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# taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Wir werden uns einmischen müssen
> Darf man Gesetze ändern, um die AfD auszuschließen? Das ist eine sehr
> schwierige Frage. Für mich allein weiß ich, was ich tun muss: Ich bin
> zuerst meinem Gewissen verpflichtet.
Bild: Holocaust-Mahnmal in Berlin: AfD-Politiker Björn Höcke bedauert, dass �…
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist so etwas wie das Kind in der
Familie, von dem sich der Rest der Familie insgeheim wünscht, es würde
nicht dazugehören. Es ist das Kind in der Familie, das immer wieder Dinge
tut, die den Rest der Familie sich die Hände vor das Gesicht schlagen
lässt.
Wir sind abwechselnd beschämt, empört, verzweifelt, wir wollen mit diesem
Kind nichts zu tun haben. Wir sagen: Es gehört nicht zu uns. Aber wie man
es dreht und wendet, es ist unser Kind, ein Kind unserer Demokratie,
unseres Landes. Es sind unsere Nachbarn, unsere Verwandten, die die AfD
gewählt haben, die sie unterstützen oder sogar Mitglied sind.
Ich kenne einen AfD-Wähler persönlich. Ich möchte gerne glauben, dass er
beim nächsten Mal, nach allem was wir wissen, nicht noch einmal die AfD
wählen wird. Menschen sind so komplizierte Wesen. Aber die Motive ihres
Handelns sind oft so schlicht und beschämend.
Wie gehen wir, wie gehe ich mit der Tatsache um, dass die AfD einen Teil
Regierungsmacht auch über mich erhalten hat, aufgrund einer demokratischen
Wahl? Was ist diese Demokratie mir wert, wenn sie doch auch, am Ende, zum
Faschismus führen kann? Zu einem System, das der Demokratie entkleidet
worden ist. Denn so funktioniert das, schleichend. Erst bedient man sich
der Demokratie, um sie dann zu vernichten.
Die Stiftung der niedersächsischen Gedenkstätten kümmert sich, zum
Beispiel, um den Erhalt des Konzentrationslagers Bergen-Belsen im Kreis
Celle, in das das Mädchen Anne Frank gebracht wurde. Fast jedes Kind kennt
Anne Frank aufgrund ihres Tagebuches, aufgrund einer Schulbildung, die die
Erinnerung an Konzentrationslager wachhält.
Die Stiftung der niedersächsischen Gedenkstätten soll eben jene Erinnerung
bewahren. Am 4. März wird es eine Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der
Deportation von Sinti und Roma nach Auschwitz geben. Wenn man möchte, dann
kann man sich auf einer der Veranstaltungen darüber informieren, wie Kinder
aus der Schule geholt, und gemeinsam mit ihren Eltern von Bergen-Belsen zu
ihrer Ermordung nach Auschwitz gebracht worden sind.
Der Bundestagsabgeordnete der AfD, Wilhelm von Gottberg, hat im
Ostpreußenblatt einen italienischen Neofaschisten zitiert, nach dem der
Holocaust ein Mythos wäre. Dem hätte er nichts mehr hinzuzufügen. Das
AfD-Mitglied Wolfgang Gedeon darf aufgrund der in seinem Buch vertretenen
Ansichten offiziell als Holocaustleugner bezeichnet werden. Das hat das
Landgericht Berlin entschieden.
Björn Höcke hat das Holocaust-Denkmal in einer Rede ein „Denkmal der
Schande“ genannt. Wie auch immer er dort missverstanden sein wollte, was
sich schwer missverstehen lässt, ist seine in diesem Zusammenhang stehende
Aussage, dass er bedauere, dass „die deutsche Geschichte mies und
lächerlich gemacht (werde). So kann es und darf es nicht weitergehen“.
Dies sind Beispiele zur Einstellung einiger AfD-Mitglieder zum Holocaust.
Keiner der zitierten AfD-Mitglieder ist aufgrund dieser Äußerungen aus der
Partei ausgeschlossen worden. Und nun soll also ein Mitglied der AfD im
Stiftungsrat für die niedersächsischen Gedenkstätten sitzen.
Die Überlebendenverbände sind nicht einverstanden, sie wollen mit
Angehörigen einer Partei, die solche Mitglieder duldet, nichts zu tun haben
müssen. Die Landesregierung überlegt, das Gedenkstättengesetz zu ändern,
so, dass die AfD keinen Platz mehr hätte. Ist das richtig? Gesetze ändern,
damit sie einem in den Kram passen? Und was ist, wenn die AfD stärker wird?
Das Gesetz noch einmal ändern? Ist es legitim, rechtsstaatliche Mittel
anzuwenden, die man unter anderen Umständen nicht anwenden würde?
Es ist sehr, sehr schwierig. Für mich allein weiß ich, was ich tun muss.
Ich weiß, wem ich verpflichtet bin; zuallererst meinem Gewissen. Denn
Gesetze sind, wie alles Menschengemachte, voller Lücken. Wir werden noch
viel überlegen und diskutieren müssen. Wir werden uns alle noch sehr
einmischen müssen. Denn das Schädlichste sind nicht die Fehler, die wir
machen, sondern die Gleichgültigkeit.
14 Feb 2018
## AUTOREN
Katrin Seddig
## TAGS
AfD Niedersachsen
Schwerpunkt AfD
Holocaust
Holocaust-Leugner
AfD Niedersachsen
Gedenkstätte
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Rassismus
Wolfgang Gedeon
NS-Verfolgte
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