| # taz.de -- Politische Bildung in Niedersachsen: Zurück im Kreis der Demokraten | |
| > Nach zwölf Jahren entsteht in Hannover wieder eine Zentrale für | |
| > politische Bildung. Korrigiert wird so eine Fehlentscheidung von | |
| > CDU-Ministerpräsident Wulff. | |
| Bild: iedersachsens Waffe gegen antidemokratische Tendenzen: lebenslanges Lernen | |
| HANNOVER taz | Nach Angriffen auf Flüchtlingsheime und steigender | |
| Aggressivität gegenüber Minderheiten und Andersdenkenden investiert | |
| Niedersachsen in Aufklärung: Nach zwölf Jahren Streit will sich der Landtag | |
| parteiübergreifend für die Schaffung einer neuen Landeszentrale für | |
| politische Bildung aussprechen. | |
| Alle im Parlament vertretenen Parteien haben sich dazu auf einen | |
| gemeinsamen Beschluss geeinigt, bestätigten Abgeordnete von SPD, Grünen und | |
| FDP der taz. Zwar muss eine gemeinsame Beschlussempfehlung des | |
| Wissenschaftsausschusses am kommenden Montag und Dienstag noch von den | |
| Fraktionen abgesegnet werden. Die Zustimmung gilt allerdings als Formsache. | |
| Ein Parlamentsbeschluss dürfte schon am Donnerstag folgen: Die | |
| Landeszentrale ist dann ab 12 Uhr Thema des Landtagsplenums. „Alle Parteien | |
| haben ihre Kompromissfähigkeit bewiesen“, sagte die grüne Parlamentarierin | |
| Julia Willie Hamburg: „Das ist sehr schön.“ | |
| Niedersachsen war in den vergangenen zwölf Jahren das einzige Bundesland | |
| ohne Landeszentrale für politische Bildung: 2004 hatte der damalige | |
| Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ihre Schließung angeordnet, um | |
| seine rigide Sparpolitik durchzusetzen. Teile ihrer Arbeit sollten vom | |
| Landespräventionsrat und der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, aber | |
| ausgerechnet auch vom Verfassungsschutz übernommen werden. Wulffs | |
| rechtsgerichteter Parteifreund und Innenminister Uwe Schünemann (CDU)wollte | |
| so besonders über vermeintliche Gefahren des Linksextremismus aufklären, | |
| die das Land bisher angeblich vernachlässigt habe. Selbst | |
| Lehrerfortbildungen sollten die Verfassungsschützer nach Vorstellung des | |
| Hardliners organisieren. | |
| Das aktuelle, seit 2013 regierende rot-grüne Bündnis hat die Abschaffung | |
| der Landeszentrale dagegen schon in ihrem Koalitionsvertrag als „falsch“ | |
| gebrandmarkt. Immer wieder forderte SPD-Ministerpräsident Stephan Weil als | |
| Reaktion auf Demokratiefeindlichkeit verstärkte Investitionen in politische | |
| Bildungsangebote – zuletzt im Februar: „Nur die Vermittlung einer | |
| umfassenden demokratischen Grundbildung hilft uns, offenbar immer stärker | |
| werdenden antidemokratischen Tendenzen entgegenzutreten“, mahnte der | |
| Regierungschef. | |
| Bisher aber sperrte sich die Landtagsopposition. Um CDU und FDP Druck zu | |
| machen, gingen Sozialdemokraten und Grüne zunächst mit einem eigenen Antrag | |
| ins Rennen, dem es an Schuldzuweisungen und Vorwürfen nicht mangelte: „Ein | |
| schwerwiegender politischer Fehler“ sei die Abschaffung gewesen, hieß es | |
| darin – trotz Herausforderungen wie „Pegida“, Islamophobie und permanent | |
| sinkender Wahlbeteiligung fehlten „klare analytische Aussagen und | |
| Austauschforen. | |
| Gefördert werde so nicht nur eine „Schlussstrichmentalität gegenüber der | |
| deutschen Vergangenheit“, sondern auch eine „zunehmende Skepsis gegenüber | |
| dem Friedensprojekt Europa“. Auch der Leugnung des Klimawandels oder der | |
| Diskriminierung von Angehörigen sexueller Minderheiten könne eine | |
| neugeschaffene Landeszentrale entgegentreten, hieß es neben vielen weiteren | |
| Punkten zur Begründung. | |
| In der aktuellen, von allen vier Fraktionen mitgetragenen | |
| Beschlussempfehlung des Wissenschaftsausschusses, die der taz vorliegt, | |
| fehlen diese Schuldzuweisungen in Richtung Opposition natürlich. „Die | |
| Grundstruktur unseres Antrags ist aber nicht verändert worden“, betont | |
| deshalb der SPD-Abgeordnete Marco Brunotte. | |
| Auf Druck der Christdemokraten wurden außerdem Begriffe wie | |
| „Rechtsextremismus“ durch „verfassungsfeindliche Bestrebungen ersetzt“ … | |
| der Hannoverschen Allgemeinen hatte der CDU-Mann Jörg Hillmer zuvor über | |
| die „starke ideologische Prägung“ des rot-grünen Antrags geklagt. Auf | |
| Hinweis der Liberalen sei klargestellt worden, dass die Leitung der | |
| Landeszentrale „nicht zum Abstellgleis für altgediente Parteifunktionäre | |
| wird“, so der FDP-angeordnete Christian Grasch. Die neue | |
| Bildungseinrichtung soll zunächst mit einem Etat von einer Million Euro | |
| ausgestattet werden. Bis 2004 standen der Landeszentrale 1,6 Millionen Euro | |
| zur Verfügung. | |
| 7 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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