkauf so angepriesen: „Kay
Ray teilt aus nach allen Seiten, ohne Rücksicht auf Verluste und
Zeitgeistbefindlichkeiten, ohne Angst vor Nazikeulenschwingern oder Applaus
von der falschen Seite.“ Ist das jetzt weniger politisch als ein
Syrien-Vortrag?
## Ratsbeschluss auf den Prüfstand
Zudem berichten Sabra und ihre Mitstreiterin Birgit Wilhelmy davon, dass
eine Stadtmitarbeiterin in dem gemeinsamen Gespräch gesagt habe, dass ein
Vortrag über Finnland kein Problem sei.
Die Stadt schließt das nicht aus. „Es gibt keine Richtlinien dafür, was als
politisch gilt. Das wird im Einzelfall entschieden“, sagt der Sprecher der
Verwaltung, Thomas Bücher. Künftig müsse man aber über solche
Veranstaltungen wie die von Kay Ray möglicherweise anders entscheiden.
Vielleicht müsse der ganze Ratsbeschluss noch einmal auf den Prüfstand,
„weil das für die Zukunft weitreichende Konsequenzen haben kann, die wir so
in der Form weder politisch noch von Verwaltungsseite her beabsichtigt
haben“, sagt Bücher.
Es sei nicht darum gegangen, den Vortrag zu unterbinden oder eine
politische Haltung zu bewerten, sagt der Stadtsprecher. „Wir haben sofort
für Ersatz gesorgt.“ Die Stadt reservierte einen alternativen Raum mit 199
Plätzen in einem anderen Gebäude.
„Grundlage dafür, die Veranstaltung als politisch zu bewerten, war eine
Recherche im Internet“, sagt Bücher. In vielen Städten habe es eine
Diskussion nach dem Vortrag gegeben und dabei habe sich Jäkel politisch
geäußert.
So eine Anschluss-Diskussion war in Buxtehude jedoch gar nicht geplant.
„Wir wollten nur, dass die Gäste in der Pause ins Gespräch kommen“, sagt
Sabra. Den kleineren Raum will die Initiative nicht annehmen. Sie kenne
mindestens 150 syrische Geflüchtete, die sofort dabei wären. „Das soll aber
keine Veranstaltung von Syrern für Syrer werden“, sagt Sabra. „Wir wollen
die Buxtehuder Mehrheitsgesellschaft erreichen.“ Sie hoffe deshalb darauf,
dass die Bürgermeisterin ihre Meinung ändere.
30 Jan 2019
## LINKS
[1] https://lutz-jaekel.com/galleries/syrien/
[2] https://www.buxtehude.de/allris/vo020.asp?VOLFDNR=1311
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Buxtehude
AfD Niedersachsen
Rechtsextremismus
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